Internet Statement 7/99


    Gegen den NATO-Interventionismus vorgehen !!!

    Politische Sympathien von gestern überprüfen!

Die deutsche Bevölkerung steht im März 1999 vor der neuartigen Situation, daß das deutsche Militär mit mehreren Tausend Mann höchstbewaffneter Luft- und Bodeneinheiten zusammen mit anderen NATO-Ländern sich im Aufmarsch zum Angriff gegen einen Staat auf dem Balkan befindet.
Dieser Staat hat keinerlei Aggression gegen Deutschland oder einen anderen NATO-Staat begangen. Was immer man dem serbischen Regime an Mißhandlung und Entrechtung der albanischen Minderheit auch vorwerfen muß, es kann nicht angehen, daß ausgerechnet die NATO sich daraus eine Rechtfertigung zum militärischen Eingreifen zurechtkonstruiert.

Das führende NATO-Land, die USA, und andere wichtige NATO-Mitglieder wie die Türkei erlauben sich seit vielen Jahrzehnten Entrechtungen, Vertreibungen, Massaker und sonstigen Terror gegen große Bevölkerungsteile in vielen Ländern.
Die USA tun dies meist indirekt durch die Regimes, die sie finanziell, militärisch und mit Folterspezialisten unterstützen; die Türkei behandelt ihre kurdische Nationalität, die zehnmal mehr Menschen umfaßt als die Kosovo-Albaner, seit jeher noch weit schlimmer als diese je behandelt wurden.
Nach den Maßstäben, die die NATO heute wegen Kosovo anlegt, hätten schon Dutzende Militärschläge gegen die USA und die Türkei und andere Staaten durchgeführt werden müssen.
Als Serbien 1991-95 Aggressionen gegen Slowenien, Kroatien und Bosnien beging, als es faschistische Massenschlächtereien und Massenvergewaltigungen beging, war die NATO äußerst milde gestimmt und verhängte ein Waffenembargo - das vor allem die Gegner Serbiens traf.  Anmerkung1

    Die ganze Kosovo-Argumentation ist Heuchelei.

Wie im Westen selbst gesagt wird, handelt es sich gar nicht in erster Linie um das Kosovo, sondern um den Präzedenzfall, den die entscheidenden NATO-Kräfte, vor allem die USA, aber auch Deutschland, für ihre Politik der "out of area"-Einsätze haben wollen. Sie wollen innerhalb der NATO und vor allem auch vor der Weltöffentlichkeit das Recht durchsetzen, militärisch an jedem Punkt der Welt einzugreifen, wenn das westliche kapitalistische System seine Interessen verletzt sieht. Selbst das Hindernis, das noch 1991 die UNO beim Krieg gegen den Irak bildete, deren Mandat man erst erhalten mußte, soll in Zukunft wegfallen. Die Aufstellung und praktische Verwendung von NATO-Eingreiftruppen, gerade mit deutscher Beteiligung, soll hier erstmals in großem Maßstab in der Praxis getestet werden. Für die albanische Bevölkerung Serbiens haben die NATO-Mächte in Wirklichkeit kein politisches Konzept, wie US-Kommentatoren selbst kritisch vermerken.
Anmerkung2

Es ist die Koalition aus der grünen und der sozialdemokratischen Partei, die zum erstenmal seit dem Ende der Naziherrschaft vor 54 Jahren wieder das deutsche Militär zur Aggression nach außen benutzt. Es war der Außenminister dieser Koalition, der Grüne J. Fischer, der von dem Medien ach so gemütlich "Joschka" genannt wird, der im Parlament gesagt hat, daß es "Krieg gegen Serbien" ist, zu dem seine Regierung entschlossen ist, und daß es sich um die "Selbstmandatierung der NATO" handelt, d.h. die Außerkraftsetzung der UNO-Charta, und darin hat ihn der Parteitag seiner Partei im März 1999
ausdrücklich bestätigt.

