Realitäten von Nordrhein-Westfalen Warum die SPD-Grüne-Regierung den Laufpaß verdient hat Die SPD-Grüne-Regierung über Nordrhein-Westfalen ist wirtschaftlich und gesellschaftlich die installierte Dauerdepression. Bei keiner politischen Richtung ist das Wahlgerede von der Besserung, die sich dank ihrer Politik jetzt endlich ankündigen soll, so unglaubwürdig wie bei dieser, keine steht für eine derartig verfilzte, arrogante und rückschrittliche Bürokratie wie diese. NRW ist das Bundesland, in dem nach
eigener Aussage der SPD-Grünen- Regierung 45 der hundert größten
Unternehmen Deutschlands ihren Sitz haben, bei einem Bevölkerungsanteil
von 22%. Und hier ist gleichzeitig der Hauptstandort von offiziellen Arbeitslosigkeitsraten
um die 14-17% wie im Ruhrgebiet, d. h. einer realen Arbeitslosigkeit von
wahrscheinlich 25 - 30%, hier befindet sich ein Schwerpunkt der Dauerarbeitslosigkeit
und der Sozialhilfe, alles Verhältnisse, die sich seit mehr als zwanzig
Jahren immer tiefer eingefressen haben. Hier hat eine selbst im Maßstab
Deutschlands besonders tiefgreifende Entindustrialisierung stattgefunden
und findet weiter statt. Und hier regiert seit 1966 ununterbrochen die
SPD, seit 1995 ergänzt durch die Grünen. Als ein Thema für
die politische Diskussion im Wahlkampf bietet sich die Frage an: Wie
hängen diese Fakten miteinander zusammen? Etwas Wirtschafts-Statistik: NRW, früher das Industrieland der BRD par excellence, ist heute nur noch ein unterdurchschnittlich industrialisiertes Land gemessen an den übrigen westlichen Bundesländern. In NRW liegt der Anteil der Industrie-Beschäftigten an seinen Einwohnern bei 8,46%, während er im Durchschnitt aller westlichen Bundesländer etwas höher liegt, bei 8,72%, obwohl dabei solche wenig industriellen Länder wie Niedersachsen und Rheinland-Pfalz eingeschlossen sind . In Bayern liegt er bei 9,85%, in Baden-Württemberg bei 11,96%. Mit einem Einwohneranteil von 21,9% an der deutschen Gesamtbevölkerung stellt NRW nur noch 23,7% der Industrie-Beschäftigten, während Bayern, das zweitgrößte Bundesland, mit 14,7% der Bevölkerung immerhin 18,6% der Industrie-Beschäftigten stellt, und Baden-Württemberg mit 12,7% der Bevölkerung sogar 19,4%. Während Baden-Württemberg mit 10, 4 Mio. Einwohnern, d.h. 15,6% der westlichen Länder, einen Brutto-Inlandsprodukt-Anteil am BIP dieser Länder von 16,4% hat, schafft NRW mit 26,94% Bev.-anteil nur einen 24,84%-igen BIP-Anteil. Bayern hat mit 18,09% Bevölkerungsanteil einen 19,31%-Anteil am BIP. Ein anderer Indikator der ökonomischen Aktivität ist der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung: Er beträgt für die westlichen Bundesländer insgesamt 41,9 %, für die ganze BRD 41,5%, für NRW jedoch nur 39,9%. Baden-Württemberg: 44,2%, Bayern 44,7%. Selbst Niedersachsen hat mit 38,8% einen fast so großen Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung wie NRW. Das BIP je Erwerbstätigen liegt für NRW mit 112.200 DM ebenfalls unter dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer. Baden-Württemberg: 118.730 DM, Bayern: 119.225 DM. Westliche Bundesländer insgesamt: 119.123 DM. Noch 1989 hatte das BIP je Erwerbstätigen
in NRW höher gelegen als im Bundesdurchschnitt: 86.384 (Bund: 84.612) Die Regierungsversprechungen und die Erfahrungen mit dieser Regierung Der Regierungsversprechen, daß das Ende der ökonomischen Misere nun nahe herbeigekommen sei und eine bessere Zukunft ins Haus stehe, hat es schon viele gegeben, und natürlich wird vor einer - auch im Bundesmaßstab bedeutenden - Landtagswahl im Mai 2000 eine entsprechende Propaganda auf allen möglichen Kanälen gemacht. Es heißt, daß v.a. neue Technologien, die Informationstechnik, die Medienwirtschaft, die Kommunikationswirtschaft und im weiteren auch Zweige wie die Biotechnologie dem Land NRW insgesamt und gerade den Regionen wie z.B. Dortmund, die von der Arbeitslosigkeit und dem ökonomischen Niedergang besonders betroffen sind, die Wende bringen würden. Es