Internet Statement 2003-28


ZF Werk Brandenburg, Montag 23. Juni

Streikende Kolleginnen und Kollegen bestehen Konfrontation

Wie in anderen streikenden Betrieben ging auch diese Woche der Streik um die 35-Stunden-Woche im ZF Getriebewerk Brandenburg weiter.

Allerdings hatte hier die Firma nun in Anschreiben sowie in der Presse die Belegschaft aufgefordert, sich heute am Montag um 7.00 Uhr auf dem Werksvorplatz zu sammeln und unter Führung des Vorstandes und des Wirtschaftsministers von Brandenburg wieder an die Arbeit zu gehen. „Kommen Sie am Montag wieder zur Arbeit!", hieß es.  

Dem kleinen Teil der Belegschaft - wie Angestellte, Meister, Kollegen mit befristeten Verträgen - der sich durch Urlaub oder Inanspruchnahme von Zeitkonten aus der Auseinandersetzung raushalten, aber auch nicht als Streikbrecher auftreten wollte, wurde diese Möglichkeit ab diese Woche gestrichen, wodurch sie quasi gezwungen wurden, wieder zur Arbeit zu kommen.
 

Nach der Aktion bei Federal Mogul in Dresden, Streikbrecher per Hubschrauber ins Werk zu bringen, war das ein weiterer Versuch, mit dem Rückenwind einer massiven Stimmungsmache in Medien und von Politikern gegen den Streik und die Arbeitszeitverkürzung ein Einknicken der Streikenden und somit des ganzen Streiks zu erreichen.

Medienwirksam sollte beim ZF Werk Brandenburg demonstriert werden, daß angeblich eine Mehrheit der Belegschaft gegen den Streik sei und an die Arbeit will. Damit sind sie nicht durchgekommen, denn letztlich waren es dann vielleicht gerade mal an die 140 der zur Arbeit verpflichteten „Arbeitswilligen“, denen der Personalchef, Vorstand und Wirtschaftsminister voran gehen konnten. Darunter Beschäftigte von Fremdfirmen, Leitende Angestellte, befristete Beschäftigte. Diesen standen jedoch die vielen Hundert von Streikenden und solidarischen Kolleginnen und Kollegen gegenüber.  

Zusätzlich zu den normalen Streikposten sammelten sich schon frühzeitig, vor 7.00 Uhr, viele Hunderte von Streikenden vor dem Werkstor. Kolleginnen und Kollegen aus etlichen anderen Werken und Betrieben Brandenburgs, Berlins, Sachsens, von ZF, von VW Mosel, EKO Stahl usw. waren zur aktiven Solidarität und Protest dazu gekommen. Sie alle bildeten das enge Spalier wütender Kollegen und Kolleginnen, durch das der Personalschef, der Vorstand und Wirtschaftsminister unter lautem Protest, Pfeifkonzerten, Buhrufen gegen den organisierten Streikbruch den Zug führen mußte - unter der Obhut der Polizei.  

Gerade auch an diesem Betrieb wurden die streikenden Kolleginnen und Kollegen, die IG Metall schon mit Gerichtsverfahren, Einstweiligen Verfügungen, Ordnungsgeld und bürokratischen Schikanen belegt. Auch die anschließende Kundgebung an diesem Tag durfte nicht auf dem Werksvorplatz abgehalten werden, sondern mußte sich möglichst weit ab vom Werk auf die andere Straßenseite verziehen. Hier sprachen Kollegen der Streikleitung und des IGM-Vorstandes zur Lage und zur Auseinandersetzung, durchaus vielfach kämpferisch und dabei von starkem Trillern und Applaus der Streikenden begleitet. Aus anderen Betrieben überbrachten Kollegen Solidaritätsgrüße.  


 „Der Wahnsinns-Streik“ oder "IG Metall hinterlässt eine blutige Spur" sind zwei kennzeichnende Titel der massiven Stimmungsmache, ja regelrechten Hetze, die in fast allen Medien derzeit gegen den Streik um die 35-Stunden-Woche und gegen die Gewerkschaften läuft.
Aber die Angleichung der Arbeitzeit an die West-Tarifverträge ist längst überfällig, und die 35-Stunden-Woche auch für die Kolleginnen und Kollegen im Osten ist nur gerecht.  

Drohungen werden ausgestoßen, Produktionsverlagerung, also Arbeitsplatzvernichtung, angedroht, und keine Investitionen soll es mehr in den Osten geben. Solche rabiaten Drohungen gegen eine Forderung der IG Metall, die die 35-Stunden-Woche erst 2009 über einen Stufenplan einführen will und das auch noch mit einer Option der Verschiebung für die Unternehmen? Da steckt wohl mehr dahinter.  

Dieser Kampf paßt weder dem Kapital noch den herrschenden Bourgeoiskreisen, noch ihren Politikern in den Kram. Das bringen sie hier sehr deutlich zum Ausdruck. Sie haben massive ökonomische Kürzungen und die Entrechtung der Arbeiter und breiter Bevölkerungsschichten auf ihrer Agenda. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht neue Überlegungen und Vorschläge vorgebracht werden, wie und wo man der Bevölkerung was streichen kann. Hartz-Konzept und -Gesetze, staatlich organisierte Leiharbeit, „Agenda 2010“, sog. „Gesundheitsreform“, Kürzung an der Bildung, an Schulen und Universitäten, und, und, und. Da paßt ihnen natürlich solch ein Streik nebst der Gewerkschaftsführung nicht ins Konzept und geht ihnen gegen den Strich.

Auch deshalb verdient dieser Streik, verdienen die Kolleginnen und Kollegen unsere Unterstützung. Und man kann in Anbetracht der Entwicklung nur sagen: die „aktive Solidarität“ wird gebraucht. Ja, sie müßte ausgedehnt werden. Die Frage nach den „Solidaritäts“-Streiks im Westen stellt sich.

Klas Ber
23.6.03

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