NEUE EINHEIT  Internet-Statement  #7/98
 

Die soziale Katastrophe der Steuerreform

Rezension des Buches:

"Die Ökologische Steuerreform - Was sie ist - Wie sie funktioniert - Was sie uns bringt"
von  Carsten Krebs, Danyel T. Reiche, Martin Rocholl
Birkhäuser-Verlag, Berlin Basel Boston 1998 
Herausgegeben von:    DNR (Deutscher Naturschutzring), NABU (Naturschutzbund Deutschland), BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) 
mit Vorworten von:     Ernst Ulrich von Weizsäcker, Klaus Zwickel und Matthias Max Schön

Man muß bei diesem Buch, ähnlich wie bei Wahlprogrammen der Parteien in der BRD, unterscheiden zwischen den versprochenen Wohltaten und den wirklichen Absichten und Wirkungen. Letztere sind meist weniger wohltuend für die große Mehrheit, so auch hier.
Als die wirkliche Absicht des hier vorgetragenen Konzepts "Energiesteuer" bzw. Ökologische Steuerreform treten hervor alte grüne Wünsche, mittels des Hochtreibens der Energiepreise:

Das Neue besteht im Werbedesign. Der Text enthält vielfache Wiederholungen des Versprechens, daß die Energiesteuer, sowie die Erhöhung des Treibstoffpreises auf etwa 4,60 DM, zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes führe, insbesondere zu Vorteilen für viele Gruppen von Kapitalisten, und daher nun sozusagen eine aufgeklärte grüne Politik bilde. Wie das? Ganz einfach: Die Energiesteuer wird gemäß den Versprechungen dieses Buches zur Subventionierung der Sozialversicherung verwendet. Die Autoren nennen dies eine "aufkommensneutrale" Steuer und betrachten sie als das Ei des Kolumbus. So würden die Lohnnebenkosten sinken, dies führe zum Abbau, nicht zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit , zur Erhöhung der Nettoeinkommen aus Arbeit, nicht zu ihrer weiteren Senkung, zur Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitalismus, zu seiner Modernisierung. (Ebenso sei ein Benzinpreis von DM 4,60 kein Nachteil für die arbeitende Bevölkerung, denn man werde das Steueraufkommen daraus zur Senkung der Lohn- und Einkommensteuer verwenden.)

Zu diesen angeblichen Wirkungen weiter unten.

Vielleicht hier noch eine Bemerkung vorweg.
Wenn man sich mit den Fragen befaßt, wieso die Reichtumsverteilung in diesem Lande immer krasser ungleich wird, wieso immer mehr produktive ökonomische Aktivitäten erstickt werden und die Arbeitslosigkeit wächst und wächst, kommt man am Parasitismus, der diesem System innewohnt, an der Frage, welche Stellung hier z. B. Staat, Finanzkapital und Grundbesitz tatsächlich einnehmen, nicht vorbei. Jeder Vorschlag einer ökonomischen Politik muß auch diese Kräfte behandeln, und wenn es schon von vornherein um allgemeine Steuererhöhungen in enormem Umfang geht, wie hier, sollte man erwarten, daß die Autoren hier klar Stellung beziehen. Das fehlt jedoch in dem Buch völlig.

Noch eine Vorbemerkung:
Zu den unbefragten Voraussetzungen der Autoren zählen vor allem das Klimadogma sowie das Antikernkraft-Dogma. Obwohl die Fragen der historischen Klimaentwicklung sowie der Einflüsse von CO-2 etc. auf das Klima in der wissenschaftlichen Diskussion offensichtlich überhaupt noch nicht geklärt sind, steht für Krebs, Reiche, Rocholl fest: Die Reduzierung des CO-2-Ausstoßes ist oberste politische Pflicht. Gleichzeitig negieren sie die Kernenergie. Von diesem höchst problematischen Ausgangspunkt aus wird nun eine Energiediskussion geführt.
Ich beschränke mich hier auf die Analyse ihres sozialen Charakters. Er ist deutlich genug. Man könnte natürlich sagen: wenn diese Voraussetzungen der Autoren falsch sind, ist die ganze Energiediskussion ohnehin müßig, warum also noch eine Analyse. Weil ich aber die Diskussion hier nicht auf diese relativ umfänglichen Fragen ausdehnen will, die auch längst anderweitig behandelt worden sind, gehe ich hier einen anderen Weg und zeige lediglich den sozialen Gehalt einer Politik, die auf diesen Voraussetzungen aufbaut.
 

Wie soll die aufkommensneutrale Energiesteuer funktionieren?

