Internet Statement 2003-49
Über die Sitzung des Berliner Vorbereitungsplenums wird jetzt im Rahmen der Vorbereitung der Demonstration am 1.November gegen den Sozialabbau in der ganzen Republik diskutiert. Da den Entscheidungen ziemliche Bedeutung zukommt, haben wir uns bemüht, diese Sitzung möglichst in ihren Einzelheiten und Charakteristika zu rekonstruieren. Wir waren alle drei von Anfang bis Ende dabei und konnten die Dinge zusammentragen. Dabei kommt es auch auf manches Detail an. Wir konnten nicht jeden Beitrag, nicht jede Randbemerkung aufnehmen, da die Sache dann zu umfangreich wird.
Die Sitzung begann ca. 15.15 Uhr. Als Diskussionsleitung wurden angenommen, Werner Halbauer, Lena Bröckl, Heinz Nätebusch und dann zusätzlich aus dem Plenum heraus Petra Kirstein. Es sollte sofort in die Diskussion eingestiegen werden, u.a. in organisatorische Fragen. Klaus D. (BR, Gewerkschafter und Gruppe Neue Einheit - GNE) stellte aber sofort eine Frage zum Vorgehen, nämlich welchen Charakter dieses Treffen habe. Es lagen 2 unterschiedliche Einladungen vor. Man möge bitte klären, was wohl die Grundlage dieser Veranstaltung sei. Dies führte zu der durchaus gerechtfertigten Diskussion über den Charakter dieser Sitzung. Notwendigerweise wurden dabei auch die Differenzen besprochen. Ca. 20 Beiträge drehten sich um diese Frage, aber die meisten waren durchaus von Interesse. Die Versuche, durch Abstimmung diese Diskussion abzuwürgen, konnten zum Glück verhindert werden. Die Rednerliste blieb relativ lange Zeit offen. Viele der inhaltlich wesentlichen Fragen wurden dadurch schon angesprochen und konnten sogar zum Teil geklärt werden. Zunächst einmal kamen vor allem diejenigen zu Wort, die vertraten, daß das bundesweite Treffen bereits alles endgültig festgelegt habe und daran nichts mehr geändert werden solle oder dürfe (ca. 4 bis 5). Zu Anfang versuchte die Vertreterin von "Solidarität International" (im weiteren SI) noch einmal den Beitrag von Mitgliedern der bundesweiten Vorbereitungsgruppe vorzulesen, der dann noch einmal für alle, die ihn noch nicht hatten, verteilt wurde. (Siehe Anm.[1] ) In den weiteren Beiträgen wurde dann vertreten, daß die Beschlüsse des bundesweiten vorbereitenden Ausschusses maßgeblich seien, wurde auf den Wert der Beschlüsse hingewiesen, die mühsam errungen worden seien und die man nicht umstürzen solle. Dieter Ilius von der MLPD hielt noch einen besonders ausgeprägten Beitrag und führte aus, daß hier jetzt die Umsetzung der Beschlüsse der bundesweiten Konferenz anstehe, daß dies die Aufgabe sei, die dringlich zu erfüllen sei. Es stünde einem solchen regionalen Gremium nicht zu, die Beschlüsse des überregionalen Gremiums umzustoßen. Dieses Vorgehen sei undemokratisch und würde die Einheit verletzen. Im großen und ganzen entsprachen seine Worte den Thesen des verteilten Papiers von Mitgliedern der bundesweiten Vorbereitungsgruppe. Auch danach ging es mit Beiträgen dieser Art weiter. Es sprach unter anderem noch Heinz-Dieter Grube, der darauf hinwies, daß der Kreis in Hannover immer für alle offen war, daß die dort