Internet-Statement 2004-01
Die Verschlechterung des ursprünglichen Entwurfs
Die AK konnte die sehr unterschiedlichen politischen Konzeptionen nur zum Teil diskutieren und ging mit dem Auftrag an zwei Exponenten auseinander, einen vom Rhein-Main-Bündnis, einen von der MLPD, auf der Grundlage des Frankfurter Entwurfs einen Text zu erarbeiten. Dieser wurde am 18.12. vorgelegt und stellt leider eine deutliche Verschlechterung im Vergleich mit dem Entwurf des Rhein-Main-Bündnis dar. Es handelt sich nunmehr um einen durchaus problematischen Text. Und man wird damit schwerlich die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb gewinnen können. „Wir sehen keine Zukunft im internationalen Lohn- und Sozialdumping, sondern im internationalen Zusammenschluss und gemeinsamen Aktionen der Arbeitenden und Erwerbslosen, der Rentner/innen, der Schüler/innen und Studierenden.“ hieß es schon im Entwurf des Rhein-Main-Bündnisses, und zu diesem Anspruch konnte und kann man auch sagen: er weist in die richtige Richtung. Jetzt sind durch die Bearbeitung auch Punkte hineingesetzt worden, wo man sagen muß, dies steht dem entgegen. Wir wollen hier auf einige wichtige Punkte eingehen. I. „Oft war
zu hören ‚Wir sind das Volk!’“ Diese Reminiszenz der Bewegung von 1989 bringt willkürlich Probleme in den Aufruf, die den Kampf gegen die soziale Entrechtung belasten müssen. Ob dieser Satz tatsächlich auf der Demo vom 1.11. oft zu hören gewesen ist, kann man getrost in Frage stellen, die MLPD hat da wohl vor allem ihre eigenen Gruppen gehört. Die Bewegung von 1989 war zwar berechtigt insofern, als sie gegen ein nicht mehr erträgliches Regime ging, das den Bezug zur Wirklichkeit verloren hatte, trug aber auf der anderen Seite deutliche Merkmale der kapitalistischen und imperialistischen Subversion, und die Resultate dieser Bewegung sind entsprechend. Es ist doch der Umsturz von 1989 neben dem Umsturz in China Ende der 70er Jahre, die uns die heutige Situation beschert haben. Gerade der Umsturz von 1989, der die völlige Auflösung der SU unmittelbar einleitete und damit die seitherige Dominanz der USA und des kapitalistischen Systems insgesamt herbeiführte, hat doch genau die Verhältnisse geschaffen, die jetzt den Sozialkahlschlag bewirken. Wenn wir also die Losung nehmen, die damals, vielfach in politischer Naivität, gerufen wurde und heute diese ernsten Resultate hat, dann könnten wir auch rufen: wir sind die Angeschmierten, wir haben immer noch nichts dazugelernt. Es ist die MLPD, die immer, ganz ähnlich wie auch die PDS, etwas Vergangenes hervorkramen muß, das politisch längst überwunden ist. So bringt sie diese Losung hier hinein. In den nächsten Absätzen werden die hauptsächlichen Angriffe benannt. Entsprechend dem ursprünglichen Entwurf bemühen sie sich vor allem klarzumachen, wie die Kürzungen bei den Sozialleistungen und die Politik der Lohnsenkungen zusammenhängen. Hier wurde jedoch im Ergebnis, in Zusammenarbeit mit der MLPD, ebenfalls an manchen Stellen der Text verschlechtert, und dabei handelt es sich nicht um Kleinigkeiten. Beispiele:
II. „Sozialabbau zielt auf Lohnabbau.“ „Sozialabbau – Voraussetzung für Lohnabbau“ hieß es ursprünglich. Sozialabbau zielt nicht nur auf Lohnabbau, sondern auch darauf, die Kosten für die Folgen der sozialen Zustände, die die Kapitalisten selbst geschaffen haben, abzubauen, er ist also auch ein Zweck für sich. „Sozialabbau – Voraussetzung für Lohnabbau“ war insofern richtiger, weil er tatsächlich eine Voraussetzung für Lohnabbau ist, aber er zielt nicht nur auf Lohnabbau. Die Absicht des ursprünglichen Entwurfs war doch, die Gemeinsamkeit der Interessen von Lohnabhängigen, der arbeitenden wie der arbeitslosen, und anderen, bspw. Beziehern von Sozialhilfe, zu verdeutlichen. Hier kommt es so heraus, als sei die Entrechtung der letzteren nur interessant für die Bewegung, weil damit das Lohngefüge angegriffen werde.
