Es gibt in diesem Land durchaus eine breite Neigung, die Teilnahme am Mazedonienkrieg abzulehnen, aufgrund der gesamten Erfahrungen während des Jugoslawienkrieges, aufgrund der Enthüllungen über die UCK sowie aufgrund der Tatsache, daß die frühere Propaganda der NATO, alles habe nur an dem Präsidenten Milosevic gelegen, durch die reale Entwicklung vollkommen widerlegt ist. Hinzu kommt, daß es in diesem Einsatz gefährlich werden kann und, mehr noch, es wahrscheinlich Opfer geben wird. Und kaum daß feststand, daß eine gewisse Opposition in der Regierungspartei sich entwickelt hat, die möglicherweise deren Mehrheit blockiert, begann von der Medienseite her eine Kampagne des Inhalts: die Bundesrepublik kann sich gar nicht entziehen. In Koordination mit dem Beschluß der NATO erklärten die Medien: ihr habt zwar eine Mehrheit dagegen, aber es wird eine Mehrheit dafür geben, weil die NATO das so sagt, und weil ihr Bündnisverpflichtungen habt; und alsbald meldet sich auch irgendeine andere Partei bzw. Teile anderer Parteien, springen der Regierung bei und erklären sich für die sog. Bündnistreue. Da laufen die Kanäle unter der Hand, und es wird für die entsprechende Entscheidung gesorgt.
Ist diesen Leuten eigentlich klar, daß auf
diese Weise vor der ganzen Öffentlichkeit mehr oder weniger
direkt dargestellt wird, daß der deutsche Bundestag gar
keine Souveränität hat, sondern das zu tun hat, was
die NATO ihm vorgibt? Ebenso trifft die NATO selbst ihre militärischen
Entscheidungen über die Kontingente ohne überhaupt die
Entscheidung des Bundestages abzuwarten.
Könnte die internationale öffentliche Meinung
diesem Land wirklich einen Vorwurf daraus machen, wenn das Parlament
beschließt: wir nehmen nicht teil? Es gibt viele Gründe
nicht teilzunehmen, z.B. die frühere unwahrhaftige Kriegsrechtfertigung.
Niemand kann irgendein europäisches Land darauf verpflichten,
die Folgen der unverantwortlichen Förderung von Gangstern
wie der UCK durch die NATO jetzt weiter zu tragen. Das Parlament
steht von daher unter keinem Druck, Bündnisverpflichtungen
einzuhalten. Wenn Deutschland beschließt, daran nicht teilzunehmen,
könnte kein einziges Land den Finger erheben und sagen, dies
sei treubrüchig, charakterlos oder eine Form von Opportunismus.
Es wäre vielmehr gerade das Gegenteil, wenn dieses Land ein
kleines Stückchen Selbständigkeit zeigen würde,
wenn es erklärt: es nimmt an dieser Mission nicht teil.
Daß der angebliche Auftrag zum Waffeneinsammeln
ein lächerlicher Vorwand für eine massive dauerhafte
Stationierung der NATO in Mazedonien ist, ist inzwischen von so
vielen Seiten behandelt worden, daß wir hier nicht mehr
darauf eingehen müssen. Die NATO selbst läßt durchaus
durchblicken, daß das nicht ihr letztes Wort ist. Wo aber
ist nun in den entscheidenen Massenmedien wie dem Fernsehen die
Frage zu finden, worum es der NATO wirklich geht? Und wo wird
im Bundestag diese Frage wirklich erörtert werden, ohne die
es für die Entscheidung über den Kriegseinsatz keine
Grundlage gibt? In einer Reihe von Zeitungen wird über die
strategischen Hintergründe dieses Mazedonien-Einsatzes diskutiert.
Dabei geht es um die Absicherung ihres Einflusses in Jugoslawien,
bis hin zu strategischen Auseinandersetzungen mit Rußland,
bis zur Inbesitznahme des Kaukasuses und darüber hinaus.Wahrscheinlich
wird es in Deutschland in den nächsten Tagen kaum einen anderen
Ort politischer Diskussion geben, wo man so wenig über die
wirklich essentiellen Frage dieses Militäreinsatzes diskutiert,
wie in diesem Parlament
Die CDU/CSU wird durch die Regierung und die Medien
massiv bearbeitet, um zu erreichen, daß ihre Abgeordneten
der Kriegsteilnahme doch noch zustimmen, nachdem sie das zunächst
ausgeschlossen hatte. Diese Parteien haben von vornherein ihre
Ablehnung begründet mit zweifelhaften Punkten wie ungenügender
Finanzierung und mangelnder militärischer Vorbereitung, eine
Begründung, die es zulassen würde, jeder Zeit sogar
zur verschärften Forderung nach Kriegsteilnahme zu schwenken.
