Vorwurf der Rambouillet-Lüge: doppelt gerechtfertigt! Am 12.4.99 sah sich das deutsche Außenministerium gezwungen, etwas zu den peinlichen Enthüllungen über den Inhalt des Rambouillet-Entwurfs zu sagen. Wie inzwischen von verschiedenen Seiten in die Öffentlichkeit gebracht wurde, enthält dieses Dokument nicht nur das indiskutable Ansinnen, die Provinz Kosovo einem NATO-Militärprotektorat zu unterstellen und damit praktisch von Jugoslawien abzutrennen, sondern sogar die Forderung eines völlig unbegrenzten Zugangs- und Aufenthaltsrechtes für das NATO-Militär mit seiner vollen militärischen Ausrüstung zur gesamten Bundesrepublik Jugoslawien. Es heißt in dem bereits mehrfach zitierten Pkt. 8) des Appendix B des Rambouillet-Vertrages: "Das NATO-Personal soll, zusammen mit seinen Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen und Ausrüstung, freie und ungehinderte Durchfahrt und ungehinderten Zugang überall in der Bundesrepublik Jugoslawien genießen, einschließlich des damit verbundenen Luftraumes und der Territorialgewässer. Dies soll einschließen, ohne darauf beschränkt zu sein, das Recht zu biwakieren, zu manövrieren, zur Einquartierung und zum Gebrauch jeglicher Gebiete und Einrichtungen, die für die Unterstützung, die Ausbildung und die Operationen erforderlich sind."Offensichtlich ist das Auswärtige Amt (AA) inzwischen von Vorwürfen an seine Adresse beunruhigt, daß es solche extremistischen Forderungen verschwiegen hat, die nichts weiter als die Besetzung ganz Jugoslawiens durch die NATO beinhalten. So behauptet es, in einer Gegenveröffentlichung im Internet, der Vorwurf der Rambouillet-Lüge sei gegenstandslos. Wie bitte? Natürlich ist dieser Vorwurf völlig richtig. Wann hat das AA oder irgendeine deutsche Regierungsstelle, oder wann haben die Fernsehanstalten oder Zeitungen der BRD gegenüber der Öffentlichkeit je diese extreme Erpressung auch nur angedeutet? Wie die Beschwerden von Bundestagsabgeordneten zeigen, hat das AA sogar die Information der Abgeordneten nach Kräften verhindert. Das AA am 12.4.99: "Vorwurf der ‚Rambouillet-Lüge‘ gegenstandslos! Der Vorwurf, daß für die politische Bewertung des Vertragswerks von Rambouillet entscheidende Informationen zurückgehalten wurden, wird vom Auswärtigen Amt entschieden zurückgewiesen. Der Bundestag wurde rechtzeitig unterrichtet. Der Annex B des Rambouillet-Vertrages enthält keine für die BRJ inakzeptablen Bedingungen. Er entspricht anderen ähnlichen Abkommen und wurde aufgrund der Verweigerungshaltung der serbischen Seite in Rambouillet nicht verhandelt." usw. usf.Diese Behauptung, der Annex B enthalte keine für die Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) inakzeptablen Bedingungen, kann nur als plumpe Dummrederei gewertet werden. Als wichtiger für die weitere Vernebelung der Öffentlichkeit betrachtet das AA wohl die folgende Behauptung seiner Stellungnahme vom 12.4.: "Die Transitregelungen nach Kosovo gemäß dem Rambouillet-Abkommen entsprechen weitestgehend denen, die zwischen der NATO und der BRJ 1995 über den Transit nach Bosnien und Herzegowina getroffen wurden."Damit soll der Eindruck erweckt werden, die BRJ habe bereits einmal etwas "weitestgehend" Identisches unterschrieben. Erstens würde dies für sich genommen noch keineswegs das Rambouillet-Vorgehen rechtfertigen. Aber mehr noch: das ist eine ganz profane Falschbehauptung. In Wirklichkeit hat die BRJ dergleichen gerade nicht unterschrieben, denn im "Agreement Between the Federal Republic of Yugoslavia and the North Atlantic Treaty Organisation (NATO) Concerning Transit Arrangements for Peace Plan Operations" von 1995 wird genau das Recht auf Bewegungsfreiheit in der gesamten BRJ ausdrücklich ausgeschlossen. Es gibt lediglich Transitrouten, die außerdem einvernehmlich festgelegt werden müssen. Wörtlich heißt es: "Die einzuhaltenden Routen werden im Einvernehmen miteinander festgelegt". Das Gesamtzitat (Pkt. 4) lautet: "Die NATO soll von der Pflicht ausgenommen sein, Inventare oder andere routinemäßige Zolldokumente über Personal, Ausrüstungen, Vorräte oder Lebensmittel vorzulegen, die zur Unterstützung der Operation [in Bosnien-Herzegowina, d.