Internet-Statement 2002-30

 

  
    Der Zusammenbruch der Bahn in ganzen Regionen

24./25. Dez. 2002                 

An den Feiertagen kam es bei der Bahn zu einem Chaos, das in der Öffentlichkeit keine entsprechende Wertung findet. Es hieß, daß auf Grund des Glatteises und Eisregens bei der Bahn stundenlange Verspätungen aufgetreten seien. Dies ist bei weitem eine Untertreibung. Der Fernverkehr der Bahn kam im Raum Niedersachsen in den Verbindungswegen nach Berlin und Hamburg auf einem breiten Gebiet zum Erliegen. In Folge der Verknüpfung der Züge untereinander hatte diese Katastrophe der Bahn Auswirkungen auf weite Teile der Republik. Die Reisenden saßen für viele Stunden in den Zügen oder auf Bahnhöfen fest, von denen aus sie nicht weiter kommen konnten. Die Antwort, die die Verantwortlichen der Bahn den Reisenden gaben, lag darin: Bei Eisregen seien die Oberleitungen zugefroren und der Zug könne nicht mehr fahren. Dies sei höhere Gewalt, da könne man nichts dagegen machen.
So ohne weiteres kann man eine solche Entschuldigung allerdings nicht hinnehmen.

Eisregen, Aufeinanderprallen von Wetterfronten sind nichts Neues in Deutschland. Sie kommen regelmäßig in Wintern bei bestimmten Wetterkonstellationen vor. Wenn dies jedesmal zum Zusammenbruch des Bahnverkehrs führt, dann ist hier etwas nicht in Ordnung. Die Frage muß vielmehr sein: welche Vorbereitung hat eigentlich die Bahn für so einen Fall getroffen? Denn es hat den Anschein, daß ganz einfach die Züge festsaßen und die Bahn ratlos vor dem Problem saß. Standen z.B. Diesellokomotiven zur Verfügung, um die Züge aus dem kritischen Gebiet herauszuschleppen? Überhaupt, welches Szenario war durchdacht worden für solch einen Fall von Wetterunbilden? War überlegt worden, was die Bahn dann zu tun hat? Denn es schien so, daß das Wetter einfach kommt, die Bahn einfach zusammenbricht und die Kunden zu Hunderten und Tausenden den Nachteil haben. Dies kann keineswegs nur als eine Naturkatastrophe hingenommen werden, sondern bedarf einer näheren Untersuchung.

Ich selbst war am 24. unterwegs und wollte von Dortmund nach Berlin fahren. Dabei hatte ich das Glück, zweimal bis Hamm zu kommen und zweimal von dort wieder zurückgeschickt zu werden. Im zweiten Fall glaubte ich in einem ICE nach Berlin zu sitzen. In Hamm angekommen, mußte die Zugleitung erklären, daß auf Grund des Eisregens im Gebiet Niedersachsens der Zug hier endet und alle aussteigen müßten und sie irgendwelche Informationen an der Bahninformation erhalten. Sofern Regionalverbindungen bestehen, würden die Leute weiter geleitet, wenn die Fahrgäste jedoch Fernziele hatten, saßen sie ganz einfach auf dem Trockenen.

Bei dem ganzen Chaos trat zu Tage, wie wenig die einzelnen Stellen der Bahn untereinander informiert sind. Man bekommt immer die Auskunft: Wir wissen es nicht. Alles, was wir wissen, ist, daß es stundenlange Verspätungen gibt, daß mindestens eine längere Verspätung existiert, daß aber das Zustandekommen der Zugverbindung nicht garantiert werden kann.
Die einzelnen Bahnauskunftsstellen sind wie abgeschnitten von einer zentralen Leitung, die offensichtlich nicht mehr Bescheid weiß.

Die Unterbrechung des Bahnverkehrs ging so weit, daß der Westen Deutschlands faktisch von Berlin abgeschnitten war. Das heißt da, wo über den Rundfunk und die Medien geht, daß die Autofahrer zu Hause bleiben sollen, ist in Wirklichkeit die Bahn längst in ganzen Regionen zusammengebrochen. Aber dieser Begriff des Zusammenbruchs des Bahnverkehrs, einer völligen Stockung, kommt in der Berichterstattung der Medien nicht vor. Er paßt nicht in das Bild, das hier suggeriert werden soll, daß die Bahn ein sicheres Verkehrsmittel sei, das in Wirklichkeit aber vielleicht noch radikaler zusammengebrochen ist als der Straßenverkehr, auf den sich die Autofahrer unter bestimmten Bedingungen noch einstellen können. Sei es, daß sie mit 30 Stundenkilometern über das Eis fahren.

  Wie die Bahn ihre Kunden dabei behandelt

Wenn nun dieses Chaos ausbricht, an dem die Bahn nicht unschuldig ist und das nicht nur auf Wetterunbilden zurückzuführen ist, dann stellt sich die Frage, wie die Bahn die Kunden behandelt, die durch diesen Zusammenbruch des Bahnverkehrs in ganzen Regionen erheblich geschädigt werden. Diese Kunden der Bahn stehen stundenlang auf den Bahnhöfen herum und bekommen in vielen Fällen noch nicht einmal einen Sitzplatz von Seiten der Bahn angeboten. In vielen Bahnhofshallen gibt es nicht einen einzigen Sitzplatz. Wohl dem, der einen festen Koffer hat. Er ist der König. Er hat einen Platz sicher, auf dem er sitzen kann. Wie lächerlich ist ein solcher Betrieb, der elementare Kundenwünsche in dieser Weise mißachtet. Man ist ja sportlich und kann das ertragen, aber nicht alle Menschen sind in dieser Hinsicht gleich prädestiniert. Das Bahnfahren wird unter diesen Bedingungen zu einem Abenteuer für Gebrechliche und Alte.

