Extrablatt Nr.38   vom   2.04.99
 

Gründe der Fluchtbewegung im Kosovo

Wenn es um Kriegshetze geht, wenn die Selbstgerechtigkeit ins Absurde gesteigert wird und der Gegner bis ins Absurde verteufelt wird, dann läßt sich die deutsche Propaganda nicht gern überbieten. Das war schon früher so, z.B. vor 60 Jahren. Was ARD und ZDF, Schröder, Scharping, Fischer etc. jetzt in Beziehung auf die Fluchtbewegung aus dem Kosovo bieten, stammt aus dieser Schule.

Wenn Nacht für Nacht Bomben der NATO Pristina und andere Orte zerstören - keineswegs bloß, wie die Propagandaleier lautet, Anlagen von Militär und Polizei, sondern normale Fabriken, Zivilgebäude usw. - wenn die NATO öffentlich debattiert, ob sie demnächst mit 200.000 Mann im Kosovo einmarschieren soll, dann sollen das wohl keine Gründe sein, aus dieser Provinz zu fliehen? Wenn die sog. UCK eine sog. Generalmobilmachung verkündet und alle Männer von 18 bis 50 Jahren zum Kampf als Kanonenfutter der NATO reklamiert, ist das kein Grund zur Flucht? Es ist völlig verdreht, den Grund der Fluchtbewegung ausschließlich im Vorgehen des serbischen Militärs zu sehen. 

Zum einen gibt es ein Vorgehen des serbischen Militärs, das völlig gerechtfertigt ist: wenn die NATO einen Krieg beginnt, weil Jugoslawien ihr nicht die Besetzung eines Landesteiles erlaubt, wenn sie dabei ist, mit Hilfe der UCK-Separatisten und unter Einsatz ihrer ganzen Macht den Kosovo von Serbien und Jugoslawien abzutrennen, dann hat die Regierung ja wohl das Recht, militärisch dagegen vorzugehen. Zu diesem Recht gehört selbstverständlich auch die Ausschaltung von Separatisten, die nach noch mehr Aggression der NATO schreien. Es kann dabei überhaupt nicht ausgeschlossen werden, daß auch Teile der Zivilbevölkerung vertrieben werden, von denen das Land, das sich verteidigt, befürchten muß, daß sie dem Aggressor Hilfe leisten. Es kann zum andern auch sein, daß Teile der Zivilbevölkerung zwischen Separatisten und Regierung zwischen die Fronten kommen und fliehen, und es kann schließlich auch nicht ausgeschlossen werden, daß die serbische Gegenreaktion über das Ziel hinausschießt - aber was wäre das gegenüber dem NATO-Angriff auf das Land? 

Es muß festgehalten werden: was jetzt im Kosovo an menschlichem Leid entsteht, was an Flüchtlingsproblemen auf die Nachbarasstaaten und natürlich im weiteren auch auf Deutschland und andere europäische Staaten zukommt, ist zu 90% eine Konsequenz des NATO-Angriffs auf Jugoslawien. Es ist eine völlige Vereinseitigung, eine Lüge, wenn z.B. von Scharping behauptet wird, daß eine Fluchtbewegung schon zuvor von den serbischen Behörden in Gang gesetzt worden sei. Seit 1997 hat die sog. UCK einen Kleinkrieg zur Abtrennung des Kosovo von Jugoslawien eröffnet und zahlreiche Attentate begangen; zur Unterstützung dieser Abtrennung droht die NATO spätestens seit Juni 1998 Jugoslawien mit Krieg, wenn sie nicht den Kosovo besetzen dürfe.Es ist völlig offensichtlich, daß auch nach dem Oktober-Abkommen von 1998 zwischen Holbrooke und Milosevic mit der Stationierung der OSZE-Beobachter die UCK keineswegs bereit war, ihre Terrorakte einzustellen, sondern sie hat sie fortgesetzt mit dem Ziel, das serbische Militär weiter zu provozieren und sog. Gründe für das angestrebte und als einzigen Ausweg betrachtete Bombardement der NATO zu schaffen. Es ist ebenso offensichtlich, daß aus dem Kleinkrieg der letzten zwei Jahre durch Betreiben der UCK und der NATO ein großer Krieg geworden ist, und erst dieser konnte und mußte Fluchtbewegungen von vielleicht Hunderttausenden von Menschen ins Ausland erzwingen. 

Natürlich sind auch bereits vorher unter der bedrohlichen Lage, die sich seit langem zusammengezogen hatte, Menschen innerhalb des Kosovo und ins Ausland geflohen, aber die jetzige Massenflucht, mit der die NATO ihre weitere Intensivierung des Krieges rechtfertigen will, ist weitgehend das Produkt der NATO-Strategie selbst. 

  Walter Grobe
  (Redaktion Neue Einheit)
  2.04.99

 Zuerst erschienen als Internet-Statement 9/99


Wer ist die sog. UCK?

Und welche Rolle spielt sie für die NATO?

Die Öffentlichkeit wird von den Medien bewußt getäuscht, wenn von einer "UCK" geredet wird, die berechtigte Interessen der albanischen Bevölkerung des Kosovo vertrete.