Die Darlegung von Krebs, Reiche, Rocholl bezieht sich v.a. auf eine "allgemeine Energiesteuer":

"Besteuert werden fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl oder Gas - und zwar sowohl Importe als auch in Deutschland geförderte Energieträger (Primärenergiesteuer)....Hinzu kommt eine Steuer auf Strom, wobei die für die Stromerzeugung eingesetzte Energiemenge freigestellt wird." (46) Diese Steuer soll dem Staat im ersten Jahr 11 Mrd. DM, und nach zehn Jahren mit einer jährlichen Steigerung um 7% etwa 128 Mrd. DM einbringen. Die Verbraucherpreise für diese Energieträger würden bei dieser Steuer durchschnittlich um 5% pro Jahr steigen. (S. 46.f) Die Frage der Steigerung der gesamten Verbraucherpreise durch eine Energiesteuer behandeln sie überhaupt nicht.

Die ebenfalls als Unterpunkt ihres Konzepts befürwortete Erhöhung des Benzinpreises auf das 5-DM-Niveau durch eine weitere zusätzliche Steuer wird nur knapp erörtert. Den Autoren schwebt hier angeblich ebenfalls eine "Aufkommensneutralität" vor, indem diese Steuer angeblich zur Senkung der Lohn- und Einkommensteuer dienen solle. Sie schieben dieses Konzept allerdings ziemlich weit nach hinten, wohl weil sie befürchten müssen, daß der sozial katastrophale Charakter ihres ganzen Denkens dadurch sofort in den Vordergrund rückt.

Die sog. "Aufkommensneutralität" der allgemeine Energiesteuer besteht im Konzept von Krebs, Reiche, Rocholl darin, daß mit dem Aufkommen dieser Steuer die Sozialversicherungen bezuschußt werden. Sowohl die Betriebe als auch die Arbeitnehmer würden dann geringere Beiträge zahlen müssen. Das nennen sie "Arbeit verbilligen". Da Betriebe mit großem Energieverbrauch und wenigen Beschäftigten mehr Energiesteuer zahlen müßten und weniger Geld als Zuschüsse zu den Sozialbeiträgen zurückerhielten, während sich Betriebe mit wenig Energieverbrauch und vielen Beschäftigten genau umgekehrt stehen würden, ergebe sich in der Wirtschaft eine Verschiebung:

"Die Wirtschaft als Ganzes wird nicht zusätzlich belastet. Die Verschiebung bewirkt lediglich, daß Betriebe, die viele Arbeitnehmer einstellen, einen Vorteil haben, während Betriebe, die viel Energie verbrauchen, stärker belastet werden." (57)

"Energieintensive Produkte werden teurer, während arbeitsintensiv produzierte Waren und Dienstleistungen billiger werden." (57)

Die Proteste von Kapitalisten mit besonders hohem Energieverbrauch, bspw. aus der Grundstoff- und Chemieindustrie, wollen Krebs, Reiche, Rocholl mit der Versicherung entkräften, sie würden von der Energiesteuer ausgenommen.
 

Faktisch verteuern sich die Grundbedürfnisse drastisch.

Was geschieht nun mit den durchschnittlichen Arbeitseinkommen?
Die höheren Energiekosten werden lt. Krebs, Reiche, Rocholl durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ausgeglichen. Sie schreiben kurzerhand:

"Der Nettolohn steigt sogar" (57)

"Dadurch haben alle Arbeitnehmer mehr Geld in der Tasche, um Investitionen in Energieeinsparungen zu finanzieren bzw. die erhöhten Energiekosten für Heizung, Warmwasser, Strom und Kraftstoffe zu bezahlen." (58)

Demnach würde es sich nur um eine Verschiebung von Mitteln handeln, von der der Arbeitnehmer nichts hätte. Er müßte höhere Energiesteuern zahlen, dafür staatlicherseits eine Kompensation erhalten, und die wiederum für die höheren Energiepreise verwenden.

Aber es handelt sich in Wirklichkeit nicht einmal um Lohnerhaltung, sondern um massive faktische Lohnsenkung mittels einer allgemeinen Steigerung der Lebenshaltungskosten. Man kann nicht Treibstoffe, Heizenergie und Strom empfindlich verteuern, ohne daß sich das unmittelbar preissteigernd auf fast sämtliche Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs auswirkt. Dieser Punkt wird von Krebs, Reiche, Rocholl überhaupt nicht behandelt, nicht einmal in ablenkend-beschönigender Weise. Sie sehen hier auch keine Kompensation vor, wahrscheinlich weil ihnen der Punkt überhaupt unangenehm ist. Aber er liegt auf der Hand.