gefällten Beschlüsse nicht aufgehoben werden sollten und daß es bereits ein Fehler gewesen sei, daß die Rednerliste beim letzten Treffen noch einmal geöffnet worden sei. Er betonte noch einmal, daß die Redner ja nicht für ihre politische Couleur auf der Demonstration auftreten sollten, sondern für das Bündnis. (Was wir für eine falsche Argumentation halten, denn das Bündnis hat überhaupt keine festgelegte Politik. In dem Aufruf auf unterstem gemeinsamen Niveau gibt es keine genauer festgelegten politisch-organisatorischen Grundlagen für das Bündnis, so daß die Redner selbstverständlich in ihrem eigenen Sinne dort reden werden. Diese angebliche Neutralität, die da unterstellt wird, ist eine Fiktion.[2] Danach sprachen noch mehrere Redner ganz im selben Sinne. Diese Diskussion dauerte vielleicht eine halbe Stunde, wo ganz vorwiegend solche Beiträge gebracht wurden. Die andere Seite aus dem Berliner Bündnis um Renate Hürtgen und andere hielt sich zunächst einmal zurück. Die einzelnen Beiträge brachten immer neue Aspekte herein, weshalb es auch sinnvoll war, diese Diskussion fortzuführen. Hervorzuheben wären auch noch die Beiträge, die Anton, der Vertreter der Arbeitslosenorganisation "Faxen Dicke" hielt. Er sprach in heftigen Worten darüber, daß die Arbeitslosen allein die wahren Leidtragenden der Maßnahmen in ihrem vollem Umfange seien. Sie allein hätten die Erfahrungen und die Kompetenz, das zu beurteilen. Er legitimierte das Vorgehen der bundesweiten Vorbereitungsgruppe und daß es eine Zumutung für die Arbeitslosen sei, auch noch zu diesem weiteren Termin zu kommen. Mit seinem Beitrag versuchte er also, die Organisierung dieses Treffens unter Anklage zu stellen. (Was als demagogisch zurückgewiesen werden muß. Auch die Arbeitslosen haben ihre Verbände, die durchaus auch einmal einen einzelnen Vertreter an einen anderen Ort schicken können. Die Einheit muß geschaffen werden, große Aktionen müssen nun einmal vorbereitet werden und können nicht mit derartig billigen Argumenten abqualifiziert werden. Die Arbeitslosenverbände haben zum Teil die opportunistischsten Thesen und legen selbst ein angepaßtes Verhalten an den Tag. Sie sind keineswegs der Maßstab für die Politik, die in puncto Anti-Hartz zu vollziehen ist. Gerade mit ihren Thesen wird man sich noch auseinanderzusetzen haben, darunter die Existenzgeld-These.) Es kamen eine Reihe
von Beiträgen u. a. von Renate Hürtgen (Sozialwissenschaftlerin, Potsdam),
Peter Schrott (Ver.di), Martin M., einem Vertreter der GAM, Jürgen Horn
(Friedensinitiative Friedrichshain-Kreuzberg) die erheblich andere Akzente
setzten, aber auch einer von Petra Kirstein. Renate Hürtgen sprach sich
dafür aus, daß die Rednerliste für die Demo korrigiert wird. Es würden
durch die jetzige Zusammensetzung Leute abgeschreckt und man müsse eine
Änderung vornehmen, um diese wieder ins Boot zu holen. Die Diskussion
über die Beschlüsse könne man sein lassen. Ihr Beitrag wie auch eine
Reihe von anderen lief darauf hinaus, Attac wieder stärker ins Boot
zu holen, was auch den Charakter dieser Demonstration verändern würde.
