I N F O R M A T I O N E N
ÜBER VIETNAM UND LÄNDER DER DRITTEN WELT
Berlin, Mai 1966
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Nr. l
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Unkostenbeitrag -,10 DM
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AN DIE TEILNEHMER DER BERLINER VIETNAM-DEMONSTRATIONEN
Mit immensem Aufwand versucht die amerikanische Regierung,
das demokratische Gewissen zu beruhigen. Fadenscheinige juristische
Konstruktionen und die Lügen der "white papers" sollen
die US-Intervention in Vietnam vor einer irritierten Öffentlichkeit
rechtfertigen. In den Lücken der Argumentation erscheint das
Gespenst des "asiatischen Kommunismus", tönt der massive
Appell an den "Pioniergeist", schwimmt die verlogene Larmoyance
der Präsidententränen.
Jedermann weiß heute, wie der "cordon sanitaire" aussieht,
den das Flächenbombardement produziert, wie das "Tränengas"
wirkt, an dem nicht nur australische Soldaten ersticken, welches Elend
die "ungiftigen Mittel" zur Vernichtung der Ernte über
die Zivilbevölkerung bringen. Jedermann weiß, daß
Vertreibung sich hinter der "Umsiedlung" verbirgt, daß
es Konzentrationslager sind, die der Terror als "Dörfer
des neuen Lebens" präsentiert, daß die "pacification"
des CIA den Zwangsstaat schaffen soll, der "population control"
endgültig garantiert,
All das hat man gelernt zwischen den Zeilen zu lesen, nachdem die
Berichterstattung über Vietnam schon längst zu einer Farce
auf alles demokratische Recht auf freie Information geworden ist.
All das ist bekannt unter denen, die sich nicht abfinden können
mit Regierungen, die lauthals von Freiheit reden und Flächenbombardements
meinen. Um so verwunderlicher, daß es dieselben Leute sind,
die sich verwundern über die Effektlosigkeit ihres weltweiten
Protestes, und einen ehrlichen Frieden ernsthaft von derselben Regierung
erwarten, die sie einer jahrzehntelangen systematischen Aggression
überführten. "Sofortige Einstellung der Bombenangriffe
auf Nordvietnam!" "Sofortiger Abzug der amerikanischen Truppen!":
Vor dem Weißen Haus vorgetragen, das erklärtermaßen
nach einem Waffenstillstand 20 Jahre in Südvietnam zu verbleiben
gedenkt, nehmen diese Forderungen ihre Effektlosigkeit anscheinend
von vornherein in Kauf. Sie setzen eine Regierung in Washington voraus,
für die Vietnam ein Mißgriff, eine aufgedeckte Affaire
bedeutet, leugnen die unerbittliche Konsequenz, die zur Einrichtung
dieses Schlachthauses führte, und nützen unversehens allein
der amerikanischen Politik, der sie damit "eigentliche"
Lauterkeit bescheinigen.. Die unvermittelten Sofort-Forderungen, die
das Problem nicht lösen, sondern es nur vom Halse schaffen wollen,
lassen die beschworene Solidarität mit der leidenden vietnamesischen
Bevölkerung in einem schlechten Licht erscheinen. Die einfache
demokratische Moral aller Gutgesinnten, die an den Henker appellieren,
sein Opfer doch laufen zu lassen, erscheint hier plötzlich als
Ignoranz, die allein ihre saubere Weste vorzeigen will.
Diese drei Kardinalfehler, ungewollte Unterstützung der US-Regierung,
Identifikation mit den Opfern, die auf Kontemplation hinausläuft,
Narzißmus, der sich seine Untadeligkeit selbst bescheinigt,
rühren her von einer Menschlichkeit, die ohne genaue Analyse
der Situation auskommen zu können meint. Wer Frieden fordert,
muß danach sehen, wie dieser aussehen wird: "Unnützes
Blutvergießen" findet in Südafrika nicht statt; "Ruhe
und Ordnung" herrschen in Angola. Der Bürgerkrieg auf den
Philippinen ist "glücklich beendet".