Von Schäuble und Lamers kam sogar die Forderung, die formelle
Entscheidungsgewalt des Parlaments überhaupt abzuschaffen,
damit die Regierung in Zukunft möglichst hindernisfrei noch
größere Kriegsentscheidungen fällen kann. Allerdings
wurde von einigen CDU-Vertretern bemängelt, daß der
Auftrag in Mazedonien "unklar" sei.
Warum ist die Entscheidung der CDU/CSU in pcto. Ablehnung
trotzdem wichtig?
Weil man ernsthaft damit rechnet, daß es diesmal
zu Verlusten auch bei der Bundeswehr kommen wird. Bezeichnend
ist dafür, daß die USA sich vorsichtshalber aus dem
Kontingent heraushalten, denn sie wollen nicht in die Verlegenheit
kommen, daß Verluste bei ihren Soldaten durch einen Konflikt
entstehen, den sie maßgeblich selbst gefördert haben,
und möglicherweise sogar auch durch UCK-Kräfte verursacht
wird, die von ihnen selbst instruiert werden. Wenn in Deutschland
die Bundesregierung und die FDP die Entscheidung alleine tragen,
dann stehen sie dann am Pranger. Man will daher erreichen, daß
auch die CDU dann ihre Treueerklärung abgeben muß:
wir konnten ja alle nichts anderes tun, wir waren ja aufgrund
des Bündnisses gezwungen, und deswegen müssen wir jetzt
die Kriegstoten in Kauf nehmen. Wenn aber die CDU nicht mitmacht,
dann ist die Basis dieses ganzen Vorgehens geschwächt, und
es könnte sich für die Parteien, die das getragen haben,
auch bei Wahlen rächen.
Das Land wäre doch vom Wahnsinn getroffen, wenn
es, nachdem selbst dieses bürgerliche System jahrzehntelang
zurecht erklärt hat, daß wir an dem NATO-Kriegsbündnis
nur teilhaben wollen im Sinne einer Gesamtverteidigung dieser
Staaten, jetzt bei der ersten besten Gelegenheit als primitiver
Stachel des imperialistischen Vorgehens agieren wollten, aus dem
die europäischen Staaten selbst absolut keinen Gewinn ziehen.
Wir sind dabei vorwiegend nur die Haudegen von anderen.
Die ganzen Vorgänge zeigen mit außergewöhnlicher Deutlichkeit, daß die Bundesrepublik durch tausend Fäden von anderswoher dirigiert wird und im Grunde das zu tun hat, was das internationale Kapital einschließlich des eigenen sagt, und unser Parteiensystem funktioniert ganz entsprechend so, daß wenn in einer Partei eine Opposition aufkommt und keine Mehrheit mehr existiert, eben eine andere Partei herangezogen wird, die die Mehrheit beschafft. Das ist das Schauspiel, das sich hier abgespielt hat.
Selbstredend hat die Grüne Partei gezeigt, daß sie am rigorosesten unter der gegenwärtigen Politik der USA steht und sie unterstützt. Opposition kommt noch aus den Reihen der Sozialdemokraten, nicht aus denen der Grünen, wo es faktisch keine gibt, mit Ausnahme des Feigenblattes Ströbele.
Die Medienhetze, wie sie sich an dieser Frage wieder
entfaltet hat, für die der Bundestag gar nicht zählt,
sondern die NATO-Vorgabe als der Maßstab für das Land
ausgegeben wird, bildet ein Musterbeispiel zur Erkenntnis der
Machtstrukturen dieses Staates. Über Jahrzehnte hinweg hat
die alliierte Diktatur ihre Leute in den Medien stationiert und
dort gehalten, und bis zum heutigen Tage sind die Medien, gerade
die ARD und das ZDF, aber auch die übrigen, die beflissenen
Lakaien dieser amerikanischen imperialistischen Politik. Dabei
werden auch die Souveränitätsinteressen dieses Landes
ohne mit der Wimper zu zucken verletzt, werden noch nicht einmal
in Worten berührt.
Redaktion Neue Einheit
26.August 2001
Internet-Statement 2001-30