NEUE EINHEIT  - Internet Statement 2003-15

 

  Politische Schlußfolgerungen aus den ersten Kriegstagen

25.3.2003           

Der Krieg ist ausgebrochen, nachdem viele Monate lang von seiten der Bush-Administration, zusammen mit Blair und einigen wenigen verbündeten Kräften auf der Welt, durch den Aufmarsch und die gesamte militärische Vorbereitung gezielt und unbeirrbar auf diese Aggression hingearbeitet wurde. Die USA demonstrieren damit, daß sie

a) die ausschließliche Macht sein wollen, die von niemand sich dreinreden läßt, und
b) daß sie entschlossen sind, nicht nur imperialistischen Rivalen oder anderen relativ mächtigen Staaten, sondern auch anderen Kräften, die untergründig ebenfalls gemeint sind, der proletarischen Revolution, der bürgerlichen Demokratie und allen Grundsätzen der Unabhängigkeit der Staaten den Kampf anzusagen, d.h. die Militärherrschaft der USA durchdringend vom ersten bis zum letzten Winkel durchzusetzen.

Dies wird nicht durchführbar sein, das ist eine Wahnidee; aber trotzdem muß man im gegenwärtigen Moment auch den Fanatismus der USA erkennen, sowie das, was nach diesem Krieg gegen den Irak zu erwarten ist.

Der Irak hat sich bisher mannhaft verteidigt. Das zeigt, daß der Widerstandswille keineswegs nur von einer Regierung, sondern von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Die Einbildung der USA, sie könnten als Befreier kommen, geht absolut fehl.

Unzweifelhaft wirkt es sich positiv aus, daß die USA eine Zeitlang gehindert worden sind, den Angriff so durchzuführen, wie sie ihn gern durchgeführt hätten. Schon jetzt ist deutlich, daß wir ebenso wie viele andere europäische Nationen froh sein können, nicht wesentlich in diesen Krieg involviert zu sein, woran sich hoffentlich auch nichts ändern wird. Es muß im Gegenteil dafür gesorgt werden, daß nach Möglichkeit überhaupt keine Beteiligung mehr stattfindet.

Erfreulicherweise brachte die Nichtbeteiligung an diesem Krieg auch eine etwas veränderte Einstellung bei den hiesigen Medien hervor, die immerhin eine kritischere Berichterstattung gegenüber dem USA-Krieg ermöglicht und verschiedene Täuschungsmanöver und vollkommen einseitige Berichterstattung zurückgewiesen haben.


  Lockrufe an Deutschland

Auffällig ist, daß die USA kurz nach Beginn des Krieges, nachdem sie monatelang gegen die deutsche Außenpolitik recht bedrohliche Worte benutzt und versucht hatten, Deutschland in die Ecke eines Quertreibers zu stellen, wieder mit Umwerbung der deutschen Politik  begonnen haben. Sie versuchen ganz eindeutig, Deutschland aus der Front mit Frankreich und Rußland herauszureißen. Am Anfang hatte Rumsfeld noch deutlich erklärt: Deutschland spiele schon keine Rolle mehr, was in der Imperialistensprache mit die größte Verächtlichmachung bedeutet. Dann aber begannen sie, insbesondere auf Frankreich herumzuhacken und schon fast militante Töne gegenüber diesem Land anzuschlagen. Es gibt  in Deutschland durchaus eine Reihe von Politikern, die nicht nur direkt wie Angela Merkel, sondern die auch in versteckter Form versuchen, den entstandenen Riß wieder zu kitten, und die auf die Lockrufe gern eingehen. Der Lockruf der USA lautete: springt noch auf, da ist für euch was zu holen! Also: wenn Deutschland sich wenigstens jetzt noch "positiv" verhält, dann wird es mit irgendwelchen Aufträgen begünstigt werden. Ein Dummkopf auf allen Ebenen wäre, wer auf einen solchen Lockruf hereinfällt. Jetzt heißt es nämlich, die Staaten unbedingt zusammenzuhalten, und nicht sich auseinanderreißen zu lassen. Die Politik der Merkel würde zu einer Katastrophe führen, denn Frankreich z.B. hat die Opposition gegen die USA in dieser Form nur gewagt, weil Deutschland damit begonnen hat. Würde Deutschland nun herausgerissen werden, dann würde das zu gefährlichen Zerreißproben in Europa führen, möglicherweise auch zu Kriegen, die von den US-Imperialisten in Europa angestiftet würden.

