Internet-Statement 2003-39

 

21. August 1968 – Vor 35 Jahren besetzten die UdSSR und vier weitere Warschauer Vertragsstaaten die CSSR

                                                                                                          21.August 2003                 


Vor 35 Jahren am 21. August 1968 marschierten sowjetische Truppen in Verbindung mit den Truppen vier weiterer Staaten des Warschauer Paktes in die damalige Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) ein, unter Verletzung aller Prinzipien, die zwischen sozialistischen Staaten gelten sollen, um diesem Land den Willen aufzuzwingen.
Jahrelang hatte der Revisionismus unter Nikita Chruschtschow und seinem Fortsetzer Leonid Breschnew den früheren Sozialismus ausgehöhlt und zu einer Farce gemacht.  Unter Nikita Chruschtschow wie auch unter Breschnew wurde eine Politik des mehr oder minder offenen Paktierertums mit den USA, die auf Absprache und Teilung der Welt zielte, betrieben, was den sozialistischen Grundsätzen von Anfang bis Ende Hohn sprach.
Die Schuldzuweisungen an revolutionäre Kräfte, wie sie zum Beispiel Nikita Sergejewitsch Chruschtschow aussprach, indem er sie als Unruhestifter, Kriegsbrandstifter und Gefährder des Weltfriedens beschuldigte, sprachen so sehr jeder revolutionären sozialistischen Theorie Hohn, daß schon seit langem der allerschärfste Protest  und der härteste Widerstand in der gesamten kommunistischen Bewegung gegenüber dieser Art von Politik an den Tag gelegt werden mußte.
Und es war nicht nur eine Politik, dahinter verbarg sich auch soziales Geschehen in den sozialistischen Ländern selbst.
Bürokratisierung, Zulassung von Formen allmählicher kapitalistischer Entwicklung, eines schwarzen Sektors, Bremsung der sozialistischen Initiative und eine zunehmende Mißachtung der Selbständigkeit eigenständiger Nationen waren an der Tagesordnung.

Kein Wunder also, daß sich Risse im sozialistischen Lager zeigen mußten, und daß der Widerstand der Völker und Nationen und des Proletariats in diesen Ländern sich auf verschiedene Weise kanalisieren mußte.

Die revisionistischen Parteien kontrollierten die Arbeiterbewegung und ließen keine Kritik an dem Revisionismus innerhalb ihres Landes zu, im Gegenteil, sie unterdrückten alle diejenigen, die mit dieser Kritik auch nur anfingen.
Somit war es kein Wunder, daß sich Widerstandsformen des Protestes mitunter in anderer als etwa einer proletarischen revolutionären Bewegung äußern mußten.

In der  Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik kam es Anfang 1968 zu einem gewissen Umsturz, als Alexander Dubcek mit seiner Gruppe auf Grund der Unzufriedenheit die Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gewann und versprach, „demokratische Reformen“ im Lande durchzuführen, die gegenüber dem Bürokratismus und der Willkür, wie sie sich in der Chruschtschow-Ära breitgemacht hatten, angeblich einen Ausweg boten. Die Erstarrung galt auch für die CSSR. Noch Anfang der fünfziger Jahre war die Sowjetunion dort sehr populär gewesen, jetzt hatte sich das erheblich geändert. In ihrem Wesen aber waren es liberale Reformen, was die Dubcek-Leute propagierten.
Dies wurde in dem Moment, wo diese Theorie aufkam, als Demokratischer Sozialismus bezeichnet, also als eine  Vermengung von liberaler Demokratie und Sozialismus. Wir wissen, daß es so etwas nicht gibt und daß es unweigerlich zu Konflikten in die  eine oder andere Richtung kommen mußte. Unter den damaligen Bedingungen aber unterstützte die breite Mehrheit der Bevölkerung diesen Kurs in der Hoffnung auf Erneuerung.

