Internet Statement 2000-26
 

Nach  dem  Eintritt  einer  neuen  Situation

- ein Resümee der bisherigen Entwicklung seit 1991


Auch nachdem eine neue Situation eingetreten ist, muß festgehalten werden, es war richtig, daß wir die nationale Unabhängigkeit Jugoslawiens und Serbiens unterstützten. Die jetzt eingetretenen Veränderungen lassen es geraten erscheinen, den Verlauf der gesamten Entwicklung zusammenzufassen und darzulegen, wie sich dabei unsere Stellung analog entwickelte.
 

Der Krieg gegen Slowenien und Kroatien 1991

Am Anfang, während des sich anbahnenden Krieges in Jugoslawien und während des ersten Krieges der Bundesmacht, bzw. Serbiens gegen Slowenien und Kroatien haben wir das Recht auf Unabhängigkeit dieser beiden Staaten unterstützt, welches sich auch sehr schnell durchgesetzt hat.

Im Juli 1991 wurden von der jugoslawischen Bundesarmee ganz ohne Skrupel  kurzerhand Luftangriffe gegen Slowenien geflogen, das keine Luftwaffe besaß, und das Selbstbestimmungsrecht der Nation in einer krassen Weise mißachtet. In gewisser Weise haben diese damals von der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Serbien angewandten Methoden sich bitter gerächt und gegen ihren Urheber zurückgeschlagen.

Wir waren zwar immer der Ansicht, es sei nicht unbedingt notwendig, daß Slowenien oder Kroatien austreten, aber wenn es dort starke Nationalbewegungen gibt, die eine solche Sache fordern, hätte die Bundesrepublik Jugoslawien ihnen das nicht verwehren sollen. Dieses Vorgehen war politisch alles andere als klug. Slowenien und Kroatien sind im Wesentlichen homogene Nationen, denen man eine eigenständige Entwicklung zubilligen konnte, die ein Recht auf Austritt hatten. Wenn die Politik der Bundesrepublik Jugoslawien klug gewesen wäre, hätte sie solchem Begehren stattgegeben und versucht, neue Verbindungen zu schaffen. Dabei hätte sie zehnmal besser dagestanden als mit diesen Kriegen, die sie geführt hat.

Ähnliches gilt auch für Bosnien. Die bosnischen Serben, die dort 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, haben innerhalb dieses Staates automatisch ein starkes Gewicht und hätten bei einem diplomatischeren, weniger rohen und brutalen Vorgehen die Position der Serben auch ganz anders verteidigen können.

Unsere Organisation hat also im Jahre 1991 dieses Unabhängigkeitsbestreben Kroatiens und Sloweniens gebilligt und vor allem auch das Vorgehen serbischer Kräfte in Ost-Slawonien scharf kritisiert und verurteilt. Dabei wurde aber gleichzeitig betont, daß wir auch alle anderen Arten von Milizen-Terror und "ethnischen Säuberungen" und ähnlichem, was bis zum Terror gegen Kinder und zum massiven Terror gegen Frauen ging, verurteilen.

Wir haben heute Anlaß hervorzuheben, daß der Vorsitzende unserer Organisation, Hartmut Dicke, damals einen ausführlichen öffentlichen Vortrag über Jugoslawien und über die Berechtigung des Strebens der beiden Bundesrepubliken im Norden nach nationaler Unabhängigkeit hielt, in dem er zugleich den "ethnischen Haß", der damals aufgezogen wurde, verurteilte. Dieser Vortrag war damals etwas ganz gegen die übliche Richtung Stehendes, und es ist bemerkenswert, wie sehr sich später die Konstellation ändern sollte.

Interessanterweise waren wir damals gerade so "isoliert” wie heute. Das ist bezeichnend dafür, daß wir immer gegen den Haupttrend, der von den USA bestimmt wird, auftreten.
 

