Internet Statement 2001-38
Bündniskongress in Jena, 21.-23.September 2001 Über die Repression Das Thema politische Repression in Deutschland umfaßt fast alle Bereiche des sozialen Lebens dieses Landes und seiner Geschichte. Es gibt unzählige Beispiele von Niederschlagungen von Demonstrationen, von Verboten, von Schikanen und Verbrechen gegen Einzelne, die ganze Bücher füllen. In diesem Exposé werde ich versuchen, einige Hauptcharakteristiken der politischen Repression in der Bundesrepublik zu geben, die einen Ausgangspunkt zur Diskussion bilden .
Repression bis zu einem gewissen Grade gibt es in allen Gesellschaften, sofern sie nicht alle Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen überwunden haben. Und selbst in letzterem Falle ist es noch die Frage, ob eine solche Gesellschaft nicht verbindliche Grundsätze braucht, deren Einhaltung bis zu einem gewissen Grade auch mit Maßregelungen durchgesetzt werden muß. Jede Gesellschaft hat ihre Grundsätze. Wenn jemand zum Beispiel für die Sklaverei in unserer Zeit eintritt, oder für die rassistische Unterordnung von Teilen der Menschheit, und er wird dafür unterdrückt, dann ist das gerechtfertigt. Wir sprechen daher nicht über jede Form von Unterdrückung,
sondern über den Fall, daß die Repression sich gegen die Entfaltung,
die Weiterentwicklung der Menschheit richtet, daß sie die Emanzipation
des Menschen behindert.Wenn die Repression mit dem Ziel, eine verkommende
gesellschaftliche Form zu verteidigen, den gesellschaftlichen Entwicklungsdrang
unterdrückt, die freie Meinungsäußerung und die wissenschaftliche
Untersuchung unterdrückt, dann sprechen wir von ungerechtfertigter
Repression. Auch eine Gesellschaft, die sich im Kampf mit der Reaktion
befindet und diese unterdrücken muß, muß eine gewisse
kritische Hinterfragung der Gesellschaft zulassen, deren Unterdrückung
ebenfalls ungerechtfertigt wäre. Der Einschnitt der revolutionären Jugend- und Studentenbewegung
von 1966 brachte die politische Repression in der Bundesrepublik in das
Bewußtsein größerer Teile der Bevölkerung. Seit
dieser Bewegung ist die Bundesrepublik nicht mehr zur Ruhe gekommen, eine
aktive Auseinandersetzung mit der Repression gibt es seit dieser Zeit
ohne Unterbrechung. Obwohl es Mitte der siebziger Jahre gelang, große
Teile der Bewegung in den Staat zurückzuintegrieren, die revolutionären
Kräfte in der Gesellschaft weitgehend zu isolieren und zu spalten,
hörte die aktive Opposition an Schulen und Universitäten über
Jahrzehnte nicht auf, und ging bis zu einem gewissen Grade auch auf die
neuen Generationen von Jugendlichen über. Die Erfolge des sozialistischen Aufbaus in einer Reihe von Ländern, zuerst in der Sowjetunion und dann folgend in einer ganzen Reihe von Ländern, aber auch die Fähigkeit des Sozialismus, fehlerhafte Entwicklungen zu kritisieren, wie sie in der deutlichen Kritik am Revisionismus, die vor allem aus China herüberdrang, sich manifestierte, schließlich auch die verschärften Gegensätze der Europäer zu den USA, aber auch die Opposition gegen das sogenannte Kondominium, das heißt die sog. Zusammenarbeit der USA und der SU, bereiteten einen Boden vor, der auf allen Kontinenten eine rebellische Jugend hervorbrachte, nicht zuletzt auch in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Bewegung kam aus der Mitte des Volkes selbst, und gerade deshalb mußte sie um so härter mit allen Mittteln integriert" werden, mußte ihr aus der Sicht der Herrschenden nach Möglichkeit der Boden entzogen werden, die verbleibenden politischen Kräfte aber einer denkbar harten politischen Repression unterzogen werden. Unter den Faktoren, die dieser Bewegung den Boden entzogen haben, sind die ökonomischen Faktoren das Wichtigste. III. Repression und ökonomische Entwicklung Widerstand kann es nur da geben, wo es eine revolutionäre Klasse
und soziale Formationen gibt, die gegen die gesellschaftlichen Kräfte
der Erstarrung auftreten können. In Deutschland gab es in dem ganzen
20. Jahrhundert bis tief in die siebziger Jahre hinein eine solche Klasse
in Form der Arbeiterschaft und einer einfachen Angestelltenschicht, die
in der Bundesrepublik um die 60 % der Erwerbstätigen ausmachten.