Was die Bahn hier organisiert und praktiziert, ist Versagen, ist Provokation des Kunden auf der ganzen Linie. Sie fühlt sich gedeckt durch die öffentlichen Medien, die das Versagen der Bahn auf kleinere Schönheitsfehler reduzieren, als wenn es nur um ein paar Verspätungen gehen würde.

Man muß nach diesem Debakel - was ja nicht zum ersten Mal bei dieser Bahn aufgetreten ist – fragen, ob für Notfälle oder für Sonderfälle überhaupt eine Planung existiert. Daran können einem entschiedene Zweifel kommen. Das Ganze ist so kalkuliert, daß alles just in time ablaufen muß, und irgendwelche Unbilden, obwohl sie vorhersehbar sind, gar nicht in das Kalkül mit aufgenommen sind. Man will wohl besonders effiziente Verbindungen anbieten und schafft doch eine Bahn, bei der es im Grunde empfehlenswert ist, auf das Auto auszuweichen.

Wie viele Monate, und Jahre sogar, haben sie an dem neuen Tarifsystem herumgetüftelt, das „den Kunden erziehen soll“, so wörtlich die Bahn. Wie viel Aufwand aber ist betrieben worden, um zum Beispiel Wetterunbilden gut zu meistern? Welche Einsatzpläne und Umorganisationen für den Fall einer solchen Wetterblockade in einem zentralen Gebiet wie Hannover sind durchgespielt worden? Solche und ähnliche Fragen müssen in der Öffentlichkeit behandelt werden.

Es ist auch kein Wunder, daß einem von anderen Betroffenen in der Bahn zugeraunt wird, daß die Bahn ein Monopolbetrieb sei, der es offensichtlich nicht nötig habe, auf die Kunden irgendwie Rücksicht zu nehmen. Daß der führende Bahnmanager 4 Millionen in einem Jahr verdienen soll und es nicht nötig habe, irgendwo sich ernsthaft um Dinge zu kümmern.

Die Bahn strotzt vor Unfähigkeit. Ein Filz, der Jahrzehnte alt ist, ist nicht bereit, Strukturen irgendwo annehmbar zu verändern.

   Aufklärungspflicht der Bahn

Nach dem Debakel vom 24./25. 12. muß auch gefordert werden, daß, wenn denn die Bahn unfähig ist, bei Unwetter zu fahren, in Zukunft bei den Wettervorhersagen und allgemeinen Warnungen vor bestimmten Klimaauswüchsen auch vor der Benutzung der Bahn gewarnt werden muß. Wenn die Bahn in einem ganzen Gebiet zusammenbricht und zum Beispiel die Hauptstadt Berlin vom Westen abgeschnürt wird, und andere Städte ebenso, dann müssen die Reisenden frühzeitig darauf hingewiesen werden, daß diese Möglichkeit besteht. Und daß der Eisregen kommt, wußte man schon seit zwei Tagen. So lange schon wurde dieses in den Wetterkarten vorhergesagt, also mußten die Reisenden informiert werden, daß die Bahn möglicherweise nicht fahren kann.

Dies werden sog. Umweltschützer und Bahnfreaks nicht gerne hören. Wenn es aber gerechtfertigt ist, vor anderen Verkehrssystemen zu warnen, dann muß das auch für die Bahn gelten. Die Bahn hat im vorhinein bei entsprechenden Wetterzusammenstößen anzukündigen, daß ihre Zugverbindungen in diesen und jenen Gebieten möglicherweise dauerhaft unterbrochen sind, so daß man sich besser eine andere Verkehrsmöglichkeit aussucht. Jedenfalls darf die Ausrede, daß alles nur höhere Gewalt sei und die Bahn in Folge dessen alle negativen Ereignisse einfach an die Kunden weitergeben kann, in Zukunft so nicht mehr praktiziert werden. Die Bahn kann nicht in der Öffentlichkeit die Erwartungen wecken, sie fahre mit einem bestimmten definitiven Fahrplan, wenn ihr auf Grund von Wettervorhersagen schon bekannt sein muß, daß bestimmte Züge gefährdet sind.

Wenn also demnächst in öffentlichen Nachrichten davon abgeraten wird, in bestimmten Gebieten das Auto zu benutzen, und dann auch davon abgeraten wird, die und die Zugverbindung zu nehmen, dann wird das vielleicht den Druck auf die Bahn erhöhen, über Systeme zur besseren Bewältigung der Wetterunbilden nachzudenken. Diese sind in Deutschland ja eigentlich gering. Wie meistern denn andere Länder mit größerer Kälte solche Probleme im Eisenbahnwesen, z.B. Rußland oder die skandinavischen Länder? Man kann sich kaum vorstellen, daß in solchen Ländern alle Nase lang der Eisenbahnverkehr zusammenbricht. Und überhaupt: ob das alles schicksalsmäßig unabänderbar sei, kann zwar vielleicht nicht von einem Außenstehenden ohne weiteres beurteilt werden, sollte aber auch nicht als Urteil ohne weiteres hingenommen werden.

-ks-

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