--   Dokumente der Studenten- und revolutionären Jugendbewegung von 1966 bis 1972  --

 

I N F O R M A T I O N E N 

ÜBER VIETNAM UND LÄNDER DER DRITTEN WELT
 

Berlin, Juni 1966                  Nr. 2                  Unkostenbeitrag -,10 DM



MÜSSEN DIE VEREINIGTEN STAATEN ALLES LEBEN IN VIETNAM VERNICHTEN, UM DAS LAND ZU BEFRIEDEN?

"Wir erstreben weder die Vernichtung irgendeiner Regierung, noch trachten wir nach irgendeinem Quadratmeter Landes; aber wir bestehen darauf - und werden dies immer tun -, daß das südvietnamesische Volk das Recht der freien Entscheidung haben soll, das Recht, sein eigenes Schicksal durch freie Wahlen im Süden zu gestalten - oder in ganz Vietnam unter internationaler Überwachung. Und so lange wir es verhindern können, soll ihm keine Regierung durch Gewalt und Terror aufgezwungen werden." (Lyndon B. Johnson: 28. 7. 65)
"Bei der Erfüllung unserer Pflichten in Südvietnam setzen wir in erheblichem Umfang militärische Macht ein. Zugleich machen wir Nordvietnam und der Welt klar, daß unsere Streitkräfte für einen begrenzten und klar definierten Zweck eingesetzt werden." (Dean Rusk: 18. 2. 66)

Danach haben sich also die Vereinigten Staaten zum Fürsprecher der Freiheit des vietnamesischen Volkes gemacht. Um diese Freiheit zu verwirklichen, sind sie bereit, ihre ganze militärische Macht einzusetzen. Sie führen Krieg in Vietnam. Nordvietnam wird als äußerer Aggressor strategisch bekämpft - in Südvietnam geht es darum, den inneren Feind, den Vietkong, zu zerschlagen.
 

AUSNAHMEN?

In jedem Krieg passieren unschöne Dinge, die auf technisches oder menschliches Versagen zurückzuführen sind. So auch in Vietnam.

"Sieben Leprakliniken wurden versehentlich bei Bombenangriffen im vergangenen Herbst zerstört." (New York Times, 5. 6. 62)

Auf einen Geheimdienstbericht hin wurden im Herbst 1964 dreißig feindliche Sampans im Mekongdelta von Bombern angegriffen, "innerhalb von 15 Minuten waren alle Sampans zu Kleinholz gemacht. Mehrere Wochen später erfuhr der Sektionschef, wer in den Sampans gewesen war. Ein ,trigger happy' Geheimdienstagent hatte die Sampans gesehen und richtig gezählt, seine Mutmaßung über die Insassen war allerdings nicht richtig. Sie waren alle Zivilisten; die Mehrzahl Frauen und Kinder..." (Malcolm Browne, "The Face of War", 1965)

" . .. letzte Woche wurden bei einem irrtümlichen Angriff auf ein Dorf 48 Bauern getötet." (Spiegel Nr. 46 1965)

Nachrichten, dieser Art folgten noch viele. Es fällt schwer, solche Vorfälle auch nur als Ausnahmen zu akzeptieren, aber aus vergangenen Kriegen weiß man, daß sie unvermeidlich, zu sein scheinen. Wie sieht der Krieg aus, die Regel, die solche Ausnahmen hervorbringt?

"Mitte August hatten südvietnamesische und US-Offiziere sich dahingehend entschieden, daß die Kommunisten Duchai als Ausgangspunkt für ihre Operationen in der Umgebung benutzten und daß es zerstört werden sollte. Während der folgenden zwei Monate wurde es wiederholt aufs heftigste von vietnamesischen und amerikanischen Flugzeugen bombardiert ... Mindestens 184 Menschen kamen im zweimonatigen Todeskampf von Duchai ums Leben. Einige realistische Schätzungen gingen höher - bis auf 600." (New York Times 30. 11. 65)

"Die südvietnamesischen Soldaten durchsuchten vorsichtig jede Hütte. In einer fanden sie Berge von nordvietnamesischem Papiergeld mit der Abbildung des nordvietnamesischen Präsidenten Ho Chi Minh. Damit war der Beweis erbracht, daß Vietkong zumindest hiergewesen sein mußten. Erbarmungslos steckten die Südvietnam-Soldaten nun eine Hütte nach der anderen in Brand. Dann stießen sie die kleinen Fischerboote hinaus auf die See. - Mit den Booten war den Bewohnern dieses Ortes Ihre Existenzgrundlage entzogen." (Frankfurter Rundschau, l. 9. 65)

