Internet Statement 2003-37
Die Meldungen über den angeblich bevorstehenden Aufschwung sind seit Jahren dieselben, nämlich daß er in einem halben oder in einem Jahr bevorstehen würde. Tatsächlich haben wir jetzt schon über zwei Jahre eine intensive Krise, die eine Überproduktions- und Absatzkrise der weltweiten Ökonomie im ganz klassischen Sinne ist. In der Ausgabe vom 1.8.2003 des Handelsblatt sehen wir eine Titelzeile, die in Ergänzung zu dieser ökonomischen Krise zu sehen ist: Rüstungsausgaben kurbeln amerikanische Wirtschaft an. Das Aufziehen der kapitalistischen Produktion als globale
Wirtschaft beseitigt nicht die Widersprüche, sondern reproduziert
sie auf einer höheren Stufenleiter, das haben gerade die letzten
Jahre klargemacht. Ganz klassische Überproduktionskrisen, wie sie
der Marxismus beschreibt, erleben wir auf der Welt. Große Staaten
wie China, Indonesien, Brasilien, die Staaten des südostasiatischen
Raums, südliches Afrika, Osteuropa sind zu Produktionszentren für
die ganze Welt geworden, in denen niedrige und niedrigste Löhne gezahlt
werden, Zentren der kapitalistischen Ausbeutung im reinsten Sinne des
Wortes, klassische Beispiele.
Die Vorstellung, daß sich Europa und gerade Deutschland vor allem auf dem Dienstleistungssektor betätige und sich durch hohe Einkommen auszeichnet und die Zentren der Mehrwert produzierenden harten körperlichen Arbeit weit entfernt von uns liegen, diese ökonomische Vorstellung, die lange Zeit die Phantasien der bürgerlichen Ökonomen beherrscht hat, birgt für sich genommen eine zusätzliche Verschärfung der internationalen Ökonomie in sich, die sich für das heutige politische und ökonomische System, das vor allem durch die USA geleitet wird, als unlösbar erweist. Um so mehr müssen solche Meldungen wie Rüstungsausgaben kurbeln amerikanische Wirtschaft an unser Augenmerk finden. So lesen wir:
Schon einmal hatte sich ein Krieg als Konjunkturanreger erwiesen,
das war im Frühjahr 1999 der Jugoslawienkrieg. Wiederholen wir noch
einmal kurz das Wichtigste im Geschehen der neunziger Jahre: In den neunziger
Jahren wächst der asiatische Markt zu einer neuen, enormen internationalen
Potenz heran. Zusammen mit der Entwicklung in Lateinamerika und anderen
Staaten der früheren Dritten Welt bildet sich ein neuer internationaler
Aufschwung, der gerade durch die Verlagerung der Produktion, aber auch
durch die Entwicklung eines eigenen inneren Marktes, durch die Entwicklung
des Kapitalismus in China getrieben wird. Die Aktien und Gewinne schießen
in jener Zeit, 1994 bis 1997, mehr oder minder ungebrochen in die Höhe.
1997/1998 kommt es zur ersten schweren Krise, die auch Rußland erfaßt.
Es gelingt zunächst einmal, diese Krise abzubiegen. Nicht zuletzt
das Kriegsgeschehen in Jugoslawien, die massive Umrüstung und Neurüstung
für die New World Order führen damals schon zu Impulsen,
die kurzzeitig wieder eine Konjunkturwende herbeiführen, die etwa
bis zum Jahre 2000 dauert. Im Jahre 2000 haben wir wiederum hohe Zuwachsraten
in den meisten Ländern. Der Kapitalismus schwelgt in seinen Zukunftsaussichten.
Die rot-grüne Koalition in der Bundesrepublik schwimmt auf der Vorstellung
einer sich entwickelnden allseitigen Dienstleistungsgesellschaft,
die aus den Gewinnen der weltweiten Produktion gespeist wird. Jede ökologische
Extravaganz meint man sich leisten zu können. Die Selbstzufriedenheit
der Spießer, der kapitalistischen Apologeten kennt keine Grenzen.
Sie möchten nicht nur Lotto spielen, sondern am liebsten auch noch
Lottotips auf die besten Anlagewerte machen und so mit den Werten, die
international im Schweiße des Angesichts erschuftet und erarbeitet
werden, ihr lustiges Spielchen treiben. So die Philosophie kapitalistischer
Apologeten im Jahre 2000. Nun ist es wieder die Kriegskonjunktur, die vorübergehend Impulse liefern soll. Aber wie lange wird das diesmal wohl vorhalten? Der Irakkrieg jedenfalls bringt zunehmend Schwierigkeiten und Malaise für die USA, wie das jeder vernünftige Mensch ja auch vorhergesehen hat. Was werden die USA wohl nun tun, wenn es wieder weiterkriselt? Jedenfalls kommt der ökonomische Aufschwung nur als kurzweiliges Stotterverfahren zustande, dann hakt es wieder. Im Hintergrund aber werden die Rüstungsausgaben extrem in die Höhe getrieben. In einer vorherigen Ausgabe des Handelsblatts vom 29.7.2003 hieß
es als Titel:
Dies zeigt, wie stark die Profite anwachsen und wie stark die USA auf die Rüstung setzen. Ein gleich daneben stehender Artikel zeigt auf, daß es in Europa nicht viel anders aussieht. Der Luftfahrt- und Raumfahrtkonzern EADS forciert Ausbau der Militärsparte erfahren wir.
