Internet Statement 2004-41

 

Über einen Artikel und eine Auseinandersetzung mit Michael Opperskalski

Was für eine Kritik am Revisionismus und was für ein Versuch der Rechtfertigung der früheren Politik der DKP !

Zu Fragen der Politik der KP Chinas in den sechziger und siebziger Jahren


Bei den jetzigen Diskussionen, die von vielen Gruppen und Organisationen geführt werden, wie sie sich unter anderem in der Zeitung "Offensiv" widerspiegeln, konnte man lange Zeit beobachten, wie vor sehr   wichtigen Fragen der kommunistischen Bewegung Halt gemacht wurde. So wird die Auseinandersetzung über den Revisionismus mit der Kommunistischen Partei Chinas ausgelassen, obwohl die Kritik, die diese Partei zwischen 1956 und 1966 und fortgesetzt bis 1976 übte, einen besonders grundlegenden und vorausschauenden Charakter trug, der sich historisch bewahrheitete und in dem sich auch die Erfahrung dieser Partei aus vielen Jahren zunächst nicht-antagonistischer und dann antagonistischer Auseinandersetzung mit der KPdSU widerspiegelt. Mit dem Artikel von Michael Opperskalski "Wie weiter? - Einige Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung" lag eine gewisse Ausnahme vor, weil hier einmal ein Autor aus den Reihen der früheren DKP auf diese sie sehr berührenden Fragen eingeht. Michael Opperskalski ist ein Vertreter der Deutschen Kommunistischen Partei, der sich schon lange innerhalb dieser Partei mit grundsätzlichen Fragen der Bewegung  und auch mit der Auseinandersetzung mit anderen Parteien befaßt hat. Zum einen erweckte dieser Artikel schon durch seine Stellung ein gewisses Interesse. Zum anderen ergab sich eine Gelegenheit, direkt ein Streitgespräch über diese wesentlichen Fragen zu führen bei einem Vortrag des Autors mit ganz ähnlichen Inhalt am 12.Januar  in Berlin. Zum anderen wurde auch  über Perspektiven diskutiert. Dies berührte nicht nur die Geschichte der Auseinandersetzung mit dem Revisionismus, sondern es gab auch Anlaß, auf einen anderen Artikel von Michael Opperskalski und Frank Flegel, der sich mit der sog „Europäischen Antikapitalistischen Linken“ befaßt, einzugehen.[1]


I.
Welche Art von Kritik am Revisionismus?

Mit diesem Konzept der EAL versuchten verschiedene Organisationen, auch Teile aus der DKP, eine Partei zu schaffen, die gewissermaßen in die Lücke springt, die durch die offene liberale und rechte Entwicklung der SPD und der PDS, die an Glaubwürdigkeit verloren haben, entstanden ist. Es handelt sich im Grunde mehr oder minder um das Vorhaben der Gründung einer neuen sozialdemokratischen Partei, und zwar von Kräften, die eigentlich bisher einen revolutionären Anspruch getragen haben. Mit dabei sind verschiedene trotzkistische Organisationen wie Linksruck und SAV.

In dem genannten Artikel wird sehr richtig einiges aufgezeigt, was es mit diesem Ansatz einer EAL auf sich hat. Hier wird im Grunde eine neue bürgerlich-revisionistische Partei geschaffen. Aber was an diesem Papier zu kritisieren war: wo ist die selbstkritische Reflexion der DKP in ihrer eigenen früheren langjährigen Rolle? Heute kritisieren zum Glück eine Reihe von Vertretern der DKP den XX. Parteitag der KPdSU und überhaupt den offenkundigen revisionistischen Zerfall der Sowjetunion und des früheren sozialistischen Lagers, die zur Auflösung und Vernichtung eben derselben führten. Man kann  aber nicht übersehen, welche Rolle der Revisionismus innerhalb Europas und in der Welt spielte. Nehmen wir unsere eigenen Erfahrungen. Die Erfahrung war, daß, wer immer Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre den Revisionismus kritisierte, er sofort schon fast reflexartig in eine rechte Ecke gestellt wurde. Man durfte es noch nicht einmal wagen, diese Punkte anzuführen und Kritik an der revisionistischen Linie der KPdSU zu üben. Harpal Brar, dessen Ausführungen wir an verschiedenen Punkten deutlich widersprechen müssen, erläuterte auf einer Veranstaltung am 16. August 2002 in Berlin durchaus markant, wie auch er in den sechziger Jahren gleiches erlebt hatte.

Wenn man auch nur angesprochen hatte, daß damals bei Nikita Sergejewitsch Chruschtschow eine Linie vorlag, die auf eine Zusammenarbeit mit den USA gegen die internationale revolutionäre Bewegung hinauslief, die regelrecht eine atomare Komplizenschaft beinhaltete, ja, wenn man nur weniger kritisierte und den falschen generellen parlamentarischen Weg der KPdSU kritisierte, der mit den vorgenannten Punkten in engem Zusammenhang steht, dann wurde man in einer unglaublichen Weise diffamiert und isoliert. Es wurde ein Druck gegenüber der gesamten kommunistischen Bewegung ausgeübt, der auf die Isolierung einzelner Vertreter, die dies kritisierten, hinauslief. Allerdings war auch die DKP als späte Gründung seit 1968 an dieser damaligen Rolle beteiligt.

Wenn man also den Revisionismus in heutigen neuen Ansätzen kritisiert, kann und darf man den Revisionismus der damaligen Zeit nicht in seiner praktischen Bedeutung verniedlichen oder gar völlig leugnen. Man darf nicht verleugnen, was damals geschah und warum es geschah und muß dies untersuchen. Wir sind nicht der Ansicht, daß heute zwischen den marxistisch-leninistischen Kräften die Tür zugeschlagen werden soll mit dem Argument: ihr habt damals dies und das vertreten. Im Gegenteil, man sollte sich über die Dinge beraten. Wichtig aber bei aller Beratung ist das schonungslose Herangehen an alle Fragen, die Beendigung von jeder Form von Drückebergerei vor bestimmten historischen Fragen, denn das hat gerade unermeßlichen Schaden in der Auseinandersetzung mit dem modernen Revisionismus erzeugt.

