Internet Statement 2001-43

14.11.2001

Nach dem Abzug der Taliban aus Kabul und dem Einzug der Nordallianz


Man kann die Freude und die gleichzeitige Vorsicht der Menschen in Kabul und anderen Städten Afghanistans, aus denen die Taliban abziehen mußten, völlig verstehen. Die Freude darüber, endlich vom Joch der Taliban befreit zu sein, die Vorsicht vor der sog. Nordallianz.

Daß die Taliban sich noch auf großartige Unterstützung unter der afghanischen Bevölkerung stützen könnten, war auch nicht zu erwarten.

Was aber repräsentiert die sog. Nordallianz, die stattdessen Einzug gehalten hat? Sie repräsentieren selbst nichts anderes als ultrareaktionären islamistischen Fundamentalismus, mit dem die Bevölkerung Afghanistans und gerade Kabuls bereits ihre bitteren Erfahrungen machen mußte. Kabul wurde durch diese Kräfte zerstört. Nicht umsonst mußte sich sogar die US-Regierung gegen den Einzug ihrer eigenen Verbündeten nach Kabul aussprechen, was aber Großbritannien nicht hinderte, den Vorstoß auf Kabul zu unterstützten. Das ist imperialistische Arbeitsteilung. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es gerade die USA mit ihrer massiven Unterstützung, Bewaffnung und Ausbildung dieser reaktionären Gruppierungen waren, die damit Afghanistan überhaupt erst unter das Joch dieses Kräfte brachte und dafür Verantwortung trägt - die Regime Großbritanniens, Pakistans, Saudi-Arabiens und weitere dabei nicht zu vergessen.

Diese sog. Nordallianz erklärt jetzt, sie erlaube den Frauen, zur Arbeit und zur Schule zu gehen. Damit hebt sie anscheinend erst einmal einige extreme Verbote, die die Taliban gegen die Frauen erlassen hatten, wieder auf. Sie erklärt dies aber ausdrücklich im Namen des "Islamischen Staates Afghanistan" und setzt im gleichen Atemzug die Unterdrückung der Frauen weiter fort, indem sie dies nur soweit zulassen will, wie diese Regelungen "in Einklang mit der islamischen Lehre und den ehrwürdigen Traditionen bestehen". Nicht als Befreier, sondern als Unterwerfer haben diese Kräfte Einzug in Kabul gehalten.

Kräfte wie Rabbani, Dostum oder Hekmatiar, auch der ermordete Masoud, sind genauso wie die Taliban lange bekannt für ihre brutale und gnadenlose Unterdrückung fortschrittlicher und revolutionärer, bürgerlicher wie proletarischer Kräfte in Afghanistan. Diese Kräfte, die heute die sog. Nordallianz bilden, gehörten schon früher zur der von den USA zusammengebrachten und aufgebauten ultrareaktionären Allianz. Dabei ging es nicht nur darum, gegen den Einmarsch des Sozialimperialismus in Afghanistan zu kämpfen, sondern auch um die Unterdrückung der fortschrittlichen und revolutionärer Kräfte in Afghanistan selbst.

Und wenn sich heute die USA-Regierung hinstellt und äußert, sie wolle, abgesehen von einer befristeten sog. Übergangsregierung, letztlich doch die Regierung für Afghanistan den Afghanen überlassen, so ist das einmal auch erzwungen durch die Lage selbst, andererseits ist es seitens der USA auch die pure Heuchelei und Verhöhnung angesichts dessen, daß maßgeblich sie es waren, die diesen ultrareaktionären Islamisten, einschließlich der bin Ladin Organisation, erst einmal zu dieser Machtstellung in Afghanistan verholfen haben.
Eine politische oder ökonomische Konzeption für die Entwicklung Afghanistans haben diese Kräfte des islamischen Fundamentalismus nicht und stellen somit keine wirkliche Gefahr für den Imperialismus und seine Pläne dar.

Es kommt nicht von ungefähr, daß in den Konzepten der US-Imperialisten und ihrer Verbündeten fortschrittliche afghanische Kräfte eine völlig untergeordnete Rolle spielen und stattdessen von ihnen möglichst die reaktionärsten Kräfte unterstützt und ausgehalten werden, so daß Afghanistan in einer ständigen Abhängigkeit verbleibt und der Einmischung der imperialistischen Mächte, vielleicht auch der verschiedenen reaktionären umliegenden Regime ausgesetzt bleibt. Die enge Verbindung des US-Imperialismus mit dem islamistischen Fundamentalismus zur Unterdrückung und Niederhaltung von fortschrittlichen, revolutionären und kommunistischen Bewegungen hat Geschichte, nicht nur in Afghanistan. Offenbar soll sie nach seinen Wünschen auch zukünftig weitergehen.

Die Aufgabe, vor der die fortschrittlichen Kräfte aus Afghanistan und auch den benachbarten Ländern stehen - sich gegen diesen vom Imperialismus gestützten reaktionären Islamismus zu behaupten und sich letztlich durchzusetzen -, ist sicher nicht leicht. Aber ihnen und diesen Anstrengungen sollte unsere Unterstützung gelten.

Klas Ber 14.11.2001