Historische Verbindungen an die Öffentlichkeit gebracht
- Über den aggressiven Homosexualismus
( 1. Dezember 1998 )
Wichtige Fragen, wie die weltweiten strukturellen Veränderungen und die internationalen Krisen beherrschen das öffentliche Interesse, aber es gibt eine kulturelle Frage, die wir ebenfalls zu behandeln gezwungen sind, dies ist eine Frage, mit der wir oft in den Medien konfrontiert werden, die Frage der Verbreitung und des Charakters der Homosexualität. Es gibt nicht wenige angebliche revolutionäre, kommunistische oder Arbeiter- Gruppierungen, die behaupten, daß das Eintreten für die sogenannte Emanzipation der Homosexualität selbstverständlich sei. Dem widersprechen wir ganz entschieden. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß man an der grundlegenden Auffassung festhalten muß, daß dies ein durch Vereinseitigung und durch Dekadenz entstandenes Phänomen ist, welches insbesondere auch für untergehende und absterbende parasitäre Klassen charakteristisch ist. In der Weise, wie es heute propagiert wird, von den in der Welt herrschenden Kapitalgruppen, insbesondere der internationalen Finanzoligarchie, wird es mehr noch ein Mittel bei ihrem Ziel der Schwächung der gesellschaftlichen Strukturen, der Degeneration der Bevölkerung, manchmal sogar der Verringerung der Bevölkerung von der Zahl her, und der ganzen kulturellen Schwächung der Arbeiterbewegung und der Volksmassen, die in vielen Länder den jetzigen Zustand nicht mehr zu akzeptieren bereit sind.
In der Zeit Ende September, Anfang
Oktober 1998 hatte sich auch eine Auseinandersetzung entwickelt. Unsere
Organisation hatte wie an vielen anderen Punkten auch in die sog. "Leninist-International"
(eine politische Mailinglist) unsere Stellungnahme zur Zusammenfassung
des Wahlkampfes in Deutschland, in englischer Sprache gepostet.
Darin heißt es:
"In den Schubladen dieser Parteien (SPD, Grüne) liegen auch noch andere Gesetze, wie die der sog. "Homosexuellenemanzipation", die einen tiefsten Einschnitt in das gesamte sittliche Leben bedeuten, die aber in der Wahlpropaganda keine Rolle spielen (mit Ausnahme ganz vereinzelter Wahlbezirke). Wenn dies im Programm dieser Parteien ist, weshalb tischen sie es im überregionalen Wahlkampf nicht offen auf? Dieses beleidigende und an extrem reaktionären Traditionen anknüpfende Programm (von wegen "Emanzipation"!) soll hinterher offenbar auch durch die Wahl als legitimiert gelten. Es ist ein Betrug, der der Bevölkerung unter die Weste gejubelt werden soll."Diese Passage führte dort zu einer heftigen Reaktion und zu einer sehr ausgiebigen Diskussion, die man zunächst einmal begrüßen konnte. Nachdem unsere Organisation einige Standpunkte zurückgewiesen hatte, wurde sie in einer unflätigen und ungeheuerlichen Weise angegriffen wie "konterrevolutionär", und es sollte ihr verboten werden, "homophobische" Äußerungen zu tun etc. Die Schimpfworte nahmen kein Ende bis dahin, daß wir als Nazis beschimpft wurden, nur auf Grund dessen, daß wir die Homosexualität nicht als gleichberechtigte Erscheinung anerkennen würden und sie in ihrem Wesen als kulturell reaktionär und dekadent ansehen, und schließlich kappten sie uns am 7. Oktober von der Liste ab, um sich der weiteren Konfrontation zu entziehen. Dabei versuchten gewisse Trotzkisten insbesondere auf gewisse Erfahrungen der deutschen Arbeiterbewegung Bezug zu nehmen.
Wir haben die letzten Wochen genutzt, um insbesondere diese Frage etwas näher zu beleuchten, und sind dabei auf sehr gravierende Punkte gestoßen. Man kann sagen, daß es einen ganz engen Zusammenhang schon seit über 130 Jahren gibt zwischen Versuchen, diese Homosexualität an die Arbeiterbewegung selbst heranzutragen - der erste Versuch erfolgte schon 1868! -, und dem Lassalleanismus, einer erzopportunistischen Strömung, die mit dem preußischen Militarismus und der preußischen Aristokratie ihren Ausgleich suchte, und dem späteren Opportunismus, wie er von Bernstein insbesondere begründet wurde.