wird verwiesen auf Arbeitsplätze, die in diesen Bereichen bereits entstanden seien, auf Regierungssubventionen, es sprießen die Schätzungen über angebliche noch viel größere Zahlen von Unternehmensgründungen und Arbeitsplätzen, die zu erwarten seien. Dazu sind verschiedene Dinge zu bemerken. Es ist in der Tat schlecht denkbar, daß die enorme weltweite Umwälzung, die rasante Entstehung ganz neuer großer Beschäftigungsfelder auf diesen Gebieten an NRW völlig vorbeigehen würde. Selbstverständlich regen sich auch hier Kräfte, die an dieser Entwicklung teilhaben, regen sich auch hier Tendenzen, mittels dieser internationalen Welle aus der Stagnation herauszukommen. Es ist zu erwarten, und auch in bescheidenem Umfang bereits sichtbar, daß davon auch hier Impulse ausgehen. Aber: dies ist kaum ein Verdienst der Kräfte, die hier die Regierung stellen. Daß sie sich jetzt solche Regungen an die eigene Weste heften und damit Reklame machen, stellt die Dinge auf den Kopf. Wie sieht denn die bisherige Leistungsbilanz der SPD und der Grünen insbesondere auf dem Gebiet der Förderung neuer ökonomisch-technischer Entwicklungen, auf dem Gebiet der bildungsmäßigen Infrastruktur, auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur etc., die für alle diese modernen Entwicklungen von ausschlaggebender Bedeutung sind, aus? Der Zustand des Schulwesens in NRW ist seit Jahrzehnten Gegenstand elementarer Kritik, die an Schärfe zunimmt, weil keine Besserung erkennbar ist. Z.B. das Ausmaß des Unterrichtsausfalls, der Zustand und die Ausstattung der Schulgebäude, die Hinterwäldlerei der meisten Schulen auf dem Gebiet der Informationstechnik. Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten der Schüler in NRW schneiden in Vergleichstests im deutschen und internationalen Rahmen nicht gut ab. Im Hochschulbereich wird bspw. immer wieder die schlechte Personalausstattung öffentlich erörtert, die NRW zum Schlußlicht im Verhältnis von Studenten- zu Ausbilderzahlen mache. Im Verkehrswesen ist NRW das "Stauland Nr.1" in Deutschland. Wenn im Verkehrsfunk des WDR die Staumeldungen verlesen werden, werden die Staus bis zu 2 km Länge, und zu manchen Zeiten der Woche die Staus bis zu 5 km Länge gar nicht erst erwähnt, weil die Sprecher sonst viertelstundenlange Listen verlesen müßten. Es gibt auf diesen Gebieten auch unter der Clement-Regierung keine Besserung, sondern sogar weiter sinkende Haushaltsansätze. Ein besonders gravierendes und historisch unbedingt festzuhaltendes Beispiel ist die Rolle der SPD und der grünen Kräfte in NRW bei der Blockierung der Kernenergie und der Schleifung wesentlicher moderner Anlagen wie des Hochtemperaturreaktors und des Schnellen Brüters, die in NRW errichtet worden waren, weil diese auch und gerade von der SPD selbst früher gefordert und gefördert worden waren. Es gibt keine sonstige Landesregierung in Deutschland, die mit derartiger Vehemenz die Anti-Kernenergie-Politik der SPD in die Tat umgesetzt hat wie die SPD-Regierung von NRW, und zwar noch als eine SPD-Alleinregierung. Zuguterletzt wurde im Koalitionsvertrag zwischen der SPD und den Grünen von 1995 der Kernforschungsanlage Jülich die Forschung zur Entwicklung neuer Reaktortypen rundweg verboten, d.h. auch solcher Typen, die die vorgebrachten Sicherheitsbedenken gegenstandslos machen würden. Hier fallen einem nur noch Vergleiche mit fundamentalistischen Denk- und Forschungsverboten ein. Es ist wahrscheinlich auch kein Zufall, daß offene Fundamentalisten wie die islamischen gerade in NRW vom Staat einen derart günstigen Boden geboten bekommen. Auch die angeblichen Leistungen der Landesregierung auf dem Gebiet der Förderung der Medienwirtschaft sollten nicht ohne ein paar Bemerkungen durchgehen. Es handelt sich hierbei zum großen Teil um die Ansiedlung von Privatfernsehanstalten und ihren Anlagen in der Qualität von RTL und Pro7, vorwiegend im Kölner Raum. Zweifellos nutzen auch diese Anstalten natürlich die moderne Technik