Wenn Kurt Gossweiler einmal sagte, sie seien in der DDR immer um Schadensbegrenzung gegenüber der revisionistischen Linie bemüht gewesen, dann ist das gerade eine Verhaltensweise, die keinen fruchtbaren Kampf gegen eine solche hartnäckige falsche Linie bewirken kann. Verschleiern von historischen Tatbeständen, einen Bogen um das herum machen, was in Wirklichkeit auf die Bewegung drückt, das führt genau dazu, daß die Umstände, die wir da umgehen, uns später niederwalzen. Nein, es macht nichts, wenn bestimmte ernsthafte und besonders fehlerhafte Dinge, ja sogar der zeitweilige Wechsel von Kommunisten auf die andere Seite, hier besprochen werden und Gegensätze dargelegt werden.

Als ich dies gegenüber Michael Opperskalski darlegte, meinte er hinterher, daß es ihm unangenehm sei, mit Leuten wie mir, also aus der sogenannten früheren "chinesischen Richtung" zu reden, weil man hier als konterrevolutionär abgestempelt werden würde. Dies aber hatte ich gar nicht getan.

Ich stellte dazu ausdrücklich klar, solche Erwiderung dient zur Abbiegung von Kritik. Nur in dem Sinne, daß die Widersprüche wirklich aufgedeckt und herausgearbeitet werden müssen, wollte ich dieses betont wissen. Man wird dann sehen, ob eine Bereitschaft existiert, den nackten Fakten ins Gesicht zu schauen. Genauso gehen wir übrigens daran, rechte Erscheinungen, sagen wir, in der marxistisch-leninistischen Bewegung aufzudecken und schonungslos ans Tageslicht zu ziehen. Das kann nur nützlich sein. In diesem Sinne können wir unbedingt von Marx und Engels lernen, die doch so gründlich und schonungslos ihr eigenes sozialistisches Umfeld analysierten, aber niemals beabsichtigten, einzelne Leute zu "vernichten" oder ihnen persönlich den Lebensweg abzuschneiden gedachten. Nein, sie gingen so vor, daß sie schonungslos die Inhalte kritisierten, nicht aber die Personen diffamierten.[2]

Es kam im Laufe dieses Abends zu einer heftigen Diskussion über Fragen der Auseinandersetzung  mit dem modernen Revisionismus, endlich! Im weiteren Verlaufe wurde über einige der Kernfragen, die die kommunistische Bewegung in den vergangenen Jahrzehnten bewegten, ausgiebiger gesprochen. Am Schluß des Abends herrschte einhellig die Stimmung, daß diese Diskussion weitergeführt geführt muß. Hoffentlich bleibt es dabei, denn es ist natürlich kein Zufall, daß diese Diskussion solange umgangen wurde, es gibt starke Kräfte im Lager des Revisionismus und beim Kapital selbst, die diese wichtige Schlüsseldiskussion unterbinden wollen und müssen.


II.
Wie aber werden die Themen berührt

In dem Artikel "Wie weiter? Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung" macht Michael Opperskalski aus seiner Sicht eine Bestandsaufnahme dessen, was heute vorliegt. Es gibt einige Ansätze darin, die einmal nicht jene genannten Fragen umgehen, die wir deshalb weiter verfolgen wollen. Es heißt darin zur Entwicklung der internationalen kommunistischen Bewegung:

"Krise und Niedergang der kommunistischen Weltbewegung sind – trotz mancher Ausnahmen (!) - eng verbunden mit der Rolle und Entwicklung des Revisionismus, der in den sozialistischen Ländern die Voraussetzung für die Konterrevolution schuf und in den kommunistischen Parteien zur Zersetzung ihrer politischen wie ideologischen Basis führte."

Das ist in Vielem richtig. Wir wollen dazu sagen, daß wir grundsätzlich meinen, daß eine Machtergreifung des Revisionismus die Machtergreifung der Bourgeoisie im Lande bedeutet. Festigt sich diese Macht, dann ist ein Seitenwechsel dieses Staates eingetreten. Ein solcher Prozeß kann sich natürlich auch hinziehen; es können sich noch weiter sozialistische Strukturen in einem Lande befinden, die Widerstand leisten; es kann ein längeres Hin und Her geben, das bestimmte revisionistische Usurpatoren einschränkt, aber in seinem Wesen muß dieser Prozeß als ein solcher gesehen werden. Die Konterrevolution ist also mit dem Revisionismus selbst eingeleitet und nicht erst dann, wenn der Revisionismus nach vielen Jahrzehnten zum völligen Zerfall führt und schließlich die Gesellschaft durch imperialistische Subversion gänzlich an die Interessen anderer Imperialisten, zum Beispiel die Interessen westlicher Imperialisten, angepaßt wird.

"Die chinesischen Genossen waren nicht bereit, den Orientierungen des XX. Parteitages zu folgen und begannen in den Jahren danach mit einer öffentlichen, marxistisch-leninistischen Polemik gegen dessen Beschlüsse. Dieser Positionierung folgte nur eine Minderheit in der kommunistischen Weltbewegung, die dann schließlich zum Teil auch bereit war, sich offen auf Seiten der chinesischen Genossen zu stellen und einen – in welcher Form auch immer vollzogenen – organisatorischen Bruch mit dem 'anderen Lager' zu vollziehen."

Dies ist eine Feststellung, der man weitgehend zustimmen kann. Allerdings darf man nicht vergessen, daß es auch eine Reihe großer Parteien gab, die die marxistisch-leninistische Position unterstützten. Allzuoft wird vergessen, daß es bis 1965 die Kommunistische Partei Indonesiens gab, die von einer gnadenlosen Konterrevolution niedergemacht wurde, hinter der die USA steckten. Diese boten schon damals alles auf, um dieser großen Partei den Weg zu versperren. Das fing an mit Provokateurmethoden und setzte sich mit der Anstachelung des Islamismus fort, und endete schließlich in der brutalen militärbürokratischen Diktatur Suhartos. Und bezüglich aller Länder muß man dabei betonen, was vorhin bereits zur Sprache kam: der außerordentliche Druck, der gegen alle diejenigen ausgeübt wurde, die versuchten, den Revisionismus zu kritisieren.