Als ein Herausscheren der Tschechoslowakei aus dem Warschauer Vertrag und dem COMECON drohte, als die Sache sich zuspitzte und die Kritik immer weitere Formen innerhalb der Tschechoslowakei annahm, griffen die UdSSR, die DDR, Ungarn, Polen und Bulgarien zum Mittel  der Besetzung der Tschechoslowakei.

Damals gab es in ganz Europa eine beginnende heftige Diskussion um den Sozialismus, ein neues Studium des Marxismus, das sich auch zunächst einmal  in solchen „demokratischen sozialistischen“ Formen vollzog, eine Hinwendung zum Marxismus und Leninismus erfolgte anhand der Realität alsbald.

Zweifellos weisen  die Vorgänge um die CSSR äußerst unterschiedliche Seiten auf. Hätte nicht ein Ausscheren der CSSR damals schon ein Roll-Back und eine kapitalistische Offensive, wie wir sie heute auf der ganzen Welt spüren, bedeutet? Nun, die USA standen damals mehr auf Abgrenzung der Bereiche in Europa, sie verfolgten vorrangig andere Ziele in dieser Zeit. Der Status Quo war auch für sie günstig, gerade er war eine Grundlage für eine dauerhafte Infiltration.
Ganz sicher gab es neben dem Revisionismus immer noch eine Masse wirklichen sozialistischen Aufbaus in den sozialistischen Ländern, ein Bemühen, die Schwierigkeiten bei dem Aufbau zu überwinden. Und die revolutionäre Bewegung erkannte dies, die DDR zum Beispiel hat massiv dann zur Ausbreitung des Marxismus-Leninismus auch in ganz Deutschland mit beigetragen. Trotz der Beteiligung an der Besetzung nahm auch in der westlichen Linken die Popularität der DDR zu, um dann aber vermehrt der Erkenntnis den Weg freizugeben,  daß die „konsequente Haltung“ auch hier in vielem Schein ist und auch dort sich der Revisionismus ausbreitet und keine wirkliche Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten der Lage und der Geschichte stattfindet. Man darf nicht vergessen, daß ganze 2 Jahre nach dem August 1968 der Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion erfolgte, der die DDR überging und sie in die hintere Reihe zurückstellte . Trotz Ansätzen von Widerstand unterwarf sich die DDR diesem Abkommen, das zugleich einen verschärften Druck gegen die revolutionäre Linke in der Bundesrepublik in die Wege leitete. Durch diese Politik verlor die DDR an Ansehen und Glaubwürdigkeit.

Es mag sein, daß so mancher  Kommunist und Offizier in der DDR der Ansicht war, daß man zu diesem Schritt 1968  greifen mußte, um einen weiteren Zerfall zu verhindern.
Die Geschichte hat gelehrt, daß der Zerfall dadurch natürlich nicht aufgehalten werden konnte, vielmehr hat der Zerfall aufgrund des  Revisionismus die gesamte Sowjetunion erreicht  und schließlich das gesamte frühere sozialistische Lager vernichtet. Die Besetzung hat an dieser Entwicklung nichts verhindert oder aufgehalten.

Nicht die Position der KPdSU mit ihren Formen des Revisionismus und ihrer Kritik an dem „tschechoslowakischen Modell“ bildete einen Ausweg, sondern nur die grundsätzliche Kritik an diesen gesamten Richtungen selbst. Wobei die kreative Anwendung der marxistisch-leninistischen Theorie, daß man sich  der Wirklichkeit in ihrem Facettenreichtum stellt, ein unabdingbares Muß für die Entwicklung einer tragfähigen Linie ist.

Diese Ereignisse des August 1968 aber bahnten der politischen Diskussion und der politischen Auseinandersetzung in ganz Europa den Weg.
War es im Laufe des Jahres 68 zu Unruhen in Frankreich und Deutschland gekommen, so kam jetzt eine weitere Komponente hinzu.
Man beobachtete nämlich, wie die USA im Grunde genommen trotz ihres verbalen Protestes gegen die Besetzung durchblicken ließen, daß sie die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion tolerieren, weil dies ja „ihr Bereich“ sei.
Dieses Teilungsdenken von Hegemonialmächten stieß auf entschiedene Kritik auch in der Jugendbewegung. Kein Wunder also, daß der Marxismus diese Kritik auch mit aufgriff und umso bereitwilliger war, mit der Kritik am Revisionismus, wie sie aus China kam, sich auseinanderzusetzen.