Die Energiesteuer macht direkt die gesamte Lebenshaltung teurer, incl. der elementaren Lebensmittel. Für diese schlagen Krebs, Reiche, Rocholl noch verschärfend die Biobauernwirtschaft vor, die bei gleichem Ausstoß ein Drittel mehr Arbeitskräfte benötige - d.h. die Lebensmittel schon dadurch wesentlich teurer macht. Dieses Biobauerntum soll nach ihrem Konzept nun nicht in einer Marktnische verharren, sondern sie verlangen seine Abschirmung vor überregionaler oder gar internationaler Konkurrenz, um ihm so eine dominante Stellung zu verschaffen. Das enthält das Konzept der "Regionalisierung", das übrigens die gesamte Konsumgüterwirtschaft, nicht nur die Lebensmittel, einbezieht. "Regionalisierung" besagt, daß die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen, handwerklichen und industriellen Kapitalisten einer Region deren Markt möglichst exklusiv für sich mit Beschlag belegen sollen. Erreicht werden soll dies v.a. durch Veränderungen des Verkehrssystems. Die starke Verteuerung von Autotransport, der Abbau von Straßen, überhaupt eine Verminderung der verkehrsmäßigen "Durchlässigkeit" des Landes dienen einer solchen "Regionalisierung" der Wirtschaft im Konzept von Krebs, Reiche, Rocholl.

"Zur Senkung des Lkw-Güter- sowie des Wirtschaftsverkehrs, der teils stark der internationalen Verflechtung und Arbeitsteilung unterliegt, müssen regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Dabei können insbesondere die Verbraucher ihren Einfluß geltend machen. Der Handel regional hergestellter und angebauter Produkte ist ganz wesentliche Voraussetzung dafür, daß Verkehrsvermeidung auch Realität wird." (154) Man kann solche Ideen vielleicht z. T. würdigen, wenn man ihre Verwandtschaft mit der alten vor- und kleinkapitalistischen Ökonomie feststellt. Die Aufteilung eines abgeschlossenen Marktes unter lokale Gilden, Zünfte etc., d.h. Zusammenschlüsse kleiner Produzenten, um Konkurrenz gar nicht erst aufkommen zu lassen und einen stagnanten bequemen Profit bei entsprechend mäßiger Qualität und hohen Preisen für die Verbraucher zu sichern, ist etwas recht Altes.
Man stelle sich einmal ein Deutschland vor, das auf den Weltmärkten konkurrieren soll - angeblich wollen die Autoren ihm diese Möglichkeit sichern, ja sogar verbessern - mit einer solchen ökonomischen Infrastruktur, mit einer solchen Abgeschlossenheit seiner Konsumentenmärkte gegenüber der internationalen Konkurrenz!
Das Buch versucht hier, die rückständigsten Ressentiments deutscher Kleinkapitalisten für die Energiesteuer zu mobilisieren.

So sagt auch M.M. Schön, der Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer, der ebenfalls ein Vorwort beigesteuert hat:

"Höhere Energiepreise sorgen für einen frühzeitigen Strukturwandel hin zu Zukunftsinnovationen sowie für eine Stärkung der zumeist mittelständischen Regionalwirtschaft." (S. 16) Jedenfalls kann man, wenn man schon allein diesen Teil der Vorstellungen von Krebs, Reiche, Rocholl vor Augen hat, mit einigem Grund eine Erhöhung der Lebensmittelpreise und anderer Grundkosten um wenigstens 40- 50% erwarten. Wie gesagt: "Mehr Nettolohn in der Tasche."

Krebs, Reiche, Rocholl vertreten in der Verkehrsfrage "Entschleunigung" und "Entflechtung". "Entflechtung" ist das Gegenteil von "Verflechtung", die definiert wird als "höhere Durchlässigkeit von Raum" (157). Sie streben eine geringere Durchlässigkeit des Raumes an. Mit einer "nahräumigen, PS-armen Mobilität und mittlerer Geschwindigkeit" (157) ausgestattet, wird es aber umständlicher, teurer und zeitraubender, statt bspw. im 20 km Umkreis einer Landstadt wie Gießen herumzugurken, nur einmal nach Frankfurt/M. zu fahren (60 km), von Köln ganz zu schweigen. Die Folgen für soziale Konktakte, z.B. innerhalb der Familie, des Freundeskreises, für die Teilnahme am kulturellen Leben (Bibliotheken, Museen, Veranstaltungen) sind offenkundig. D.h., Entsozialisierung und Senkung des Kulturniveaus bilden weitere verheimlichte Punkte auf der Agenda von Krebs, Reiche, Rocholl .
Der Weg zur Arbeit soll durch Senkung und Wegfall von Steuerermäßigungen teurer werden; allein hieraus soll der Staat 7 Mrd. DM mehr einnehmen können. Das ist eine spezielle Schweinerei gegenüber Arbeitnehmern, die für die teilweise langwierigen Fahrten kein Entgelt erhalten, und nun auch noch kräftiger berappen sollen (164 f.)

