Worum es 1918/19 ging - Zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Erneut wird an diesem Wochenende der großen deutschen proletarischen Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht. Wie unwillkommen das diesem Staat ist, hat vor einem Jahr der unverschämte Versuch gezeigt, die Demonstration unter lächerlichen Vorwänden zu verbieten, dem sich auch die PDS-Führung eingeordnet hat. Der Widerstand sehr vieler Demonstranten hat das Verbot vereitelt. Selbst das bloße Gedenken an Ereignisse vor mehr als 80 Jahren enthält so viel Potential, sich auf die wirklichen Widersprüche zu besinnen, daß eingeschritten werden muß? Dann kann es nicht verkehrt sein, dieses Gedenken möglichst konkret werden zu lassen. Desto eher wird man auch den Ermordeten gerecht, und desto besser kann das Erbe dieser Revolutionäre in die politische Gegenwart hineinwirken. Als sie ermordet wurden, waren gerade vier Wochen vergangen, daß eine enorme Demonstration von 250.000 revolutionären Arbeitern Berlins mit Karl Liebknecht an der Spitze den Nationalkongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands aufgesucht hatte, der im Abgeordnetenhaus tagte. Die Demonstration forderte die Bewaffnung der Revolution, die Errichtung der revolutionären Diktatur der Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland und den Sozialismus.. Es waren gerade zwei Wochen vergangen, daß unter der entscheidenden Initiative und Leitung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die KPD gegründet worden war, eine Partei, die diese Politik zum Programm hatte, die offen von der Unvermeidbarkeit des Bürgerkriegs zwischen der Arbeiterklasse und dem Kapital und der ganzen alten Gesellschaft sprach und sich auf Marx und Lenin berief. Es waren gerade erst 8 Wochen vergangen, daß Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aus langwieriger Haft des kaiserlichen Kriegsregimes, das von der Mehrheitsozialdemokratie unterstützt wurde, befreit worden waren und sich in die gerade beginnende deutsche Revolution des November 1918 gestürzt hatten. Seitdem hatte eine Provokation, ein gegenrevolutionärer Putschversuch der SPD-geleiteten Regierung den anderen gejagt. Sie starben von der Hand rechter Freikorpsoffiziere, die unmittelbar von der SPD-Regierung unter Ebert und Noske ihre Befehle erhielten, auch zu diesen Morden. Sie starben inmitten der ersten Welle von zahlreichen Zusammenstößen eines Bürgerkriegs, in dem viele Hunderttausende revolutionärer Arbeiter in den verschiedensten Regionen Deutschlands, vom Rheinland bis nach Oberschlesien, von Hamburg bis nach München und immer erneut während der kommenden fünf Jahre bis 1923 dem deutschen Staat des Kapitals, der Militaristen und Imperialisten und ihrer Helfer, der SPD, die sich selbst direkt und aus Überzeugung zum "Bluthund" machte, dem Staat, den auch die geriebenen Opportunisten vom Schlage Kautskys verteidigten, Widerstand leisteten und für den Sozialismus kämpften. Allein im Ruhrgebiet tobte von März bis Mai 1920 bis ein regelrechter Krieg, in dem eine Armee von Hunderttausend revolutionären Arbeitern von einer Regierungsarmee und protofaschistischen Freikorps, alle unter dem Kommando der SPD-Regierung, niedergekämpft werden mußte. Noch 1923 kam es zu bedeutenden bewaffneten Aufstandsversuchen in Mitteldeutschland. Auf dem Nationalkongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Mitte Dezember 1918 wurde von 500 Delegierten aus ganz Deutschland darum gerungen, ob Deutschland zukünftig von den Arbeiter- und Soldatenräten regiert und zum Sozialismus geführt werden sollte, oder mittels einer Nationalversammlung die angeschlagene Macht des Kapitals wiederhergestellt werden sollte. Die Mehrheit der Delegierten unter der Führung der SPD entschied sich ganz demokratisch für das letztere, während ihre Regierung gleichzeitig hinter den Kulissen mit nichts anderem beschäftigt war, als die konterrevolutionären Truppen zu rekrutieren und zu organisieren, die die Berliner Arbeiter und alle weiteren Arbeiteraufstände niederzumachen hatten. Auf dem Kongreß spielten Regierungschef Ebert von der SPD und seine Sprachrohre den Delegierten ihr ehrliches Streben nach dem Sozialismus, die Harmlosigkeit der Truppenstationierungen in Berlin und die Notwendigkeit, Deutschland von den USA vor der Hungersnot