Internet Statement 2001-28


Mehr Beachtung dem gefährlichen Treiben der NATO in Mazedonien

Der Balkanboden wird spürbar heißer unter den Füßen der NATO. Die forschen Szenarien eines massiven Einsatzes im mazedonischen Bürgerkrieg, mit Lazaretten und Särgen auch für deutsche Soldaten, wechseln mit öffentlichen Zweifeln, ob dieser Einsatz  nicht in noch viel größere Kalamitäten führt. Aus dieser Lage ergeben sich für revolutionäre Kräfte) neue Möglichkeiten, den Widerspruch gegen die NATO und die dahinterstehenden imperialistischen-kapitalistischen Interessen in eine größere Öffentlichkeit zu tragen und ihnen auch im eigenen Lande Boden zu entziehen. Doch je heißer der Balkan, desto kühler verhält sich ein erheblicher Teil der deutschen Linken, die inzwischen bei diesem Thema sogar fast völlig verstummt. Bei Autonomen und Antifas findet es sich überhaupt nicht. Schon in der Zeit, als der Krieg von 1999 vorbereitet wurde, war es bei vielen Teilen der Linken zähflüssig zugegangen; jetzt aber, wo die Lage für die Regierung viel schwieriger ist, überbietet man noch die damalige Neigung zur politischen Enthaltsamkeit.  Mit diesem Widerspruch muß man sich auseinandersetzen.

Wie hat sich die Lage der NATO entwickelt?

Zwei Jahre nach ihrem ungemein bewundernswerten Sieg gegen das kleine Jugoslawien-Serbien und dem Triumph über den alles Übel verkörpernden "Diktator Milosevic" weiß die NATO auf dem Balkan nicht mehr ein noch aus. Nachdem sie sich zur Unterdrucksetzung Serbiens der UCK bedient hatte, deren politisches Programm großalbanischer Expansionismus und deren soziales Programm die Diktatur der Gangster ist, und ihr im Kosovo die freie Entfaltung ermöglicht hat, ist diese, was alle möglichen Kommentatoren auch längst vorausgesagt hatten, über Mazedonien hergefallen, um Teile davon abzutrennen, hat den nächsten Krieg eröffnet und die Gegenwehr der Mehrheitsbevölkerung und der Regierung Mazedoniens hervorgerufen. Diese sind zunehmend gezwungen, sich  gegen die NATO selbst zu wenden. Es gibt darüber hinaus Grund anzunehmen, daß dieser Zusammenstoß weitere Erschütterungen auf dem Balkan auslösen kann. Die großspurigen Deklamationen über sog. politische Konzepte, die Frieden und Prosperität für den Balkan bringen, und die Sprüche, daß die NATO mit militärischen Mitteln die Trennung der “Volksgruppen” und ihre Pazifizierung besorgen werde, haben sich totgelaufen. Diese gesamte Propaganda wird jetzt von  sorgenvollen Einsprüchen in Frage gestellt: die politischen Konzepte fehlen, die militärische Kraft für die Teilnahme an einem Bürgerkrieg ebenfalls, es fehlt sogar die Entscheidung, zu wessen Gunsten die NATO eigentlich eingreifen soll.

Aber selbst wenn die NATO den von Schröder, Fischer, Beer und Erler so herbeigesehnten "robusten Einsatz" wegen seiner miserablen Aussichten absetzen sollte und wieder stärker mit den so oft beschworenen "politischen Mitteln", d.h. v.a. mit finanzieller Erpressung und Bestechung, ergänzt durch Terror auf niederer Ebene, versucht, die Stellung auf dem Balkan zu sichern, ist keine Lösung in Sicht,  und man kann nur die Hoffnung aussprechen, daß beide "Optionen" zu einer möglichst gründlichen Niederlage der NATO führen werden, in militärischer wie in politischer Hinsicht.

Die westlichen kapitalistischen Staaten unter der Oberhoheit der USA, die heute eine beispiellose weltweite Ausbeutung des Menschen und auch Raubbau an der Natur betreiben, die in den letzten Jahren mittels der NATO, die nichts weiter als der militärische  Arm dieser Ausbeutung ist , zunehmend den Balkan okkupieren und zu kontrollieren versuchen, was zu ihren Vorbereitungen von  noch weiterreichenden Aktionen gehört, stehen wie keine regionale Kraft dort auch nur annähernd, für die Provokation, die Verfeindung und den Krieg. Das lehrt die gesamte Entwicklung  mit zunehmender Deutlichkeit, und das muß jetzt in den linken Medien und in der Praxis mit ganz anderer Gewichtung zum Thema gemacht werden. Es gilt schon seit den Greueln in Bosnien, an denen gerade die USA keineswegs unbeteiligt waren. Was die NATO auf dem Balkan treibt, entwickelt außerdem zunehmend auch Zündstoff für größere internationale Konflikte. Ein Desaster der NATO läge im Interesse der Balkanvölker und darüber hinaus im Interesse aller Völker. Diese Vorgänge sind von größter Wichtigkeit für sämtliche politischen Kräfte, insbesondere natürlich die revolutionären und progressiven, und müßten deren politisches Engagement wecken. Das Dilemma der NATO-Regierungen nutzen, um diesem rot-grünen Regime, das wie kein anderes zuvor die Einpassung des Landes in die räuberische NATO-Interventionspolitik vorantreibt und auch auf vielen anderen Gebieten den imperialistischen Parasitismus geradezu einpeitscht, den Kredit zu entziehen, die Bevölkerung aufklären, was ihr bevorsteht – das wäre jetzt eine wirkliche Gelegenheit.

Wenn eingewendet wird, daß die Aktivitäten gegen die Gipfel wie Göteborg oder Genua die zentrale Aufgabe der vergangenen Monate gewesen seien und fast alle Energien für diese antiimperialistischen Aktionen gebraucht wurden, möchten wir zu bedenken geben, daß solche Aktionen, so sehr wir mit denen sympathisieren, die sich dort gegen die imperialistischen Mächte einsetzen, an deren Entscheidungen kaum etwas ändern können. Nur einen geringen Teil ihrer konterrevolutionären Machtmittel bräuchten sie einzusetzen, um auch viel größere Proteste ins Leere laufen zu lassen. Aber in Mazedonien eskaliert die NATO selbst die Widersprüche und provoziert bereits ihre eigenen Niederlagen, während die Autonomen und fast alle anderen radikal auftretenden linken Kräfte gar nichts tun, um diesen Prozeß zu fördern und die Kräfte zu unterstützen, die in der Realität gegen die NATO stehen. Daß eine solche Stellung  in einem Moment, wo der imperialistische Krieg konkret wird und das Land massiv einbezieht , Konsequenzen für die gesamte politische Bewertung und Zuordnung der Kräfte in diesem Lande haben wird, braucht wohl nicht weiter unterstrichen zu werden.

W. Grobe
30.7.2001