Bericht von einem Rundflug: "Ganze Dörfer liegen in Ruinen, Dächer sind abgedeckt, Wände eingedrückt, und die Bewohner sind ausgezogen. Eine Anzahl von Geistersiedlungen liegt in den drei bis vier Meilen rund um die Kreisstädte, die von der Regierung kontrolliert werden." (New York Times 12. l. 64 Hendrids Smith)
 

DIE REGEL

Daß feindliche Dörfer bombardiert werden, ist also die Regel. In den Dörfern stehen aber auch Kliniken, Schulen und öffentliche Gebäude. Sind es dann noch Ausnahmen, wenn auch solche Gebäude und Einrichtungen von den Bombardements zerstört werden?
Und wann werden solche Dörfer zerstört? Wenn es feindliche sind. Sie sind dann feindlich, wenn ein Verdacht besteht oder Schüsse in dieser Gegend gefallen sind.
Ihre Zerstörung ist gründlich genug, um die Bewohner zu vertreiben. Kleinigkeiten genügen, um das Todesurteil über ein ganzes Areal zu sprechen. Denn es sind nicht nur die Hütten und Gebäude, die solcher Zerstörung zum Opfer fallen.

"Ba Gia hatte bislang als regierungsfreundliches Dorf gegolten. Dann aber kam der Überfall der Vietkong auf den Außenposten. An drei aufeinanderfolgenden Tagen wurde die Ortschaft von amerikanischen und süd-:vietnamesischen Flugzeugen mit Bomben, Raketen und Napalm angegriffen. .Wenn wir uns in einer Zwangslage wie hier in Ba Gia befinden', erklärte ein amerikanischer Luftwaffenoffizier,.dann greifen wir gewöhnlich das ganze Gebiet an, um der Lage Herr zu werden. Oft kommen dabei mehr Frauen und Kinder als Vietkong um, aber es ,sind einfach keine Regierungstruppen verfügbar, die solche Dörfer säubern würden.' " (Tagesspiegel 21. 7. 65 J. Wheeler)

"Ein Hubschrauber forderte die Bewohner in Lautsprecherdurchsagen in vietnamesischer Sprache auf, ihre Dörfer zu verlassen. Ein Teil der Einwohner folgte dieser Weisung nicht, so daß bei dem anschließenden Artilleriebeschuß 41 Menschen ums Leben kamen, darunter 5 Frauen und 5 Kinder... Dann rückten, die Marineinfanteristen in die teilweise zerstörten Dörfer ein. Da sie noch einmal mit einzelnen Schüssen empfangen wurden, machten sie sich daran, die 150 Bambushütten teilweise mit einem .Bulldozer niederzuwalzen, teils mit Hilfe von Flammenwerfern und Taschenfeuerzeugen niederzubrennen. Den zurückgebliebenen Dorfbewohnern wurde keine Zeit gelassen, ihre Habe in Sicherheit zu bringen." (Süddeutsche Zeitung 9.865)

"... hierbei werden mehr Kinder getötet, weil sie nicht soviel Erfahrung haben und nicht wissen, wie man hinter den Deichen der Reisfelder in Deckung geht." (New York Times 5.9.65 Ch. Mohr)

"Das tierische und pflanzliche Leben in der Gegend wurde bis auf wenige Ausnahmen vernichtet, der Pflanzenwuchs niedergebrannt. Die Haustiere der Bewohner wurden abgestochen und liegengelassen oder von den abziehenden Regierungstruppen mitgeschleppt. Die evakuierten Dörfer wurden mit 3000 amerikanischen Raketen von Hubschraubern bombardiert. 700 Dorfbewohner - Frauen, Kinder und alte Leute - wurden aus Ihren Häusern vertrieben. Die wehrfähigen Männer flüchteten sich vor den anrückenden Regierungstruppen in den Dschungel. Von den In dieser Gegend vermuteten 1500 Rebellen wurden nur 25 getötet. Dagegen sind die Regierungstruppen dem Ziel, den Aufständischen dieser Gegend alle Lebensmöglichkeiten zu nehmen, sehr nahe gekommen. Rund 1000 Tonnen Reis wurden vernichtet, tausende von Hühnern und Enten wurden abgeschlachtet oder davon-geschleppt. Dutzende von Schweinen, Wasserbüffeln und Kühen wurden niedergemetzelt. Nach Auskunft der amerikanischen Berater der südvietnamesischen Regierungstruppen soll kein Versuch unternommen werden, den verwüsteten Landstrich durch Regierungstruppen zu besetzen und für dauernd von Rebellen freizuhalten. Dagegen soll die verbrannte Erde zum´ freien Gebiet' erklärt werden, auf das jederzeit Luftangriffe unternommen werden können." (Tagesspiegel 7.6.64) .