retten zu lassen, vor. Diese faßten unwissend, halbwissend, vollwissentlich nach dieser Pfeife ihre Beschlüsse gegen die Arbeiterbewaffnung und für die bürgerliche Demokratie der Nationalversammlung, und gleichzeitig wurden hinter den Kulissen mit den Freikorpsführern die Niederschlagungs- und Mordpläne besprochen. Eine Sondermission der USA bei der Ebert-Regierung war an der Vorbereitung der konterrevolutionären Aktionen unmittelbar beteiligt und hetzte Politiker, die noch zögerten, zum Blutvergießen auf. Wir haben hier die "Berater", die die USA später in so vielen Ländern der Dritten Welt so kennzeichnend vertreten haben und noch vertreten, in einer ihrer ersten und wahrscheinlich weltgeschichtlich entscheidendsten Rollen. Was hier zustande gebracht wurde, waren die deutschen Voraussetzungen der Wilsonschen "Friedensordnung", des Versailler Systems für Europa. Diejenigen Kongreßdelegierten, die die militärischenVorbereitungen und die Konspiration der Ebert-Regierung zum Thema machten, wurden von der SPD-Regie des Kongresses an die Wand gedrückt. Liebknecht und Luxemburg wurden zum Kongreß gar nicht erst zugelassen. Die "Demokratie", die aus diesen Ereignissen zu entstehen begann, war die Wiederherstellung der Kapitalsdiktatur, die Errichtung der obersten Kontrolle der USA über die deutschen und damit die europäischen Verhältnisse, war eine Abschlachtungsdemokratie gegenüber Zehntausenden der politisch bewußtesten und selbstlosesten Aktivisten, vor allem aus der Arbeiterklasse, aber auch aus anderen Schichten des deutschen Volkes. Es ist die sog. "Weimarer Demokratie", die unser heutiger Staat als seine Großmutter betrachtet. Aber sie ist nicht nur seine Großmutter, sie ist auch in vielem die Mutter des Faschismus und nicht etwa sein Gegenpol, wie so gern in der Schule und den Medien eingepaukt wird. Die rechten Freikorps, die von der SPD-Regierung und dem Bürgertum 1918 organisiert wurden, stellen eine der wichtigsten Quellen und Vorformen der faschistischen Bewegung dar, die den staatlichen Arbeitermord, den Bürgerkrieg lediglich systematisiert hat - Grundlage war er aber bereits für die "Weimarer Demokratie". Es gehört zur Größe von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, sich diesem Kampf im Bewußtsein seiner Bedeutung, im Bewußtsein der politischen Natur und Gefährlichkeit des Gegners, gestellt zu haben - wie dies auch von vielen anderen in den damaligen Wochen und Monaten vollbracht wurde. Das übersteigt noch die Bedeutung ihrer früheren Leistungen, des Kampfes um die revolutionäre marxistische Linie in der SPD und gegen den Militarismus, für die selbst die Nachfolger und Gesinnungsgenossen ihrer Mörder heute manchmal anerkennende Worte heucheln, und es geht in gerader Linie aus diesem ganzen Kampf hervor. Heute sollte man angesichts des unter dem Deckmantel von Menschenrechten aktiven Imperialismus von Schröder und Fischer unter US-Oberkommando, angesichts aber auch von Existenzfragen der Arbeiterklasse und des Landes selbst, angesichts der Notwendigkeit, erneut den Sozialismus als einzig mögliche menschenwürdige Gesellschaftsform der Zukunft in Betracht zu ziehen, auch diese fundamentalen Ereignisse und Entscheidungen der Jahre nach dem 1. Weltkrieg sich gründlich vor Augen führen. Heute ist die soziale und politische Lage in Deutschland ganz anders als 1918/19. Aber die deutsche und europäische Geschichte seitdem hat in einer ganzen Kette von Konsequenzen aus diesen Ereignissen sich bewegt, und in gewisser Weise steckt das alles massiv noch in den heutigen Verhältnissen mit drin und muß verstanden werden, wenn man für den Fortschritt kämpft. Es ist das gleiche Kapital mit seinen Parteien, mit der gleichen SPD, deren aller Wesen damals sich enthüllt hat, deren demokratische Heuchelei noch immer als Waffe der brutalsten Undemokratie eingesetzt wird. Die Arbeiterklasse ist heute viel stärker international präsent und zergliedert als damals, wo sie gerade in Deutschland enorm konzentriert war, aber ihr Widerspruch zur kapitalistischen Ordnung ist keineswegs abgeschwächt, ihre Unterdrückung hat vielerorts noch zugenommen bis hin zu den sklavereiähnlichen Verhältnissen, unter denen ein Großteil der Warenfülle unserer Kaufhäuser heute entsteht. W. Grobe
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