Internet Statement 2002-20

 

Gruppe Neue Einheit

 

Vorschlag zur nochmaligen Aufarbeitung des 20. Parteitages von 1956

10.Mai 2002       

Es gibt wenige Fragen, die solche Auswirkungen auf die kommunistische Bewegung hatten wie die Auseinandersetzung um den 20. Parteitag der KPdSU und die Auseinandersetzung mit dem modernen Revisionismus. Für viele der verschiedensten kommunistischen Gruppierungen ist die Stellung zur Entwicklung der Sowjetunion, und gerade zum 20. Parteitag, auch so etwas wie der Kern der von ihnen vertretenen Anschauungen. Deswegen halten wir es für notwendig, daß diese Frage noch einmal gründlich aufgearbeitet wird. Bei Diskussionen im Laufe der letzten zwei Jahre war zu beobachten, daß über die tatsächliche Stellung der beteiligten Parteien wenig Kenntnis existiert; welche Stellung hat  zum Beispiel die KP Chinas eingenommen und welche Entwicklung hat diese Stellung der KP Chinas im Laufe der darauffolgenden 20 Jahre durchgemacht. Weiter herrscht auch über die Einzelheiten Unkenntnis, wie es zu der Entwicklung in der Sowjetunion, schließlich zur vollständigen Auflösung zwischen 1989 und 91 und zur völligen Aufweichung schon seit 1983 [1] unter Gorbatschow kam. Wir meinen, daß es da noch eine Menge aufzuarbeiten gibt, daß es sogar möglich ist, durch die gemeinsame Aufarbeitung viel von dem existierenden Streit zu beseitigen, und daß sehr viele Kommunisten, die unterschiedliche Ansichten in diesen Fragen vertreten, doch in den wesentlichen Hauptfragen übereinstimmen und deswegen auch zu einer gemeinschaftlichen Organisierung kommen müssen. Wir wollen deshalb die Diskussion über den 20. Parteitag und die nachfolgenden Linien der wichtigsten kommunistischen Parteien und ihre Arbeit, ihre Leistungen und ihr Versagen aufarbeiten  und dabei alle verschiedenen, gegensätzlichen Anschauungen auch mit einbeziehen.
So ist es für uns auch selbstverständlich, daß wir auch die früheren exponierten Gegner, etwa die Führer des 20. Parteitags, an Hand ihrer Dokumente zu Wort kommen lassen oder diejenigen, die heute noch meinen, daß der 20. Parteitag ein wesentlicher Schritt nach vorn war. Auch sie sollen  mitdiskutieren und ihre Ansichten darlegen. Es ist ohnehin nicht so, daß die Sache nur von einer einzigen Seite beherrscht ist. Vielmehr sind Dinge in ihrer Entwicklung darzulegen, wie der Dialektiker sagt: in ihrer gegenseitigen Durchdringung.

Als die Sowjetunion zusammen mit den westlichen Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatte, wobei sie selbst die Hauptlast der militärischen Niederschlagung  Nazideutschlands übernommen hatte, stand sie vor den Aufgaben des Neuaufbaus nach dem Kriege, die erneut  alle Kräfte in Anspruch nahmen. Dabei hatte es noch vor dem Kriegsausbruch, bereits vor 1939, erhebliche Gegensätze in der Sowjetunion gegeben. In mehreren Prozessen waren vormals führende Vertreter der Sowjetunion verurteilt worden, sehr oft zum Tode, wegen Beteiligung an Verschwörungen im Zusammenhang mit den Trotzkisten. Darüber hinaus aber war eine Unzahl von Personen - und das kann man heute gesichert sagen, denn fast jeder in Rußland kann darüber erzählen - auf eine meist ominöse und unbekannte Weise verfolgt worden und nicht selten sogar umgekommen. Große Teile des Offizierscorps waren im Zusammenhang mit der Bekämpfung der versuchten Usurpation der sowjetischen Militärführung durch reaktionärste Kräfte ebenfalls umgekommen, so daß  in den Reihen der sowjetischen Offiziere tiefe Lücken klafften. Es stellte sich eine Fülle von Fragen, die es in Wahrheit zu lösen galt, und man konnte sich nicht damit begnügen, daß etwa in einer bestimmten Rede Stalins oder auch anderer Führer der Sowjetunion  von 'Überschreitungen' oder einem 'Über das Maß Hinausgehen' die Rede war, sondern diese Dinge mußten auch in ihren Quellen diskutiert werden. Es zeigte sich auch schon Anfang der fünfziger Jahre, wie in dem Bericht an den 19. Parteitag der KPdSU erwähnt, daß sich sehr wohl kleinbürgerliche und bürokratisch-ausbeuterische soziale Phänomene in der Sowjetunion breit machten. Dies war Anfang der fünfziger Jahre auch  bereits ein Vorläufer der Theorie, die später in China entschieden verfochten wurde, daß der Sozialismus Fortsetzung des Klassenkampfes in der sozialistischen Periode über mehrere Epochen und mehrere große Kämpfe bedeutet. Aber eine Reihe von Fragen eben dieser Art, die darüber hinaus nicht nur die KPdSU, sondern auch die gesamte kommunistische Bewegung betrafen, lasteten auf der Geschichte der kommunistischen Parteien.