Gehen wir weiter :

"Waren auf Seiten des von Peking geführten 'Lagers' der kommunistischen Weltbewegung zu Beginn lediglich einige linkssektiererische 'Zungenschläge' zu vernehmen, so verstärken sich diese in den Folgejahren und wurden mit der Herausbildung des Maoismus als ideologischer Konzeption zum dominierenden ideologisch-politischen Faktor dieses 'Lagers'. Schließlich waren die Maoisten sogar bereit, sich auf Basis inzwischen durchgesetzter theoretischer Konzeptionen wie 'Sozialfaschismustheorie', 'Drei-Welten-Theorie' etc. auf Seiten des US-Imperialismus in ihren Kampf gegen die 'sowjetischen Sozialimperialisten' zu stellen, was die offene Unterstützung konterrevolutionärer Kräfte mit einschloss. Jeder mögliche Widerstand gegen diese Entwicklung wurde in der KP Chinas im Zuge der so genannten 'Kulturrevolution' zerschlagen. Bis heute fehlt in der KP Chinas eine marxistisch-leninistische Analyse dieser Phase ihrer Entwicklung sowie ihre umfassende Aufarbeitung und im Gefolge dessen ist die chinesische Partei bisher nicht auf konsequent antirevisionistische, marxistisch-leninistische Positionen zurückgekehrt. Im Gegenteil, nach dem Abbruch der von Mao vertretenen ideologischen Konzeption des Maoismus ist eine Entwicklung klassisch revisionistischer Positionen in der KP Chinas zu beobachten."

Hier werden über verschiedene Perioden kurzerhand einige Thesen hingeworfen. Nichts wird konkret behandelt, man setzt sich nicht mit der Polemik [3] und ihren grundlegenden Kommentaren  auseinander. Diese Behauptungen sind falsch und sie werden auch nicht begründet. Wahr ist, daß der moderne Revisionismus selbst konterrevolutionären Charakter trägt.

Auf die Frage, was für linkssektiererische Zungenschläge das denn gewesen seien, wurde erwidert, das müsse noch ausgearbeitet werden, das wisse man noch nicht. Nun warten wir darauf, wie zum Beispiel die letzten Kommentare, etwa der neunte Kommentar der Großen Polemik, der das letzte große Dokument dieser Folge ist, bewertet wird und wo dort die linkssektiererischen Zungenschläge liegen sollen. Das bedarf in der Tat des Beweises. Wir meinen, daß das anders betrachtet werden muß und daß alle diejenigen, die hier leichtfertig über die Kulturrevolution urteilen, sich andere Punkte vor Augen halten müssen.


III.
Über die Rolle der KP Chinas

Die KP Chinas hat unter der Führung Mao Zedongs drei revolutionäre Kriege geführt: den ersten Bürgerkrieg bis 1937, den komplizierten antijapanischen Krieg im Bündnis mit Tschiang Kaischek und mit der gleichzeitigen Abwehr seiner Versuche, die Kommunisten zu erdrücken, schließlich den zweiten großen Bürgerkrieg (1945-49), in dem zur Überraschung Vieler die KP Chinas unter Führung Mao Zedongs sich als eine wahre Riesenkraft erwies, die den von westlichen Imperialisten unterstützten Tschiang Kaischek, der jede Art von Waffen in großen Mengen bekam, vom Festland vertrieb, so daß er sich nur noch hinter den Kriegsschiffen der USA auf der Insel Taiwan verbergen konnte. Diese letzte Revolution insbesondere wurde von der KPChinas aus eigener Kraft betrieben, sie hatte allerdings insofern die Unterstützung der Sowjetunion, als diese 1945 in der letzten Phase des antijapanischen Krieges die verschanzte über eine Million Mann starke Armee der Japaner aus dem nördlichen China, der Provinz Heilungkiang (Mandschurei) herausschlug und darüber hinaus als allgemeine Kraft die proletarische Revolution stärkte.

Die KP Chinas, die sich aufgrund der objektiven Bedingungen auf die Bauern als massenmäßige Hauptkraft und auf ein prozentual gesehen relativ kleines Proletariat im eigenen Land stützen mußte, stützte sich international gesehen natürlich auch auf die führende sowjetische Kraft. Wenn diese führende Kraft einen Wechsel in ihrer grundlegenden Politik in Richtung Revisionismus vollzog, dann bedarf es keines Kommentars, daß dies auch die revolutionären Kräfte in China selbst enorm schwächen mußte.

Mao Zedong hatte es von 1956 ab mit massiven Versuchen zu tun, ihn wie andere Revolutionäre aus der konkreten leitenden Tätigkeit der KP Chinas zu verdrängen, eine bürgerliche revisionistische Politik auch in China durchzusetzen, entweder auf schleichendem Pfad oder offen, und es bedurfte aller Kraft der Revolutionäre, die Basis des Revisionismus in China, die dort genauso existierte wie in anderen sozialistischen Ländern, zu zerschlagen. Aufgrund dessen, daß Mao Zedong über viele Jahrzehnte den revolutionären Krieg in China angeführt hatte und ein außerordentliches Gewicht in der Revolution hatte, ebenso wie die politische Führerschaft, die ihn umgab, konnten sie große Potenzen in die Waagschale werfen und schließlich den Revisionismus im eigenen Lande besiegen.