Einige der hauptsächlichen Punkte
wollen wir hier zusammenfassen.
In der Zeit 1895, als Engels schwer erkrankte und schließlich im August verstarb, machten sich die sogenannten Nachfolger Eduard Bernstein und Karl Kautsky daran, massiv die von ihm und Marx vertretenen Prinzipien der Arbeiterbewegung mit Füßen zu treten und eine völlige Revision ihrer Anschauungen zu betreiben. Besonders offen war dies bei Bernstein der Fall. Es fällt auf, daß diese beiden in einer niedrigen Weise entgegen dem Willen des Autors u.a. das Vorwort zu der seinerzeit sehr bekannten Schrift über die Klassenkämpfe in Frankreich verfälschten. Engels beschwerte sich in einem Brief, man habe sein Vorwort "derartig zurechtgestutzt, daß ich als friedfertiger Anbeter der Gesetzlichkeit quand même dastehe."(MEW 39, S.452). Kurz nach diesem Zusammenstoß erkrankte Engels schlagartig so schwer, daß ihm faktisch die Möglichkeit zur Weiterarbeit genommen war.
Exakt in die gleiche Zeit fällt Bernsteins Versuch, den selbständigen Standpunkt des Marxismus auszutreten und die Arbeiterbewegung dubiosen bürgerlichen Strömungen unterzuordnen. Und damit gleichzeitig fällt auch sein Versuch, der Homosexualität und der Päderastie, die Engels so unmißverständlich verurteilt hat, eine Lanze zu brechen. Exakt im Anfang Mai 1895, als Engels bereits sehr geschwächt war, attackierte Eduard Bernstein die Arbeiterbewegung, daß diese angeblich einen "fast pharisäerhaften ultrapuritanischen Moralismus" gegenüber der Homosexualität hege, und begann mit seiner Verteidigung des Literaten Oscar Wilde, der wegen Päderastie, zusammen mit einem Homosexuellen-Zuhälter, vor Gericht stand. Dieser Vorstoß von Bernstein bewegte sich aber keineswegs nur um diesen Prozeß, sondern hatte einen weitergehenden Hintergrund. Bernstein macht in diesem Artikel die gesamte Zivilisation als mindestens ebenso widernatürlich wie die Homosexualität herunter und nimmt den Standpunkt der Gegenkultur ein. Dieser Angriff steht in direktem Zusammenhang mit dem Angriff auf die politische Strategie der Arbeiterbewegung, wie er sich in dem verfälschten Abdruck des Engelsschen Vorworts ausdrückt. Deutlich treten die Elemente des Anti-Industrialismus bei Bernstein hervor. Dieser Artikel in der "Neuen Zeit" vom 6. Mai 1895 ist ein Beleg dafür, wie sehr diese Fragen alle miteinander zusammenhängen. Wir werden ihn deshalb in übersetzter Form in wenigen Tagen dem Leser zur Verfügung stellen.
Während der 90er Jahre hatte sich dieses Phänomen der sexuellen Degeneration im wilhelminischen Deutschland in einer extremen Weise ausgedehnt (wie übrigens in England ebenfalls). Schon seit den 60er Jahren hatten bestimmte Leute aus bürgerlichen Kreisen für dieses Phänomen und seine angebliche Emanzipation die Trommel gerührt und versucht, dies mit der Arbeiterbewegung zu verbinden, allerdings ohne Erfolg, jedenfalls nicht vor der Öffentlichkeit.
Insbesondere die Aristokratie, die preußische Militärkamarilla und besonders eng mit dem Staat verknüpfte Stände wie die Juristen waren davon befallen. Auch in der Umgebung des "Allerhöchsten" (Kaiser Wilhelm II.) waren Leute, die mehr oder minder offen homosexuell waren. Es waren Zirkel die auf die Politik erheblichen Einfluß nahmen.
Die außerordentliche Ausbreitung der Homophilie in Preußen und Preußen-Deutschland in der damaligen Zeit wird in manchen offiziellen Dokumenten ausdrücklich bezeugt. Man versteht daher durchaus, daß der Paragraph gegen die Homosexualität daher bei ihnen ein heiß umkämpfter Gegenstand war.