In China hatte unter der Führung von Mao Zedong die KPChinas in einem durchaus selbständig behaupteten Kampf und mit eigener Kampfmethodik und Strategie eine erfolgreiche  Revolution vollzogen. Diese stützte sich auf eigene Massenkräfte, wenngleich Mao Zedong zurecht hervorhob, daß auch die Sowjetunion als Rückenkraft natürlich eine notwendige Rolle bei dem Sieg dieser Revolution spielte.

In den Jahren zwischen 1953 und 56 gelang es Nikita Sergejew Chruschtschow, einen immer größeren Einfluß innerhalb der KPdSU zu erlangen. 1955 trat Gregorij Malenkow, der noch 1952 den Rechenschaftsbericht der KPdSU gehalten hatte, vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Auf dem für Februar 1956 einberufenen Parteitag planten die Chruschtschow-Leute allerdings eine Art Coup. Zum einen brachten sie einen Parteitagsbericht, der in sehr knapper  Form einige allgemein richtige Formulierungen zur Ablehnung des Personenkultes enthält, darüberhinaus aber auf die soziale Problematik  in der Sowjetunion nicht eingeht und die gesamte Politik  mehr oder minder als eine Frage der Organisation der Produktivkräfte behandelt. Dann aber brachte Chruschtschow am letzten Tag des Parteitags, nachdem das Tagesordnungsprogramm des Parteitags abgeschlossen war, einen offensichtlich gut vorbereiteten, aber plötzlich aus der Tasche gezogenen Vortrag, mit dem die Delegierten der KPdSU überrascht wurden. Dieser Bericht wurde weder umgehend  1956, noch auch nur einmal in den folgenden 33 Jahren  innerhalb der Sowjetunion veröffentlicht und kursierte dort, wie auch im Ausland, allenfalls als zwielichtiges Schwarzdokument. Es handelte sich um  eine vollkommen unhistorische Schmährede über die 30jährige Epoche der Stalinzeit, die an diesem oder jenem Anekdötchen - mag es stimmen oder nicht - versuchte, die gesamte historische Tätigkeit der KPdSU und des sowjetischen Volkes unter Stalin anzuspeien und herunterzumachen. Zurecht wurde dieses Vorgehen von anderen Vertretern der KPdSU als vollkommen einseitig und unhistorisch qualifiziert. [2] Es sollte die Funktion haben, eine Bresche zu schlagen, mit der bürgerliche Leute in der Sowjetunion zunehmend an Einfluß gewinnen konnten, eine Art Denunziation der revolutionären Tätigkeit und der revolutionären Identität zu erreichen, die sich nun einmal mit der bisherigen Politik verband.
Eine korrekte Herangehensweise hätte darin bestanden, auf der Grundlage der Schwierigkeiten, die diese 30 Jahre ausmachten, bestimmte Fehler und falsche Methodiken zu analysieren, um dann eine Besserung in der KPdSU zu erreichen. Gegen eine solche Kritik hätte niemand etwas sagen können, aber diese Art Anspeiung der Politik war das gerade Gegenteil davon. Trotzdem müssen wir uns mit dem Phänomen befassen, daß nicht wenige Kommunisten, ganz besonders am Anfang, den 20. Parteitag  wie auch den späteren 22. Parteitag (1961) und dieses Vorgehen billigten und manchmal auch bestimmte Fakten anführen, warum sie dies billigten. Diese Punkte können wir nicht einfach beiseiteschieben und sagen, sie existierten nicht. Man muß die Dinge in ihrer Allseitigkeit analysieren.

