--   Dokumente der Studenten- und revolutionären Jugendbewegung von 1966 bis 1972  --

 

 

I N F O R M A T I O N E N

ÜBER VIETNAM UND LÄNDER DER DRITTEN WELT

Berlin, Mai 1966
Nr. l
Unkostenbeitrag -,10 DM


AN DIE TEILNEHMER DER BERLINER VIETNAM-DEMONSTRATIONEN

Mit immensem Aufwand versucht die amerikanische Regierung, das demokratische Gewissen zu beruhigen. Fadenscheinige juristische Konstruktionen und die Lügen der "white papers" sollen die US-Intervention in Vietnam vor einer irritierten Öffentlichkeit rechtfertigen. In den Lücken der Argumentation erscheint das Gespenst des "asiatischen Kommunismus", tönt der massive Appell an den "Pioniergeist", schwimmt die verlogene Larmoyance der Präsidententränen.

Jedermann weiß heute, wie der "cordon sanitaire" aussieht, den das Flächenbombardement produziert, wie das "Tränengas" wirkt, an dem nicht nur australische Soldaten ersticken, welches Elend die "ungiftigen Mittel" zur Vernichtung der Ernte über die Zivilbevölkerung bringen. Jedermann weiß, daß Vertreibung sich hinter der "Umsiedlung" verbirgt, daß es Konzentrationslager sind, die der Terror als "Dörfer des neuen Lebens" präsentiert, daß die "pacification" des CIA den Zwangsstaat schaffen soll, der "population control" endgültig garantiert,

All das hat man gelernt zwischen den Zeilen zu lesen, nachdem die Berichterstattung über Vietnam schon längst zu einer Farce auf alles demokratische Recht auf freie Information geworden ist. All das ist bekannt unter denen, die sich nicht abfinden können mit Regierungen, die lauthals von Freiheit reden und Flächenbombardements meinen. Um so verwunderlicher, daß es dieselben Leute sind, die sich verwundern über die Effektlosigkeit ihres weltweiten Protestes, und einen ehrlichen Frieden ernsthaft von derselben Regierung erwarten, die sie einer jahrzehntelangen systematischen Aggression überführten. "Sofortige Einstellung der Bombenangriffe auf Nordvietnam!" "Sofortiger Abzug der amerikanischen Truppen!": Vor dem Weißen Haus vorgetragen, das erklärtermaßen nach einem Waffenstillstand 20 Jahre in Südvietnam zu verbleiben gedenkt, nehmen diese Forderungen ihre Effektlosigkeit anscheinend von vornherein in Kauf. Sie setzen eine Regierung in Washington voraus, für die Vietnam ein Mißgriff, eine aufgedeckte Affaire bedeutet, leugnen die unerbittliche Konsequenz, die zur Einrichtung dieses Schlachthauses führte, und nützen unversehens allein der amerikanischen Politik, der sie damit "eigentliche" Lauterkeit bescheinigen.. Die unvermittelten Sofort-Forderungen, die das Problem nicht lösen, sondern es nur vom Halse schaffen wollen, lassen die beschworene Solidarität mit der leidenden vietnamesischen Bevölkerung in einem schlechten Licht erscheinen. Die einfache demokratische Moral aller Gutgesinnten, die an den Henker appellieren, sein Opfer doch laufen zu lassen, erscheint hier plötzlich als Ignoranz, die allein ihre saubere Weste vorzeigen will.
Diese drei Kardinalfehler, ungewollte Unterstützung der US-Regierung, Identifikation mit den Opfern, die auf Kontemplation hinausläuft, Narzißmus, der sich seine Untadeligkeit selbst bescheinigt, rühren her von einer Menschlichkeit, die ohne genaue Analyse der Situation auskommen zu können meint. Wer Frieden fordert, muß danach sehen, wie dieser aussehen wird: "Unnützes Blutvergießen" findet in Südafrika nicht statt; "Ruhe und Ordnung" herrschen in Angola. Der Bürgerkrieg auf den Philippinen ist "glücklich beendet".
Die demokratisch aufrechte Gesinnung wird ihr Gewicht erst wieder gewinnen, wenn sie sich endlich an die rechte Adresse wendet, wenn sie erkennt, daß mit den Henkern im Weißen Haus nicht mehr zu disputieren ist. "Abzug der amerikanischen Truppen", "Freie Wahlen für Südvietnam", das sind Forderungen an den Vietcong, einen gerechten Frieden endlich zu erzwingen, Forderungen, die nicht hilflos bleiben in der Solidarität mit den Unterlegenen, die eine lahme deutsche Protestbewegung bis heute bejammerte, sondern die schlagkräftig werden in der Solidarität mit den Siegern, schlagkräftiger werden mit jedem abgeschossenen amerikanischen Flugzeug, mit jedem verbrannten Einberufungsbefehl. Was bis heute versäumt wurde, in den Verurteilten, die sich erfolgreich zur Wehr setzen, uns selbst wiederzuerkennen und sie darum nicht nur mit Jammer abzusingen, das ist endlich zu leisten. Unser richtig verstandenes Interesse, das einsieht, daß jeder Sieg der Vietcong ein Sieg für unsere Demokratie bedeutet, ist die Triebfeder der folgenden Blätter.