Peter Schrott, der nach seinen Worten auch für den nicht anwesenden
Bernd Riexinger sprach, sagte, es sei nicht möglich für Ver.di, an einer
Kundgebung mitzuwirken, bei der 1/3 der Redner von der MLPD sind. Er
sagte definitiv: An einer MLPD-Kundgebung wirken wir nicht mit. Der
Vertreter der GAM versuchte auch,
mehr auf ein Einvernehmen zwischen Berliner- und bundesweiter
Vorbereitungsgruppe hinzuarbeiten. Dies sei ein Nottreffen, da es offene
Fragen gibt, die geregelt werden müssen. Der Beitrag von Petra Kirstein
brachte schwere Vorwürfe. Sie sprach von Erpressung, davon, daß Gelder
verweigert würden und daß bestimmte Kräfte erklärt hätten, sie würden
nicht mitwirken, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt würden. Dies
sei eine lokale Veranstaltung, die Vorschläge für das bundesweite Treffen
machen könne. Das müssen dann auf dem bundesweiten Treffen behandelt
werden. Nach der Pause wurden drei Vorschläge vorgelegt: Jeweils einer von Petra Kirstein, Gerald Wolf und Hartmut Dicke. [3] Sie trugen den folgenden Text: Vorschlag Gerald: Nach Ansicht der Diskussionsleitung war der Vorschlag von Hartmut mit dem von Petra mehr oder minder inhaltlich identisch und man beschränkte sich darauf, die Anträge von Gerald und Petra gegeneinander zu stellen. Auf Verlangen wurde der Vorschlag von Hartmut ebenfalls vorgelesen. Schließlich wurde der Vorschlag von Gerald Wolf vorgelesen und darüber abgestimmt. Dieser wurde mit 26 zu 18 Stimmen angenommen. Auf Verlangen wurden die Stimmen einzeln ausgezählt. Damit war dieser Vorschlag angenommen. Die Moderatorin Lena Bröckl argumentierte aber mehrfach vor und nach der Abstimmung, daß die Mehrheitsentscheidungen in diesem Bündnis nicht allein auschlaggebend sein können und hier ein Konsens hergestellt werden müsse. Auf jeden Fall solle am nächsten Sonntag ein bundesweites Treffen eingeladen werden, in dem entsprechend die Dinge noch einmal beraten werden. Die Notwendigkeit, sich nicht allein auf Mehrheitsentscheidungen zu stützen, sondern unbedingt einen Konsens herzustellen, wurde auch bereits vor der Abstimmung betont. Sie kam damit den anderen Vorstellungen entgegen. Auch dies wurde akzeptiert. Es wurde gleich festgelegt, daß das nächste bundesweite Treffen in Berlin an gleichem Orte von 12 bis 17 Uhr am 19.10.03 stattfindet. Die zeitliche Festlegung wurde damit begründet, daß damit die An- und Abreise aus anderen Regionen erleichtert wird. Auch für den 26.10. wurde ein solches Treffen festgelegt. Es kam zur konkreten Diskussion über die einzelnen Themen. Auf Wunsch von Astrid (SI), die nur begrenzt Zeit hatte, wurde die Thematik Finanzen vorgezogen. Sie sprach davon, daß die Darlegungen der Gruppe Neue Einheit in ihrem Statement vom 10.10. unberechtigt seien. Sie kündigte dazu ein Gegenstatement seitens der SI an. Das Konto der SI sei ein Zweckkonto, gebunden an ein Stichwort: "Sozialkahlschlag". Sie sprach davon, daß eine Prüfung durch zwei Kontrolleure, die schon feststehen, vorgenommen werden soll. Alle Beträge ohne Stichwort, die erkennbar für die Demonstration bestimmt seien, würden ebenfalls dem Stichwortkonto zugeordnet. Hartmut hingegen führte
aus: Es widerspricht der Neutralität, wenn das Konto zu einer Gruppe
gehört und die Gruppe so als einzige auf den Plakaten erscheint. Er
selbst habe, obwohl er sich viel mit politischen Fragen befaßt, bis
vor kurzem nicht gewußt, wer "Solidarität International" ist.
Manche könnten meinen, das sei eine Vereinigung, die speziell für diese
Demonstration da ist, und wenn sie später erfahren, daß es sich um eine
Organisation handelt, die der MLPD sehr nahe steht, dann könnte daraus
ein Gefühl entspringen, getäuscht worden zu sein. Darüber hinaus aber
ist es gänzlich unverständlich, warum kein separates Konto eingerichtet
wurde. (Dies wurde dann später mit knapper Zeit begründet. Es war aber
noch im September, als das getan wurde.) Es handelt sich bei dem Konto
obendrein um das auf dem Beitrittsformular der SI angegebene Konto für
Beiträge, das bei Daueraufträgen angegeben werden soll. Wie soll bei
einem solchen Konto Kontrolle möglich sein. Wenn Einsicht in dieses
Konto genommen wird, könnte man auch einsehen, wieviel Beitrag Mitglieder
der SI einzahlen. Dagegen könnten sich die Mitglieder zu Recht verwahren,
daß dies von einem Nicht-Mitglied eingesehen werden kann. Hier gibt
es einen Konflikt, der nicht vernünftig lösbar ist. Eine wirkliche Kontrolle
ist auf vernünftige Weise nicht möglich. Daß es sich um ein Beitragskonto
handelt, wurde bestritten. Durch Vorlage eines ausgedruckten elektronischen
Beitragsformulars von der Webseite der SI konnte der Fakt jedoch nachgewiesen
werden.[4] Offensichtlich kannten
die Mitglieder der SI diesen Sachverhalt selbst nicht. Sie sprachen
davon, daß hier vielleicht ein veraltetes Konto angegeben sei. Hartmut wandte noch
ein, daß es besser sei, wenn die Kassenprüfer nicht von vornherein benannt
seien. Zusätzlich sollten nach der Demonstration noch einmal zwei vorher
unbekannte Kassenprüfer bestimmt werden, die nachher die Finanzen prüfen.