Einige Monate nach diesem Parteitag 1956 brachte die Kommunistische Partei Chinas zwei Artikel unter dem Titel "Über die historischen Erfahrungen der Diktatur des Proletariats" heraus, die eben in dieser Weise allgemein zu erklären versuchen, welche Schwierigkeiten existierten und wie man versuchen sollte, diese komplexen Fragen zu analysieren, wobei sie es einmal sogar so formulierten, daß es möglicherweise im Laufe des 20. Jahrhunderts garnicht möglich sein werde, das in seiner Allseitigkeit zu erfassen. Aber in der vorgeschlagenen Richtung müsse gearbeitet werden. Dies war auch von der ganzen Herangehensweise her eine ganz andere, auf Einheit zielende Bemühung.

Es gab gerade in der Zeit des 20. Parteitages verschiedene Bemühungen, die es wert sind, als richtig  bezeichnet zu werden. Zum Beispiel bemühte man sich, die Arbeiterbewegung, die in den vorangegangenen Jahrzehnten eine wechselhafte Entwicklung durchgemacht hatte, viel stärker im Detail und auch an Hand von authentischen Dokumenten zu studieren. In der DDR erschienen in dieser Zeit die Werke von Ernst Thälmann, wenigstens in 2 Bänden bis zum Jahre 1930, die Ausgewählten Schriften von Clara Zetkin, die Ausgewählten Schriften von Georgi Dimitroff, an Hand derer man sich selbst ein Bild von den Auseinandersetzungen in den zwanziger und frühen dreißiger  Jahren machen konnte.
Die Forderung, die Dinge wieder am konkreten Objekt und in ihrer Vielseitigkeit und an den Originaldokumenten zu studieren, war eine berechtigte Forderung gegenüber der zum Teil einseitigen theoretischen Methodik, sich an schon bestehenden Leitsätzen zu orientieren und zu wenig die konkrete Analyse als das Grundlegende zu betrachten. Das war durchaus eine berechtigte Erneuerung und wurde von vielen auch als eine Befreiung empfunden.

Aber natürlich muß man dabei beachten: wenn dann zugleich revolutionäre Grundsätze über Bord geworfen werden, wie die grundlegende Lehre der Diktatur des Proletariats, wenn die Unversöhnlichkeit des Kampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat nur noch gelegentlich  verbal betont wird, aber in wesentlichen Sektoren verschwindet, dann nutzt alle Vielseitigkeit und korrekte Analyse nicht viel,  dann frißt sich der Revisionismus unvermeidlich immer stärker durch die sozialistische Gesellschaft. Konsequente Anwendung der historischen Erfahrungen, der Unversöhnlichkeit der Widersprüche in dem Kampf mit der bürgerlichen (und vorbürgerlichen) Gesellschaft und gleichzeitig die Dinge immer in ihrer Vielseitigkeit analysieren, das ist die richtige Methodik. Die revolutionäre unversöhnliche Politik (3),  als auch das Bestreben nach der maximalen Einheit der zusammenzuschließenden Kräfte  sind essentiell, beides nur zwei Seiten einer Sache. Beide Komponenten müssen unbedingt vorhanden sein.
Dies sollte man noch einmal im einzelnen verfolgen und genau studieren. Auch die Fragen der Dialektik erführen eine neue Renaissance in der Befassung damit. In vielem würde wieder an das angeknüpft, was Lenin in seinen fundamentalen Aufzeichnungen "Zur Frage der Dialektik" behandelt hatte (4) und was gerade auch Mao Zedong in seiner Schrift "Über den Widerspruch" in Anlehnung daran aufgegriffen hatte und was er auch gerade zu dieser Zeit (1957) in solchen Schriften wie "Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke" erneut ausformulierte. Da man davon ausging, daß die sogenannte friedliche Linie des 20. Parteitages noch nicht notwendig eine unkorrigierbare Aufgabe der Essenz der kommunistischen Bewegung, der grundlegenden Richtung der Diktatur des Proletariats darstelle, und viele Kommunisten weiterhin von den Grundlagen des Kommunismus ausgingen und dies in der Praxis auch umzusetzen trachteten, war es durchaus berechtigt, auf eine Korrektur der falsch behandelten Fragen hinzuarbeiten und nicht die Einheit der gewaltigen kommunistischen Bewegung, die über ein Drittel des Erdballs herrschte, aufs Spiel zu setzen.