Die ganze Geschichte in Deutschland und weiter in der Bundesrepublik nach
1949 drehte sich darum, diese Klasse zu kontrollieren und eine Gefährdung
durch Revolutionen, wie sie im ersten Drittel des Jahrhunderts stattgefunden
hatten, zu vermeiden. Wegen der Konfrontation mit der DDR und wegen des
inneren Druckes wurden soziale Reformen nicht nur versprochen, sondern
auch eine ganze Reihe davon zugestanden. Der Staat war auch durch die
Alliierten verpflichtet, jede Regung in diesem Sinne zu unterdrücken
und in Zentraleuropa einen Aufschwung der Arbeiterbewegung unter allen
Umständen zu verhindern.
Man kann die Repression in Deutschland nicht von der Gesamtlage trennen,
in die das Land eingebettet ist. Seit dem Sieg der Alliierten 1918 haben
diese es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur eine dominante Stellung gegenüber
dem vormaligen deutschen Imperialismus einzunehmen, sondern auch, und
sogar an erster Stelle, die hochentwickelte Arbeiterbewegung in Deutschland
mit allen Mitteln zu unterdrücken. Mit dem Sieg über den Faschismus
1945, der eine Art von zugespitzer Auseinandersetzung zwischen den Imperialisten
beinhaltete, haben sich die westlichen Alliierten dieses Ziel erneut gesetzt.
Die Verhältnisse in der Bundesrepublik, die von diesen Alliierten
geprägt worden sind, sind untrennbar verbunden mit diesen politischen
Absichten. Auch die Rolle der Sowjetunion ist in diesem Zusammenhang zu
untersuchen, da sie - objektiv bedingt oder nicht - an diesem System zumindest
eine längere Zeit lang teilhatte. Die Bundesrepublik war ein Profiteur der Entwicklung nach dem Kriege,
da die USA durch die Revolution in China, durch den Krieg in Korea herausgefordert
wurden. Das schuf viel Spielraum für die Bundesrepublik und die darin
herrschende Klasse. Es gelang ihr, einen relativ schnellen und umfangreichen
ökonomischen Aufbau zu vollziehen. Aufgrund der Schwäche der
kommunistischen Bewegung hatte die KPD in der Bundesrepublik von Anfang
an einen schweren Stand, für alles, was in der DDR teilweise falsch
gemacht wurde, wurde auch sie verantwortlich gemacht. Viele der besten
Kader waren in der Zeit des Faschismus verlorengegangen, und vor allem
war auch die KPD zu stark unter die Hegemonialpolitik subordiniert. Von
daher war die Bundesrepublik erfolgreich in dem Verbot der KPD, die politisch
schon vor 1953 stark an Substanz verloren hatte und schon vor dem Verbot
de facto auf den status einer Splitterpartei herabgesunken war. Trotz
ihres relativen starken Kaders hatte sie keinen nennenswerten Nachhalt
mehr in der Bevölkerung. Das Verbot der KPD 1956 hindert die KPD
aber auch daran, sich zu erneuern und an dem internationalen Streit zur
Auseinandersetzung um die kommunistische Bewegung selbst deutlich und
lautstark teilzunehmen. Von daher hattte dieses Verbot auch eine internationale
Bedeutung, denn die KPD als eine Partei der früher relativ stärksten
Bewegung in einem industriellen Land war durch das Verbot auch gehindert
daran, grundlegende Fragen, etwa auch der Frage des Hegemonismus und der
Bevormundung der Bewegung durch die KPdSU anzuschneiden. Die spätere
Entwicklung in der marxistisch-leninistischen Bewegung, etwa 12 bis 13
Jahre darauf, hat gezeigt, daß in diesem Land doch ein starkes Bedürfnis
existiert, solche Fragen zu diskutieren.
Es hängt mit dem komplexen Charakter der Bundesrepublik zusammen, daß die Strukturen dieser Unterdrückung nicht so leicht durchschaut werden können. In diesem Staat herrscht zum einen wie in jedem vergleichbaren Staat die eigene Bourgeoisie, zum anderen aber ist dieser Staat auch nach der formalen Unabhängigkeit von 1955 immer unter der Kontrolle der Allierten, vor allem der USA, geblieben. Alle Parteien des bürgerlichen Systems sind damit verknüpft. Einige Parteien, vor allem die SPD und erst recht die Grünen, gaben sich lange Zeit sozialkritisch", hatten aber eine auffällige Affinität in Richtung USA, vor allem zu deren Entspannungspolitik". Erst jetzt in der SPD-Grünen Koalition ist dies durch die konkrete Politik in der allgemeineren Öffentlichkeit manifest geworden. Dieser Umstand hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Repression in Deutschland (BRD). Im August 2001, Hartmut Dicke
(Dieser Beitrag wurde als vereinbartes Grundsatzreferat für den oben erwähnten Bündniskongress in Jena, September 2001 ( Sektion 3-Thema Repression), verfaßt. Die Red.) |