Im Jahre 1897 unternahm der Sanitätsrat Magnus Hirschfeld einen Vorstoß gegen den Paragraphen 175, bei dem er die Vertreter der Arbeiterbewegung ansprach, um diese für eine Petition zu gewinnen. Er hatte selbstredend bei E. Bernstein und Karl Kautsky wenig Schwierigkeiten, aber auch mit August Bebel nicht, mit dem er nach eigenen Angaben seit 1890 Kontakte pflegte, die dieser offenbar vor der Öffentlichkeit und vor Friedrich Engels im Verborgenen gehalten hat. Die Rolle von Bebel ist wie des öfteren in seinem Leben einigermaßen zweideutig. Er hatte auch schon in früherer Zeit mit den Lassalleanern paktiert, obwohl er sie vorher bekämpft hatte. Mehrfach hatte er Augenblicksströmungen nachgegeben, was er später wieder korrigiert hatte.
Hirschfeld setzte mächtig auf das Mitleid, auf das unglückliche Schicksal, das "so wertvolle Menschen" erleiden würden, aber dabei beließ er es nicht, er stellte in seiner Petition auch seine Lehre auf, daß der Mensch ein grundsätzlich "zwittrig" veranlagtes Wesen sei, eine unglaubliche These, die spätere Homosexuellenpropagandisten in dieser Form auch nicht mehr zu vertreten wagten. Aber damals wurde sie als "unumstößliche Wissenschaft" vertreten, um die Leute, die Einwände gegen die sog. Emanzipation machten, unter Druck zu setzen. Zahlreiche sog. wissenschaftliche Autoritäten, Professoren und Intellektuelle sollten diese Petition absurden Inhaltes unterschreiben. Gleichviel, ob es sich um bekannte Ärzte wie Virchow oder andere bekannte Persönlichkeiten wie Albert Einstein, oder die besagten Sozialdemokraten handelt, sie können nicht aus der Verantwortung entlassen werden, eine derartig absurde Erklärung unterzeichnet zu haben, gleichgültig aus welchen Motiven sie unterzeichnet haben.
Die Sache sollte in den folgenden Jahren aber erst einmal eine andere Wendung nehmen. Im Jahre 1902 wird Friedrich Alfred Krupp, der größte Stahl- und Rüstungsfabrikant, ein wirkliches Symbol des kapitalistischen Magnatentums, von der Presse angegriffen, und zwar offensichtlich zu Recht, auf seinem Anwesen auf der Insel Capri extensive homosexuelle "Excesse gefeiert" zu haben, was abermals ein Licht auf den Zustand der damals herrschenden Klasse wirft. Friedrich Alfred Krupp verstirbt unmittelbar darauf, vermutlich durch Selbstmord. Bei der nachfolgenden Trauerfeier spricht Wilhelm II. massive Drohungen gegen die Sozialdemokratie aus, die den Fall ebenfalls in ihrer Presse aufgegriffen hatte, die faktisch bis zur Bürgerkriegsdrohung gehen.
Es ist ungemein bezeichnend, daß dieser schwere Zwischenfall, der solch einen der obersten Gegner der Sozialdemokratie betraf, im weiteren von der sozialdemokratischen wie von der DDR-Geschichtsschreibung in zahlreichen Werken über die damalige Epoche und die damalige Arbeiterbewegung unterschlagen wurde.
Im Jahre 1906 schließlich brachen auch die Gegensätze innerhalb der herrschenden Klassen auf. Zu erstickend war das faktisch illegale Regime von Klüngeln, die den Kaiser benutzten zu einer Herrschaft ohne jedes Mandat. Der Publizist Maximilian von Harden griff den langjährigen persönlichen Vertrauten von Wilhelm II. an, der einen von Homosexualität geprägten "eingeweihten Kreis" bildete und hinter den Kulissen die Politik beeinflußte. Diesmal mußte sich Wilhelm II. von diesen Leuten lossagen.
In Deutschland damals war diese Ausbreitung der Homosexualität ganz stark mit dem Wesen dieser verkommenen junkerlichen und bourgeoisen Oberschicht verbunden. Hirschfelds Wirken zielt zu einem ganz erheblichen Teil auf die Einwirkung auf diese Oberschicht, einschließlich des Kaisers selbst, um eine Kehrtwendung in der gesellschaftlichen Bewertung der Homosexualität zu erreichen. Hirschfeld gründete 1897 ein sog. Wissenschaftlich-humanitäres Komitee, das sich angeblich besonders der medizinischen Hilfe und Aufklärung widmet, vor allem aber zahlreiche Verbindungen knüpft, Leute, die wegen ihrer Homosexualität erpreßt werden, berät, und dadurch selbst zu einem umfassenden informativen Apparat wird.