und beschäftigen eine Reihe von Menschen, aber das kann doch nicht der einzige Aspekt sein. Ist es eigentlich erwünscht, daß eine Landesregierung mit Steuermitteln auch noch besonders günstige Profit- und Ausbreitungsbedingungen dafür schafft, daß solche Anstalten das öffentliche Bewußtsein in ihrer bekannten Art und Weise bearbeiten dürfen? Und das, während die Straßen verkommen, während die Schuletats kaum die Anschaffung von ein paar Computern erlauben, während die Eltern die Klassenzimmer in Eigenarbeit streichen müssen. Es sollen ferner hunderte von Millionen an Subventionen in privatwirtschaftliche Anlagen des Freizeitspektakels wie den Warner-Brothers-Park in Bottrop geflossen sein. Kommt bei alledem nicht unvermeidlich
die Assoziation, daß diese Landesregierung einen politischen Schwerpunkt
bei "Brot und Spielen" hat, daß sie sich bemüht, einer Bevölkerung,
die zu erheblichen Teilen arbeitslos gemacht und von der modernen Entwicklung
abgehängt wurde, mit sehr aktiver Mitwirkung dieser Regierung selbst,
billigste Unterhaltung und Ablenkung und dubiose ideologische Einflüsse
zu verpassen? Ein paar Punkte aus der Geschichte des Ruhrgebiets, Nordrhein-Westfalens und der SPD Das Ruhrgebiet, der Kern des 1946 gebildeten Landes NRW, war einst das bedeutendste Industrierevier Europas, eine Zusammenballung von Kapitalmacht und Arbeiterbewegung, die es für eine Reihe von Jahrzehnten zu einem Brennpunkt der sozialen Widersprüche, zu einem Hauptaustragungsort der politischen und sozialen Auseinandersetzung determinierte. Entsprechend heftig wurde seine arbeitende Bevölkerung schon seit Kaisers Zeiten unterdrückt und in ihrer Entwicklung gehemmt. Das völlig dominierende Montankapital verband sich dabei mit den staatlichen Behörden, die zunehmend auch von der SPD gestellt wurden. Man erinnere sich an den enormen Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet im Gefolge des Kapp-Putsches 1920, der von einer SPD-geführten Reichsregierung mit Freikorps, den Vorläufern des Nazitums, und der Reichswehr in einem Feldzug von drei Monaten Dauer niedergeschlagen wurde, wie schon vorhergehende Bewegungen in Berlin, Bayern und anderswo. Es waren zu größten Teilen Anhänger der SPD selbst, die sich gegen den Bruch aller wesentlichen politischen Versprechungen durch ihre eigene Regierung auflehnten, gegen deren Paktiererei mit dem Kapital und rechtesten politischen Kräften, und dafür von ihr zu Zehntausenden niedergemetzelt wurden. Daß es überhaupt dann 1933 zu der Herrschaft des deutschen Faschismus kommen konnte, dafür wurde in diesen Jahren in dieser Weise wesentliche Grundlagen gelegt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die montanindustrielle Struktur des Ruhrgebiet und die Herrschaft der entsprechenden Kapitalgruppen unter der Oberhoheit der westlichen Besatzungsmächte restauriert. Politisch wuchs der Einfluß der SPD und der von ihr dominierten Bürokratie im Land und in den großen Städten des Ruhrgebiets erneut an, es kam zu einer Symbiose mit dem Montankapital, die diesem die Möglichkeit verschaffte, sich weiterhin als der Herr im Hause aufzuführen. In dieser Zeit wurden wesentliche Initiativen, die Monostruktur des Ruhrgebiets aufzubrechen und andere Industrien hier anzusiedeln, verhindert, die Ansiedlung von Opel in Bochum war die Ausnahme. Trotzdem ging die technisch-ökonomische Umwälzung weiter und grub sich auch in die Struktur NRWs und des Ruhrgebiets ein. Der Niedergang des Steinkohlebergbaus, die Gründung von Universitäten, die Förderung der Kernenergie sind hier markante Daten, wobei die SPD und die CDU sich zwischen 1950 und 1966 in der Führung der Landesregierung mehrfach abwechselten. In den sechziger Jahren befürwortete auch gerade die SPD sehr deutlich moderne Entwicklungen wie die Kernenergie. Daß der Schnelle Brüter und der Hochtemperaturreaktor ins Land geholt wurden, dokumentiert das, genau die Anlagen, die später dann noch vor ihrer endgültigen Inbetriebnahme