Der bosnische Krieg

In der bosnischen Frage lag die Sache erheblich komplizierter. Durch das provokative Auftreten des islamischen Fundamentalismus in Bosnien, mit heimlicher Anstiftung vor allem durch die USA, kommt ein Unruhe stiftendes und die Reaktion anstachelndes Moment hinzu. Aber auch hier war natürlich das Verhalten eines Großteils der serbischen Minderheit in Bosnien nicht zu akzeptieren, die, anstatt so vorzugehen, daß sie wirklich die Mehrheit gewinnen, zu einem kruden und brutalen Krieg gegen die übrigen Bevölkerungsteile übergingen, während umgekehrt die andern Minderheiten ebenfalls einen brutalen Krieg gegen die jeweils anderen Ethnien führten. Kroatien wurde innerhalb dieses Krieges vom vorwiegenden Opfer zum Täter. Somit mußte man letztendlich die außerordentlichen Greuel, wie sie auch und gerade von bosnischen Serben begangen wurden, scharf verurteilen und dabei gleichzeitig die Allseitigkeit der Sicht in diesem Krieg wahren. Das ganze Ausmaß der Einmischung in diesen Krieg durch die USA und die Bundesrepublik, die Anstiftung zu gegensätzlicher Ausmerzung, die Verbindung der rechten faschistischen Gewalttäter der verschiedenen Seiten zu den Großmächten und damit die Komplizenschaft bedürfen noch der detaillierten Behandlung. In den jetzigen sogenannten Kriegsverbrecherprozessen aber ist dies kein Gegenstand der Behandlung.

Während der Jahre 1993, 1994 waren wir unter denjenigen, die sich entschieden gegen die damalige Gleichgültigkeit gegenüber diesen Dingen wehrten. Die USA unterstützten 1991 bis 1992 noch die jugoslawische Bundesmacht und sie gehörten auch mit zu denen, die die Greuel, die in der Anfangszeit des Krieges begangen wurden, deckten.

Ein Höhepunkt der unsäglichen Greuel in diesem Krieg war die Abschlächterei von Srebrenica im August 1995. Dabei wurden, laut der einhelligen Berichterstattung, in sogenannten UNO-Schutzzonen Tausende von moslemischen Männern zusammengeführt und dann eiskalt massakriert, und zwar unter der Aufsicht der UNO und NATO, die in diesem Lande Fuß gefaßt hatten und diesem Treiben zusahen. Schon damals mußte man trotz verbaler Proteste von einer Art Komplizenschaft zwischen Nato-Behörden, UN-Behörden und den Karadzic und Mladic ausgehen. Die Heuchelei auf diesem Gebiet setzt sich bis zum heutigen Tage fort.
 

Nach Dayton

Mit dem Dayton-Abkommen begann die ganze Konstellation sich weiter zu drehen, und infolgedessen veränderte sich auch unsere Stellung.

Kaum war das Massaker von Srebrenica zu Ende, gewissermaßen als letzter Akt dieses scheußlichen Krieges in Bosnien, ging die NATO dazu über, nun Hegemoniepolitik auf ihre Weise zu treiben und die Serben nun zu einem direkten Objekt ihrer eigenen hegemonistischen Bemühungen zu machen. Damit erfuhren die serbische Frage und die Einstellung zu Serbien eine erhebliche Änderung.

Es muß noch einmal auf eines hingewiesen werden: während Milosevic sich zu dieser Zeit von den bosnischen Serben abwandte, die die Sache in der Tat verdorben hatten, fuhr in dieser Zeit der berüchtigte Djindjic, jetziger "friedlicher demokratischer" Oppositionsführer, zu Karadzic und ermutigte ihn ausdrücklich. Das unterstreicht auch die Heuchelei, die in der Unterstützung dieser jetzigen sog. Opposition, und zwar namentlich Djindjics und Konsorten, liegt.

Ab etwa 1997 baute die NATO die UCK im Kosovo aus und begann einen verstärkten militärischen Widerstand im Kosovo zu züchten, um jenen Unruheherd in Serbien zu schüren. Ein Grund für uns, entschlossen gegen diese offen subversive Nato-Politik aufzutreten. Wir sahen uns veranlaßt, die serbische Unabhängigkeit und auch die jugoslawische Unabhängigkeit, d.h. die bundesstaatliche Verbindung mit Montenegro, zu verteidigen. Der weitere Verlauf der Geschichte hat gezeigt, wie berechtigt das war. Mit der größten Vorsätzlichkeit hat die NATO unter dem Vorwand eines "humanitären Einsatzes" einen Expansionszug durchgeführt, der in Wirklichkeit darauf hinauslief, gewisse Bestrebungen der Albaner zu fördern, aber auch sich selbst, unter dem Vorwand des Schutzes der Zivilbevölkerung, militärisch auf dem Balkan festzusetzen. Die Konstellation hatte sich im Laufe der Jahre beträchtlich gewandelt. Der Widerstand Serbiens und Jugoslawiens gegen diese terroristische Vergewaltigung von Seiten der NATO war gerecht.