Nicht nur Dörfer werden also bombardiert und alles in ihnen sich Befindliche vernichtet, sondern auch die ganze Umgegend. Die Regel scheint. also nicht nur die Dörfer gerade anzuzielen, sondern sie auch darüber hinaus durch Zerstörung ihres Hinterlandes ihrer Lebensfähigkeit zu berauben. Der vorgebliche Feind, der Vietkong, befindet sich sicher nicht mehr in den Dörfern, wenn die Bombardements beginnen - wohl aber Kinder, Frauen und alte Leute. Auf einen toten Vietkong kommen, wie bekannt, 9 tote Bauern.
 

DIE TECHNIK DER ZERSTÖRUNG

Diese Zerstörungen unterscheiden sich offensichtlich von konventionellen Kriegsfolgen. In welcher Beziehung stehen sie zu einer Kriegstechnik, die sich möglicherweise ebenso von der hergebrachten unterscheidet?

"Bevor die B-52 das Gebiet angriffen, wurde es zunächst mit von Hubschraubern abgeworfenen mehreren Hundert Gasgranaten belegt. Die B-52 bombardierten dann den Dschungel-in zwei Wellen zu jeweils drei Flugzeugen, die dem Vernehmen nach über 85% des Zielgebietes mit Flächenbombardements erfaßten. .. Zwei Bataillone von Kavalleriesoldaten mit Gasmasken wurden dann mit Hubschraubern in dem Gebiet abgesetzt und trafen militärischen Berichten zufolge auf leichten Widerstand." (New York Times 2. 2. 66)

Zunächst Gas, um den Feind hilflos zu machen, und dann Bomben auf den Wehrlosen. Die vielzitierte "Humanität des Gaskriegs" vergißt seinen Zusammenhang mit den übrigen Waffen.

Senator Morse erklärte: Die Vereinigten Staaten verwenden Gas in Vietnam, "nicht um die Kämpfenden zu unterwerfen, ohne die Unschuldigen zu verletzen, sondern nm einen Feind unfähig zu machen, sich selbst zu verteidigen, so daß er leichter getötet werden kann." (New York Times 26.2.66)

"Die ,no sanctuary'-Politik (sanctuary: Freistatt, Niemandsland), die die US-Regierung und die südvietnamesische Regierung gegenwärtig verfolgen, bedeutet, daß Luftwaffen-Unterstützung zu jeder Zeit angefordert werden kann, um jedes Dorf, jedes Gehöft zu zerstören, ans dem Heckenschützenfeuer gemeldet wurde, oder welches im Verdacht steht, Vietkong-Truppen zu beherbergen. Komplementär zu dieser Politik werden ausgedehnte Feindgebiete zu ,offenen Zielregionen' erklärt, wo Flugzeuge, die ihre Bomben nicht anderswo loswerden konnten, sie wahllos auf Dörfer, Reisfelder, Menschen und Tiere abwerfen dürfen wie es den Piloten gefällt." (Progressive Oct. 65 SLG.Cary)

"Amerikanische Flugzeuge haben ein Erntezerstörungsprogramm begonnen, um den Reis in den Gegenden Südvietnams! zu vernichten, die stark von Vietkong kontrolliert werden. Die Flugzeuge versprühen ein nichtgiftiges Unkrautvernichtungsmittel . . . Die Erfahrung hat gezeigt, daß es, wenn man es während der Reifezeit, oder bevor der Reis und andere Pflanzen ausgereift sind, anwendet, zwischen 60 % und 90 % der Ernte vernichtet. Das Programm ähnelt dem Entlaubungsprogramm, das seit 1961 angewandt wird, um Dschungellaub und Unterholz für militärische Zwecke zu vernichten. Es benutzt das gleiche Präparat. Mehr als 50 000 acres Ernte sind in dem Herbizid- oder Erntezerstörungsprogramm seit dem letzten Frühjahr schon besprüht worden. So lautet eine Quelle. Andere Quellen geben die Zahl mit 75 000 acres an. Air-Force-Transportflugzeuge, die die Entlaubung des Herbizidprogrammes betreiben, setzten die Hälfte ihrer Zeit für dieses zweite Programm ein. Man nimmt an, daß die Anstrengungen hier im Jahre 1966 noch verstärkt werden." (New York Times 22. 12. 65 Ch. Mohr)

Die Operation "Crimp" umfaßt nach New York Herald Tribune: "Die Festlegung von Zonen für unbegrenzte Bombardements, Vernichtung von Reisfeldern mit chemischen Giftstoffen vom Flugzeug aus und Verbrennung von Versorgungsgütern und Häusern in roten Regionen." (zit. nach Spiegel Nr. 5 1966)

Die Umwelt, das Land, seine Ernte und Tiere werden zum Feind. Sie müssen vernichtet werden - und Herbizide sind billig.