Ganz extrem benachteiligt werden durch das Konzept die vielen Míllionen von Menschen, die keine oder ganz wenig Sozialversicherungsbeiträge zahlen, weil sie bspw. von Rente oder Sozialhilfe oder ganz knappen Löhnen oder 620-DM-jobs leben, darunter viele alleinerziehende Mütter mit Kindern, und die in ihrer Mehrzahl ohnehin schon vieles nicht mehr bezahlen können. Auf sie schlägt die gesamte Verteuerung der Grundbedürfnisse von vornherein voll durch, ohne daß sie die - versprochene - Kompensation durch Senkung ihrer Sozialversicherungsbeiträge erhalten könnten. Hier wird von Krebs, Reiche, Rocholl ein sog. sozialer Ausgleich versprochen. Es heißt beschönigend: "Der soziale Ausgleich erfordert einen gewissen Verwaltungsaufwand, denn für jeden Haushalt muß überprüft werden, ob und in welcher Höhe Anspruch auf den sozialen Ausgleich besteht." (103) Mit anderen Worten, der Staat, der mit der Energiesteuer Millionen von Menschen dem Pauperismus ausliefert, verspricht, daß man bei einer noch weiter aufgeblähten Bürokratie Almosen zur Linderung desselben beantragen könne. An diesem Punkt tritt der völlig asoziale Charakter des Ökosteuerprogramms besonders augenfällig hervor.
 

Lohnsenkung und Primitivisierung der Arbeit

Während bei Krebs, Reiche, Rocholl so getan wird, als gebe es diese einschneidende Verteuerung der Lebensmittel sowie anderer Primärbedürfnisse nicht, oder wenn schon ein bißchen Verteuerung, dann ließe sie sich locker durch staatliche Ausgleichszahlungen kompensieren, wird im Vorwort von E.U. v. Weizsäcker dankenswerterweise die Absicht der direkten Lohnsenkung durch die Energiesteuer deutlich ausgesprochen. (Kleine Panne der Redaktion?) Weizsäcker verlangt die generelle Verteuerung des Ressourcenverbrauchs, wozu der Energieverbrauch gehört.

"Die langfristig angelegte Verteuerung des Ressourcenverbrauchs ist ja zugleich eine Innovationspeitsche. Die kann sehr wohl dazu führen, daß im Durchschnitt die Effizienz der Ressourcennutzung um 5 Prozent pro Jahr zunimmt. Wenn die Ressourcen ihrerseits um 5 Prozent pro Jahr teurer würden, bliebe im Durchschnitt keine Verteuerung.

Allerdings wäre eine ganze Menge Kapital von der Arbeitsrationalisierung abgezogen worden; das heißt, die Arbeitslosigkeit sollte im Vergleich zum ‘Nichtstun-Fall’ abnehmen. Aber auch die Arbeitsproduktivität und damit der Spielraum für Löhne bliebe hinter dem Vergleichsfall zurück."(S. 12, meine Hv.)

Hier sagt v. Weizsäcker also direkt, daß er die Primitivisierung der Arbeit und die entsprechende Lohnsenkung mittels der Energiesteuer und einer generellen Ressourcensteuer wünscht.

Krebs, Reiche, Rocholl sowie auch v. Weizsäcker vertreten, daß das Arbeitsvolumen in der deutschen Gesellschaft dadurch zunehme, daß man Maschinen eines hochindustrialisierten Landes durch Menschen ersetze, ein fundamental rückwärtsgerichtetes und irreales Programm, das nicht umsonst zur Lieblingspropaganda der deutschen Nazis gehörte. Diese Idee ist noch weit reaktionärer als die Praxis des internationalen Kapitals, das in Entwicklungsländern, wo es noch kaum ein entwickeltes technisches Industriesystem gibt, massenweise manuelle Billigarbeit ausbeutet.
 