Vollkommen zu recht und mit großer Souveränität versuchte die KP Chinas zunächst einmal die KPdSU auf den richtigen Weg zurück zu bringen. Die ersten Dokumente "Über die historischen Erfahrungen der Diktatur des Proletariats" [4] von 1956 sind völlig von diesen Versuchen geprägt. Auch die Bemühungen um einen Kompromiß bei den großen internationalen Kongressen 1957 in Moskau und 1960 in Bukarest waren von diesem Bestreben geprägt. Dies muß auch angeführt werden, weil gewisse Kräfte, wie z. B. die KPD/ML (Roter Morgen) nach ihrer 180-Grad-Wende [5] 1977/78 nach dem Tode Mao Zedongs versuchten gerade dieses notwendige Suchen nach einem Kompromiß in dieser Zeit  für die  verleumderische Behauptung zu nutzen, die KP Chinas hätte nicht konsequent gegen den Chruschtschow-Revisionismus gekämpft. Dies stand in einer engen Verbindung mit der Rolle der PA Albaniens, die in völligem Bruch zu ihren vorherigen Bekundungen ebenfalls einen massiven Angriff gegen die KP Chinas der Epoche Mao Zedong begannen, sobald dieser verstorben war und ein Wechsel in China andere Bedingungen geschaffen hatte. Sie versuchten dort, wo sie die bedeutenden Beiträge der KP Chinas nicht leugnen konnten, diese als etwas hinzustellen, was die KP Chinas nur vordergründig gemacht habe, während sie in Wirklichkeit angeblich eine andere Politik verfolgt habe. Diese und ähnliche idealistisch-obskure Erklärungen machten nicht die Praxis der KP Chinas zum Maßstab der Bewertung ihrer Politik. Diese von Verrat geprägten Angriffe, die das damalige Bemühen der KP Chinas um Einheit der kommunistischen Bewegung schmähten, müssen ebenfalls zurückgewiesen werden. Dies muß hier als Nebenbemerkung angefügt werden.

Die Beschuldigungen, die Kommunistische Partei Chinas habe den sowjetischen Revisionismus nur zögerlich kritisiert, müssen zurückgewiesen werden. Man mußte Kompromisse eingehen im Versuch, eine Spaltung der kommunistischen Bewegung mit allen Konsequenzen, die daraus folgten, zu vermeiden. Und erst dann, als es sich erwies, daß es nicht möglich war, daß der Chruschtschow-Revisionismus hartnäckig immer weiter seinen revisionistischen Kurs verfolgte, erst dann mußte man die Auseinandersetzung, die ja vom Revisionismus selbst vom Zaune gebrochen wurde, aufnehmen.

Es ist festzuhalten, daß die Artikel aus der sogenannten "Kleinen Polemik" [6] von 1962 bis 1963, die sich mit Positionen kommunistischer Parteien befassen, mit denen Genossen Togliattis etwa, mit den Positionen Browders, mit den Positionen der tschechoslowakischen kommunistischen Partei unter Antonin Novotny und mit seinen Verleumdungen gegenüber dem Marxismus-Leninismus, daß all diese Kommentare den Marxismus-Leninismus in der damaligen Zeit verfochten und daß sie auch schon sehr weitgehend die Kritik der Positionen des modernen Revisionismus, etwa in der Atomfrage oder in der Frage der Anerkennung der Bedeutung des revolutionären Krieges, entwickelten. Diese Kritik wurde in der "Großen Polemik", mit dem "Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung" vom 14. Juni 1963 und mit den darauf folgenden Kommentaren bis zum Herbst 1964 noch einmal kompakt und zusammenfassend dargelegt. Nicht alle Fragen konnten geklärt werden. Die Stalinfrage wurde zwar in einigen wesentlichen Fragen angerissen, aber es war klar, daß es hier noch historische Fragen gibt, die der genaueren Untersuchung bedürfen. In anderen Fragen, etwa der Frage von Krieg und Frieden, der Frage der Stellung zum neuen Kolonialismus, der Frage der Politik der sogenannten "sozialistischen Marktwirtschaft" konnte die KP Chinas eine sehr profunde und weitgehende Kritik üben. Unserer Ansicht nach muß gerade dieses von der internationalen kommunistischen Bewegung anerkannt werden. Wenn Parteien an dieser Stellung der Polemik eine Kritik haben, dann sollen sie dies vortragen. Es ist das gute Recht einer jeden Partei, fehlerhafte Stellungen zu analysieren und möglichst im Detail und mit Belegen in ihrer Verkehrtheit zu enthüllen.

Dies tat die KPdSU damals jedenfalls nicht. Sie ging einen Kurs massiver Verleumdung der Kommunistischen Partei Chinas und gegenüber allen, die diesen Kurs unterstützten. An der Seite der KP Chinas übte auch die Partei der Arbeit Albaniens (PAA) Kritik am modernen Revisionismus, wenn auch keineswegs so weitgehend und umfassend wie die KP Chinas, die dies viel weitergehend in der historischen Dimension etwa in Zusammenhang mit der Kritik an dem Browderismus, den Atomfragen und anderen tat. Die Verleumdungen gegenüber der KP Chinas kannten in der damaligen Zeit keine Grenzen. Gemeinschaftlich mit verschiedenen Kräften im Westen wurden Geschichten verbreitet wie, daß Mao Zedong den Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA provozieren wolle, um China als Vormacht zu kreieren, daß er den "Untergang des Weißen Mannes" heraufbeschwören wolle u. ä., was eine Form der ideologischen Diversion und Verhetzung ist, die in keiner Weise der tatsächlichen praktischen oder theoretischen Bedeutung dieser Politik entsprach. Derlei Hetze ist immer gegenüber revolutionären Kräften ausgeübt worden. Man malt die Revolutionäre als etwas ganz Finsteres, ganz Schwarzes und ganz Furchtbares aus, um sich in Wirklichkeit der Notwendigkeit von materiellen und rationalen Argumenten zu entziehen.