Die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Warschauer-Pakt-Staaten war somit unfreiwillig auch ein Motor sich verstärkt mit dem Marxismus zu befassen; auch die tschechoslowakische Bewegung selbst lehnte die Befassung mit dem Marxismus nicht ab, wenn auch in einer ganz bestimmten Form, und man nach neuen Wegen, wie es damals hieß, suchte. Man muß unbedingt auch die Vielschichtigkeit der damaligen Ereignisse sehen.

Es kam zum Beispiel in Berlin(West) zu einem unvergeßlichen Ereignis. Wenige Tage nach der Besetzung gab es eine große Schülerdemonstration in Berlin, die die Besetzung durch die UdSSR und ihre verbündeten Staaten entschieden verurteilte.
Aber es waren nicht die CDU oder die antikommunistischen Truppen der SPD, die diese Bewegung prägen konnten. Ganz im Gegenteil, sie mußten sehen, es wurde eine Bewegung unter roten Fahnen, die jetzt vermehrt sowohl dem westlichen Kapitalismus als auch dem Revisionismus den Kampf ansagte. Und es war keine einmalige Angelegenheit, sondern der Auftakt zu einer weiteren Politisierung im Land.

Dies war nicht der, aber einer der Impulse, warum die ML-Bewegung in der Folgezeit radikal emporschnellte.

Den Revisionismus und den sogenannten Demokratischen Sozialismus, den Dubceks Leute vertreten haben vergaß man sehr schnell, man sah, daß dies keine Möglichkeit bietet, im Gegenteil: die Klassiker des Marxismus begriff man, und man begriff zunehmend die Unversöhnlichkeit des Widerspruchs zwischen Lohnarbeit und Kapital und zwischen kapitalistischem Staat und breiter revolutionärer Massenbewegung in den kapitalistischen Ländern.

Die weiteren Ereignisse gingen dann dahin, daß das Kapital versuchte, die  Folgen dieser Bewegung in den Jahren 69, 70, 71 , als sie immer stärker anschwoll, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die soziale Entwicklung innerhalb der kapitalistischen Länder, etwa der Bundesrepublik, mit der Ersetzung großer Teile der Arbeiterklasse durch Ausländer und dann der radikalen Wegänderung in Richtung Export der Arbeitsplätze nach außen, die bis heute anhält  und deren soziale Folgen wir jetzt erst ganz und gar zu spüren bekommen werden, wurde in die Wege geleitet.

Man sieht daran ,wie wichtig diese ganze Epoche von 1967 bis 1975 für unsere eigene Weichenstellung heute ist. Deswegen lohnt es sich, auch noch einmal an dieses singuläre Ereignis vom 21. August 1968 zu erinnern. Interessanterweise findet dieser Jahrestag kein großes Echo in der bürgerlichen Presse. Das ist auch unangenehm. Hat man nicht früher Breschnjews Theorie der begrenzten Souveränität angeprangert? Was ist aber schon die Theorie der begrenzten Souveränität im Vergleich zu dem heutigen Interventionsanspruch der USA und deren Leugnung der nationalen Unabhängigkeit auf der ganzen Linie, was ist sie im Vergleich zu dem Interventionsanspruch, den fast alle größeren kapitalistischen Staaten heute erheben, der zum Standard der Anschauungen werden soll? Aller sogenannter Befreiungsanspruch, den diese Kräfte vortäuschten, hat sich in Luft aufgelöst, und an die Stelle ist der nackte unmittelbare Kapitalismus getreten.

Redaktion Neue Einheit

 

www.neue-einheit.com