Auch die IGMetall für die Ökologische Steuerreform

Wenn hier die illustren Wissenschaftler der Re-primitivisierung und Verbilligung der Arbeit ihre Absichten ausplaudern, sollte man doch eigentlich vehementen Widerspruch der Gewerkschaften erwarten. Es gehört zu den interessanten Informationen des Buches, daß auch Klaus Zwickel, der Vorsitzende der IGMetall, ein Vorwort beigesteuert hat, in dem er in keiner Weise Einspruch erhebt. Hier sagt er:

"Die IG Metall hat sich für die Einführung einer Ökologische Steuerreform ausgesprochen, die im Kern eine aufkomensneutral finanzierte dynamische Energiesteuererhöhung bedeutet und langfristig durch eine Ressourcensteuer ergänzt wird. ...Von dem damit eingeleiteten ökologischen Strukturwandel sind überwiegend positive Beschäftigungseffekte zu erwarten." Auf die Produktivitätssenkung und die damit verbundene Lohnsenkung geht Zwickel in seinem Vorwort in keiner Weise ein. Da man nicht annehmen kann, daß diese Zusammenhänge der IGMetall verborgen geblieben seien, handelt es sich offensichtlich um ein gewerkschaftlich abgesegnetes Programm der Senkung der technischen Standards sowie der Löhne. In dieser Radikalität ist es für gewerkschaftliche Maßstäbe neu. Es liegt auf dieser Linie, wenn der DGB sich auch bereits deutlich für den Benzinpreis von 5 DM ausgesprochen hat. Wir haben immer die Ansicht vertreten, daß gerade die westdeutschen Gewerkschaften einen mit dem Staat und dem deutschen und internationalen Finanzkapital engstens verbundenen Systembaustein darstellen zur Unterordnung der abhängig Arbeitenden unter ihre Absichten. Manchmal tritt dies etwas zurück, wie z.B. in der Kampagne für die Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich von 1984. Hier jedoch wie auch in vielen anderen Maßnahmen zuvor und danach tritt es wieder unverkennbar und prinzipiell hervor.
 

Weitere Ideen zur Förderung rückständiger und parasitärer Formen des Kapitalismus mittels der Energiesteuer

Ein Lieblingsargument von Krebs, Reiche, Rocholl, das ungefähr auf jeder dritten Seite wiederholt wird, ist das folgende: wegen der Energiesteuer und der damit verbundenen Verbilligung der Arbeitskraft werden mehr Arbeitskräfte eingestellt in den Bereichen Häusermodernisierung, insbesondere der Energieeinsparung, in Berufen, die solches planen und ausführen (Architekten, Ingenieure, Handwerker), sowie in der Schaffung von natürlichen Erholungsgebieten und Renaturierung geschädigter Gebiete, schließlich auch in der Reparatur von alltäglichen Gütern (so bspw. S. 60).

Bekanntlich ist in Deutschland der Immobiliensektor finanziell besonders aufgebläht und ein offensichtliches Haupt-Tummelfeld des ökonomischen Parasitismus. Das reicht von den extremen Grundstückspreisen, bedingt durch eine völlig ungehemmte und oft auch direkt staatlicherseits betriebene Spekulation, über die rückständigen Bau- und Renovierungsmethoden des deutschen Handwerks bis zum exzessiven privaten Aufwand fürs schöne und ökologisch gewissensbereinigte Heim, den so viele Spießer hier mangels wirklicher Kultur und Engagements treiben. Wäre das Land noch in erster Linie ein Industrieland, das sich im internationalen Wettbewerb durchsetzen müßte, könnte es sich einen derart unanständig vergrößerten unproduktiven Sektor gar nicht leisten. Man kann den enormen Mittelfluß hierein nur aus der zunehmenden parasitären Stellung des Landes erklären, dessen Finanzkapital zunehmend auf seine Weise die übrigen Völker ausnimmt und auf gewissen Kanälen natürlich auch dem einheimischen Spießer und der ihn bedienenden Ökonomie Einiges zukommen läßt.

Eigentlich braucht man solche Vorschläge, ausgerechnet diesen Sektor noch weiter zu puschen, nicht in Detail zu kommentieren. Sie tragen ihre Herkunft auf der Stirn.
 
 

Warum sollte man ausgerechnet einem Staat, der astronomisch hoch verschuldet ist, neue Steuern in die Hand geben?
 