Es ist die Grüne Partei, die seit mehr als 20 Jahren eine Unterstützung und Tolerierung aus Teilen der Bevölkerung sich erschlichen hat mit einer angeblichen radikalpazifistischen Propaganda. Sie hat von einem hochmoralischen Podest herab Menschen abgekanzelt, die daran erinnert haben, daß es auch gerechte Kriege gibt. Diese Partei ist diensteifrig wie keine andere, wenn es gilt, alle früheren Erklärungen umzustoßen und den USA zu helfen, Aggressionstruppen auf die Beine zu stellen.

Es ist die Grüne Partei, die seit über 20 Jahren gegen die zivile Nutzung der Atomenergie mit dem Argument zu Felde zieht, daß man mit den nuklearen Restprodukten Material für Atomwaffen herstellen könne. Heute stellt sich heraus, daß gerade diese Leute keinerlei Hemmungen haben, der größten Atommacht, die NATO, die sich ausdrücklich das Recht des atomaren Erstschlags vorbehält, den Auftrag der Weltpolizei zu erteilen.
Wer gemeint hatte, daß es keinen größeren Gegensatz geben könne als den zwischen den atomarer Großmachtarroganz und anti-atomarem Radikalpazifismus, muß sich damit auseinandersetzen, wie es kommt, daß beide in der grünen Partei in eines fallen.

    Die NATO und die weltweite "Sicherung der Energieversorgung"

 Die NATO-Forderung nach dem Recht auf weltweiten militärischen Eingriff wird, außer mit heuchlerischen Menschenrechts- und Demokratiephrasen, unter anderem auch mit dem Schutz der westlichen Interessen an einer gesicherten Rohstoffversorgung untermauert. Was versteht die NATO unter "gesicherter Rohstoffversorgung"?
Dazu gehören an erster Stelle die Ströme von Erdöl und Erdgas, die traditionell aus dem arabisch-iranischen Raum, und zunehmend auch aus Rußland und Zentralasien nach Europa, nach USA und in die industriellen Zentren Ostasiens fließen. Diese Ströme stehen letztlich unter Kontrolle der USA, die natürlich auch ihre wichtigsten Bündnispartner wie Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan auf einer zweitklassigen Position an dieser Ausbeutung der weltweiten Ressourcen beteiligen. Mit der Abhängigkeit fast aller Länder von diesem internationalen Energiemonopol sind nicht nur globale Superprofite, sondern vor allem eine ganz entscheidende Kontrolle über deren wirtschaftliche Entwicklung gegeben.
Wir können am Beispiel Rußlands sehen, welches Los die Länder trifft, die in diesem System die Rolle der Energielieferanten zu übernehmen haben. Dort entwickelt sich faktisch gar nichts mehr, außer dem Export der Kohlenwasserstoffe, alles verfällt, und es soll sich auch nichts entwickeln, denn dann wäre das Land auch nicht mehr völlig davon abhängig. Das Elend und die völlige Perspektivlosigkeit für die ganz überwiegende Masse der Bevölkerung unter diesem System sind noch weit größer als unter dem Zarismus. und allein schon völlig ausreichend, um die Kräfte aus dem Westen und der Oberschicht Rußlands selbst, die diese Entwicklung verantworten, wegen Verbrechens gegen die Menschheit abzuurteilen. Auch im Mittleren Osten, der traditionellen Erdölregion, durfte sich seit vielen Jahr zehnten nichts entwickeln außer einer im Geld ertrinkenden und völlig abhängigen Oberschicht, während jeder Versuch der Emanzipation mit der westlichen Militärmacht in Schach gehalten wird.

