NEUE EINHEIT  Internet-Statement  #6/98

Fragen an Sahra Wagenknecht


Aus Anlaß einer Veranstaltung und öffentlichen Diskussion über das neue Buch von Sahra Wagenknecht "Fragen an die Autorin" in Dortmund am 30.August 1998 wurden die folgenden Fragen von Hartmut Dicke der Autorin vorgelegt. Sie beziehen sich noch auf das vorherige Buch "Antisozialistische Strategien", welches die Autorin bekannt gemacht hat. Der Verfasser der folgenden Ausführungen war an diesem Tage in Dortmund nicht anwesend, und ließ diese in schiftlicher Form überbringen. Sie sollten dort auch ursprünglich verlesen werden.

Sie werden jetzt, da sie wie wir meinen von allgemeinen Interesse sind, im Internet veröffentlicht.
U.M.

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Das Buch "Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzungen" von Sahra Wagenknecht ist ein bemerkenswertes Werk, weil es den Versuch darstellt, die Zerstörung des Sozialismus von seiten der Strategie des US-Imperialismus, des Gaullismus, Westdeutschlands und anderer Imperialisten darzustellen, und weil es prinzipiell der Tendenz der Selbstverleugnung und der Selbstaufgabe, dokumentiert durch zahlreiche ehemalige Sozialisten, entgegentritt, und damit auch dem Trend, mittels dieser Strömungen die heutige Tendenz des Verfalls und der Dreingabe in die Absichten der Imperialisten auch in die Massen hineinzutragen. Und insofern möchten wir den positiven Charakter dieser Schrift hervorheben. Trotzdem haben wir einige entschiedene Differenzen und Fragen dazu.

Die Autorin schreibt z.B. zu Anfang: "die genaue Kenntnis der antisozialistischen Strategieen des imperialistischen Blocks ist insofern die notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung für jede wissenschaftliche Beantwortung der Frage, wo die Ursachen für den Untergang des ersten sozialistischen Weltsystems zu finden sind", und betont zugleich, daß sie die inneren Faktoren des Sozialismus in diesem Werk noch nicht analysiert. Kann man aber die antisozialistischen Strategien analysieren, ohne auf die inneren Faktoren der SU und der DDR, aber auch Chinas einzugehen? Ich meine: nein. Die innere Entwicklung des Sozialismus, resp. seine Verwandlung in den Revisionismus, und die Strategie der westlichen Imperialisten und die Weiterentwicklung der Produktivkräfte auf der gesamten Welt während der besagten Periode bilden einen dialektischen Zusammenhang, den man auch im Zusammenhang untersuchen muß. Ohne die Analyse der inneren Faktoren in der SU, des Nachwachsens bürgerlicher Erscheinungen und einer nachwachsenden Bourgeoisie kann man die Entwicklung der SU nach 1956 und insbesondere nach 1961 nicht verstehen. Die Analyse der opportunistischen Politik bedarf auch einer Analyse der materiellen Grundlagen innerhalb der sozialistischen Gesellschaft selbst.

Es bleibt auch gänzlich unerklärlich, warum sich die Autorin nicht bemüht, den grundlegendsten und wichtigsten Konflikt zwischen der KPdSU und der KPChinas in den sechziger Jahren zu analysieren, darunter z.B. solche bedeutenden Dokumente wie die Polemik vom 14. Juni 1963 oder etwa den dazugehörigen Kommentar über den Pseudokommunismus Chruschtschows. Die Autorin geht auch nicht irgendwie auf die Ursachen dieses Konflikts ein.

Wir meinen, daß dies in die Diskussion unabdingbar hineingehört. Trotzdem aber soll noch einmal betont werden, daß die Analyse der Strategie der Umkreisung der sozialistischen Staaten, der Ausspielung gegeneinander, der Förderung des Revisionismus eine wichtige Komponente darstellt, zu deren weiterer Analyse wir gerne auch beitragen, und eigene Ideen entwickelt haben.

Es gibt noch weitere wesentliche Punkte, die man z.B. auf einer Diskussion ausgiebig klären könnte.

Heute, wo der Imperialismus in eine umfassende Krise mit jedem Tag tiefer gerät, muß der Sozialismus mit aller Entschiedenheit propagiert werden.

Hartmut Dicke
Gruppe Neue Einheit
30.8.98