Mit der Enthüllung des modernen Revisionismus durch die Große Polemik war dieser Kampf aber noch nicht entschieden und nicht zu Ende. Mao Zedong war sich darüber im Klaren, daß die Triebkräfte für den modernen Revisionismus auch im eigenen Lande aktiv waren und daß nur dann, wenn der Klassenkampf in der sozialistischen Periode in China selbst durchgeführt wurde, erfolgreich zumindest eine Zeit lang die revisionistische Usurpation verhindert werden konnte. Wie immer in der konkreten Herausentwicklung einer politischen Strategie ist dies zunächst einmal als abstrakte Wahrheit vorhanden, herausgeschält aus der Praxis der vorherigen Epoche. Auch in China gab es eine Masse Bürokratismus, revisionistische Kräfte, die nur mit halber Überzeugung den revolutionären Krieg, insbesondere  von 1946 bis 1949, mitgemacht hatten und eigentlich eher die Kapitulation gepredigt hätten.

Es gab viele Bürgerliche, die im Laufe der siegreichen Revolution die Seite gewechselt hatten und sich nun auf der Seite der Volksdemokratie und des Sozialismus befanden. Alle diese waren ein Potential, an das die Revisionisten anknüpfen konnten und versuchen konnten, auch in China einen Umsturz herbeizuführen. Solche Bestrebungen kamen nicht nur im offenen modern-revisionistischen Gewand daher, sondern auch in Form von "ultralinken" Auftrittsweisen, die letztlich aber auch auf eine Kapitulation gegenüber dem sowjetischen Revisionismus und dem USA-Imperialismus hinauslaufen sollten.

China fand sich eingezwängt von zwei dominanten Atommächten: Auf der einen Seite der USA-Imperialismus, der die Niederlage gegenüber der chinesischen Revolution in keiner Weise verkraftet hatte und darauf sann, den Umsturz von innen her zu bewerkstelligen. Zehntausende ehemaliger Tschiang-Leute standen auf dem Festland mit Sicherheit noch zur Verfügung, wenn nicht Hunderttausende oder Millionen. Man setzte darauf, daß man vielleicht einen Umsturz hätte herbeiführen können, wenn man diese Kontakte wieder aktivierte. Und wenn dann noch die modernen Revisionisten, die auch mit den US-Imperialisten paktierten und zum Teil mit ihnen konkurrierten, die ebenfalls über zahlreiche Kontakte verfügten und auf einen Umsturz hinarbeiteten,  von der anderen Seite her China unter Druck setzten, dann brauchte man schon eine revolutionäre Strategie, um einen solchen Umsturz zu verhindern.


IV.
Über die Kulturrevolution

In der Großen Proletarischen Kulturrevolution kam es, daß die neue im volksdemokratischen und sozialistischen China erzogene Generation ihre Ansprüche an Sozialismus und tatsächlichen sozialistischen Aufbau, wie er etwa in der Sowjetunion in der Subotnikbewegung schon ein Vorbild hatte, anmeldete und gegenüber so Manchem in Opposition ging, der sich einer bürgerlichen Lebensweise annäherte innerhalb des Sozialismus und somit einen Boden für den Revisionismus bildete. Die Kulturrevolution ist nichts anderes als der Ausbruch dieser Bewegung gegenüber den Revisionisten im eigenen Land, die vor allem von der Jugend, von der kommunistischen Jugend wohlgemerkt, getragen wurde, und es war eine Stunde äußerster Entscheidung, daß Mao Zedong wie andere im revolutionären China diese Opposition unterstützten und sie alsbald als eine Massenbewegung gegen das revisionistische Lager begriffen. Daraus entwickelte sich die Kulturrevolution.

Die Kulturrevolution selbst ist eine Sache, die sich in mehrere Etappen teilt und die man nicht mit einem Begriff einfach abtun kann, wie etwa "ultralinks", "Drei Welten Theorie" o.ä. In der ersten Etappe von 1966 bis 1969 wurde die „klassische“ revisionistische Position, die mit Vertretern wie Liu Schao-tschi, Deng Xiaoping und anderen präsent war, angegriffen. Dabei kam es allerdings auch zu "ultralinken" Überspitzungen in dem riesigen Land an vielen Punkten, zu chaotischen Situationen in bestimmten Provinzen. Das bringt nun einmal Revolution mit sich.

Es kam zu Überspitzungen, die uns heute als albern erscheinen können, zu einem auf die Spitze getriebenen Personenkult, der, wie sich noch herausstellen sollte, selber zum Teil zum politischen Vorgehen "ultralinker" Kräfte gehörte, die darauf setzten, die Revolution von der anderen Seite her anzugreifen. Man muß aber dabei berücksichtigen, daß China zum damaligen Zeitpunkt schon dreißig Jahre unter der Führung Mao Zedongs stand, gewaltige Siege errungen hatte, wie es sie in seiner ganzen Geschichte noch nicht kannte, sich auf der internationalen Ebene durchgesetzt hatte. China hatte  ein neues Leben begonnen  und von daher hatte die Anerkennung für Mao Zedong bei der überwiegenden Mehrheit in China vom einfachen Bauern, von den Bewohnern abgelegener Gebiete bis hin zur städtischen Bevölkerung ein außerordentliches Maß erreicht. Das gilt erst recht für die Jugend, die innerhalb dieser Gesellschaft groß geworden war und dies anerkannte. Sie war von wirklichem sozialistischen Bestreben erfüllt. Wenn in einer solchen Bewegung allerhand Einseitigkeiten auftauchen, dann dürfen wir uns darüber nicht wundern in einem solchen Land. Bei den unterschiedlichsten dort vorhandenen Bedingungen und Lebenswegen muß das Suchen und Erstreben des Sozialismus auch zu vielen Ungereimtheiten führen. Leute die vor dem Chaos warnten, die davon reden, man wolle den Sozialismus, sprich den Klassenkampf „planvoll“ gestalten, alles in Ruhe und Ordnung halten, die kann man nur auslachen oder unter Umständen auch aus der Partei werfen. Sie haben zum mindesten von Revolution keine Ahnung.