Herausgeber: Sozialistischer Deutscher Studentenbund, l Berlin 31, Kurfürstendamm 140, Postscheckkonto Berlin (West) Nr. 1774. Redaktion: U.Enzensberger; R.Fleischmann; P. Göng; H.-J. Hameister; J. Horlemann, (Anmerkung), G. Schmidt; R. Würgau. Verantwortlich: Ulrich Enzensberger.

Themen: Theorie und Praxis des Partisanenkriegs; Gegenguerillakrieg; Auswirkungen auf die amerikanische Demokratie; Die amerikanische Wirtschaftshilfe - Perpetuierung der Unterentwicklung; Aktuelle Kommentare; Buddhisten; etc.

 

AGGRESSOREN

Die Hauptursache des Konflikts ist die Aggression Nordvietnams gegen das tapfere und unabhängige südvietnamesische Volk. Gelingt es, dieser Aggression Einhalt zu gebieten, so gewinnen Volk und Regierung Südvietnams freie Hand, ihre Zukunft nach eigenem Willen selbst zu gestalten und ihre große Aufgabe der Weiterentwicklung des Landes voranzutreiben. Dann auch entfällt die Notwendigkeit amerikanischer militärischer Hilfsaktionen.
(Lyndon B. JOHNSON, Präsident der Vereinigten Staaten, von Amerika, 20. August 1965)

 

AGGRESSOREN

Mr. MAHON (D. Tex): Glauben Sie, daß wir den Krieg in Südvietnam allein dadurch gewinnen können, daß wir Nordvietnam bombardieren?
Minister McNAMARA: Nicht nur, indem wir den Norden bombardieren. Diese Ansicht wird nicht von allen geteilt, aber es ist auf jeden Fall meine eigene feste Überzeugung.
Mr. MAHON: Wenn Sie die Leute in Nordvietnam überreden könnten, ihre Aggression in Südvietnam einzustellen, dann würden Sie nicht durch Bombardierung Nordvietnams den Sieg erringen?
Minister McNAMARA: Ich glaube nicht, daß, solange die Vietcong im Süden militärisch erfolgreich sind, irgendein Ausmaß der Bombardierung des Nordens Nordvietnam veranlassen wird, die Aggression im Süden aufzugeben.
Mr. MAHON: Wenn wir eine Politik und ein Programm zur Vernichtung (obliteration) Nordvietnams verfolgten, würde das den Krieg beenden?
Minister McNAMARA: Meiner Meinung nach würde dies nicht vollständig die nordvietnamesische Unterstützung der Operationen in Südvietnam beenden. Die meisten Waffen und die meiste Munition wird von anderen kommunistischen Staaten geliefert. (Diskussion geht ohne Band weiter)
Mr. MAHON: Das ist natürlich ein Gesichtspunkt. General Wheeler (Chairman, Joint Chiefs of Staff), glauben Sie, daß die praktische Vernichtung Nordvietnams den Krieg in Südvietnam erfolgreich beenden würde?
General WHEELER: Ich bezweifle es, Sir...
(Testirnony pps. 32-3 vor dem House Appropriations Committee in einer Ausschuß-Sitzung am 26. Januar 1966, fünf Tage vor Wiederaufnahme der Bombardierung Nordvietnams. Die zensierten Hearings wurden erst am 11. März, 6 Wochen nach der wiederbegonnenen Bombardierung, freigegeben.)



