Internet Statement 2001/24 17.7.2001
Waren Marx und Engels auf dem Gebiet der Sexualität reaktionär ? - und einige andere Fragen Im Juni kam es auf der e-Group, die sich als Teil des OKF begreift, noch
einmal zu einem heftigen Streit über die Rolle der Homosexualität. Nicht
daß dieses Thema direkt angestanden hätte in der Diskussion. Kaum daß
sich unsere Gruppe dort angemeldet hatte, kam es jedoch, noch bevor wir
einen Beitrag eingebracht hatten, zu einer wütenden Attacke mit dem Verweis,
daß auf unserer Homepage Artikel stehen, die sich mit dem Homosexualismus
auseinandersetzen. Der Beitrag vom September 1998 Ein
kurzes grundsätzliches Statement, der einen kurzen historischen Abriß
enthält, wurde zitiert und als ”kleinbürgerlicher Sittlichkeitswahn” tituliert.
Danach kam es zu einer Auseinandersetzung, da unsere Vertreter den Standpunkt
verteidigten, die sich auch in einigen recht markanten und prinzipiellen
Äußerungen zuspitzte. Da diese Fragen weiterhin in der Gesellschaft brennen
und die Diskussion sich darüber fortsetzt, bringen wir diesen Beitrag
auch an dieser Stelle.
Zu einigen unfreiwillig interessanten Bemerkungen Heribert Sommers In der Diskussion ist infolge der Auseinandersetzung um den Marxismus und die nationale Frage ein zusammenfassender Beitrag von Heribert Sommer vom 18.Juni in den Hintergrund geraten, der uns an Hand unserer Aussagen widerlegen sollte. Darin ist es zu einigen prinzipiellen Äußerungen gekommen, die wir doch nicht versäumen wollen noch zurückzuweisen, und damit hier von uns aus die Diskussion um diesen Punkt abzuschließen. Mit Bezugnahme auf die langjährige Stellung der Arbeiterbewegung und der Stellung von Marx und Engels zu Fragen der Sexualität wurde geantwortet:
Die einfach so vorgebrachte Unterstellung, daß Marx und Engels reaktionäre, oder wie LG schrieb, ”stinkbürgerliche” Positionen auf dem Gebiet der Sexualität vertreten hätten, ist schon an und für sich ein Hammer. Waren sie ”stinkbürgerlich” in ihren Anschauungen auf sexuellem Gebiet, wie von diesen Leuten hier behauptet wird? Zunächst kann man konstatieren: die Stellung zur Sexualität und die Sexualität eines Menschen lassen sich nicht vom übrigen Charakter trennen. Die Sexualität und das übrige Wesen eines Menschen bilden eine integrale Einheit und können nicht wesentlich voneinander abweichen. Wenn also Marx und Engels auf sexuellem Gebiet ”stinkbürgerliche” Ansichten vertreten haben, oder insgesamt reaktionäre Positionen vertreten haben, wie Sommer meint, dann wäre es höchst unwahrscheinlich, daß sie zugleich grundlegende richtungsweisende proletarische Revolutionäre waren. Und die Behauptung ist auch objektiv falsch. Beide nehmen auch eine gewissenhafte, die Bedeutung einer intensiven Sexualität anerkennende Haltung, ein, die sich in ihrem Werk an verschiedenen Einzelpunkten zeigt. Und schließlich, gehört der ”Ursprung der Familie” nicht auch zu den bedeutendsten proletarischen Werken? Wo ist denn die Kritik der ”kritischen Marxisten” an diesem Werk? Das wäre doch, wenn sie sich ihrer Sache so sicher sind, längst fällig. In Wirklichkeit opponieren die H. Sommer und Co. den Anschauungen von Marx auch auf anderen Gebieten.
Siehe Bernstein, der der damaligen revolutionären Sozialdemokratie ”einen fast pharisäerhaften, ultrapuritanischen Moralismus” vorgeworfen hat, weil sie die Homosexualität ablehnte. (s. "Die Beurtheilung des widernormalen Geschlechtsverkehrs" von E. Bernstein, ”Neue Zeit”, Jahrg. 1894/95) Und worin unser ”mechanisches” Marxismus-Verständnis liegen soll, das bleibt auch unerklärt.