Viel wichtiger ist ja, was wirklich konkret damit erreicht wurde. Nachdem Liu Schao-tschi gestürzt worden war, spitzte sich der Kampf weiter zu. Man mußte auch nach den Erfahrungen mit der Intervention der Sowjetunion in der Tschechoslowakei von Befürchtungen ausgehen, die Sowjetunion könne sich ihre eigene Nordflankenlage gegenüber China zunutze machen und bei einem Umsturz im Inneren eventuell eine militärische Okkupation wichtiger Schlüsselstellungen versuchen, eventuell in Absprache mit den USA.  Niemand kann mehr  unter den heutigen Bedingungen bestreiten, daß China zurecht so etwas argwöhnte. Wenn eine revisionistische Kraft einen revolutionären Staat erdrosseln will und dies nicht nur mit ökonomischen, sondern auch mit militärischen Mitteln, dann ist es nur recht und billig, durch eine Politik der Neutralisierung bestimmter Gegner eben solch eine Macht zu isolieren. Und gerade darauf lief etwa seit 1971 die Politik der KP Chinas hinaus.

Natürlich verfolgten auch die USA die Entwicklung des Gegensatzes aus ihrer Warte, ganz sicher mit der Zielsetzung, Öl in den Konflikt zu gießen, ihn zusätzlich zu verschärfen, mit beiden Parteien umzugehen und sie ihrer Kontrolle zu unterwerfen. 1972 fuhr Nixon nicht nur nach China, sondern auch nach Moskau, um sich über die Sache dort „abzusprechen“.

Man mußte gewisse Überspitzungen der Kulturrevolution bekämpfen, weil sie sonst zur Destruierung des ganzen Landes beigetragen hätten. Die zweite Hälfte der Kulturrevolution war von Versuchen geprägt, den Marxismus-Leninismus durch Studium von wichtigen Grundlagentexten weiter in die Bevölkerung hineinzutragen, denn er war im Grunde nur einer winzigen Minderheit bekannt.

Es heißt nun bei Michael Opperskalski:

"Schließlich waren die Maoisten sogar bereit, sich auf Basis inzwischen durchgesetzter theoretischer Konzeptionen wie 'Sozialfaschismustheorie', 'Drei-Welten-Theorie' etc. auf Seiten des US-Imperialismus in ihren Kampf gegen die 'sowjetischen Sozialimperialisten' zu stellen, was die offene Unterstützung konterrevolutionärer Kräfte mit einschloss."

Dies muß allerdings entschieden zurückgewiesen werden.  Auf Seiten des US-Imperialismus im Sinne von Parteinahme für dessen internationalen Hegemonismus, so wie es bei Chruschtschow der Fall war, hat China bis 1976 nie gestanden. Das muß einmal klar gesagt werden. Die Politik lief darauf hinaus, die US-Imperialisten zu neutralisieren und sie für den Fall eines gezielten Umsturzes und Angriffes von Seiten der revisionistischen Sowjetunion aus dem Kampf heraus zu halten. Die Möglichkeit zu einer solchen Politik bestand dadurch, daß der US-Imperialismus in diesen Jahren einige Niederlagen erlitt und von daher bereit war - allerdings auch nur zeitweilig und selbstverständlich mit Hintergedanken - auf die unmittelbare Erpressung gegenüber China zu verzichten. Sie setzten ihrerseits auf den Umsturz in China.

Die Rechten in China, wie Deng Xiaoping, machten sich übrigens diese damalige Lage zunutze. Sie boten der KP Chinas nach ihrem Sturz in Zeiten der Kulturrevolution an, loyal im Sinne dieser neuen Politik zu arbeiten und z.B. auf diplomatischer Ebene wie auch bei der konkreten Leitung der Produktion in der KP Chinas zu arbeiten. Deng Xiaoping zum Beispiel hat sowohl die Resultate des  IX. Parteitages als auch erst recht die des X. Parteitages anerkannt und war bereit, sich unter diesen neuen Bedingungen der KP Chinas zur Verfügung zu stellen. Auch wenn manche argwöhnten, er könnte das vielleicht für  Umsturzbestrebungen nutzen, mußte die KP Chinas unter den damaligen Bedingungen versuchen, die maximale Einheit zusammenfassend, auch diese Kräfte wieder in die revolutionäre Politik zu integrieren.

Es wird zum Beispiel von einer sogenannten "Drei-Welten-Theorie" zu Zeiten des revolutionären China gesprochen, als wenn diese eine für sich stehende Theorie sei. Eine solche "Drei-Welten-Theorie" gibt es überhaupt nicht. Es gibt sie genauso wenig, wie es z.B. in der revolutionären Politik eine "Reformtheorie" gibt. Bei Reformen gilt immer, welches Verhältnis sie zum Klassenkampf einnehmen, auf welcher Grundlage sie stehen. Wenn man in der Diplomatie versucht, die beiden hegemonialen Hauptmächte, die auch beide die atomaren Hauptmächte sind, zu isolieren und dabei verschiedenste Kräfte zusammenzufassen, die ein Zwischenfeld zwischen der Revolution und diesen hauptsächlichen internationalen Gegenkräften darstellen, um damit eben den revolutionären Vormarsch und alle internationalen Entwicklungen, die der weiteren Entwicklung und Ausbreitung der Revolution förderlich sind, weiter zu unterstützen, dann ist das etwas anderes, als wenn man, wie Deng Xiaoping nach dem Umsturz, im Inneren des  Landes die Revolution erdrosselt und mit der sogenannten "Drei-Welten-Theorie" eine Grundlage für eine chauvinistische Hegemonialstrategie Chinas schaffen will.

Eine "Drei-Welten-Theorie", die vom Klassenkampf abgelöst wird, die nur noch für sich steht, die als Grundlage der Strategie genommen wird, ist konterrevolutionären Charakters. Eine Zwischenzonen-Theorie aber, ebenso wie ein Drei-Welten-Schema, das dazu dient, bestimmte Kräfte zu isolieren, ist unter bestimmten konkreten Bedingungen durchaus diskutierenswert und berechtigt.