"Als die Flugzeuge ihre Bombenschächte entleert hatten und sich zum Rückflug formierten, bedeckte eine Schicht von weißer Asche das Gelände rings um die brennenden Kasernen. Nichts regte sich mehr, eine in Vietnam noch nicht erprobte Waffe hatte sich bewährt: Es handelte sich um die Phosphorbombe, die sich selbständig in der Luft entzündet und . . . fast unlöschbar ist." (Der Stern 1965)

Alain Rayrnond besuchte ein Hospital in Cantho im Mekong-Delta, wo die zivilen Opfer des Krieges behandelt werden. Ein vietnamesischer Arzt beschreibt einen solchen Fall: "Sie hat Napalmverbrennungen erlitten. Ihr Dorf wurde vollkommen zerstört. Wir haben sie seit einigen Tagen hier. Ihre Wunden lassen sie ununterbrochen furchtbar leiden. Nicht nur ihre Haut, sondern auch ihr ganzes Wesen bleibt ihr Leben lang gezeichnet." (Le Monde 5.3. 66)
 

DIE GADGETS DER ZERSTÖRUNG

Phosphor und Napalm sind kostspieliger und für große Flächen weniger geeignet. Ihr Hauptverwendungsgebiet sind Dörfer, wo die Notwendigkeit intensiver Zerstörungen ihren Einsatz rechtfertigen. Menschen, von Spritzern getroffen, sterben unter Qualen.
Um die lückenlose Bekämpfung und Vernichtung alles sich Bewegenden und Lebendigen zu gewährleisten, sind für den Krieg unter vietnamesischen Bedingungen besondere Waffen, sogenannte "gadgets", entwickelt worden.

"Amerikanische Ingenieure haben ein transportables Infrarotgerät entwickelt, das im Umkreis von 200 Metern die Anwesenheit jedes menschlichen Wesens entdeckt, so gut das Versteck auch sein mag. Sie haben den sogenannten ,Faulen Hund' konstruiert, ein ungeheuer wirksames Schrapnell, eine mit Splittern gefüllte Zweizentnerbombe, die zehn Meter über dem Erdboden explodiert, den Menschen fürchterliche Verletzungen beibringt und gleichzeitig das Gelände mit gefährlichen Fallen spickt. Sie haben die Flieger mit der 'Schnlaugenauge' genannten Bombe beglückt, die langsam fällt und beliebig gesteuert werden kann. Sie haben die US-Hubschrauber mit einer Art Sack bestückt, der 200 Granaten enthält und ein Areal von 2000 qm leerfegt. Obendrein haben sie ihre Hubschrauber mit ,bullpup' ausgerüstet, einer fernlenkbaren, 200 kg TNT schweren Bombe, die in der Lage ist, unterirdische Unterstände zu zerstören. Ganz zu schweigen von der neuen Napalmbombe, die ihren Vorgängern ebenso überlegen ist, wie die neue Atombombe der Bombe von Hiroshima. Die Infanteristen sind bei dieser Verteilung verrückten Spielzeugs nicht vergessen worden: Sie verfügen jetzt über ein automatisches, ultraleichtes Gewehr (leichter als ein Pfund), das so mörderische Geschosse mit derartiger Geschwindigkeit abfeuert, daß jede Verletzung fast automatisch den Tod herbeiführt. Das Fleisch wird buchstäblich zerfetzt und das Skelett völlig zerrissen. Sie verfügen jetzt über tragbare Radargeräte, die möglicherweise die wirksamste Antiguerillawaffe sind." (Nouvel Observateur 29. 4. 65 Jean Lacouture)

Vietnam als Erprobungsfeld. Diese Waffen sind deutlich für den feindlichen Infanteristen gedacht. Ihre Wirksamkeit beschreibt ein amerikanischer Soldat am Beispiel des neuen Gewehrs: "Als ich dort wegging, war es das Gewehr. Die Wirkung war fantastisch. Ich habe gesehen, wie einer in den Arm getroffen wurde. Es warf ihn herum und blies den Arm förmlich weg. Einer wurde im Rücken getroffen und sein Herz flog ihm förmlich ans dem Körper." (Look Magazine 1965)
Diese "Spielzeuge" gewinnen erst ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der ganzen Militärmaschinerie. Deren Ziel heißt Vernichtung. Was diese ausläßt, erfassen jene.
 