Das haben wir auch nicht behauptet. Wir sind keineswegs der Ansicht, daß alles, was Marx und Engels gesagt haben, automatisch richtig ist. Aber hier ging es darum, daß über uns behauptet wurde, wir würden einen ”eigentümlichen” Weg gehen, d.h. etwas ganz Außerordentliches oder Absonderliches vertreten, und dagegen haben wir die Feststellung getroffen, daß wir nur vertreten, was ganz überwiegend in der Arbeiterbewegung vertreten worden ist. Daher lenkt diese Entgegenhaltung bloß ab.
Das läßt sich keineswegs ableiten. Wir sprechen doch gerade davon, daß Erfahrungen mit diesen Dingen gemacht wurden, und die Erfahrung war, daß die Homosexualität gerade in Verbindung mit der Doppelzüngelei, in Verbindung mit verlogenen und doppelbödigen Praktiken aufgetreten ist, und wir können es nicht als Zufall betrachten, daß der Trotzkismus heute ein lautes Sprachrohr in Richtung des Homosexualismus ist. Wenn man unterstellt, daß das damals bereits eine wesentliche Komponente war - warum sollte man das Gegenteil annehmen ? - dann kann man es gut verstehen, daß die damals revolutionäre KPdSU zu solchen Maßnahmen gegriffen hat.
Da stellt sich die Frage: Terrorregime gegen was? Gegen Verräter muß man unter zugespitzten Bedingungen ein Terrorregime errichten.
Ein merkwürdiger Satz von H.Sommer ist das, und natürlich wie immer gespickt mit Verbalinjurien, ohne die diese Leute nicht auskommen. Das könnte euch so passen! Die Bourgeoisie lediglich enteignen, und ansonsten keine Diktaturmaßnahmen, keine ausgrenzenden Maßnahmen ergreifen. Das würde bedeuten, sie setzt sich im Überbau, in der Bürokratie fest und führt ihre Existenz fort, um sich von dort aus zu regenerieren, wie gehabt! Das Gegeneinandersetzen von Diktaturmaßnahmen und Ausgrenzung einerseits und Enteignung andererseits läuft ziemlich in diese Richtung. Und erst recht wird es absurd, wenn Ausgrenzung und Auseinandersetzung als unverträglich miteinander dargestellt werden. Auch wenn die Bourgeoisie unterdrückt, ausgegrenzt wird aus verschiedensten Bereichen, hört noch lange nicht die Notwendigkeit der Auseinandersetzung auf. Es ist eine ganz bestimmte Denkweise, die sich darin äußert: ich grenze etwas aus, und schließe damit auch die Auseinandersetzung damit ab. Das bedeutet im Grunde, etwas in der Gesellschaft zu tabuisieren. Von der ganzen Methodik her ist das nicht die der revolutionären Klasse, sondern die der im Verfall befindlichen.
Richtig zitieren! Wir sagen, daß man die Sexualität nicht klassenneutral
betrachten kann. Das verwandelt sich durch Sommer in ”die Sexualität ist
nicht ‘klassenneutral’”. Es kommt aber darauf an, was man darunter versteht.
Z.B. ist der sexuelle Vorgang zwischen Mann und Frau natürlich derselbe,
gleich in welcher Klasse er stattfindet, aber mit welcher Kultur er verbunden
ist, das ist etwas Anderes. Am Schluß kommt Sommer als Lehrmeister:
Zunächst einmal sind wir nicht in dem Sinne ”schwulenfeindlich”, daß wir eine Agitation gegen Homosexuelle betreiben würden. Wir klassifizieren die Homosexualität im Zusammenhang mit der bürgerlichen Dekadenz, dem imperialistischen Parasitismus, und in diesem Zusammenhang muß die Kampagne zu ihrer Aufwertung gesehen werden, und darauf bezieht sich diese Formulierung. Und wenn man dann weiß, daß Marx und Engels sie kritisiert haben, wie wir es schon dargestellt haben, oder daß z.B. Karl Liebknecht seinen Abscheu vor der verkommenen imperialistischen Sozialdemokratie und ihrer Beteiligung an der Abschlachtung des Proletariats zum Ausdruck zu bringen suchte, indem er mit deutlicher Anspielung von den ”Weibmännern des Dritten Geschlechts” der Sozialdemokratie sprach, dann wird all diesen nach der Definition Sommers ”Menschenfeindlichkeit” unterstellt Was H. Sommer hier postuliert, heißt nichts Anderes als, wenn jemand derlei kulturelle Erscheinungen kritisiert, auf diese verbrecherische Politik zu sprechen kommt, daß er dann als ”menschenfeindlich” deklariert, also unterdrückt gehört. Das verbirgt sich hinter solchen Sätzen wie ‘Schwulenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit’. Wenn ich anfange zu sagen, daß der Analverkehr, und dazu noch unter Männern, eine widerwärtige Erscheinungsform dieser ganzen Richtung ist, dann bin ich ein ”Menschenfeind”. Das ist die schmutzigste, elendste Diktatur parasitärer Klassen. Weiter heißt es bei Sommer:
Interessantes neues Kriterium, tatsächlich möchten es diese Leute als Elementarbedingung für kommunistische Diskussionsforen fordern. Im übrigen ist wie gesagt der Begriff ”schwulenfeindlich” unangebracht. Diese Leute unterstellen , wir hätten eine Agitation, noch dazu an zentraler Stelle gegen Homosexuelle begonnen. In Wirklichkeit hat sich die Sache daran entzündet, daß sie das als gesellschaftlich ”gleichberechtigt” und sogar gesetzlich privilegiert haben wollen.
