Internet-Statement 2003-45   

 

10.10.2003                  

Bundesweite Demonstration am 1. November in Berlin

Die Auseinandersetzung um die Demonstration und die Rolle von ATTAC und MLPD, SPD und Kirchen

Im Juli dieses Jahres beschloß die Anti-Hartz-Koordination zusammen mit einigen anderen Gruppen wie den Gewerkschaftslinken zum 16.August eine Aktionskonferenz einzuberufen, um bundesweit gegen die “Sozialkahlschlags” - und Hartzkonzeptionen, die u.a. unter dem Begriff Agenda 2010 zusammengefaßt werden, zu mobilisieren. Am 16.8. traf sich eine Versammlung in diesem Sinne in Frankfurt. Ca. 150 Vertreter machten klar, daß dieses Anliegen einen außerordentlichen Zuspruch gefunden hatte. Seit über einem Jahr hat unsere Organisation vorangehend die Hartzkonzeptionen kritisiert und die Substanz dieser Maßnahmen aufgedeckt. Es war auffällig, daß von Seiten des überwiegenden Teils der Gewerkschaftsführung keinerlei Maßnahmen gegen diese alle sozialen Einrichtungen faktisch unterminierenden Pläne ergriffen worden war.
Zum Frankfurter Treffen war bereits ein Aufruf vorgelegt worden, der sich durch eine einigermaßen kämpferische Sprache auszeichnete und der eine Grundlage für einen Aufruf für diese Mobilisierung bildete. In Frankfurt selbst war die überwiegende Mehrheit der Anwesenden für die Organisierung einer Demonstration, nur wenige Leute von Attac und aus der Anarchoszene agierten dagegen, stimmten aber am Schluß zumeist doch dafür. Aus der Aktionskonferenz bildete sich eine Vorbereitungsgruppe, die sich mit der konkreten Inangriffnahme der Demonstration befassen sollte.

Leider ist es danach zu einer Schwächung des ganzen Vorhabens gekommen. In der Sitzung der Vorbereitungsgruppe am 30.8.03, die die konkrete Planung für diese Demonstration angehen sollte, agierten auch die Vertreter von Attac, die erst gegen die Organisierung dieser Demonstration waren. Sie attackierten nun den vorgelegten Aufruf, wie sie auch alle Versuche, überhaupt eine unmißverständliche Sprache zu sprechen, torpedierten. Sie erwirkten letztlich, daß ein Aufruf verabschiedet wurde, der gänzlich aufgeweicht war und Hintergründe der sozialen Vorgänge nicht benennt. Der Aufruf, der beschlossen wurde, war letztlich der Kompromiß auf der untersten Ebene zwischen verschiedensten Vertretern, in dem sich die Spuren der Attac-Leute deutlich zeigen. Sie schwächen die Kritik an der Regierung ab und sind dagegen, daß auch nur ansatzweise das politisch-soziale System der Bundesrepublik Deutschland in Kritik kommt. Seitdem haben auch weitere Versuche aus Kreisen von Attac nicht aufgehört, dieser Demonstration die Spitze zu nehmen. Attac steht auch in einer engeren Verbindung zu größeren Teilen von Ver.di.

Diese Demonstration kann nur ein Auftakt für die Mobilisierung sein. Sie kann nur die Bedeutung eines Bausteins innerhalb dieser Mobilisierung haben, darüber herrscht Einigkeit. Die Leute, die eigentlich gegen die Demonstration waren, haben es geschafft, diese Demonstration bereits in gewissem Umfang zu verwässern. Für diesen politischen Trend gibt es auch soziale Ursachen. Ein erheblicher Teil der sozialen Initiativen besteht aus staatlichen Angestellten. Zahlreiche der Erwerbsloseninitiativen machen keine Politik, die die Ursachen der Arbeitslosigkeit angreift, sondern richten sich auf die Organisierung und Verwaltung der Arbeitslosigkeit ein. Das kann überhaupt keine Grundlage für eine Mobilisierung sein.

