Internet-Statement 2003-29

 

Was die Medien zum Streik von sich geben – Hetze wie noch nie!


In der verschärften Auseinandersetzung des Streiks um die 35-Stunden-Woche im Osten - der durchaus getroffen hat und dessen Druckwelle bei Automobilwerken im Westen angekommen ist - wurde in den Medien auch gestern ziemlich einmütig in einer unerhörten Weise gegen die streikenden Arbeiter wie die Gewerkschaften vom Leder gezogen. Z.B. wurde die Auseinandersetzung in der ARD so kommentiert:

„Da wird im Osten gestreikt, und Gewerkschaftsfunktionäre begründen das mit abgedroschenen Solidaritätsphrasen, es gehe um Gleichstellung, es gehe darum, die Arbeitnehmer im Osten endlich an das Niveau im Westen heranzuführen. Was für ein Schwachsinn.
Würde man die Arbeitszeit im Osten auf Westniveau herunterkürzen, hätte man denen im Osten ihren letzten Standortvorteil gegenüber dem Westen weggenommen. Dann würde es sich für Unternehmen oft nicht mehr rechnen, im Osten mit der insgesamt immer noch geringeren Produktivität überhaupt zu produzieren oder gar neue Werke aufzubauen. Dann könnte man, will man nicht noch weiter ostwärts und billiger nach Polen oder Tschechien ziehen, doch gleich im Westen bleiben.
Entweder die Gewerkschaftsfunktionäre sehen das in ihrer ideologischen Borniertheit nicht mehr oder sie sind so perfide, daß sie es befördern und anheizen, daß sich der Osten zu Gunsten des Westens kaputt streikt.“
So Christoph Lütgert, am 23.Juni in den Tagesthemen.

Mal abgesehen davon, daß man von solchen Bourgeoiskreisen eh kein Verständnis für die Solidarität der Arbeiter erwarten kann, und der Kommentator offensichtlich aus dem Auge verliert, zu welch gesteigerter Effektivität und Produktivität gerade die Automobilindustrie ihre neuen Produktionswerke, auch im Osten, gebaut hat und die weiteren plant -  wenn man solche Kommentare  zum Streik im Osten hört, ist man geneigt zu fragen: und welchen Standortvorteile bieten die Kommentatoren dem Kapital, daß soviel Geld in sie investiert wird? Wohl ihre untertänige Beflissenheit, die diese Kommentare ausdrücken, im Sinn und Interesse des Kapitals Stimmung zu machen, ohne auch nur ansatzweise die Stellung und die Rolle des Kapitals in der Auseinandersetzung zu hinterfragen.
Das soll bei weitem keine Beleidigung sein, sondern ist nur einmal die Anwendung der „Logik“, die in solch einem Kommentar steckt, auf diese Kommentatoren selbst. Eine „Logik“, die da lautet: man soll sich gefälligst so untertänig verhalten, wie es der Standortvorteil für Finanzinvestoren verlangt.
Nur bietet das gerade keine gute Entwicklungsperspektive für die Mehrheit der Länder und Menschen in der Welt. Wie kümmerlich und elend eine Existenz unter dieser Maxime ist, kann man in vielen Ländern und den Verhältnissen dort für die Menschen sehen. Und zunehmend befindet sich auch dieses Land, vor allem eine Mehrheit der Bevölkerung einschließlich der Arbeiter, in einer Abwärtsspirale – ja, je mehr der Standortvorteil für Kapitalinvestitionen als eine Maxime gesetzt wurde und vieles an Entwicklung auch zur internationalen Konkurrenzfähigkeit unterdrückt wurde, desto weiter geht es abwärts. Eben nicht in der umfassenden Unterordnung unter das Kapital liegt die Perspektive, sondern in der Befreiung davon und seiner Überwindung. Aber auch das wird wohl für die Anhängsel des Kapitals und Sprachrohre der herrschenden Politik schwer verständlich sein.

Klas Ber
24.6.03

 

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