Die Verschuldung des deutschen Staates hat längst Dimensionen erreicht, angesichts derer selbst professionellen bürgerlichen Ideenproduzenten nichts mehr an Tilgungskonzepten einfällt.
Wie die fast täglich neu aufgetischten Forderungen nach weiteren Steuern, Gebühren, Finanzmanipulationen etc. zeigen, geht es nur noch um die Füllung der sich ständig neu auftuenden Löcher.
Wie kann man in einer solchen Lage der Öffentlichkeit erklären, sie solle nur fleißig zusätzliche Dutzende und bald Hunderte Milliarden DM jährlich an Energiesteuer und Mineralölsteuer für das Auto abführen, sie bekomme ja alles "aufkommensneutral" zurück? Der Fiskus ist doch längst weitgehend ein Organ der Kanalisierung von Abgaben an die mit dem Staat besonders eng liierten Schichten von Kapitalisten, Banken, "Anlegern", "Steuersparern", Spekulanten aller möglichen Art, an den Staat selbst und seine (höheren) Diener geworden. Die Verschuldung gehört zum Instrumentarium dieser Zweckentfremdung. Statt bspw. Schulen instandzuhalten und Lehrer einzustellen, müssen Schulden bedient werden, d.h. Geldbesitzer reicher gemacht werden.
Wer kein Konzept hat, wer nicht einmal die Frage aufwirft, wie mit der Entfremdung der Abgaben von den staatlichen Aufgaben und ihrer Zuwendung an die unverhohlene Bereicherung Schluß gemacht werden kann, sollte nicht über Ökonomie reden, erst recht nicht noch neue Billionen für diese Mechanismen einfordern!
Krebs, Reiche, Rocholl wollen mit ihrem "aufgeklärt grünen" Buch nicht nur größere Teile der Kapitalisten als bisher für die grüne Variante des Kapitalismus gewinnen, sondern rechnen sich auch im Staat stärkeren Einfluß für ihre Richtung aus, indem sie sich redlich für ihn abmühen, seine Bürokratie weiter aufzublähen versprechen, und seine dürren Forderungen nach mehr Geld mit einem idyllischen Bild von Prosperität und Umweltfreundlichkeit ummalen.
 
 

Warum eigentlich Steuern, wenn man das 3-Liter-Auto haben will?
Warum Steuern, wenn man bessere Energietechnik an Bauten haben will?

Krebs, Reiche, Rocholl versuchen, wie auch viele andere, den brutalen Charakter der Forderung "5 DM/l" wegzureden, indem sie auf das "3-Liter-Auto" verweisen. Die Kraftstoffsteuer soll ang. in dem Schritt steigen, in dem der Spritverbrauch durch technische Fortschritte reduziert wird, sodaß im Ergebnis, sollte in 10 Jahren der Verbrauch tatsächlich auf drei Liter reduziert sein ist, für den km nicht mehr an Treibstoffkosten anfielen als jetzt.
Doch daß man überhaupt Steuern einsetzen muß, um diese Einsparungen technisch möglich zu machen, ist nicht einzusehen. Die Autohersteller - das sollte man jedenfalls annehmen - haben selbst ein Interesse an weiteren Senkungen des Verbrauchs, denn derartige Modelle verkaufen sich natürlich umso besser. Wenn das nicht ausreichen sollte, könnte der Staat nach eingehendem Studium der technischen Möglichkeiten festlegen, daß bspw. in 2005 das 5-Liter-Auto, in 2010 das 3-Liter Auto verbindlich ist, d.h. daß Standard-Autotypen mit höherem Verbrauch nicht mehr zugelassen werden, und größere Typen mit höherem Verbrauch nur unter Sondersteuern.
Wenn behauptet wird, zu diesem Zweck müßten weitere -zig Milliarden an Steuern pro Jahr eingetrieben werden, dann spricht daraus bloß die Steuergier des bankrotten Staates, einmal mehr als "Umweltschutz" drapiert.
Daß von von den ökonomischen Vorteilen technischer Fortschritte nicht einmal mehr Bruchteile wie meist noch bisher, sondern nun überhaupt nichts mehr oder sogar verstärkte Belastungen an den Bürger weitergeben werden sollen, ist auch ein Novum der deutschen Sozialgeschichte.