Erstens gibt es, wie manche Zeitungen und Politiker selbst beklagen, keine wirkliche UCK-Organisation, sondern bloß verschiedene bewaffnete Gruppen, die von ihren politischen Vormündern bei der Rambouillet- Konferenz erst dazu gebracht werden mußten, so etwas wie Einigkeit zu demonstrieren. Ein Kosovo unter Herrschaft dieser verschiedenen Gangs wäre überhaupt keine politische Einheit.

Was sie gemeinsam haben, ist die Ideologie des "Groß-Albanien" Sie verstehen darunter die Abtrennung nicht nur des Kosovo von Serbien, sondern auch die Zerteilung Montenegros und Mazedoniens, und die Zusammenführung ihrer albanisch dominierten Gebiete mit dem heutigen Staat Albanien. 

Es heißt bspw. in einer "Erklärung Nr. 42 vom 27.2.98":

"Das gestiegene internationale Interesse, besonders der amerikanischen und der französisch-deutschen Diplomatie, begrüssend, erklären wir, dass die Lösung der albanischen Frage nicht allein in den gegenwärtigen Grenzen Kosovas festgelegt werden kann, sondern sie muss als Ganze gelöst werden, indem die Albaner und ihre von "Mazedonien" und Montenegro besetzten Gebiete einbezogen werden." (aus einer UCK-Internet-Quelle)

Welche gesellschaftliche Konzeption hat die UCK für den separaten Kosovo bzw. für das "Großalbanien"? Ein Kampf für derartige weitgehende Änderung von mehreren Staatsgrenzen, der wahrscheinlich zu jahrzehntelangen bittersten Auseinandersetzungen mit den Nachbarnationen und darüberhinaus führen kann, kann nicht einmal ernsthaft erörtert werden, wenn keinerlei gesellschaftliche Konzeption vertreten wird.

Es heißt bspw. in einer "Politischen Erklärung" vom 31.12.1998:

"... Erneut, die annehmbar und respektierte Ideologie der Befreiungsarmee Kosovas ist das ALBANERTUM, dem allein beugen wir uns, allein dafür opfern wir uns. Alles für die Freiheit, das Vaterland und das ALBANERTUM, auch das Leben. Dies ist das Motto und der Eid der Soldaten der UCK."

Eine Bewegung, die ernsthaft als ihren politischen Gehalt einzig das "Albanertum" angibt, disqualifiziert sich nicht minder als eine, die bspw. "Deutschtum" angeben würde. Fast jeder würde hier sofort den muffigsten primitiven National-Egoismus und die Feindschaft gegenüber anderen Nationen spüren. Wir müssen daher fragen, ob und wie sich "die UCK" von einem derartigen Verständnis des Albanertums absetzt. 

"Albanertum" im Kosovo heißt, geschichtlich gesehen, leider gerade auch eine bereits mehrere hunderte Jahre sich fortsetzende Bewegung der Verdrängung der Serben aus deren altem Kernland, dem Kosovo, durch eine islamisch-albanische Bevölkerung. Dieser Prozeß wurde lange Zeit von der türkischen Oberherrschaft begünstigt, der die islamisierten Albaner als wichtigste Unterdrückertruppe dienten, während die Serben Widerstand leisteten, gegen ein sklaventreiberisches und völlige Stagnation erzwingendes osmanisches Regime. In unserem Jahrhundert hat diese Seite der albanischen Bewegung zwischen 1941 und 1944 unter der faschistischen Oberherrschaft Italiens und Deutschlands weitere traurige Höhepunkte der Aggression gegen die Serben des Kosovo erreicht. Wo gibt es eine Abrechnung der "UCK" mit diesen Traditionen und eine Distanzierung von solchen Forderungen und Praktiken? Selbst noch in der "autonomen Provinz Kosovo" Tito-Jugoslawiens in den 70er Jahren sollen sie fortgesetzt worden sein. Ist es unwahr, wenn eine große US-Zeitung schreibt, daß "die Ziele dieser Gruppe nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Vertreibung der Serben aus der Provinz einschließen"? (San Jose Mercury, 28.3.1999. Diese Zeitung unterstützt im übrigen die NATO und die UCK.)

Welche Mentalität bei diesem Kampf herrscht, geht auch ganz gut aus dem Satz einer "Politischen Erklärung Nr. 8 vom 10.9.1998" hervor:

"Die Befreiungsarmee Kosovas hat den Kampf ... mit dem Motto begonnen: Entweder Kosova wird unser oder wird sich in Schutt und Asche verwandeln!"

Ebensowenig wie den Nachbarnationen auf dem Balkan die Kampfansage der UCK Gutes verheißen kann, kann sie es der eigenen Nationalität. Die Art von "Albanertum", die auch die UCK selbst nach verschiedenen Berichten repräsentiert, das aber auch im Staat Albanien derzeit dominiert und zu dessen Versinken im Chaos beiträgt, zeichnet sich u.a. durch völlig altertümliche Clanstrukturen, aber auch durch eine ungewöhnlich starke Verflechtung mit Mafia-Aktivitäten aus. Wo nimmt die UCK kritisch zu diesen Dingen Stellung? Wo sind überhaupt Elemente einer internationalistischen modernen Haltung, zuerst gegenüber den Nachbarnationen, aber auch global? 