An dieser Stelle ist es unerläßlich, auf die Vorgänge in der Leninist-International eine Bemerkung zu verwenden. Heute, im Jahre 1998, bringt dort Louis Proyect mit Unterstützung anderer Trotzkisten Zitate, in denen die Sozialdemokratie angegriffen wird, weil sie damals die Aristokratie wegen ihrer homosexuellen Ausschweifungen kritisiert habe. Für uns werfen sich Fragen auf, was für Leute derartige Diskussionsforen beherrschen. Was sind das für Foren, in denen rabiate und fanatische Trotzkisten sich auf den Schlips getreten fühlen, weil in unseren Beiträgen, und zwar in ganz ruhiger und sachlicher Form die sog. Homosexuellenbewegung kritisiert wurde!?
Einer der wesentlichen Punkte ist
immer wieder die Berufung auf die erste Gesetzgebung des sowjetischen Rußland.
Was die erste sowjetische Regierung betrifft, so hat sie in der Tat den
gesamten Sexualstrafrechtsparagraphen des Zarismus gestrichen. Aber es
gibt gar keine ausführlichen Erläuterungen maßgeblicher
Bolschewiki zu dieser Frage, erst recht nicht von Lenin. Es gibt keinerlei
Äußerung von Lenin, in der er sich etwa für die Gleichberechtigung
der Homosexualität ausgesprochen hätte. Dafür aber vermittelte
die Erfahrung der Sowjetunion während der 20er Jahre zunehmend die
Erkenntnis, daß die Homosexualität eine Erscheinung der Degeneration
der besitzenden Klassen ist. Ab den 30er Jahren wurde dann die Strafbarkeit
eingeleitet, 1934 ein Gesetz erlassen. Hier sollte betont werden, daß
die Frage der Strafbarkeit einer gesellschaftlichen Erscheinung und die
Frage nach dem Wie der Bekämpfung eine andere Frage ist als die, wie
man eine Sache grundsätzlich gesellschaftlich einschätzt. Man
muß auch berücksichtigen, daß in der SDAPR lange Zeit
die deutsche Sozialdemokratie als eine vorbildliche Partei gesehen wurde,
bis man auf Grund der praktischen Erfahrungen zu einem differenzierten
Urteil kam. Es ist nicht auszuschließen, daß die Meinungen
in der SPD in einzelnen Detailfragen zunächst noch einen Einfluß
ausübten.
Ein besonderes Kapitel der KPD
Ein sehr wichtiges Kapitel, das unserer Ansicht nach im einzelnen beleuchtet werden muß, ist das Kapitel der KPD und der Auseinandersetzung um die Paragraphen des bürgerlichen Strafgesetzbuches. In der KPD gab es bestimmte Kräfte, die von Zeit zu Zeit die Diskussion um die sog. Emanzipation aufgegriffen haben und in parlamentarischen Gremien Vorstöße gegen die Strafbarkeit unternommen haben. Nirgendwo in den uns bekannten grundsätzlichen Programmen oder Erklärungen findet man Forderungen, die auf eine Gleichberechtigung der Homosexualität oder auch nur auf Beseitigung des §175 drängen.
Hier gibt es aber ein Kapitel von größtem Interesse, das auch wir erst durch Recherchen in den letzten Wochen, durch detaillierte Studien in Erfahrung gebracht haben. Dies ist zugleich von allgemeinem Interesse, weil es zugleich den Nazismus betrifft.
Die oben geschilderte Rolle der Sozialdemokratie
gewinnt in bestimmten Zweigen der KPD eine erstaunliche Fortsetzung. In
der "Roten Fahne" etwa nähert sich die KPD-Stellung der sowjetischen
Einstellung an, die den gesellschaftlichen Charakter der Homosexualität
benennt, und von Dekadenzerscheinung wird gesprochen, nachdem man auch
in der SU im Laufe der zwanziger Jahre immer mehr Erfahrung mit dieser
Materie gewinnt. Aber es gibt bestimmte leitende Vertreter der KPD, die
sich - sogar in einem außerordentlichen Ausmaße - zum Sprachrohr
dieser sogenannten Emanzipation machen. In den offiziellen Resolutionen,
in Parteitagsdokumenten oder den großen Reden von Thälmann oder
anderen bekannten Repräsentanten spürt man dergleichen nicht,
weshalb es auch richtig war zu sagen, daß derartige Forderungen,
wie sie heute erhoben werden, niemals die Gesamtheit dieser Partei betroffen
haben.