PAX AMERICANA

Minister RUSK: Wir setzen uns nicht in die Position der Polizei des Weltalls . . . Wir wollen der Welt keine Pax Romana aufzwingen.
Senator FULBRIGHT: Sie bestreiten, daß es Pax Romana gibt; in der Tat jedoch stehen unsere Truppen in Europa, Korea, Vietnam und in der Dominikanischen Republik. Wir unterhalten Militärmissionen bei den meisten Völkern der Welt . . .
Senator AIKEN: Und sind wir verpflichtet, den Kommunismus zu bekämpfen, wo immer er vorkommt?
RUSK: Nein, nein... wir unterhalten uns darüber, daß, wo immer die kommunistischen Länder darangehen, Aggressionsakte gegen all die Länder zu begehen, zu denen die USA in klarem Allianzverhältnis stehen, es unsere Pflicht ist, die Verbündeten zu unterstützen.
AIKEN: Das wären also wieviel, - 80 oder 90 Länder der Welt?
RUSK: Nein, gerade etwas über 40 Länder wären davon betroffen.
AIKEN: Nur 40?
RUSK: Jawohl.
(Sen. For. Relations Hearings on Vietnam, Teil 1.)

"Die US-Marineinfantrie braucht Sie. Die Periode der Pax Romana war die längste Zeit der Ruhe, die die zivilisierte Welt je genossen hat. Dieser Friede wurde errungen und erhalten vom Römischen Bürgersoldaten, der in Notzeiten seinem Volk zur Hilfe eilte. Heute braucht das Marineinfantrie-Corps seine Bürgersoldaten, seine Reservisten, um dem eigenen Volk und der freien Welt zur Hilfe zu kommen."
(Aufruf auf S. l in "The Reserve Marine", Januar 1966.)

 

PAZIFIKATIONSPROBLEME

Mr. DOWNS (ABC News): Herr General Greene, die Marines und Sie selbst sind sehr stolz auf die civic action und das Pazifizierungsprogramm, das die Marines zusammen mit Zivilisten in Südvietnam durchführen. Wie kommt es, daß es Ihnen nicht gelang, Da Nang zu pazifizieren?
General GREENE (Kommandant, U. S. Marines :) Nun, ich glaube, daß Da Nang pazifiziert ist...
Mr. DOWNS: ...Wir setzen Flugzeuge und B-52-Bomber ein, manchmal entlauben wir ihre Agrargebiete, wir töten Zivilisten, obwohl wir das nicht wollen . . . Wie ist es möglich, daß sie uns gerne sehen? Wie können wir sie pazifizieren?
General GREENE: Natürlich ist das ein Problem, dem wir uns in jeder Kampagne gegenübersehen ...
Mr. DOWNS: Sprechen Sie nicht von einer Art Okkupation? Wird es so weit kommen?
General GREENE: Es ist keine Okkupation in irgendeinem Sinn dieses Wortes, denn wir haben selbst keine egoistischen Interessen dort, und die Leute erkennen das an... Je länger wir dort bleiben, um so mehr werden die Leute das einsehen.
(aus: ABC-TV lssues and Answers, 3. April 1966)


SCHULE DER NATION

General Westmoreland über seine Jungs:
Sie sind eine außergewöhnliche Truppe - gut ausgebildet, mit edelsten Beweggründen, mit einer souveränen Haltung gegenüber den komplexen Problemen, die sie umgeben. Aus diesem Kriege werden einige der besten Leute herauskommen, die dieses Land (USA) je gesehen hat. Leute, die die politischen Realitäten souverän beherrschen, die viel Erfahrung aus einer höchst komplizierten Situation gewonnen haben. In zehn oder fünfzehn Jahren wird der Kongreß voll von diesen Leuten sein. Das wird sich ... auf unsere ganze Gesetzgebung auswirken.
(Newsweek, 18. April 1966, S. 24)


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Anmerkung: An dieser Stelle ist in der Vorlage des Originals ein Name unleserlich.      zurück zum Text

 

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