Auch von dieser Seite her erweist sich die NATO-Propaganda, einer "nationalen Befreiungsbewegung" Luft verschaffen zu wollen, als reine Schutzbehauptung. So etwas wie eine "UCK" zu unterstützen ist ein völliges Unding und kann überhaupt nur als Ablenkung von ganz anderen Zielen der NATO gesehen werden. Hätte man die Lage der Bevölkerung im Kosovo tatsächlich verbessern wollen, dann hätte es dazu mannigfache Möglichkeiten der NATO-Länder und wahrscheinlich auch die Unterstüzung durch andere politische Kräfte im Kosovo gegeben. Der NATO geht es um die Durchsetzung einer Kriegspolitik, um die Schaffung eines öffentlichen Klimas für völllig selbstherrliche, nur auf überlegenen militärischen Terror und letztlich Atomwaffen gestützte Aktionen, die sie in allen möglichen Teilen der Welt ins Auge faßt. Es geht ihr möglicherweise auch, wie die zunehmende Propaganda für den Einsatz von Bodentruppen zeigt, um eine dauerhafte Stationierung mitten im südlichen Balkan, und sicher auch um die enormen Bodenschätze des Kosovo. 

Und umso verächtlicher benehmen sich diejenigen Albaner, die sich für diese NATO-Drohungen gegen die ganz überwiegende Mehrheit der Völker als Rechtfertigungsschreier und Provokateure hergeben, völlig kurzsichtig noch obendrein. Wenn ihre albanisch-chauvinistischen Träume der NATO eines Tages nicht mehr passen und sie fallengelassen werden, dann wird es ihnen sehr an Sympathie unter den anderen Völkern fehlen. 

Die sog. "UCK" ist erst vor ca. zwei Jahren ganz plötzlich entstanden. Als Serbien 1991-95 versucht hat, Slowenien, Kroatien und Bosnien für ihren Austritt aus Jugoslawien zu züchtigen, Teile ihrer Gebiete abzutrennen und sich dabei schreckliche Verbrechen aufgeladen hat, gab es keinerlei Unterstützung dieser Nationen durch eine UCK, sondern nur Stillhalten im Kosovo. Es wird sogar im Gegenteil von einem massiven Waffenschmuggel nach Serbien berichtet, der einen ungestörten Weg durch Albanien und den Kosovo genommen hat. Und erst als die UCK 1997 mit Terroraktionen begonnen hatte, die sich nicht nur gegen die serbischen Regierungskräfte, sondern auch gegen andere nationale Minderheiten gerichtet haben sollen - was für den äußeren Beobachter aus der UCK- Ideologie heraus nur allzu wahrscheinlich ist -, kam es zu militärischen Gegenmaßnahmen der serbischen Regierung. Wenn seit dem 24. März 1999 die NATO massiv Jugoslawien zerbombt, und die "UCK" schreit dazu Beifall, ja fordert noch viel größeren Einsatz der NATO zur Zerstückelung Jugoslawiens und ohne jede Rücksicht darauf, was diese NATO-Politik international bedeutet, dann darf sie sich weder über Repressalien durch die jugoslawische Regierung noch über die internationale Verurteilung ihres Treibens wundern. Die Bevölkerung des Kosovo, auch die albanische, leidet bereits jetzt massiv unter der Politik der "UCK" und der NATO, und die Medientränen über das Flüchtlingselend sind reine Heuchelei. 

Die NATO selbst kann unmöglich behaupten, sie hätte nicht voraussehen können, daß die jugoslawische Regierung unter dem NATO-Angriff im Kosovo harte Gegenmaßnahmen gegen die Abtrennung durch UCK und NATO ergreift. Die jetzigen Fluchtbewegungen sind durch die NATO selbst verursacht, und die westliche Medienkampagne, die aus diesen Flüchtlingen eine rückwärtige Rechtfertigung der Aggression und ihrer Eskalation konstruiert, war als Teil dieser ganzen Aggression längst vorbereitet. Was die westlichen Medien an bewußten Lügen zu fabrizieren in der Lage sind, hat bereits der Irak-Krieg bewiesen. Z.B. die berüchtigte "Brutkasten"-lüge, mit der die irakische Armee bezichtigt wurde, bei der Besetzung Kuweits in Krankenhäusern Säuglinge aus den Brutkästen gerissen zu haben. Später wurde zugegeben, daß dieses und andere Greuelmärchen, die beflissen von ARD, ZDF und vielen anderen Medien übernommen worden waren, von einer Werbeagentur im Auftrag des US-Präsidenten und der kuweitischen Emirsfamilie hergestellt worden war. 

  Walter Grobe
  (Redaktion Neue Einheit)
  2.04.99

  Zuerst erschienen als Internet-Statement 10/99