Internet Statement 2002-4
Das Schicksal der Palästinenser und das Jahr 1982
Ohne selbst, aus grundsätzlichen Erwägungen, diesen Pessimismus
zu teilen, möchten wir ein paar Punkte zusammenstellen, die unserer
Ansicht nach eine große Rolle dafür spielen, daß die
Palästinenser heute in einer derartig miserablen Lage stecken. Die
Entscheidungen das Jahres 1982 haben dabei noch immer großen Einfluß. Der "Deal" von 1982 Der sogenannte "Friedensprozeß" Die folgenden 18 Jahre sind dem äußeren Bild nach geprägt von einer Hinausschleppung der versprochenen Lösung, während auf palästinensischer Seite der Widerstand auf ein für die israelische Führung wenig gefährliches Maß gedämpft wurde und die Massen immer wieder auf die politischen Versprechungen vertröstet wurden. Die sog. Intifada der 80er Jahre nach Beirut kanalisierte den Kampfwillen der palästinensischen Massen, viele Tausende Palästinenser, vor allem Jugendliche, haben dabei alles geopfert, gleichzeitig aber konnte damit auf Israel kein wirklicher Druck mehr ausgeübt werden, so daß es in dieser Zeit seine Positionen ausbauen konnte. Die besetzten Gebiete wurden systematisch mit einem Netz von Wehrsiedlungen fanatischer zionistischer Siedler inclusive "Sicherheitszonen" und vom Militär kontrollierten Verbindungsstraßen durchzogen, mehr und mehr Land der Palästinenser dafür enteignet. Die Versuche der Arafat-Führung, sich durch die Unterstützung des Irak in der Konfrontation mit den USA etwas mehr politischen Spielraum zu verschaffen, konnten ihre Abhängigkeit von den USA nicht wesentlich ändern. Der Höhepunkt der Heuchelei wurde mit dem sog. Oslo-Friedensprozeß
erreicht. In Abkommen, die 1993 und 1995 unter unmittelbarer Leitung der
USA zwischen der Arafat-Führung und Israel in den USA ausgehandelt
wurden, erhielten die Palästinenser das Zugeständnis lokaler
Selbstverwaltungen und einer gewissen internationalen Aufwertung. Eine
wirkliche Autonomie des so entstehenden Flickenteppichs palästinensischer
Enklaven in Gaza und im Westjordanland konnte jedoch so nicht zustande
kommen, da sich Israel immer das Recht vorbehielt, mit Absperrungen, ökonomischer
Erpressung und auch militärischen Eingriffen sowie dem ständigen
weiteren Eindringen mit eigenen Siedlungen in die eigentlich den Palästinensern
zugerechneten Gebiete die Entwicklung in seinem Sinne zu lenken. Weder
hatten die USA die Absicht, das zu unterbinden, noch die Europäer,
wenn sie es denn wollten, die Macht dazu. Der Arafat-Selbstverwaltung
wurde von Israel hauptsächlich die Aufgabe zugedacht, den palästinensischen
Widerstand selbst zu unterdrücken, und sie wird bis heute daran gemessen;
ein Maßstab, den sich auch die deutsche Diplomatie unter Josef Fischer
zu eigen gemacht hat. Aufgabe des säkularen demokratischen Programmes Man muß aber auch die politische und kulturelle Entwicklung innerhalb
der politischen Kräfte der Palästinenser kritisch betrachten,
die sich seit 1982 abgespielt hat. Entscheidend dabei ist, daß die
frühere PLO, die fast alle Strömungen unter den Palästinensern
integriert hatte, ihr demokratisches, antirassistisches und säkulares
Programm selbst aufgegeben hat, mit dem sie in den sechziger und siebziger
Jahren organisatorische Kraft und internationale Unterstützung in
hohem Maß hatte gewinnen können. Unter diesen Vorzeichen hatte
die Arafat-Führung große militärische wie diplomatische
Erfolge gegenüber dem israelischen Zionismus erringen können.
Was von der PLO übriggeblieben ist, wird von der Hamas der Kapitulation
und Kollaboration mit dem Feind angeklagt, sicher nicht ohne Grund, gleichzeitig
wissen wir aber, daß trotz alles radikalen Kampfgeschreis die Hamas
die palästinensische Bevölkerung niemals zu einem wirklichen
Erfolg führen kann. Denn dem steht im Wege, daß der gesamte
islamische Fundamentalismus mit der Steuerung und Instrumentalisierung
durch die USA kontaminiert ist, wie erneut an Taliban und El-Kaida jetzt
deutlich geworden ist. Das ganze aufgeblasene Gehabe von Islamisten, wenn
sie sagen, sie wollen gegen die USA kämpfen, bricht wie ein Papptiger
zusammen, sobald es wirklich ernst wird. Sie sind nur als Provokateure
gut, nicht als wirkliche Kämpfer. Es steht dem auch vor allem im
Wege, daß ein islamistischer Widerstand von keinerlei demokratischen
und sozialistischen Kräften in der Welt unterstützt werden kann,
denn ein Regime des Islam bedeutet eine noch wüstere Unterdrückung
von Demokratie und Arbeiterbewegung als selbst der Zionismus sie leisten
kann. Eine Umkehr ist notwendig Heute haben die Palästinenser im Ergebnis dieser ganzen Entwicklung
noch weniger politische Bewegungsmöglichkeiten als vorher und sind
jetzt im Grunde vollkommen ausgeliefert. Die Panzer standen die ganze
Zeit vor Arafats Büro und rächen auf blutige Weise jede Aktion,
mit der palästinensische Organisationen glauben, sie könnten
Israel einschüchtern. Die Palästinenser können auch ihrerseits
kaum etwas anderes tun, als bei den Gewaltanwendungen der israelischen
Zionisten verstärkt mit Selbstmordkommandos und anderen Grausamkeiten
unter der Zivilbevölkerung zurückzuschlagen. Die Lage, die jetzt in Palästina entstanden ist, ist die am meisten
zugespitzte, die je existiert hat. Die Palästinenser haben sich auf
die Hilfe der USA verlassen, und jetzt wird alles an Selbständigkeit
zerschlagen, was sie sich selber erobert hatten. Und was sollten die israelischen
Zionisten auch anderes tun aus ihrer Sicht? Der israelische zionistische
Staat existiert doch nicht dazu, beispielsweise daß in Jerusalem
wirklich gleichberechtigt auch die islamische und die christliche Religion
existieren. Das widerspricht seinem ganzen Selbstverständnis. Auch
der Islamismus ist nicht dafür, die Gleichberechtigung aller Religionen
zu erzeugen, das demokratische Programm der PLO hingegen ist faktisch
tot. Die Palästinenser haben im Grunde nur eine einzige Wahl, nämlich zu ihrem demokratischen Programm zurückzukehren, den Islamismus zu isolieren, und dann mit den Menschen in Israel, die an einer zivilen Lösung interessiert sind, zusammenzuarbeiten, und das bedeutet letztlich auch den Umsturz des Zionismus insgesamt. Sonst wird diese Schlächterei, auch diese Schlächterei unter Zivilisten, sich fortsetzen, dem Fundamentalismus und Rassismus beider Seiten weiter Nahrung geben und jeden Fortschritt blockieren. Redaktion Neue Einheit |