BEFRIEDUNG ALS VERNICHTUNG

Die Maschinerie hat ihre Konsequenz - nicht nur Vernichtung der Bevölkerung, sondern den Tod des Landes. Sie kennt keine Ausnahme. Das zu verteidigende Land wird zusammengezogen auf dichte Punkte, deren Infrastruktur mit diesem Prozeß amorpher und gefährlicher wird: auf die Städte als amerikanische Militärbasen. Dazwischen liegen riesige sterbende Räume - ohne Struktur außer den Spuren ihrer Zerstörung. Ihr biologischer Tod muß beschleunigt werden, denn er bedeutet den Tod des Feindes. Seine Ungreifbarkeit, die ihn früher amerikanischer Waffenwirkung entzog, wird jetzt seine Schwäche. Er ist identisch mit dem Land, das vernichtet wird. Und drei Viertel des Landes befinden sich nach amerikanischen Schätzungen unter seiner Kontrolle.

Max Clos (Le Figaro 24. u. 29.4.65) skizziert die amerikanische Einstellung: "Man muß - zumindest einstweilen - vom Mythos der Befriedung abgehen. Die Befriedung geht nicht von den Regierungskreisen, sondern vom Vietkong aus. Er ist es, der das Terrain und die Bevölkerung unter Kontrolle hat. Es ist nutzlos, weiterhin Bataillone der nationalen Armee zu Operationen auszuschicken und vorzugeben, daß man glaubt, sie werden eine befreundete Bevölkerung schützen, die von den Kommunisten terrorisiert wird. Das Ergebnis ist: Die Befriedung verhindert den Krieg, und da wir im Begriff sind, den Krieg zu verlieren, würden wir auch mit der Befriedung scheitern."

. .. "Gewiß, das ist grausam, aber schließlich herrscht Krieg. Wir haben gar keine Wahl. Der Vietkong kann sich nur halten, wenn er 'wie ein Fisch im Wasser lebt'. Unser Ziel ist es, das Wasser auszutrocknen."

"Sie sagen", unterbricht ein anderer von der Dorfverwaltung, "einen Bauern töten, heißt, 10 Vietkong töten. Einen Büffel töten ist so viel, wie 10 Bauern töten." (Monika Warnewska Konkret Juni 66)

Der Selbstlauf der Maschine kann und will nicht unterscheiden zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Sie, die Maschine, fragt nach Effektivität, "kill ratio", und überzeugt jeden, der ihre Schritte nicht mitvollzieht, von deren Notwendigkeit. Die Eskalationen sind durchgerechnet. Sie schafft sich ihre Waffen und Menschen selbst - die ihr bestätigen, daß sie recht hat.

Was Vietnam politisch fast gewonnen hatte, das kann es auf diese Weise verlieren - nämlich den Sieg, der heute schon beginnt, nur noch überleben zu heißen. Der Sieg, der sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform geheißen hätte, verflüchtigt sich zunehmend mit der Vernichtung des Landes. Ein totes Land beweist die amerikanische These, daß der Sozialismus niemanden befriedigen kann. Und auf diesen Beweis kommt es Amerika an - vor allem gegenüber Ländern, die in ähnlicher Lage sind wie Vietnam. Daß es den Beweis aber so antreten muß, zeigt, daß es ihn anders nicht erbringen kann.

 

Aktuelle Notiz:

In dieser Woche bereiten die USA die endgültige Vernichtung der bisher ausgesparten Bevölkerungs- und Industriezentren Nordvietnams, Hanoi und Haiphong, vor.
 

Die amerikanische Vernichtungsmaschine in Vietnam braucht 280000 Menschen, die sie bedienen. "Informationen" Nr. 3 beschäftigen sich mit der individuellen Situation dieser amerikanischen Soldaten.


Herausgeber: Sozialistischer Deutscher Studentenbund, Landesverband Berlin, l Berlin 31,
Kurfürstendamm 140, Postscheckkonto Berlin (West) Nr. 1774. 
Redaktion: B. Blanke, M. Buddeberg, U. Enzensberger, R. Fleischmann, P. Gang, H.-J. Hameister, J. Horlemann, R. Langhans, D. Müller, G. Schmidt, R. Würgau. Verantwortlich: Rainer Langhans.
 
 

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