Die demokratisch aufrechte Gesinnung wird ihr Gewicht erst wieder
gewinnen, wenn sie sich endlich an die rechte Adresse wendet, wenn
sie erkennt, daß mit den Henkern im Weißen Haus nicht
mehr zu disputieren ist. "Abzug der amerikanischen Truppen",
"Freie Wahlen für Südvietnam", das sind Forderungen
an den Vietcong, einen gerechten Frieden endlich zu erzwingen, Forderungen,
die nicht hilflos bleiben in der Solidarität mit den Unterlegenen,
die eine lahme deutsche Protestbewegung bis heute bejammerte, sondern
die schlagkräftig werden in der Solidarität mit den Siegern,
schlagkräftiger werden mit jedem abgeschossenen amerikanischen
Flugzeug, mit jedem verbrannten Einberufungsbefehl. Was bis heute
versäumt wurde, in den Verurteilten, die sich erfolgreich zur
Wehr setzen, uns selbst wiederzuerkennen und sie darum nicht nur mit
Jammer abzusingen, das ist endlich zu leisten. Unser richtig verstandenes
Interesse, das einsieht, daß jeder Sieg der Vietcong ein Sieg
für unsere Demokratie bedeutet, ist die Triebfeder der folgenden
Blätter.
Herausgeber: Sozialistischer Deutscher Studentenbund, l Berlin 31, Kurfürstendamm
140, Postscheckkonto Berlin (West) Nr. 1774. Redaktion: U.Enzensberger;
R.Fleischmann; P. Göng; H.-J. Hameister; J. Horlemann, (Anmerkung),
G. Schmidt; R. Würgau. Verantwortlich: Ulrich Enzensberger.
Themen: Theorie und Praxis des Partisanenkriegs; Gegenguerillakrieg; Auswirkungen
auf die amerikanische Demokratie; Die amerikanische Wirtschaftshilfe -
Perpetuierung der Unterentwicklung; Aktuelle Kommentare; Buddhisten; etc.
AGGRESSOREN
Die Hauptursache des Konflikts ist die Aggression Nordvietnams gegen
das tapfere und unabhängige südvietnamesische Volk. Gelingt
es, dieser Aggression Einhalt zu gebieten, so gewinnen Volk und Regierung
Südvietnams freie Hand, ihre Zukunft nach eigenem Willen selbst
zu gestalten und ihre große Aufgabe der Weiterentwicklung des
Landes voranzutreiben. Dann auch entfällt die Notwendigkeit amerikanischer
militärischer Hilfsaktionen.
(Lyndon B. JOHNSON, Präsident der Vereinigten Staaten, von Amerika,
20. August 1965)
AGGRESSOREN
Mr. MAHON (D. Tex): Glauben Sie, daß wir den Krieg in Südvietnam
allein dadurch gewinnen können, daß wir Nordvietnam bombardieren?
Minister McNAMARA: Nicht nur, indem wir den Norden bombardieren. Diese
Ansicht wird nicht von allen geteilt, aber es ist auf jeden Fall meine
eigene feste Überzeugung.
Mr. MAHON: Wenn Sie die Leute in Nordvietnam überreden könnten,
ihre Aggression in Südvietnam einzustellen, dann würden Sie
nicht durch Bombardierung Nordvietnams den Sieg erringen?
Minister McNAMARA: Ich glaube nicht, daß, solange die Vietcong
im Süden militärisch erfolgreich sind, irgendein Ausmaß
der Bombardierung des Nordens Nordvietnam veranlassen wird, die Aggression
im Süden aufzugeben.
Mr. MAHON: Wenn wir eine Politik und ein Programm zur Vernichtung (obliteration)
Nordvietnams verfolgten, würde das den Krieg beenden?
Minister McNAMARA: Meiner Meinung nach würde dies nicht vollständig
die nordvietnamesische Unterstützung der Operationen in Südvietnam
beenden. Die meisten Waffen und die meiste Munition wird von anderen
kommunistischen Staaten geliefert. (Diskussion geht ohne Band weiter)
Mr. MAHON: Das ist natürlich ein Gesichtspunkt. General Wheeler
(Chairman, Joint Chiefs of Staff), glauben Sie, daß die praktische
Vernichtung Nordvietnams den Krieg in Südvietnam erfolgreich beenden
würde?
General WHEELER: Ich bezweifle es, Sir...