Dies wäre ein zusätzlicher Schutz vor Manipulation. Jemand der Anwesenden
kommentierte dies so: Das sei schon Lenins Prinzip gewesen ‚Vertrauen
ist gut, aber Kontrolle ist besser’.
Hier gab es eine Fülle
von Vorschlägen. Es kristallisierte sich heraus, daß eine große Zahl
von Teilnehmern sich für eine geringere Zahl von Rednern aussprach.
Man redete meist von 3 oder 4 Rednern. Willi Hajek (berlin von unten)
hielt gleich zu Anfang einen Beitrag, auf den sich viele im weiteren
immer wieder bezogen: Von Sascha Kimpel kam der Vorschlag, man solle diejenigen 3 Redner, die nach seiner Ansicht nicht umstritten seien, feststellen, damit in der Pressearbeit damit gearbeitet werden könne. So wurden schließlich von mehreren die Redner unter 1., 2. und 4. genannt, da Rainer Roth auch von den Arbeitslosenverbänden als ihr Sprecher gewünscht wurde. Hartmut Dicke entgegnete,
daß er es für notwendig halte, wenn man schon von einem breiten Bündnis
spricht, die betriebliche Basis ganz anders zu Wort kommen zu lassen.
Wichtig sei, daß die Reden nicht so lang sind. Wenn mehrere Redner kurze
Reden halten, dann ist eine etwas größere Zahl nicht so schlimm. Die
betrieblichen Vertreter müßten bereits die Auswirkungen der Verschärfungen
in den Betrieben, die sich in den letzten Jahren und insbesondere in
den letzten eineinhalb Jahren seit der Hartz-Diskussion und den Hartz-Beschlüssen
ergeben haben, darlegen und welche Gefahren mit den Hartz-Konzeptionen
verbunden sind. Ihnen kommt eine wichtige Rolle als Gegengewicht gegenüber
den offiziellen Vertretern der Gewerkschaften und gegenüber Organisationen
wie Attac zu. Unter den möglichen Vertretern nannte er z.B. Markus D.,
der sich beim IG-Metall-Streik hervorgetan hat, oder auch Gerd Pfisterer,
“warum soll der dort nicht reden”. Auch Martin von der GAM unterstützte
den Vorschlag, betriebliche Redner zu Wort kommen zu lassen. Mehrfach
wurde die Möglichkeit einer Vorkundgebung oder Zwischenkundgebung diskutiert,
so daß auch die Möglichkeit von verschiedenen interessanten Beiträgen
für das Publikum geschaffen wird. Klaus D. hob als Gewerkschafter hierbei
noch mal die Notwendigkeit des Auftretens betrieblicher Vertreter hervor,
so daß von dort mehr als Protest organisiert werden kann. Auch Dieter
Ilius betonte, daß der Kampf nur von den Arbeitern der Großbetriebe
als der entscheidenden gesellschaftlichen Kraft entschieden werden kann.
Die Vertreter aus den Arbeitslosenvereinigungen und die Gruppe um Renate
Hürtgen und andere schienen sich für diese Redner wenig zu interessieren.
Mit Vorschlägen, die Zahl der Redner auf sehr wenige zu begrenzen, blockten
sie diese Möglichkeit ab. 14/18.10.03 Hartmut Dicke "Erklärung
von Mitgliedern der bundesweiten Vorbereitungsgruppe [2] In Klammern gesetzter Text sind von uns hinzugesetzter Kommentar [3] Dieter Ilius hat wohl auch einen Antrag eingebracht, den er aber selbst zugunsten von dem Petras zurückzog. [4] Die Nummer des Beitragskontos wurde dann noch an dem Sonntag geändert.
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