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Statement 2001-44
Was
Nietzsche geschrieben hat, hat er auch so gemeint
[Beitrag der Redaktion Neue Einheit anläßlich eines Nietzsche-Seminars
der Sozialistischen Studienvereinigung in Frankfurt/M am 8.12.01]
Immer wieder kommt es vor, daß gewisse Leute, die sich als links
bezeichnen, Nietzsche als einen irgendwie progressiven Geist bezeichnen,
aus dem man etwas für den Sozialismus oder für andere progressive
Ideen herausholen könne. Doch ist Nietzsche an dem zu bemessen, was
er selber in der immerhin mehrere Jahrzehnte währenden Phase seiner
literarischen Tätigkeit geschrieben hat. Es ist in seinem Wesen ein
ohnmächtiges Gestammel, das sich gegen die sich damals durchsetzende
Moderne in der deutschen Gesellschaft richtet, gegen die Herausbildung
eines Proletariats und auch eines Bürgertums, einer bürgerlichen
Gesellschaft, die auf dem allmählichen Wege die frühere von
der Aristokratie beherrschte Gesellschaft in Deutschland ablöste.
Seine offenen Phrasen für Sklaverei drücken genau das aus, was
sie aussagen, und nichts Anderes. Wenn sogenannte Linke dann einen solchen
Repräsentanten zu rechtfertigen versuchen, dann verteidigen sie letztlich
verkommenste reaktionäre Standpunkte, verteidigen sie Pro-Faschismus.
Das gilt für alle, die dies treiben und die die einschlägigen
Bemerkungen des Herrn Nietzsche einfach so beiseite drücken möchten
und sagen, ja, in Wahrheit liege da ganz etwas Anderes drin. Eine solche
Behauptung ist eine Unterstellung, die diese Beurteilung zu verwässern
sucht und irgendwo im Nebulösen diesen Lehren dieses im Grunde armseligen
Menschen etwas Nützliches andichten will.
Für diejenigen, die Nietzsche noch nicht anhand eigener Zeugnisse
kennen, hier einige Zitate:
Die Größe eines Fortschritts bemißt
sich sogar nach der Masse dessen, was ihm alles geopfert werden musste;
die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren
Spezies Mensch geopfert - das wäre ein Fortschritt... (Genealogie
der Moral II,12)
Leben ist wesentlich Aneignung, Verletzung, Überwältigung
des Fremden und Schwächeren, Unterdrückung, Härte, Aufzwängung
eigener Formen, Einverleibung und mindestens, mildestens Ausbeutung
....(Jenseits von Gut und Böse, 259)
Jede Erhöhung des TypusMensch war bisher das
Werk einer aristokratischen Gesellschaft,- und so wird es immer wieder
sein: als einer Gesellschaft, welche an eine lange Leiter der Rangordnung
und Wertverschiedenheit von Mensch und Mensch glaubt und Sklaverei in
irgendeinem Sinne nötig hat. (Jenseits.. 257)
Das Wesentliche an einer guten und gesunden Aristokratie ist
aber, daß sie sich nicht als Funktion (sei es des Königtums,
sei es des Gemeinwesens), sondern als dessen Sinn und höchste Rechtfertigung
fühlt, - daß sie deshalb mit gutem Gewissen das Opfer einer
Unzahl Menschen hinnimmt, welche um ihretwillen zu unvollständigen
Menschen, zu Sklaven, zu Werkzeugen herabgedrückt werden müssen.
Ihr Grundglaube muß eben sein, daß die Gesellschaft nicht
um der Gesellschaft willen da sein dürfe, sonder nur als Unterbau
und Gerüst, an dem sich eine ausgesuchte Art Wesen zu ihrer höheren
Aufgabe und überhaupt zu einem höheren Sein emporzuheben vermag:....