Hat man schon eine so absurde Äußerung gesehen? Zunächst einmal ist der Marxismus eine historische Anschauung und Materialismus, und kein abstrakter ”Humanismus”. Den hat er längst hinter sich gelassen. Und die Behauptung, ihm sei nichts Menschliches fremd, ist wirklich eine Absurdität. Denn menschlich ist der letzte bourgeoise Dreck auch noch, es kommt aber darauf an, was für eine Menschlichkeit man meint, und wie man zu den verschiedenen Praktiken der Menschen steht.
Hier kommt der Lehrmeister der psychoanalytischen Theorie. Meiner Ansicht nach ist das so: sowohl Mann wie Frau haben jeweils männliche wie auch weibliche Geschlechtshormone, und die Geschlechtlichkeit durchdringt einander, aber jeder Mensch, jeder Mann und jede Frau, hat auch einen festen Pol, d.h. es gibt eine Hauptseite an der geschlechtlichen Erscheinung eines Menschen. Das ist es genau, was sie wegwischen. Man kann auch nicht sagen, die Homosexualität stecke in jedem drin. Das ist eine viel weitergehende Aussage als wenn man z.B. sagt: in jedem Mann stecken in gewisser Weise auch weibliche Elemente, oder umgekehrt in jede Frau auch männliche. Die Aussage, die Homosexualität stecke in jedem drin, geht viel weiter, sie setzt voraus, daß diese Einzelkomponente bei jedem isoliert ausgelebt wird, und damit die Sache aus dem Zusammenhang gerissen wird. Das kann man durchaus als unnatürlich bezeichnen. Es stellt sich in sexuellen Dingen die Frage des Materialismus: Zur Sexualität gehören ja die entsprechenden Organe, und der Mensch hat seinen chemischen Haushalt, der dieser Sexualität entspricht, sowie die entsprechende nervliche, seelische Konstitution. Eine Praktik, die sich über all das hinwegsetzt, kann man durchaus als unnatürlich bezeichnen. Ebenso kann die Anschauung, es sei egal, mit wem und mit welchen Organen die Menschen kopulieren, als unnatürlich bezeichnet werden. Schließlich noch der Satz:
Eben das hat damit zu tun, daß eben auch der imperialistische Parasitismus weit verbreitet ist, und dementsprechend das Klassenbewußtsein wie auch das allgemein historische Bewußtsein in der Gesellschaft niedrig ist.
Wir würden vor allem die Erscheinungsformen gar nicht erst aufkommen lassen und vor allem die Ausbreitung verhindern, und damit das Unglück von so manchem verhindern!
Im Tierreich kommt sie vielleicht in der Häufigkeit eins zu einer Milliarde vor, wenn überhaupt. Ob es sie zu allen Zeiten gegeben hat, kann man auch bezweifeln, da komme ich zu meinem kurzem Statement zurück, das hier am Anfang von Martin Timm aufgegriffen wurde. An dieser Stelle ist es auch angebracht, noch einmal daran zu erinnern, daß nicht wir diese Diskussion in diese e-group getragen haben. An dem Vorgehen unserer Kontrahenten gleich zu Anfang zeigte sich, mit welch einem Fanatismus dieser Punkt verfolgt wurde. Aber letztlich trägt auch das zur Klärung bei. Hartmut Dicke
|