Ähnlich verhält es sich mit den Darlegungen von Krebs, Reiche, Rocholl zum Bausektor: nur die Energiesteuer könne bewirken, daß die Hausenergie rationellere Technik bekomme. Auch das ist nicht einzusehen, denn an und für sich müßten Vermieter und Immobilienverkäufer, deren Objekte besonders gut Energie sparen, wirtschaftlich erfolgreich sein, und auf diese Weise würde sich die Energie-Effizienz rasch verbreiten und ihre Technik damit auch verbilligen. In Deutschland jedoch hat man schon seit langem die Energiekosten für die Hausbeheizung staatlicherseits hochgetrieben und damit die wirtschaftlichen Vorteile von Verbesserungen der Energieeffizienz für die Mehrheit zunichte gemacht. Man erzwingt auf diese Weise hohe Investitionen in die Einsparungstechniken, ohne daß die Verbrauchskosten für die Bewohner sinken, außerdem steigt aber noch ihre Grundmiete, weil diese Investitionen umgelegt werden. Dieses System trägt zur Verteuerung des Wohnens hierzulande bei und ist damit eine Belastung der gesamten Ökonomie. Daran ändern natürlich auch Subventionen nichts, die für solche Investitionen angeboten werden. Sie halten nur deren Preisniveau hoch. Krebs, Reiche, Rocholl wollen nun dieses System potenzieren. Für Heizenergie etc. sollen noch viel höhere Steuern gezahlt werden, und noch viel mehr teure Handwerkelei am Bau dann diese Mehrkosten teilweise wieder einsparen. Das heißt im Klartext, daß sie auch eine Politik des noch teureren Wohnens fördern, außer der Erhöhung der Kosten für die übrigen Elementarbedürfnisse.
Aus welchen Mitteln die erhöhten Subventionen gezahlt werden sollen, bleibt außerdem unklar, da das Aufkommen der Energiesteuer ja bereits "aufkommensneutral" in die Sozialversicherungen geflossen ist.
 
 

Ideologische Highlights der Herren Krebs, Reiche, Rocholl

Zur Vorgeschichte und dem ideologischen Hintergrund des Buches sagen Krebs, Reiche, Rocholl. S. 22 f. selbst:

- 1992 sei auf dem "Erdgipfel" der UN in Rio "das Konzept der Nachhaltigkeit (‘Sustainable Development’) zum neuen Leitbild internationaler Politik erklärt" worden.
In der dort beschlossenen "Agenda 21" werde, allerdings in einer unverbindlichen Weise, beschrieben, wie der Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung eingeschlagen werden soll. Immerhin sehe "Agenda 21" "die Erarbeitung nationaler Nachhaltigkeitsstrategien mit verbindlich einzuhaltenden Umweltzielen vor". (23)

Die Bundesregierung jedoch bremse, daher hätten die NGOs es unternommen, den notwendigen Diskussionsprozeß einzuleiten. In diesem Rahmen sei die Studie

- "Zukunftsfähiges Deutschland" erarbeitet worden, vom "Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie" (sein Chef ist E.U. v. Weizsäcker), im Auftrag von BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und der katholischen Organisation Misereor, 1995 vorgestellt.

Diese Studie knüpfe an das von dem Niederländer Hans Opschoor erarbeitete "Konzept des Umweltraumes" an.

"Danach hat jeder Mensch auf der Welt das gleiche Recht, Ressourcen in Anspruch zu nehmen. Damit wir die Umwelt nicht übernutzen, wird eine gerade noch tolerierbare Verschmutzung und Ressourcenentnahme ermittelt. Diese zur Verfügung stehenden Ressourcen werden durch die Anzahl aller Weltbürger geteilt. Ergebnis ist der gerade noch tolerierbare Pro-Kopf-Verbrauch für einen Durchschnitts-Menschen.....Ein zukunftsfähiges Deutschland muß bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts laut der BUND/Misereor-Studie seinen Energie-, Material- und Flächenverbrauch um 80 bis 90 Prozent reduzieren." (23)  Das braucht man nicht im einzelnen zu kommentieren, um die Absicht zu erkennen: Ein industriell und in der öffentlichen Infrastruktur entwickeltes Land wie Deutschland auf ein unter-mittelmäßiges Niveau in Produktivität und Lebensstandard zu drücken, z.B. ähnlich dem der heutigen Türkei. Logischerweise mit ähnlicher Allgemeingültigkeit der kruden Ausbeutung primitiver körperlicher Arbeit wie in solchen Ländern.
Offener ist das verbrecherische, gegen die arbeitende Bevölkerung und die allgemeine Zivilisation gezielte grüne Programm selten formuliert worden.
Auch Krebs, Reiche, Rocholl, für die solche Ideen erklärtermaßen die Grundlage darstellen, sprechen ihre wirklichen Ziele doch gelegentlich auch selbst etwas deutlicher aus: "Es reicht nicht aus, das ‘3-Liter-Auto’ oder einen noch leistungsfähigeren Kühlschrank zu entwickeln - wir gewinnen dadurch allenfalls Zeit, um die notwendigen weitergehenden Umstellungen einzuleiten. Letzlich benötigen wir andere Lebensstile, einen neuen Wohlstand im Einklang mit der Natur" (24) Also weg mit dem Auto, d.h. der individuellen Mobilität; weg mit dem Kühlschrank, zurück zum Sauerkrauttopf (in Deutschland), und in den Entwicklungsländern: gar nicht erst anfangen mit einem Verkehrssystem (außer für die Reichen) und moderner Ernährung für die Massen.