Man kann sogar sagen, daß die Bewegung in den Jahren 1957- 59, obwohl die Entwicklung in der Sowjetunion bedenkliche Formen annahm, an einigen Punkten eine Erneuerung erfuhr. Davon zeugte auch das wissenschaftliche Leben in der DDR, in dem es nun durchaus gelang, zahlreiche umfassende Werke unter Verwendung verschiedener Quellen zu veröffentlichen. Diese Bücher haben übrigens später der ML-Bewegung in Westdeutschland und Westberlin erheblich dazu gedient, die moderne Zeit nach dem 2.Weltkrieg zu verstehen. Die Sowjetunion konnte in dieser Zeit hervorragende wissenschaftliche und technische Erfolge aufweisen,  die in der ganzen Welt für den Kommunismus Bewunderung entstehen ließen und die dazu beitrugen, die primitivsten Verleumdungen ad absurdum zu führen.(5)
In der DDR wurde der sozialistische Aufbau fortgesetzt und gegen die Versuche, ihn vom Westen her kaputtzumachen, gegengehalten. Aber es gab in dieser Zeit auch schon bedenkliche Anzeichen. 1959 traf sich Nikita S.Chruschtschow in Camp David mit dem amerikanischen Präsidenten Eisenhower. Aber es war nicht nur ein Staatsbesuch, sondern die Art und Weise, wie praktisch auf gemeinsamer Ebene mit den höchsten Führern des Kapitals gesprochen wurde, mußte die Kommunisten bedenklich stimmen. Man nannte dies den  "Geist von Camp David". Gleichzeitig arbeitete das Kapital massiv an der Unterdrückung so mancher sich vom Kolonialismus befreienden Nation, nur ein Jahr darauf kam es zu den Verbrechen im Kongo. Eine Politik einer gefährlichen Gemeinsamkeit kündigte sich an.

1960 arbeitete man noch einmal an der Einheit der kommunistischen Bewegung.  Im Oktober 1961 aber kam der 22. Parteitag der KPdSU, bei dem umso mehr die Elemente der Verleumdung  und der völlig einseitigen Betrachtungsweise zur Grundlage gemacht wurden. Es wurde davon ausgegangen, daß es keine wesentlichen Klassenwidersprüche in der UdSSR mehr gäbe. Diese Linie des 22. Parteitags bildet unserer Auffassung nach endgültig den Auftakt zum Revisionismus und zog dann auch die Auseinandersetzung zwischen den Parteien in aller Öffentlichkeit nach sich, nachdem N.S. Chruschtschow die Partei der Arbeit Albaniens öffentlich angegriffen hatte.

In verschiedenen Presseartikeln kommunistischer Parteien der ganzen Welt erschienen Angriffe, die darauf hinausliefen, die VR China handele unverantwortlich im Atomzeitalter, und die mit der untergründigen These arbeiteten, die Existenz der Atombombe habe die Gesetze des Klassenkampfes aufgehoben u.ä. Daraufhin begann 1962 die direkte Auseinandersetzung in der sogenannten kleinen und großen Polemik. (6) Dies führte zu der großen und prinzipiellen Auseinandersetzung, die schließlich unzweifelhaft zum Sturz des Nikita S.Chruschtschow 1964 beitrug, der sich diskreditiert hatte. Gerade hier gibt es vieles aufzuarbeiten.
Es ging um die Fragen der Einschätzung der Sozialdemokratie, der Einschätzung des Titoismus, vor allem aber um die Frage von Krieg und Frieden in der heutigen Zeit und der Reproduktion oder Nichtreproduktion kapitalistischer Verhältnisse unter den Bedingungen des sozialistischen Staates, durch die noch vorhandenen kleinbürgerlichen Verhältnisse und durch die eingefahrenen Denkweisen und Gewohnheiten in den Köpfen der Menschen. Der Sturz N.S. Chruschtschows beendete vorübergehend die Debatte, aber die Fragen waren nicht wirklich verschwunden. Tatsächlich änderte sich in der Sowjetunion wenig, nein, die grundlegenden Elemente des Kurses wurden fortgesetzt und verschärft fortgesetzt.

In der VR China gab es 1965 eine Debatte, ob man trotz des zu kritisierenden Revisionismus ein Bündnis mit der Sowjetunion eingehen solle. Die Überlegung aber, daß die sozialen Quellen des Revisionismus, die nach Ansicht der VR China zur Zerstörung der Sowjetunion führen mußten, grundlegend bekämpft werden müssen, führten zu dem Entschluß, diesen sozialen Quellen innerhalb der VR China den Kampf anzusagen. Dies führte dann zu der Kulturrevolution in China. Diese ihrerseits weist eine Unzahl von Facetten auf, sie kam einem Umsturz in vielen Bereichen Chinas selbst gleich und muß selbst ausgiebig behandelt werden. Ihr Kernpunkt war das Beharren auf der Fortführung des Klassenkampfes in der sozialistischen Periode.