Daneben gibt es natürlich ebenfalls unmittelbare, eigene europäische
Rüstungsvorhaben. Es ist aber auch sehr bezeichnend, daß die
europäischen Rüstungskonzerne sich auch auf dem amerikanischen
Rüstungsmarkt betätigen. Rüstungsmarkt aber ist immer eine
Branche, die von sich aus - von einigen technischen Innovationen einmal
abgesehen - nicht in die Produktion zurückfließt, sondern deren
Aufgabe darin besteht, Gewalt, hier gegen Unwillige gegenüber
den imperialistischen Vormächten, zu verwirklichen und die Herrschaft
zu sichern. EADS hat auch schon für den Irakkrieg mitgeliefert. Das Aufmöbeln der internationalen Ökonomie über Rüstungsaufträge kann immer nur weitere Kriege hervorrufen und muß jene zur Anwendung bringen. Wir sind keine Anhänger der Theorie des militärisch-industriellen Komplexes, der für sich genommen diese kriegerische Politik verursachen soll. Der Krieg wird durch den Imperialismus selbst verursacht, und die Rüstung ist das Resultat dieses Imperialismus, nicht die Ursache. Aber zwischendurch können solche Strohfeuer ökonomischer Art entstehen. Am 1.8.2003 hieß es in dem genannten Artikel:
Neben diesem Ökonomen urteilen auch andere Ökonomen ähnlich.
Also sehen manche US-Ökonomen selbst das Strohfeuer und den vorübergehenden
Charakter der ökonomischen Anheizung durch Rüstungsaufträge.
Das Konzept der USA, dem Kapitalismus angeblich durch Erschließung neuer Märkte und Zerstörung alter Strukturen, wie etwa des Regimes von Saddam Hussein oder der islamistischen Regime in Zentralasien, zu weiterer Entwicklung zu verhelfen, zeigt sich als eine Fata Morgana, denn die USA sind überall selbst mit den reaktionären Kräften und mit den Kräften der Zerstörung verbunden, und niemand nimmt ihnen diese Rolle einer demokratischen Entwicklung ab. Das liegt in der Natur des Imperialismus selbst. Mit der Hochschuldenpolitik der USA, mit ihrer Politik, weiterhin menschliche und kapitalmäßige Ressourcen auf sich zu konzentrieren, wird in Wirklichkeit die Widersprüchlichkeit des Imperialismus und Kapitalismus, die uns heute in Bilderbuchform vorgeführt wird, weiter verschärft. Der Hegemonismus ist selbst ein zusätzlicher Aufsatz auf dem kapitalistischen System, der seine Widersprüche verschärft. Seine Existenz ist nicht zufällig. Die Existenz solcher Hegemonialmächte ist notwendig, um dem Kapitalismus gewissermaßen einen Rahmen zu geben. Nichts desto weniger trägt es den Kern fürchterlicher Zerstörung in sich.
Es stellt sich die Frage: Wie lange wird wohl diesmal der Effekt des
Irakkrieges vorhalten? Allzuviel ist da nicht zu erwarten und es ist die
Frage, was dann kommt. Was steht als nächstes auf dem Speiseplan
des imperialistischen Molochs? Die USA stiften viele Länder an, bei
ihnen in der Hoffnung auf eine Beteiligung an den Gewinnen mitzumachen,
aber es kann ohne weiteres sein, daß so mancher Staat, der sich
heute als Bundesgenosse umwerben läßt, morgen selbst das Opfer
der Machenschaften sein wird. Man denke doch daran, daß Saddam Hussein
selber einmal Bundesgenosse der USA war. Auch Europa hat allen Grund aufzupassen.
Die deutsche ökonomische Politik wie die europäische ökonomische
Politik überhaupt, die durch große Verlagerungen charakterisiert
ist und sich noch auf wenige verbliebene Produktionssektoren stützen
kann, birgt die Gefahr von Zusammenbrüchen in sich, und es ist gar
nicht so falsch, wenn manchmal Kreise aus den USA z.B. Deutschland vorwerfen,
selbst eine industrielle Bremse zu sein. Es ist in gewisser Weise sogar
richtig. Die große Internationalisierung der Produktion, die Vergesellschaftung
der Produktion auf einer höheren Ebene sind heute grundlegendes Merkmal
des ganzen industriellen Sektors. Was anderes ist es, wenn heutzutage
jede international in riesiger Auflage vermarktete modische und praktische
Tasche an verschiedenen Produktionsorten erstellt wird, wenn deren Planung,
Projektierung, Designentwicklung usw. an ganz verschiedenen Orten der
Welt geschieht. Das alles zeigt, daß wir heute eine Vergesellschaftung
haben, die den ganzen Globus umfaßt. Daran müssen wir anknüpfen.
Daneben existieren auch weiterhin Formen der isolierten Kleinwirtschaft
und sogar der Subsistenzwirtschaft, die in den armen Gebieten so manchem
als Teil der industriellen Reservearmee sein Überleben sichert. Es
ist Aufgabe aller Linken und revolutionären Organisationen, den grundsätzlichen
Charakter der kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaft und
ihre Widersprüchlichkeit aufzudecken, auch alle Illusionsmacherei
zu bekämpfen, daß man auf einem früheren Stadium des Kapitalismus
oder der Kleinproduktion verharren oder dahin zurückkehren könne
und zu zeigen, daß nur das gemeinsame Zusammenwirken der Arbeiter
aller Länder sowie das Zusammenwirken aller Nationen, die vom Hegemonismus
oder Imperialismus bedroht, bedrückt oder direkt unterdrückt
werden, die Lösung der Aufgaben vorbereitet. Jede Streikbewegung,
jeder internationale Ansatz einer Gewerkschaftsbewegung, jedes Zusammenwirken
von revolutionären Kräften auf der Welt ist heute von großem
Nutzen. Gleichzeitig werden wir alle die Bewegungen, die sich auch erzwungenermaßen
erst einmal lokal entwickeln müssen, respektieren, fördern und
unterstützen.
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