Übs.] in das Territorium der BRJ eingeführt werden, es verlassen oder es passieren. Die Behörden der BRJ werden mit allen geeigneten Mitteln alle Bewegungen von Personal, Fahrzeugen und/oder Vorräten durch Häfen, Flughäfen oder Straßen, die benutzt werden, ermöglichen. Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge des Transits sollen keinen Zulassungs- oder Registrierungsanforderungen und auch keiner kommerziellen Versicherung unterliegen. Der NATO soll die Benutzung von Flughäfen, Straßen und Häfen ohne Entrichtung von Zöllen, Gebühren, Wegegebühren oder sonstigen Gebühren erlaubt sein. Die NATO soll keine Ausnahme von angemessenen Gebühren für Dienstleistungen, die sie verlangt und die ihr geleistet werden, verlangen, aber der Transit soll nicht durch schwebende Verhandlungen über Zahlungen für solche Dienstleistungen behindert werden. Die Transportmodalitäten werden der Regierung der BRJ von der NATO im Voraus mitgeteilt werden. Die einzuhaltenden Routen werden im Einvernehmen miteinander festgelegt."Von einem Recht "Lager aufzuschlagen, zu manövrieren, sich einzuquartieren, und jegliches Gebiet und jegliche Einrichtung, die für die Unterstützung, die Ausbildung und die Operationen erforderlich sind, zu nutzen", wie es Pkt. 8 des Appendix B von Rambouillet formuliert, ist hier keine Rede, und das sind die entscheidenden Punkte, die dazu führen, von einer de-facto-Besatzung ganz Jugoslawiens durch den Rambouillet-Vertrag zu sprechen. Man muß feststellen, daß das deutsche Außenministerium nicht nur durch die absurde Hetze von Fischer, sondern auch durch die bewußte Irreführung der Öffentlichkeit und dreiste Falschbehauptungen aus seinem Apparat jede Glaubwürdigkeit verspielt hat. Was den AA-Satz betrifft, der Appendix B sei gar nicht verhandelt worden, so ist das ein lahmer Versuch, den Extremismus hinterher etwas schwächer erscheinen zu lassen. Der Rambouillet-Vertrag inclusive dieses Appendix B wurde von der sog. albanischen Delegation in Rambouillet sogar unterschrieben, auch wenn er mit Jugoslawien überhaupt nicht verhandelt wurde. Er konnte mit Jugoslawien natürlich in keiner Weise verhandelt werden. Seine Nichtunterzeichnung durch Jugoslawien sollte vielmehr den NATO-Staaten als Vorwand dienen, ein Terror-Bombardement zu eröffnen, das seit nunmehr sechs Wochen anhält und von hohen NATO-Funktionären offen mit der Absicht erklärt wird, Jugoslawien in Schutt und Asche zu legen. Die Öffentlichkeit wird über den Inhalt des Papiers und die Schärfe der Provokation bis heute massiv getäuscht. Interessant bleibt, daß hier im Internet bereits solche Fragen intensiv diskutiert werden, mit Gegenstellungnahmen bspw. des Auswärtigen Amtes, während im Fernsehen diese wesentlichen Fragen entweder gar nicht oder aber nur mit entschiedener Verzögerung behandelt werden. [Der vollständige Text des Transitabkommens von 1995 kann unter http://www.state.gov/www/regions/eur/bosnia/bosagree.html abgerufen werden, die Stellungnahmen des AA unter http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/inf-kos/index.htm] W. Grobe
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