Natürlich verfolgten die USA und alle anderen großen kapitalistischen Staaten diese Geschehnisse und verfolgten ihrerseits dabei eine Strategie, die objektiv vorhandenen Klüfte gezielt zu verschärfen und dabei für sich auszunutzen. Der Zusammenbruch ehemals sozialistischer Staaten hat ja vor Augen geführt, wie weit diese Subversion ging.

Um die Dinge in ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen, ist es notwendig, daß wir die Periode von Anfang der fünfziger bis weit in die siebziger Jahre aufarbeiten, denn dort bereits wurden die Grundlagen für die späteren, offen hervortretenden Katastrophen gelegt. Kommunisten sind nur da stark, wo rücksichtslos Schwächen aufgedeckt werden.
Unsere Gruppe möchte gerade in dieser Hinsicht die Initiative übernehmen und zusammen mit anderen Gruppen gerade an der Aufarbeitung dieser Kernfrage arbeiten.

Kurz, unsere Initiative geht dahin, daß wir gemeinsam in mehreren Seminaren und schließlich Kongressen diese Frage detailliert aufarbeiten, dokumentieren, daß wir uns gegenseitig anhören und damit auch zu Grundsätzen und Programmvorschlägen der kommunistischen Bewegung kommen. Diese Aufarbeitung bietet die Chance des Zusammenwachsens oder zumindest seiner Förderung. Nicht das Belassen oder das Übergehen von Fragen bietet die Chance der Einheit, sondern das Anpacken der Widersprüche, das Anpacken der Dinge, die bislang verdrängt wurden.

Mit Sicherheit führt diese Frage auch zu weiteren wesentlichen, seit langem diskutierten Themen, die damit im Zusammenhang stehen, und sicher wird es so sein, daß diese Fragen auch zu Grundlagenfragen der kommunistischen Bewegung überhaupt führen, das heißt zum Beispiel zu einer näheren und besseren Einschätzung der zwanziger Jahre, der russischen oder der chinesischen kommunistischen Bewegung und eventueller historischer Beschränktheiten der marxistischen Lehre. Aber das ist nur nützlich, das führt uns weiter. Sicher haben wir unsere Ansichten. Andere werden uns widersprechen. Aber das  tut der Möglichkeit einer gemeinsamen Aufarbeitung keinen Abbruch.

Diesen Vorschlag möchte ich in meinem Namen und im Namen der von mir vertretenen Gruppe Neue Einheit unterbreiten, die seit dreißig Jahren an diesen Fragen arbeitet. Wir richten unseren Vorschlag an alle kommunistischen Organisationen und Gruppen in unserem Land, an die Untergliederungen sowie auch an interessierte Einzelpersonen oder Institutionen und darüber hinaus natürlich auch an die Kommunisten in der ganzen Welt.

Hartmut Dicke

Gruppe Neue Einheit,
-Vors.

 



1 Michael Gorbatschow wurde im März 1985 Generalsekretär der KPdSU, trat aber schon ab 1983 deutlich in der Öffentlichkeit hervor und wurde seitdem in den westlichen Medien favorisiert.

2 Dies geht auch sehr deutlich aus den kürzlich veröffentlichen  Aufzeichnungen  Kurt Gossweilers hervor.

3 ...die sehr gut in Stalins allgemeinem Lehrsatz ausgedrückt wird: "Um also in der Politik nicht fehlzugehen, muß man Revolutionär sein und nicht Reformist."

4  Siehe Lenin Werke, 4.Ausg. Band 38, S.338-344. In diesen Ausführungen faßt Lenin die Substanz der Dialektik zusammen. Des weiteren existieren in diesem Band zahlreiche Konspekte, die sehr wichtige Kommentierungen zur dialektischen und materialistischen Herangehensweise enthalten.

5  Darunter die Erfolge in der Weltraumfahrt, der Sputnik, erster künstlicher Trabant um die Erde, und etwas später der erste bemannte Raumflug durch Gagarin.

6   "Kleine und Große Polemik": es handelt sich um die ausgedehnten Artikelserien, zum einen um "Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker und Nationen vereinigt Euch gegen den gemeinsamen Feind". Dies ist ein Sammeltitel einer Reihe von Artikeln, die sich mit verschiedenen kommunistischen Parteien  aus Westeuropa und den USA auseinandersetzten. (Dezember 1962 bis März 1963). Zum anderen um den "Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung" vom 14. Juni 1963 und dazugehörig neun Kommentare, die die Kernfragen noch einmal im Detail beleuchteten, sowie zwei Antwortschreiben der KPdSU. Es sind bis heute sehr lesenswerte Dokumente.

 

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