Wer denkt da nicht an Kritiker des grünen Programms, die ihm die Absicht der Bevölkerungsreduzierung durch Mangel und den heimlichen Wunsch nach der Restauration des Kasten- oder Feudalsystems anlasten?
 

Zur aktuellen politischen Zweckbestimmung des Buches

Die grüne Politik hat ihren Ursprung hauptsächlich in den parasitärsten, fortschrittfeindlichsten Kreisen der hohen Bourgeoisie, insbesondere im Finanzkapital und seiner weltweiten Diktatur, in Staatskreisen etc. Diese Zusammenhänge sind von der NEUEN EINHEIT seit langem und mehrfach dargelegt worden. Im vorliegenden Buch spiegelt sich das schon darin ganz elementar wider, daß gerade die offensichtlichsten Kräfte des Parasitismus und der Fortschrittshemmung, Finanzkapital, Grundbesitz und Staat, aus der kritischen Erörterung völlig ausgespart werden und im Gegenteil ein Programm umfangreicher weiterer Steuererpressungen propagiert wird, das diesen Kräften auch unmittelbar finanziell die größten Vorteile zuschanzt (natürlich ohne das zu sagen).

Teilweise gibt es Widerstand auch in hohen Kapitalistenkreisen gegen das grüne Programm. Wie bereits bemerkt, versuchen Krebs, Reiche, Rocholl nun insbesondere in solchen Kapitalistenkreisen mehr Anhang für das grüne Programm zu werben, die bisher Einwände erheben. Geradezu plakativ wird der energieintensiven Großindustrie versprochen, daß (ausgerechnet) sie die Energiesteuer nicht werde zu bezahlen brauchen. Der übrigen Industrie, wie z.B. dem Maschinen- oder dem Kraftfahrzeugbau wird versprochen, daß sie derart große Einsparungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen erwarten dürften, daß sie die Belastung durch die Energiesteuer locker wegstecken könnten.
Die versprochenen Begünstigungen für Klein- und Mittelkapitalisten insbesondere rückständiger Art habe ich etwas detaillierter bereits behandelt.

Der großen Mehrheit der Bevölkerung jedoch, von der die Mittel wirklich eingetrieben werden sollen, und die von dieser ganzen Politik noch viel mehr geschädigt und eingeschränkt wird als es bloß in der Erhöhung des gesamten Preisniveaus sich ausdrückt, wird ein Märchen erzählt, daß das alles nicht so schlimm werde, im Gegenteil.

Man muß auch ganz deutlich sagen: Es ist ein Märchen, wenn Krebs, Reiche, Rocholl behaupten, die internationale Stellung Deutschlands als industrieller Exporteur werde durch die Energiesteuer nicht negativ beeinflußt. Der enorme Druck auf die Massen, der zivilisatorische Rückschritt, das weitere Züchten der parasitärsten Seiten am Kapitalismus im Lande müssen sich unweigerlich auf die internationale ökonomische Stellung Deutschlands als industrieller Warenexporteur negativ auswirken. Damit entsteht noch zusätzlicher Druck, daß weitertreibende technisch-industrielle Entwicklungen das Land verlassen werden.

Natürlich richtet sich das Buch auch an den ökologisch beeinflußten, politisch-ökonomisch wenig analysierenden deutschen Bürger, in der Hoffnung, daß er auch diesen Schwindel noch unterstützen oder wenigstens nicht so krumm nehmen werde. Gezielt werden diejenigen Wähler umworben, denen Fragen wie Arbeiter- und Angestelltenlöhne, Sozialversicherung und dergl. noch etwas bedeuten. Sie sollen mit diesem Buch beruhigt, d.h. betrogen werden.

Im Wahljahr 1998 erschienen, soll das Buch ganz gezielt mitwirken an der weiteren Abflachung von Hindernissen für diejenigen politischen Kräfte, die für die geschilderte äußerst negative grüne Politik stehen. Sie sollen sich möglichst bei der Wahl im September durchsetzen. Es gibt sie in allen Parteien, wenn auch in unterschiedlicher Stärke; daher sind auch verschiedene Parteienkombinationen denkbar, die als eine mögliche Regierung diese Politik durchsetzen sollen. Die Haupthindernisse sehen Krebs, Reiche, Rocholl anscheinend bei den Wählermassen, die von Steuern nun wirklich die Nase voll haben, sowie in bestimmten Kapitalistenkreisen. Gegen diese Hindernisse richten sie ihre Suada der verlogenen Versprechungen und der realen Bestechungen.

Walter Grobe
Mitglied der Redaktion Neue Einheit
August 1998