III. „Kürzungen
bei Arbeitslosen und bei Sozialhilfe bringen das Tarifsystem von unten
zum Einsturz“ Es hieß zuvor richtig: „Kürzungen bei Arbeitslosen und bei Sozialhilfe sollen das Tarifsystem von unten her zum Einsturz bringen“. Jetzt wird eine einfache Kausalität unterstellt, als ob mit den Kürzungen in den Sozialsystemen der Einsturz bereits gegeben sei. „Sollen“ ist jedoch richtig, weil das Tarifsystem nicht alleine durch diese Kürzungen zum Einsturz kommt, wenn überhaupt. Hier wird hoffentlich der Kampf der Arbeiter und Angestellten gegen die tariflichen Verschlechterungen eine wichtige Rolle spielen, und er muß von der Bewegung gegen Hartz und Agenda als Chance für eine wichtige Gegenbewegung verstanden und unterstützt werden. Die Sozialhilfebezieher wie auch andere haben selbst ein massives Interesse an erfolgreichen Tarifkämpfen.
IV. „Ausreichende Grundsicherung für alle Erwerbslosen - ohne Bedürftigkeitsprüfung!“ Die ursprüngliche Forderung hieß: „Ausreichendes Grundeinkommen für alle Erwerbslosen!“ und daran wurde diese Ergänzung „ohne Bedürftigkeitsprüfung“ hinzugefügt. Das schafft weitere Probleme für die Mehrheitsfähigkeit des Aufrufs unter Arbeitenden und Arbeitslosen, weil damit eine höchst problematische und umstrittene Vorstellung hereingenommen wird. Sollen wir hier etwa die Forderung erheben, daß jeder Geld bekommen soll, egal, ob er arbeiten will oder nicht? Unter den heutigen imperialistischen Wirtschaftsbeziehungen läuft diese Forderung konkret darauf hinaus, daß die Proletarier in der Dritten Welt umsomehr schuften müssen, damit einem Teil der hiesigen Bevölkerung ein solches Privileg gewährt wird, sozusagen ein Nebenprivileg neben den Privilegien der Reichen, z.B. nach dem Motto: „Faulheit nur für Reiche?“, wie es durchaus seitens gewisser Kreise schon gesagt wurde. Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung dürfte mit dieser Forderung zurecht große Probleme haben. Wozu diese Spalterei?
V. „Massiver
Ausbau der Sozialversicherungen auf Kosten der Profite“. „Massiver Ausbau der Sozialversicherungen“ – hieß es vorher. Wer meint, „auf Kosten der Profite“ hinzusetzen zu müssen, sollte sich einmal daran erinnern, daß es auch andere Quellen für die Finanzierung der Sozialversicherung gibt, die durchaus erschlossen werden können, z.B. die riesige staatliche Verschwendung, eine der Formen des imperialistischen Parasitismus. Wenn z.B. die Kanäle verstopft werden, aus denen ganze privilegierte Schichten sich ohne jede Gegenleistung aus der Staatskasse bedienen, Beispiel Berliner Bankgesellschaft, sind wir nicht dagegen. Auch gegen Einsparungen von bestimmten nicht mehr sinnvollen Subventionen sind wir nicht. Wenn man jedoch sagt: „... auf Kosten der Profite“, dann lenkt man die Aufmerksamkeit von diesem Unwesen fort und fordert, daß lediglich die Profite, die jetzt von Unternehmen gemacht werden, beschränkt werden. Es steckt im Grunde eine indirekte Förderung des staatlichen Parasitismus in dieser Formulierung.
VI. „ Wir lehnen es ab, diese Regierung als angeblich kleineres Übel zu schonen. Was diese gegen unseren Widerstand nicht durchsetzen kann, wird auch eine CDU/CSU-Regierung nicht schaffen." Natürlich hat diese Regierung den Sturz mehr als einmal verdient, und man kann nur hoffen, daß die Bewegung gegen die soziale Entrechtung so stark wird, daß Hartz, die Agenda 2010 etc. doch noch zunichte gemacht werden. Allerdings kann man die Frage: was kommt danach? keineswegs in dieser Weise verniedlichen. „Danach“ kommt sehr wahrscheinlich eine Regierung Union
+ Grüne bzw. Union + FDP, vielleicht auch eine Große Koalition (wahrscheinlich
mit Unionsdominanz). Ein solches Regime verspricht selbstverständlich
keine zurückhaltendere Gangart. Die soziale Entrechtung wird von ihm ebenfalls
vorangetrieben werden, man muß auch mit autoritärem Vorgehen gegen die
soziale Bewegung und eventuell die Gewerkschaften rechnen. Ob die Bewegung
sich dagegen zunächst einmal überhaupt behaupten kann, ist noch keineswegs
klar. Noch fraglicher ist es, ob sie die neue Regierung zur Streichung
der Sozialkahlschlagspläne zwingen kann, wie hier vollmundig angekündigt
wird. Denn die neue Regierung würde vom Kapital zunächst einmal den Auftrag
und den Kreditvorschuß haben und dürfte von daher zumindest in der ersten
Zeit deutlich stärker sein als die alte. Dieser Punkt im neuen Aufrufentwurf müßte eigentlich auch die Gegner des imperialistischen Krieges alarmieren. Und es wäre auch eine interessante Frage, warum die MLPD, aus deren Ideen der Passus stammt, diesen unbedingt hereinbringen will. Red. NE
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