(Testirnony pps. 32-3 vor dem House Appropriations Committee in einer
Ausschuß-Sitzung am 26. Januar 1966, fünf Tage vor Wiederaufnahme
der Bombardierung Nordvietnams. Die zensierten Hearings wurden erst
am 11. März, 6 Wochen nach der wiederbegonnenen Bombardierung,
freigegeben.)
PAX AMERICANA
Minister RUSK: Wir setzen uns nicht in die Position der Polizei des
Weltalls . . . Wir wollen der Welt keine Pax Romana aufzwingen.
Senator FULBRIGHT: Sie bestreiten, daß es Pax Romana gibt; in
der Tat jedoch stehen unsere Truppen in Europa, Korea, Vietnam und in
der Dominikanischen Republik. Wir unterhalten Militärmissionen
bei den meisten Völkern der Welt . . .
Senator AIKEN: Und sind wir verpflichtet, den Kommunismus zu bekämpfen,
wo immer er vorkommt?
RUSK: Nein, nein... wir unterhalten uns darüber, daß, wo
immer die kommunistischen Länder darangehen, Aggressionsakte gegen
all die Länder zu begehen, zu denen die USA in klarem Allianzverhältnis
stehen, es unsere Pflicht ist, die Verbündeten zu unterstützen.
AIKEN: Das wären also wieviel, - 80 oder 90 Länder der Welt?
RUSK: Nein, gerade etwas über 40 Länder wären davon betroffen.
AIKEN: Nur 40?
RUSK: Jawohl.
(Sen. For. Relations Hearings on Vietnam, Teil 1.)
"Die US-Marineinfantrie braucht Sie. Die Periode der Pax Romana
war die längste Zeit der Ruhe, die die zivilisierte Welt je genossen
hat. Dieser Friede wurde errungen und erhalten vom Römischen Bürgersoldaten,
der in Notzeiten seinem Volk zur Hilfe eilte. Heute braucht das Marineinfantrie-Corps
seine Bürgersoldaten, seine Reservisten, um dem eigenen Volk und
der freien Welt zur Hilfe zu kommen."
(Aufruf auf S. l in "The Reserve Marine", Januar 1966.)
PAZIFIKATIONSPROBLEME
Mr. DOWNS (ABC News): Herr General Greene, die Marines und Sie selbst
sind sehr stolz auf die civic action und das Pazifizierungsprogramm,
das die Marines zusammen mit Zivilisten in Südvietnam durchführen.
Wie kommt es, daß es Ihnen nicht gelang, Da Nang zu pazifizieren?
General GREENE (Kommandant, U. S. Marines :) Nun, ich glaube, daß
Da Nang pazifiziert ist...
Mr. DOWNS: ...Wir setzen Flugzeuge und B-52-Bomber ein, manchmal entlauben
wir ihre Agrargebiete, wir töten Zivilisten, obwohl wir das nicht
wollen . . . Wie ist es möglich, daß sie uns gerne sehen?
Wie können wir sie pazifizieren?
General GREENE: Natürlich ist das ein Problem, dem wir uns in jeder
Kampagne gegenübersehen ...
Mr. DOWNS: Sprechen Sie nicht von einer Art Okkupation? Wird es so weit
kommen?
General GREENE: Es ist keine Okkupation in irgendeinem Sinn dieses Wortes,
denn wir haben selbst keine egoistischen Interessen dort, und die Leute
erkennen das an... Je länger wir dort bleiben, um so mehr werden
die Leute das einsehen.
(aus: ABC-TV lssues and Answers, 3. April 1966)
SCHULE DER NATION
General Westmoreland über seine Jungs:
Sie sind eine außergewöhnliche Truppe - gut ausgebildet,
mit edelsten Beweggründen, mit einer souveränen Haltung gegenüber
den komplexen Problemen, die sie umgeben. Aus diesem Kriege werden einige
der besten Leute herauskommen, die dieses Land (USA) je gesehen hat.
Leute, die die politischen Realitäten souverän beherrschen,
die viel Erfahrung aus einer höchst komplizierten Situation gewonnen
haben. In zehn oder fünfzehn Jahren wird der Kongreß voll
von diesen Leuten sein. Das wird sich ... auf unsere ganze Gesetzgebung
auswirken.
(Newsweek, 18. April 1966, S. 24)
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Anmerkung: An dieser
Stelle ist in der Vorlage des Originals ein Name unleserlich. zurück
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