Der Fall Richard Linsert
Aber es gibt ein Phänomen wie den Funktionär Richard Linsert, der, wie aus verschiedenen Publikationen hervorgeht, eine maßgebliche Rolle in dem Abwehrapparat der KPD in der damaligen Bürgerkriegssituation um das Jahr 1930 innehatte. Richard Linsert ist gleichzeitig als Buchautor, wohlbekannt in der Öffentlichkeit, im Sinne des "Wissenschaftlich-humanitären Komitees" Hirschfelds hervorgetreten. Mehr noch, er war ein engster Mitarbeiter von Magnus Hirschfeld, es wird sogar behauptet, er habe diesen ab ca. 1930 in der Leitung des Komitees de facto abgelöst..
Linsert ist als Buchautor hervorgetreten, der eine bestimmte Sorte von sogenannter "homoerotischer" Literatur produzierte, die zum Teil Intrigen und Skandale der vorherigen Jahrzehnte und Jahrhunderte beschreibt, mit zum Teil genüßlicher Darlegung von Einzelheiten, und in der sich Linsert als faktischer Stratege der Hirschfeldschen Richtung gibt. Man steht also erst einmal vor der erstaunlichen Tatsache, daß die KPD 1931 eine unmittelbare Verbindung zwischen ihrem geheimdienstlichen Apparat und dem Hirschfeldschen Komitee besitzt. In den verbreiteten Abhandlungen über die Geschichte der KPD findet dieser Umstand weder bei westlichen noch bei DDR-Autoren irgendwelche Erwähnung. Erst wenn man eine gezielte Recherche betreibt, stößt man auf diesen Punkt. Und diese Angelegenheit von Anfang der dreißiger Jahre steht natürlich mit einigen anderen bekannten Fakten aus der damaligen Zeit im Brennpunkt. Namentlich in den sogenannten Sturm-Abteilungen (SA) der NSDAP befanden sich viele homosexuelle Führer, die damals, 1931/32, wegen ihres päderastischen Treibens in den faschistischen Jugendorganisationen öffentliches Aufsehen erregten. Hat die KPD versucht, etwa über Leute wie Linsert Verbindung zu diesen Leuten wie Röhm und Konsorten zu bekommen? Diese Frage drängt sich regelrecht auf. Und tatsächlich, bei Linsert finden wir eine direkte Verherrlichung der früheren Freikorps, die nach 1918 massiv die Arbeiter niedergeschlagen und gemetzelt haben. Von mehreren solcher Passagen läßt sich bspw. zitieren (Richard Linsert, "Kabale und Liebe", 1931, S. 540):
" Es hat sich aber bald gezeigt, daß die Vergötterung der Idee, der rücksichtslose Einsatz von Leib, Leben oder Freiheit aus einer allgemeinen solidarischen Verbundenheit hervorging. Die großen individuellen oder kollektiven Leistungen von Wehrverbändlern zeugen ausnahmslos von einem stark entwickelten Kameradschaftsgefühl. Ich sagte schon und habe gründlich ausgeführt, daß die Wurzeln dieses solidarischen Kameradschaftsgeistes ihre Wurzeln haben in bestimmten homoerotischen Komponenten, im Schwingen eines bestimmten Fluidums von Mann zu Mann." Zum Kotzen!Die Herkunft dieser Verbände rührt aus dem Raubzug, den das deutsche Kapital, insbesondere in der Schlußphase des Krieges, unternahm, u.a. aus der Rolle der expandierenden Ostarmee 1918, die eine solche Landsknechtsmentalität regelrecht erzeugte. Die "Homoerotik" ist Folge dieser verbrecherischen Rolle, nicht aber die Ursache der Freikorpsverbände.
Der Abwehrapparat der KPD war mit der Sicherung der illegalen Arbeit befaßt, mit dem Schutze einzelner Parteimitglieder, und mit der Nachrichtenbeschaffung aus anderen Parteien und militärischen Organisationen, sprich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit dieser revolutionären Partei befaßt. Es ist schon für sich genommen eine erstaunliche Tatsache, daß ein derartiger Exponent eine führende Rolle in solch einem Aufgabenbereich einnimmt. Linsert wird sogar als "rechte Hand" von Hans Kippenberger, dem Leiter dieser militärischen Abteilung, beschrieben.