Derzeit wird intensiv daran gearbeitet, im gesamten russischen und zentralasiatischen Raum, vom Kaukasus über Kasachstan bis Afghanistan die gesamte Energiegewinnung und die Pipelines der westlichen Kontrolle zu unterstellen. Man geht so weit, Hoffnungen zu äußern, auch die größten Länder der Erde, China und Indien, auf diese Weise energiepolitisch stärker an die Kandare nehmen zu können. Was aber, wenn Länder, wenn soziale Bewegungen zurückschlagen, wenn Rivalitäten ausbrechen, wenn Energieressourcen und Pipelines in diesem Riesenräumen mit Beschlag belegt werden und die "gesicherte Rohstoffversorgung" Europas, Japans und anderer Abhängiger bedroht ist? Dann, so stellt die NATO es sich vor, treten ihre "Schnellen Eingreiftruppen" in Aktion - dann dürfen, ja müssen auch deutsche Soldaten wieder in den Kaukasus und Weltpolizei mitspielen.

    Was haben deutsche Truppen im Balkan und der Ökologismus miteinander zu tun?

Die Entwicklung der Atomenergie, die gerade in Europa, aber auch in vielen anderen energiepolitisch abhängigen Ländern möglich ist und nur sehr wenig von internationalen Rohstofflieferungen abhängt, macht dieses ganze miserable internationale US-imperialistische System vom Prinzip her zu Wasser. Wenigstens eine der Quellen des Fanatismus, mit dem seit 25 Jahren, gerade auch in unserem Land, die Atomenergie bekämpft wird, ist also leicht zu identifizieren. Es geht darum, Deutschland möglichst fest in dieses System einzubinden. Ein Land, dessen Wirtschaft und Bevölkerung existentiell davon abhängig sind, wird umso bereitwilliger seine Jugend für die imperialistischen Kriegsabenteuer zur Verfügung stellen, wenn bspw. "in Asien Störungen" auftreten - so das Kalkül. Es ist von dieser Seite her kein Wunder, daß die Parteien des sog. Atomausstiegs, die Grünen und die SPD, auch die Parteien der größten Bereitwilligkeit sind, den weltweiten militärischen Interventionismus der NATO und den Präzedenzfall Kosovo zu ermöglichen. Atomausstieg und NATO-Arroganz passen sehr gut zueinander.

Das weltweite Energiemonopol der USA, der militärische Interventionismus der NATO sind bei weitem nicht die einzigen Instrumente der globalen Diktatur, die das westliche kapitalistische System beansprucht und zu verschärfen sucht. Strategien wie sie sich in der Bevölkerungsreduzierung, im Antiindustrialismus, in der Kampfansage an die sittlichen Grundstrukturen der Gesellschaft zeigen, setzen noch viel prinzipieller an und müssen entsprechend aufgedeckt und bekämpft werden. Sie ergänzen sich mit der Militärdrohung. Unsere Gruppe sieht seit langem beides und engagiert sich für eine entsprechende Gegenpropaganda.

Es ist heute eine der elementarsten Forderungen, daß man sich dem weltweiten militärischen Interventionismus der NATO widersetzen muß. Der Ökologismus mit seinen zentralen Bestandteilen ist abzulehnen. Und es zeigt den von Grund auf schmutzigen, erzimperialistischen Lakaiencharakter der ganzen grünen und ökologistischen Bewegung, daß fast alle Teilnehmer von oben bis unten auch nicht den mindesten Widerstand dagegen anmelden, wenn heute Fischer den Mund mit Kriegsdrohungen vollnimmt und die Leos und Tornados in den Balkan verlegt werden. Der gleiche Vorwurf trifft den weitaus größten Teil der sog. Linken dieses Landes, der mit der ökologistischen Bewegung ideologisch und politisch sich verfilzt hat und ausgerechnet heute, wo es konkret wird, die Kritik an der NATO-Politik mit ganz kleinen Buchstaben schreibt, wenn er überhaupt etwas schreibt.

    Walter Grobe
    (Redaktion NEUE EINHEIT)
    19. März 1999
 

 Anmerkung 1: 
Siehe dazu auch Extrablatt Nr. 20 "Die Greuel in Bosnien-Herzegowina" von Feb 1993.   zurück zum Text

 Anmerkung 2:
Siehe auch "Der Zusammensturz Albaniens" vom Frühjahr 1992        zurück zum Text