(Jenseits... 258)
Über die vornehmen Rassen sagt Nietzsche
".... - sie sind nach außen hin, dort, wo das Fremde, die
Fremde beginnt, nicht viel besser als losgelassene Raubtiere. Sie genießen
da die Freiheit von allem sozialen Zwang, sie halten sich in der Wildnis
schadlos für die Spannung, welche eine lange Einschließung
und Einfriedung in den Frieden der Gemeinschaft gibt, sie treten in
die Unschuld des Raubtier-Gewissens zurück, als frohlockende Ungeheuer,
welche vielleicht von einer scheußlichen Abfolge von Mord, Niederbrennung,
Schändung Folterung mit einem Übermute und seelischen Gleichgewichte
davongehen, wie als ob nur ein Studentenstreich vollbracht sei, überzeugt
davon, daß die Dichter für lange nun wieder etwas zu singen
und zu rühmen haben. Auf dem Grunde aller dieser vornehmen Rassen
ist das Raubtier, die prachtvolle, nach Beute und Sieg lüsterne
blonde Bestie nicht zu verkennen;..." (Genealogie der Moral I.,
11)
Demgegenüber:
"Wenn die Unterdrückten, Niedergetretenen, Vergewaltigten
aus der rachsüchtigen List der Ohnmacht heraus sich zureden: 'Laß
uns anders sein als die Bösen, nämlich gut! Und gut ist jeder,
der nicht vergewaltigt, der niemanden verletzt, der nicht angreift,
der nicht vergilt, der die Rache Gott übergibt, der sich wie wir
im Verborgnen hält, der allem Bösen aus dem Wege geht und
wenig überhaupt vom Leben verlangt gleich uns, den Geduldigen,
Demütigen, Gerechten' - so heißt das, kalt und ohne Voreingenommenheit
angehört, eigentlich nichts weiter als: 'Wir Schwachen sind nun
einmal schwach; es ist gut, wenn wir nichts tun, wozu wir nicht stark
genug sind' ;" (Genealogie der Moral I, 13)
Hieran schließt Nietzsche übrigens - konsequent in seinem
Sinne - direkt die allgemeinste Leugnung von Subjekt, d.h. rationaler
Erkenntnis. Dieser Passus enthält implizit die biologistische Bluts-
und Instinktpredigt des Nazismus und anderer:
"aber dieser herbe Tatbestand, diese Klugheit niedrigsten Ranges,
welche selbst Insekten haben (die sich wohl totstellen, um nicht 'zu
viel' zu tun, bei großer Gefahr), hat sich dank jener Falschmünzerei
und Selbstverlogenheit der Ohnmacht in den Prunk der entsagenden, stillen,
abwartenden Tugend gekleidet, gleich als ob die Schwäche des Schwachen
selbst - das heißt doch sein Wesen, sein Wirken, seine ganze einzige
unvermeidliche, unablösbare Wirklichkeit - eine freiwillige Leistung,
etwas Gewolltes, Gewähltes, eine Tat, ein Verdienst sei. Diese
Art Mensch hat den Glauben an das indifferente, wahlfreie 'Subjekt'
nötig aus einem Instinkte der Selbsterhaltung, Selbstbejahung heraus,
in dem jede Lüge sich zu heiligen pflegt. Das Subjekt (oder, daß
wir populärer reden, die Seele) ist vielleicht deshalb bis jetzt
auf Erden der beste Glaubenssatz gewesen, weil er der Überzahl
der Sterblichen, den Schwachen und Niedergedrückten jeder Art,
jene sublime Selbstbetrügerei ermöglicht, die Schwäche
selbst als Freiheit, ihr So- und So-sein als Verdienst auszulegen."
(Genealogie der Moral I, 13)
Wenn man Nietzsche wegen bestimmter Elemente mit der Sklavenhalterordnung
vergleicht, dann muß man aufpassen, daß man diese nicht noch
obendrein mit Nietzsche beleidigt. Denn die Sklavenhalterordnung brachte
gegenüber dem vorigen Stammesgesellschafts-Chaos und dem Zeitalter,
in dem es noch Kannibalismus gab und die Ausschließlichkeit des
Stammes regierte, zweifelsohne Fortschritte, die schließlich in
der antiken Sklavenhaltergesellschaft der Griechen und Römer ihren
Höhepunkt fanden. Und selbst diese Ordnung enthielt Elemente einer
Weiterentwicklung und Aufhebung der Sklaverei, was sich an sowohl an den
Versuchen von Reformern wie an den Sklavenaufständen zeigte. Nietzsche
aber ist nur für das, was selbst in der Sklavenhalterordnung das
äußerste rechte Element darstellt, das, was selbst darin die
absolute Willkür und den extremsten Parasitismus repräsentiert.
Und damit kommt man dann zu der Frage, wo nämlich bei bestimmten
Kräften, die sich im Imperialismus als Linke bezeichnen, die wahre
Verankerung liegt. Die Verwandtschaft mit dem Faschismus ist die Substanz.
Es ist interessant zu erwähnen im Zusammenhang mit neueren Diskussionen,
daß der französische Literat Georges Bataille, der speziell
zu Grausamkeiten, Sadismen und wüstestem Wiederaufleben des Kannibalenkultus
steht, gleich nach 1945 sich veranlaßt sah, eine sog. Rehabilitierung
Nietzsches zu schreiben, um die offenkundige Verbindung von Nazifaschismus
und Nietzscheanismus abzuschwächen und den Nietzscheanismus immer
wieder reinzuwaschen, weil er befürchten mußte, daß der
Zusammenbruch das Nazismus auch das Ansehen Nietzsches beschädigt.
Er ist in dieser Aktivität von verschiedenen anderen Pseudowissenschaftlern,
die das Analysevermögen des Menschen grundsätzlich bekämpfen,
unterstützt worden. Es gibt daran nichts zu entschuldigen. Revolutionäre
und progressive Ideen und Nietzsche und seine Abkömmlinge sind unvereinbar!
Die Theorien Nietzsches sind im wahrsten Sinne des Wortes durchgeknallt,
und er hat sich in seinem Leben immer weiter auf die schiefe Bahn begeben,
bis er völlig zusammengebrochen ist.
Sollen doch diejenigen, die Nietzsche trotz alledem immer wieder verteidigen,
doch nun einmal erwähnen, welchen brauchbaren Beitrag Nietzsche nun
eigentlich gebracht hat, statt irgendwelchen nebulösen Phrasen, daß
er Fragen aufgeworfen habe usw. Fragen kann jeder Verrückte
aufwerfen.
Redaktion Neue Einheit
7.12.01
www.neue-einheit.com
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