Internet Statement 2001-37

 

Der Krieg der USA hat begonnen.
Was sind die zentralen politischen Punkte dabei?

 
Am 7.10.2001 hat die massive Bombardierung Afghanistans und seiner Bevölkerung durch die USA und Großbritannien begonnen.

Die schön-einfache und vordergründige Selbstrechtfertigung der USA lautet:

  • Die Al-Kaida-Organisation des Osama bin Laden solle zur Verantwortung gezogen werden,
  • die militärischen Fähigkeiten des Taliban-Regimes sollten ausgeschaltet werden, um zu verhindern, daß Afghanistan weiterhin als Basis des islamistischen Terrors fungiert,
  • dem afghanischen Volk solle humanitäre Hilfe gebracht werden.

So Präsident George W. Bush in seiner Ansprache vom 7.10.

....und was bewegt die USA und ihre Verbündeten wirklich?

Die internationalen Aufdeckungen und Diskussionen seit den Ereignissen des 11. Sept. haben sehr viel weiterreichende Absichten der USA und ganze Abgründe von bisherigen Verwicklungen mit dem islamisch-fundamentalistischen Terrorismus deutlich werden lassen.

Afghanistan - seit langem ein strategisches Ziel der USA

Die USA haben schon lange vor den Anschlägen eine militärische Festsetzung in Afghanistan vorbereitet, weil dies genau der Raum ist, von dem aus sie optimal nach China, Rußland und auch Indien sowie Pakistan hineinwirken und die Beziehungen zwischen diesen Ländern beeinflussen können. Es sind diejenigen Mächte, die an erster Stelle sich den Welthegemonieansprüchen der USA widersetzen können, insbesondere wenn sie sich miteinander verbinden. Außerdem spielen hier erneut Öl- und Pipeline-Interessen eine Rolle. Dies ist die Grundfrage des jetzigen Vorstoßes und eine wirkliche Grundlage, von der her er zu kritisieren ist, denn er liegt nicht im Interesse der großen Mehrheit auf der Welt, auch nicht in den USA selbst. 

Die sog. „humanitären“ Aktionen der USA in Afghanistan sind eine Verhöhnung des afghanischen Volkes, denn niemand anderes als die USA haben ihm die bisherigen Islamistenregime, mit den Taliban als der absurden letzten Konsequenz, aufgezwungen, mitsamt dem wirtschaftlichen Ruin und dem Hunger.

Aus den wirtschaftlichen und politischen Sackgassen sich in den Krieg retten?

Die USA und der gesamte von ihnen angeführte internationale Kapitalismus stecken in einer fundamentalen wirtschaftlichen Krise. Politische Zuspitzungen wie die zwischen Israel und den Palästinensern sind ihrer Kontrolle entglitten. Die Antriebe, nach grundsätzlichen Alternativen zu diesem Kapitalismus zu suchen, wachsen weltweit, und daher wächst auch sein eigener Antrieb, mit Provokationen und Kriegen abzulenken, ja man höre, der Welt mit einer ganzen Epoche von Krieg zu drohen und seine eigenen auseinanderstrebenden Kohorten mit Terrordrohungen zu disziplinieren.

Der islamisch-fundamentalistische Terror - abstoßende Reaktion, und schmutziges Werkzeug

Der islamische Fundamentalismus mit seinen typischen Terrororganisationen ist seit mehreren Jahrzehnten von den USA, aber auch anderen Staaten gefördert und regelrecht aufgebaut worden, um als Werkzeug schmutzigster Unterdrückung gegen Völker, zur Subversion gegen andere Mächte, und in manchen Fällen sogar insgeheim gegen die eigene Bevölkerung zu dienen. Bei den Anschlägen vom 11. September ist es abwegig, von einem völlig unentdeckt und autonom in den USA operierenden Terrornetzwerk von Islamisten auszugehen, sondern es führt nichts an der Frage vorbei, ob nicht bestimmte Kräfte im US-System selbst die Anschläge begünstigt und ermöglicht haben, z.B. um die Politik in die jetzige Richtung zu lenken. Alle Erfahrungen mit spektakulärem reaktionärem Terrorismus der vergangenen 30 Jahre verweisen darauf, daß ohne dessen heimliche Verankerung im Apparat des betreffenden Staates selbst - oder auch noch anderer Staaten - derartige Entwicklungen nicht möglich waren. 