Die Schwächen dieser Mobilisierung ausnutzend, hat sich inzwischen die MLPD in die leitenden Positionen dieser Demonstration geschoben. Unter Federführung dieser Organisation trat die Vorbereitungsgruppe als eine mit zentraler Leitungsbefugnis auf, eine Rolle, die ihr überhaupt nicht zusteht. Sie legte die Redner fest, wobei zwei aus der MLPD oder deren engsten Umkreis genommen wurden. Die zweite Rednerin aus diesem Kreis, die über das Thema Frauen referieren soll, ist zum Beispiel die zentrale Verantwortliche für das „Pfingstjugendtreffen“, ein schon seit vielen Jahren organisiertes MLPD-Insidertreffen. Sie wurde aber als eine Repräsentantin der Frauenbewegung ausgegeben. Das Vorgehen, von den ursprünglich fünf vorgesehenen Rednern zwei aus dem engsten Kreis um die MLPD zu nehmen, obwohl es sich um ein breites, gleichberechtigtes Bündnis handeln soll, ist eine Anmaßung dieser Organisation. Es bestehen auch genügend Möglichkeiten für andere Referierende.

Das ist aber noch nicht alles. Ganz ähnliches zeigt sich auf dem Gebiet des Finanzsektors. Die ursprünglich mit der Organisierung des Kontos Beauftragten erwiesen sich als unzuverlässig und behinderten die Arbeit. Auch hier sprang die MLPD in die Bresche. Die ihr zugehörige Organisation „Solidarität-International“ bot ein Konto ihrer Organisation als Demonstrationskonto an. Auch das verletzt die Neutralität. Die Verantwortlichen der MLPD wissen genau, daß dies mit dem Status der Demonstration nicht vereinbar ist. Ausdrücklich aber wurde wenigstens beschlossen, daß die „Solidarität-International“ ein neues, spezielles Konto für die Demonstration eröffnet. Unter Bruch dieses Beschlusses der Vorbereitungsgruppe nahm diese Organisation ihr eigenes laufendes Konto als Demonstrationskonto. Jede Gruppe, die derzeit die Demonstration unterstützen will, ist also gezwungen, auf das gleiche Konto einzuzahlen, in das auch die Mitglieder der SI laut Beitrittserklärung ihre Beiträge einzahlen. Jeder, der die MLPD kennt, wundert sich über derlei Verhaltensweisen nicht. Immer schon, wenn sich irgendwo Organisierung abzeichnet, ist diese Partei zur Stelle, um sich die Dinge unter die Kontrolle zu reißen. Sie verfügt über einen verhältnismäßig großen Apparat und hohe Geldmittel. Dieser kontrollierende Zugriff muß beseitigt werden.

In Berlin hat sich zu Recht darüber ein massiver Unmut gebildet, nicht überall weiß man, was eigentlich vor sich geht. Zu Recht soll dieser kontrollierende Zugriff der MLPD verhindert werden. Dabei aber kündigt sich an, daß nun andere Kräfte, die die Demonstration insgesamt in Richtung Sozialdemokratie und Attac und sogar Kirchen bewegen wollen, nun ihrerseits einfach mittels des organisatorischen Einflusses das Diktat ausüben wollen und alleine entscheiden wollen. Das wäre die Liquidation des ursprünglichen Ansatzes. Auch für diese gilt: Diese Demonstration kann nur im Einvernehmen aller entscheidenden Kräfte gedeihen. Die kontrollierenden Zugriffe müssen verschwinden. Diese Machenschaften gefährden die Demonstration. Schließlich darf man die Konservativen nicht vergessen, die noch ärgere Konzepte entwickeln, es ist möglich, daß ein Teil der Hartz-Konzepte durch diese ersetzt wird. Wir dürfen bei den Angriffen auch die Merkel und Co nicht aussparen.

Im Südwesten haben einige gewerkschaftliche Gruppen einen eigenen Aufruf verfaßt, auch anderswo sind eigene Aufrufe entstanden. Trotzdem muß ein gangbares Konzept auch für die zentrale Demonstration her. Wir sind der Ansicht, daß diese Fragen die gesamte Mobilisierung für diese Demonstration etwas angehen und daher nun auch in die Öffentlichkeit zumindest der beteiligten Organisationen und Initiativen gehören.

Redaktion Neue Einheit
-hd

www.neue-einheit.com