Schließlich haben die Subversion, der Terror und die Einkreisung Serbiens und Jugoslawiens jetzt ihren bisherigen Höhepunkt in dem Umsturz erfahren, wobei eine Reihe innerer und äußerer Faktoren durchaus eine Rolle spielen. Wir hatten keine Illusionen über das aus dem titoistischen System herrührende System Jugoslawiens und über die Bürokratie und das bevormundende System, wie es in ganz Osteuropa zu Recht verrufen ist und von der Bevölkerung abgelehnt wird. Man muß aber hinzufügen, daß unter den Bedingungen des Krieges und des Terrors gegenüber Serbien und Jugoslawien auch keine wirkliche Reformen möglich waren. Unter den Bedingungen der Einkreisung, der Sanktionen und der ständigen Notwendigkeit, elementare Versorgungsmaßnahmen zu treffen, lassen sich keine grundlegenden Strukturveränderungen durchführen.

Die Unzufriedenheit mit der Milosevic-Führung wurde genutzt, um die pseudodemokratischen, in Wirklichkeit bürgerlich-demokratischen Heuchler an die Macht zu bringen. Dabei bauten sie Kostunica als Leitfigur auf, weil ihre übrigen Führer sich diskreditiert hatten, und indem dieser durch eine Rhetorik gegen die NATO und für die Selbständigkeit Serbiens und Jugoslawiens hervortrat, gelang es ihnen, erfolgreich gegenüber Milosevic zu operieren.

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Nimmt man die Entwicklung über den ganzen Zeitraum der Jahre von 1991 bis 1999 zusammen, so sieht man, daß unsere Stellung sich eigentlich immer genau konträr zu der der USA entwickelt.

  • Am Anfang haben die USA die Bundesmacht unterstützt, haben sie die Greuel mit gefördert und sind denjenigen entgegengetreten, die es wagten, die bis dahin bestehende Ordnung in Frage zu stellen.
  •  In der mittleren Phase des Krieges ergibt sich eine gemischte Lage, in der die NATO mit Blut beladen ist und Schmutz und Dreck am Stecken hat.

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  • Und am Schluß werden sie zu offenen Aggressoren.
  • Und an dieser Stelle muß man auch nach dem Charakter vieler angeblich linker Organisationen fragen. Sie haben genau die gleiche Drehbewegung mitgemacht, nur umgekehrt wie wir. Am Anfang unterstützen sie, genau wie gehabt, die Bundesmacht Jugoslawien, unterstützen diese sogar noch bis 1995 hinein. Viele Organisationen zeichneten im Sommer 1995 Karten von ganz Jugoslawien, als würde es Kroatien und Slowenien als selbständige Staaten überhaupt nicht geben. Und die gleichen fallen später über die Milosevic-Regierung her, unterstützen faktisch oder sogar direkt die Aggression der NATO gegenüber dem Kosovo, argumentieren im Sinne der Kosovo-Albaner und der UCK und vollführen letztlich die gleiche Drehbewegung, mit einer Unterstützung der USA-Politik in den jeweiligen Richtungen.

    Dies trifft nicht auf alle zu, es gibt eine Reihe von Linken, Zeitungen wie die "Junge Welt", in denen auch Jugoslawien und Serbien in der letzten Phase des Krieges gegen die Nato-Aggression verteidigt werden. Dies ist immerhin Tatsache. Aber es gibt eine Reihe von Organisationen, die genau diese Drehbewegung durchmachen, wo der US-imperialistische Einfluß auf die sog. Linke auch in dieser Frage sehr genau verfolgt werden kann.

    RedakNE, Mitte Okt. 2000
    2.ed