von der gleichen Partei vehement bekämpft und geschleift wurden. Deutschland ist insgesamt schon spätestens seit 1918 in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vielfältig gehemmt und kupiert worden, von verschiedenen politischen Kräften im In- und Ausland. Es ging letztlich immer um den politischen Kern: den revolutionären Potenzen den Boden zu entziehen. In der Geschichte der Bundesrepublik erreichten solche Bestrebungen eine neue Intensität mit der Bewegung zur Verlagerung der industriellen Produktion in andere Länder seit etwa Mitte der 70er Jahre und mit der ökologistischen Strömung, die angeblich bloß die Umwelt schützen will, aber in Wirklichkeit als Bremse des sozialen Fortschritts sich betätigt und rückwärtsgerichtete soziale Umwandlungen gefördert hat. Es kann keinesfalls vergessen werden, daß die Grünen diejenige Partei sind, die als erste und mit größter Radikalität die Entindustrialisierung, d.h. unter kapitalistischen Bedingungen die Überflüssigmachung vieler Millionen Menschen gefordert hat. Sie war der Vorreiter für die immer stärkeren antiindustriellen, asozialen, provinziellen und esoterischen Tendenzen in anderen Parteien, insbesondere auch in der SPD. Ursprünglich wurde die sog. grüne Bewegung gerade von sog. "Wertkonservativen" der CDU und anderen Rechtsaußen aufgebracht und gefördert. Es kann auch keinesfalls vergessen werden, daß die wirtschaftliche und soziale Entwicklung NRWs stärker als die jedes anderen Bundeslandes durch SPD und Grüne geschädigt wurde. In der ersten Hälfte der 70er Jahre gab es einen enormen Aufschwung namentlich des Maschinenbaus und der Elektroindustrie in NRW, der wesentliche Impulse zur Überwindung der Montan-Depression gab, und zwar gestützt auf die Kernenergie-Industrie im Lande. Der Abbruch dieser Entwicklung, von der grünen Bewegung und zunehmend auch den anderen bürgerlichen Parteien, aber ganz vorrangig von der hier seit 1966 regierenden SPD und FDP verantwortet, ist politisch gewollt gewesen. Es liegt nicht nur an der Dauerkrise der Montanindustrien, die über die SPD übermächtig hinweggerollt wäre und sie zur Rolle der Sozialreparateure verdammt hätte, wie sie es gern ausmalen: es ist ihre eigene Bremser- und Rückwärtserrolle, die zur Dauerdepression NRWs maßgeblich beigetragen hat. Auf das heutige Fortschrittsgetue, das von einer tatsächlich übermächtigen internationalen Entwicklung erzwungen wird, fällt von der Vergangenheit her ein ganz hartes Schlaglicht. Das Ruhrgebiet ist heute eine in weiten Teilen entindustrialisierte Landschaft mit in weiten Teilen ausgesprochen niedrigem Niveau des ökonomischen, des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. "Dortmund - die neue Metropole des Mittelstandes" wird mit Bierernst als Errungenschaft verkündet, als die neue Rolle interessanterweise für die einstige "heimliche Hauptstadt der SPD". In der siebtgrößten deutschen Stadt gibt es heute keine einzige Großfirma mehr. Wenn jedoch all dies nicht weiter in der Stagnation konserviert werden kann, wenn von der internationalen Entwicklung, der Industrialisierung anderer Weltteile wie Ostasiens, der Ausweitung der modernen Produktion und der kommunikativen Vernetzung der Welt und von neuen revolutionären Techniken die Welle schließlich auch hierher überschwappt und selbst die geduldige Wahlbevölkerung NRWs und des Ruhrgebiets von den Damen und Herren bürokratischen Fundamentalisten der SPD und der Grünen die Nase voll hat, wie es bei der Kommunalwahl deutlich wurde, dann soll Anpassung helfen. Aber es wäre ganz verkehrt, auf dieses neuerdings wieder so fortschrittliche Gehabe irgendetwas zu geben und Parteien auch nur die geringste Legitimation zu erteilen, die in den vergangenen 25 Jahren das Bremsen, Verzetteln und Verbieten zur zweiten Natur entwickelt und nur Günstlingen, vor allem großen Kapitalgesellschaften, das Leben in NRW erleichtert haben. 17.4.2000 W. Grobe
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