Die NATO ist passé, darüber muß man sich im Klaren sein, selbst wenn sie noch formal weiter existiert. Denn sie wurde von den USA selbst auf den Müll geworfen, weil sie ihrem Vorherrschaftsdrang nicht mehr entspricht. Zu solchen Einschätzungen kommen selbst bürgerliche Politologen, die sagen: die USA wollen nicht mehr von der NATO abhängig sein, wenn sie ihre Interessen durchsetzen. Die Adresse der USA an die NATO, ihr früheres imperialistisches Bündnis, und auch an die UN, die lange Zeit für die USA ein günstiger Rahmen für die Durchsetzung ihrer imperialistischen Politik war, lautete: ihr könnt uns unterstützen, und wenn nicht, dann machen wir trotzdem alleine, was wir wollen. Die USA wollen mit dem Irak ein Exempel statuieren, das dann auch gegen andere Staaten durchgesetzt werden kann. Es ist durchaus möglich, daß auch westeuropäische Staaten oder Rußland auf der Liste derjenigen stehen, die als mögliche Ziele für die US-Aggression ausgewählt sind. Das Wichtigste für die USA ist dabei, die Länder, die sie vorhaben aufs Korn zu nehmen, zu isolieren  und von allen übrigen abzutrennen.

Es gibt Politiker in diesem Land, die jetzt schon ihre Besorgnis ausdrücken, die USA seien isoliert, man müsse nach dem Krieg an der Aufhebung der Isolierung arbeiten. Aber worauf soll sich das stützen? Die USA haben selbst mit diesem Irakkrieg Fakten geschaffen, Normen, die ein Bündnis selbst auf bürgerlich-kapitalistischer Ebene im Grunde nicht mehr möglich machen. Und das war auch das Ziel der Bush-Clique. Die Politik Bushs war und ist: 'wer nicht für uns ist, ist gegen uns'. Das verlangt sklavenhafte Liebedienerei aller Kräfte vor ihm. Dies wird in der Praxisdurch den Irakkrieg fortgesetzt. Wer jetzt diese Aggression begünstigt, begünstigt schon von der ganzen Machart her das Prinzip der Aggression gegen andere Staaten. Die USA erklären hier, wenn sie die Regierung eines anderen Landes stürzen wollen, da hinein zu intervenieren. Wer dieses Prinzip akzeptiert, akzeptiert auch, daß er morgen das nächste Opfer sein kann. Deswegen ist im Grund eine weitere Konfrontation unausweichlich, und politische Kräfte in Ländern, die sich dieser Politik des Herrn Bush anbiedern, ruinieren ihre eigenen Länder.


  Die Isolierungspolitik: unabdingbar für die USA. Das Bündnis mit den Kräften der Korruption im Mittleren Osten

Die Katastrophe des Irak als Opfer dieser imperialistischen Aggression ist auch nur möglich, weil es den USA gelungen ist, die Staaten des Mittleren Ostens zur Gänze auseinander zu spalten. Sie haben die Politiker in allen diesen Ländern so bestochen und abhängig gemacht, daß sie stillschweigend bereit sind, die Aggression zu dulden, obwohl sie theoretisch das nächste Opfer sein können. Das Verbrechen gegen den Irak ist also zugleich eines der fast völligen Komplizenschaft dieser Regierungen mit den USA. Die soziale Struktur im arabischen Raum, die den Ölstaaten ein besonderes Gewicht gibt, ist dabei eine der Grundlagen, mit denen die USA innerhalb dieses ganzen Gebietes vorgehen können. Eine besondere Rolle könnten allerdings Iran und Türkei spielen, während Syrien soweit heruntergekommen ist, daß es duldet, daß wenige Kilometer von seiner Grenze die USA Flughäfen besetzen und kriegerische Maßnahmen ergreifen, ohne auch nur Truppen zusammenzuziehen und den USA in irgendeiner Weise Schwierigkeiten zu bereiten.

Die USA müssen sich auch mit den islamischen Fundamentalisten in Iran abgesprochen haben, daß diese unter gar keinen Umständen eingreifen. Sie können ihren Aufmarsch im Persischen Golf durchführen, ohne auch nur ansatzweise zu befürchten, daß der Iran eingreift. Kuwait, Qatar liegen nur wenige hundert Kilometer vom Iran entfernt. Der Iran, eine Nation mit 64 Mio. Einwohnern, duldet es, daß die USA vor seiner Haustür in dieser Weise Krieg führen. Das ist eine völlige Entlarvung des islamischen Fundamentalismus, der offensichtlich mit dem christlichen Fundamentalismus zusammenarbeitet. Die ganze Unterdrückung des iranischen Volkes, die Abschlachtung von Intellektuellen und Oppositionellen im Iran ist immer von diesen islamischen Fundamentalisten begründet worden mit ihrer angeblichen Politik gegenüber dem "Teufel Amerika". Wie schon oft betont, war das nichts als eine hohle Phrase. Sonst würde der Iran auch jetzt keine solche duldsame Haltung demgegenüber einnehmen. Selbst wenn der Iran nur seine eigenen Interessen verfolgen würde, würde er gegen die Positionen in Doha und Kuwait vorgehen. Die USA würden in einer völligen Blamage stecken, wenn sie es mit mehr als einem Staat zu tun hätten.