Alle Marxisten-Leninisten, die den modernen Revisionismus kritisierten, haben diesen Unterschied seinerzeit anerkannt, auch die Partei der Arbeit Albaniens, und trotzdem war es so, daß gerade das Schlagwort "Drei-Welten-Theorie" nach dem Tode Mao Zedongs benutzt wurde, um seine Politik auf das Schlimmste anzuschwärzen. Die Außenpolitik der Volksrepublik China von 1971 bis 1976 läßt sich aber gerade durch die Abwehr des aggressiven modernen Revisionismus erklären. Deshalb müssen die Leute, die heute solche Urteile fällen, erst einmal darauf eingehen, welche Stellung die sowjetischen Revisionisten eigentlich zur Kommunistischen Partei Chinas hatten und wie sie die revolutionären Befreiungskriege Chinas bis 1949 beurteilten. Es erschienen zahlreiche Schriften, in der Sowjetunion wie in der DDR, die auf das Massivste die gesamte Revolution in China seit 1935, seit Mao Zedong die Führung innehatte, verunglimpften und sie gerade in der Weise verleumdeten, wie etwa der Chruschtschowsche Bericht auf dem XX. Parteitag die Stalinsche  Epoche nur schwarz  malt. Es bedarf doch wohl keines Kommentars, daß dies die ideologische Vorbereitung war, die Erpressung und Rückeroberung Chinas und seine Eingliederung in den modernen Revisionismus vorzubereiten. Sich dagegen zu wehren ist nur rechtens.

Schließlich, was ist denn die "Sozialfaschismustheorie"? Gibt es das als einheitlichen Begriff, der alles abdeckt? Daß der Faschismus und die Sozialdemokratie zusammenhängen, ist eine Tatsache, die sich schon von Anbeginn der bewaffneten Unterdrückung der Revolution in Deutschland erwiesen hat. Noske  und rechte faschistische Elemente mit Hakenkreuz-Emblem am Stahlhelm marschierten schon Hand in Hand in der Konterrevolution von 1919, und sie taten es auch weiterhin. Und die Theorie, daß der Faschismus und die Sozialdemokratie gewissermaßen Geschwister seien, wurde doch von der Sowjetunion Anfang der zwanziger Jahre selbst entworfen. Aber etwas Anderes ist es natürlich, wenn z.B. der Nazifaschismus im Anrücken ist und als ein gefährliches, das gesamte Land umstürzendes konterrevolutionäres Trauma dem Lande droht, dann noch weiterhin an der Einschätzung der Sozialdemokratie als Hauptfeind festzuhalten. Es ist etwas anderes, dann noch weiterhin ohne Berücksichtigung anderer Faktoren pauschalisierend von Sozialfaschismus zu reden, obwohl die Notwendigkeit, die konterrevolutionäre antizivilisatorische Politik des Nazifaschismus zu verhindern, ein gegenteiliges Handeln gebot.

Das heißt, wir müssen auch in punkto Faschismus und Sozialdemokratie die Situation, wie sie konkret war, analysieren. Weder können die Verbindungen der Sozialdemokratie zum Faschismus geleugnet werden, noch darf durch eine pauschalisierte Theorie eine Politik gemacht werden, die alle bürgerlichen Kräfte zu einem einheitlichen gegnerischen Lager zusammentreibt. Das heißt, mit solchen pauschalen Begriffen wie "Sozialfaschismustheorie" als Vorwurf, um dann noch zu behaupten, die Volksrepublik China habe an der Seite der USA-Imperialisten gestanden, geht man gänzlich fehl und betreibt man keine wirkliche Untersuchung der Dinge.

Und jetzt gibt es noch einen ganz anderen wesentlichen Aspekt: Nach dem Tode Mao Zedongs und nach der Kulturrevolution ergriff bekanntlich Deng Xiaoping das Ruder in China, obwohl eine Zeit lang noch Hua Guofeng [7] formal der Vorsitzender der KP Chinas war. Welche Stellung wurde denn in der Zeit von 1976 bis 1979 eingenommen? Damals wurde die "Drei-Welten-Theorie" zur grundlegenden strategischen Linie der KP Chinas und  sogar der kommunistischen Bewegung erklärt, was auf die Liquidation derselben  hinauslief. Deng Xiaoping und seine Leute betrieben eine sogenannte "Anti-Moskau"-Politik, die auf ein ganz inniges  Bündnis mit den USA hinauslief. Aber das war nach der Kulturrevolution, nach dem Tode von Mao Zedong, nach dem Umsturz in China selbst.

Und mit genau demselben Deng Xiaoping ging, wie von unserer Organisation übrigens schon seit 1977 vorhergesagt, die Sowjetunion unter Leonid Breschnew, Andropow , Tschernenko und Gorbatschow später enge und freundschaftliche Beziehungen ein. Die DDR-Führung etwa unter Erich Honecker und seiner Umgebung griffen Mao Zedong auf das Heftigste an, aber Deng Xiaoping verteidigten sie in den Achtziger Jahren  fast bedingungslos, obwohl doch gerade dieser die "Anti-Moskau"-Politik betrieben hatte. Wir sehen daran, daß der moderne Revisionismus und diese Vertreter sehr wohl rigoros und voller Wut gegen die Kulturrevolution und gegen die Fortsetzung des Klassenkampfes in der sozialistischen Periode aufgetreten sind und sich umgekehrt nicht schämten, sich mit Leuten wie Deng Xiaoping, die im Grunde genommen eine antikommunistische Politik  gemacht hatten, auf das engste zu befreunden. Dies ist das flagrant Unehrliche an dem ganzen Verhalten, das verschwinden muß. Es muß hier wirklich analysiert werden, es muß hier wirklich mit konkreten Fakten über die einzelnen Episoden gearbeitet werden, und nur dadurch kommt man zu einem geschlossenen Urteil. Es steht jedem frei, etwa diese Punkte, die wir hier anführen, durch konkrete Gegenbeispiele zu widerlegen, aber man kann hier nicht  pauschale Urteile fällen wie diese, auch wenn es nur als Thesen gemeint ist. Wir wollen diese Thesen hier aufgreifen, gerade weil sie verbreitet sind und weil wir sie insofern hier durch einen Gegenbeitrag in Frage stellen wollen.