Der Fall des Richard Linsert ist in einer besonderen Weise untersuchenswert. Seine Stellung läuft faktisch darauf hinaus, die Freikorps, die eine unmittelbare Quelle des Nazismus darstellten und bei der sehr blutigen Niederschlagung der Arbeiterbewegung 1918 bis 23 eine zentrale Rolle spielten, regelrecht zu verherrlichen und deren zweifelhafte Traditionen anzusprechen. Auch an seiner Person wird selbst eine direkte Brücke zwischen Homosexualismus und Nazismus und anderen ultrarechten politischen Bewegungen deutlich. Wie so jemand eine leitende Rolle einnehmen konnte, das ist in der Tat unklar.
Den Klassenkampf sucht man vergeblich bei Linsert, oder überhaupt soziale Analyse. Wie war es möglich, daß so jemand eine führende Rolle einnehmen konnte. Linsert greift die Leute, die die Homosexualität als Degeneration bezeichnen als "Mucker" an, und wirft sie (das heißt einen großen Teil der Mitglieder der KPD) mit Proklerikalen und anderen Konservativen in einen Topf.
In einem jüngeren Buch (1993) "Der Nachrichtendienst der KPD 1919-1937" von Bernd Kaufmann und anderen, das viele Details über den Abwehrapparat enthält, wird nichts über den Fall Linsert geschildert, obwohl er doch durch die bemerkenswerten Umstände heraussticht. Es gibt nur eine winzige Anmerkung, die besagt, daß Linsert 1930/31 der Abteilung C vorstand, die tatsächlich für das Herantreten an bestimmte gehobene Nazis zuständig war. Man gewinnt den Eindruck, daß gewisse Leute in der KPD über das Thema Homosexualität Verbindung zu gewissen Leuten der NSDAP gesucht haben. Die Angabe des Buches stützt solche Vermutungen über politische Absichten.
Dies alles unter den Bedingungen, daß die SPD, aber auch die KPD im Jahre 1931, aber auch 1932 eine öffentliche Aufdeckungskampagne gegen die päderastischen Ausschweifungen von Röhm in der Nazipartei betrieben! Röhm, verantwortlich für den brutalen Naziterror gegen andere Parteien, soll auch Mitglied des sog. "Bundes für Menschenrecht" gewesen sein, einer weiteren Organisation zur "Emanzipation" der Homosexualität, die mit Hirschfeld in Verbindung stand.
Man sieht auch hieran, daß im Konkreten und bei Licht das idyllische Bild des Eintretens für eine arme unterdrückte Minderheit ein Trugbild ist. Der Homosexualismus hängt mit einer Masse Schmutz zusammen, mit Intrige und mit Mißbrauch der Arbeiterbewegung. Es stellt sich umso mehr die Frage, wie Richard Linsert solange in dieser Position verbleiben konnte, der doch in so krassem Gegensatz zum ganzen Engagement der meisten Führer der KPD stand. Im Zusammenhang mit Linsert sind noch Wilhelm Koenen zu erwähnen, ein KPD-Reichtstagsabgeordneter, und schließlich der sog. Justizexperte der KPD, Felix Halle, der soweit geht, von der "sogenannten (!) widernatürlichen Unzucht zwischen Mensch und Tier" zu reden, als einer "besonders auf dem Lande vorkommenden geschlechtlichen Betätigung." (Die Internationale, 1926, S.666), und an anderem Orte sogar der Freiheit des Inzestes das Wort redet. An anderem Orte spricht er allerdings von der Sodomie mit Tieren als einer geschlechtlichen Verirrung, allmählich muß selbst ihm nicht mehr ganz wohl gewesen sein. Auch Kurt Hiller ist zu erwähnen, ein Intellektueller, der sich massiv diese sog. Emanzipation auf die Fahnen geschrieben hat, dessen Ansichten sich aber selbst in der Nähe des Rassismus bewegen, und der elitäre Konzepte vertritt.
Wie gesagt: von alledem ist in den hauptsächlichen Dokumenten, den politischen Resolutionen nicht die Rede. Und die meisten Kämpfer der KPD waren in den damaligen Jahren auch mit dem alles entscheidenden Kampf beschäftigt. Aber es braucht wohl kaum der Erwähnung, daß die Nazis trotz ihrer eigenen ausgedehnten homosexuellen Szene diese angebliche Stellung der "marxistischen Parteien", die in Wirklichkeit eine Schmuggelware des Revisionismus und der Rechten ist, für ihre Demagogie benutzten.
Redaktion Neue Einheit
1.12.1998