Die Isolierung eines einzigen Staates ist für die USA bei ihrem Vorgehen ein absolutes Muß. Diese Beobachtung belegt nochmals, was es bedeutet, wenn sich mehrere Staaten zur Opposition zusammenschließen und die Rolle der USA eingrenzen. Eine Zeitlang war auch das Bündnis zwischen Indien, China und Rußland ein Komplex, der der unbegrenzten USA-Macht Schranken gesetzt hat, was sich insbesondere während des Jugoslawienkrieges gezeigt hatte. Überall sind es diese Staatenbündnisse, die die USA in ihre Schranken weisen, und die USA versuchen, sie zu durchbrechen.


  Nachbetrachtungen zur Abrüstung

Jahrelang haben die USA durch das von ihnen betriebene UN- Embargo den Irak ausgezehrt und ausgehöhlt. Sie haben durch die UNO-Inspektoren dafür gesorgt, daß der Irak immer weiter entwaffnet wurde und heute über eine völlig veraltete Bewaffnung verfügt. Sie haben dies alles getan, um dann selbst mit ihren schwersten Waffen den Irak zu einem Experimentierfeld ihrer Waffentechnik zu machen, mit einem wachsenden Zynismus gegenüber der Zivilbevölkerung. Es sollen bereits auch die neuen konventionellen Schwerstbomben, die die USA selbst mit kleinen Atombomben vergleichen, in Anwendung gebracht worden sein. Abrüstung des Irak - wir wissen heute, was das zu bedeuten hat. Es gibt nur eine Sache, in der Abrüstung wirklich gefordert werden muß zum gegenwärtigen Zeitpunkt: das ist die der USA. Denn sie haben sich eine Rüstung angeeignet, die inzwischen ein Potential der Bedrohung für die ganze Welt darstellt, einer Bedrohung, die größer ist als die aller anderen Staaten, ja selbst als die der vorhandenen Bündnisse aller anderen Staaten.

Verlieren die USA diesen Krieg, dann wäre eine neue Konstellation gegeben.
Zweifellos werden aus der Gegenreaktion gegen diesen Krieg neue demokratische Bestrebungen entspringen, ganz gleich wie er ausgeht. Die USA werden sich noch wundern, was sie dort angerührt haben.

Man kann dem irakischen Volk, allen irakischen militärischen Kräften und allen, die den Widerstandskrieg organisieren einschließlich der Führung, nur Erfolg bei diesem Kampf wünschen!


  Ein marxistischer Blick auf die bürgerlichen Widersprüche

Es zeigt sich anhand diese Krieges einmal mehr, wie wichtig es ist, daß die verschiedenen Widersprüche, die auch innerhalb des Kapitalismus vorangetrieben werden, von der revolutionären Seite genutzt werden, und daß sie unter bestimmten Bedingungen auch mit bürgerlichen Kräften eine partielle Einheit eingeht, wenn es gilt, besonders hervorstechende und unmittelbare imperialistische und kapitalistische Kriegsaktivitäten oder sonstige zugespitzte Aktivitäten zu bekämpfen.

Ein solcher Anspruch, wie Bush ihn vertritt, muß eben auf der ganzen Welt den verschiedenartigsten Widerspruch erfahren, was wir nur begrüßen können. Dessen Weiterentwicklung fördern wir aktiv mit. Imperialistische Bestrebungen des eigenen Landes muß man bekämpfen, aber wo die Interessen eines Landes den entscheidenden imperialistischen Bestrebungen auf der Welt quer liegen und dem Unabhängigkeitskampf des Proletariats wie auch dem Unabhängigkeitskampf der unterdrückten Völker und Nationen zugute kommen, ist dies eine positiv einzuschätzende Sache. Diese Einschätzung ist nicht neu, sie ist bisher seit 150 Jahren von den Marxisten immer wieder in der gleichen Form vertreten worden.

Es wird Leute geben, die sagen: was kümmert ihr euch so sehr um die bürgerliche Demokratie! Unter bestimmten Bedingungen, wenn die Arbeiterbewegung selbst noch nicht herangereift ist, wenn auch der revolutionäre Unabhängigkeitskampf noch nicht zur unmittelbaren Konfrontation mit dem Imperialismus kommt, können eben auch die Bündnisse von bestimmten bürgerlichen Staaten in Opposition zu einem imperialistischen Aggressor von großer Wichtigkeit sein. In diesem Rahmen muß das behandelt werden. (s. hierzu IS 2003-10)

Red NE / ks
25.3.2003 - 2.korr.Aufl.

 

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