Nicht zuletzt steht auch der islamische Fundamentalismus vor den Völkern des Mittleren Ostens vor dem Offenbarungseid, wie in Iran, in Palästina und anderswo.

Welche Möglichkeiten haben die Demonstranten gegen den Krieg ?

Wenn jetzt endlich auch in Deutschland doch größere Demonstrationen gegen das Vorgehen der USA in Afghanistan und die Unterstützung durch die Bundesregierung stattfinden, kann man das nur von Herzen begrüßen. Wer aber sich dem neuen Kriegsabenteuer wirksam widersetzen will, muß politisch mehr und Anderes vorbringen als Appelle wie: ‘die Gewaltspirale beenden’.  Dergleichen interessiert eine Macht wie die USA und selbst auch einen Staat wie den deutschen im Ernstfall absolut nicht, weil es keinerlei Hindernis für ihre reaktionäre Gewaltentfaltung darstellt, und die islamischen Fundamentalisten lachen über solche Dummheit der Ungläubigen, denen - in ihrer Ideenwelt  - die Sklaverei damit nur um so gewisser bevorsteht. Auf die Gewalttäterei, von den alltäglichen Todesschwadronen bis hin zu großen Kriegen, kann der internationale Kapitalismus nicht verzichten, weil er der Ausbeuter der großen Mehrheit ist und nie wirklich Frieden geben kann. Es gibt auch keine Regierungen, die dem Kapital ein wesentlich anderes Verhalten diktieren könnten, sondern das Verhältnis ist umgekehrt: das große Kapital diktiert den politischen Institutionen. Bester jüngster Beweis: die sozialdemokratisch-grüne Regierung. Es gibt auch keine derartigen internationalen politischen Organisationen. Bester jüngster Beweis: die UNO, die alles Wesentliche zuläßt, was der US-Kapitalismus will. Das Kapital diktiert sowohl den Regierungen einschließlich derer mit linkem Anstrich, als auch der UNO.

Man kann aber den Kriegstreibern doch ernsthaft politisch schaden, z.B. indem man ihrem gesellschaftlichen Charakter, ihre  Ziele und Methoden so breit wie möglich öffentlich aufdeckt, und man kann auch von hier aus die Kräfte in den verschiedenen Ländern unterstützen, die sich dem reaktionären Terror der Ausbeuter entgegenstellen und, wenn es nicht anders mehr geht, ihn mit dem gerechten Widerstandskrieg  beantworten. Das ist die einzige Sprache, in der in der heutigen bedrohlichen Lage wirksam geredet werden kann

Wir hoffen und unterstützen es, daß die USA und ihre Verbündeten bei dem Versuch, sich in Zentralasien festzusetzen, und wo sie sonst noch vielleicht versuchen werden die Kriegsprovokation hinzutreiben, von den dortigen Völkern, aber auch allen anderen in der Welt, vor allem auch von dem eigenen, Widerstand erfahren. Sie sollen in einer erneuten Niederlage landen!

Wenn der islamistische Fundamentalismus in der jetzigen Zuspitzung sich in seiner ganzen Menschenfeindlichkeit, politischen Hohlheit und Großsprecherei vor den Völkern weiter offenbart und schwere Schläge hinnehmen muß, wäre dies ebenfalls ein positives Ergebnis. Wir warnen vor der Gefahr, daß er durch ein bestimmtes mögliches Vorgehen der USA und anderer doch hinterrücks erneut aufgewertet wird oder in anderen Formen Überlebenshilfe erhält.

Walter Grobe
8./11.Oktober 2001