Wenn man erklärt, daß die Theorie vom sowjetischen Sozialimperialismus gewissermaßen mit der Unterstützung konterrevolutionärer Kräfte gleichzieht, dann stellt man sich schützend vor den modernen Revisionismus. Bereits der moderne Revisionismus eines Chruschtschow 1962, der auf die engste Anlehnung an und die Zusammenarbeit mit dem USA-Imperialismus hinauslief, der so weit ging, gemeinschaftlich mit den USA allen revolutionären Kräften zu drohen, sie sollten nur keinen Atomkrieg vom Zaune brechen, wenn sie nur irgendwo Revolution machen, war Konterrevolution und mußte entschieden beantwortet werden. Auch die Chruschtschowsche Politik enthielt bereits sozialimperialistische Elemente, auch wenn das von der chinesischen Politik zu diesem Zeitpunkt noch nicht in vollem Umfange angegriffen wurde, weil man immer sehr vorsichtig vorging. Zum späteren Zeitpunkt der Jahre 1968 bis 1972 war es allemal berechtigt, diese Vorwürfe zu erheben, und das wurde von der überwiegenden Mehrheit auf der Welt auch so gesehen.

Und es gibt viele Menschen aus der früheren DDR, die genau wissen, wie stark der sowjetische Einfluß war, der auch viele positive ökonomische Ansätze in der DDR erdrückt hat. Dies ist auch eine Seite des Sozialimperialismus, wenn das auch von der DDR niemals in dieser Form ausgesprochen wurde. Über die Gründe dafür muß man vielleicht noch einmal reden. Aber  Hegemonismus und Bevormundung sind Begriffe, die durchaus von vielen Menschen, die ergeben für den Sozialismus in der DDR gearbeitet haben, verstanden werden, und sie wissen, welche Rolle das bei der Zerstörung gespielt hat.


Zur Kritik an der Kulturrevolution ist noch zu sagen, daß es nicht gelang, tiefer auf die Probleme der kommunistischen Bewegung etwa in Europa einzugehen, obwohl diese eine wichtige Kettengliedrolle in der Entwicklung einnehmen. Auf die Probleme etwa der Niederlage gegenüber dem Nazifaschimus einzugehen, war zu Recht ein Gegenstand, der in der marxistisch-leninistischen Bewegung diskutiert wurde. Wir brauchten neue Impulse nicht nur in der damaligen „Dritten Welt“ sondern auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Vielleicht war man in China dazu nicht imstande, diese politischen Fragen auf internationaler Ebene zu beraten, oder es wurde von gewissen rechten Führern sabotiert. Was immer es auch sei, es ist ein Mangel, daß die Kritikbewegung in der weiteren Kulturrevolution sich faktisch nur auf innere chinesische Faktoren bezogen hat. Man versuchte mit der Kritik an Lin Biao und Konfuzius die chinesischen reaktionären Traditionen von innen her anzugreifen. Aber es wäre notwendig gewesen, auch auf die internationalen Fragen in viel tiefergehender Weise einzugehen. Dies wäre zum Beispiel eine Kritik, die wir an der Kommunistischen Partei Chinas in der fortgesetzten Periode der Kulturrevolution hätten. Schließlich wurde die KP Chinas unter Mao Zedong entscheidend dadurch geschwächt, daß verräterische Organisationen wie die sog. KPD/ML(Roter Morgen) oder die KPD/AO, die im Grunde nur eine Tünche von Marxismus-Leninismus auf ihren Parteien hatten, oder der sog. KBW mit ganz offen rechten Ambitionen, sich zwischen originäre Revolutionäre in Europa und die KP Chinas schoben, mit dem Mittel, sich Anerkennung zu erschleichen, um dann, wenn die Farbe gewechselt wird, umso wütender auf die KP Chinas einzuschlagen, wie wir das erlebt haben.

Es ist ein wertvoller Bestandteil des Beitrags von Michael Opperskalski, dass er auch die Zusammenlegung wissenschaftlicher Potenzen der marxistisch-leninistischen Parteien fordert. In der Tat kann man sich nicht mit dem einmal gewonnenen Urteil zufrieden geben. Das gilt auch für uns selbst. Wenn wir auch vehement unsere Position verteidigen, weil wir sie immerhin im Laufe von vielen Jahrzehnten erprobt haben und auch immer an den einzelnen Schritten selbst geprüft haben, so sind wir doch bereit, auch zu überprüfen, ob sich an diesen oder jenen Punkten nicht wesentliche strategische Dinge ergeben, die auch einzelne Punkte in Frage stellen.

Die Politik der Sowjetunion selbst, schon seit Lenin, konnte nicht perfekt sein. Parteien wie die russische Sozialdemokratie, aus der die Bolschewiki hervorgingen, hatten auch ihre Merkmale und Beschränktheiten, die sie auf die Revolution übertrugen. Es ist ganz im Leninschen Sinne, zu sehen, daß eine kritische Rückschau  der Arbeitsbedingungen und der Entwicklung einer Partei notwendig ist. Die ganze marxistisch-leninistische Bewegung und die Revolution, von der Oktoberrevolution angefangen mit allen nachkommenden Revolutionen einschließlich der KP Chinas, weisen selbstverständlich auch einige historische Schwächen auf. Die KP Chinas unter Mao Zedong hat allenfalls Ansätze zur Überwindung derselben geliefert, es sind in Wirklichkeit weitere Untersuchungen notwendig. Die Fortführung der Revolution erfordert eben auch, daß wir die Theorie mit den heutigen wissenschaftlichen Maßstäben weiterentwickeln. Die Niederlage in Europa von Seiten der kommunistischen Bewegung ist bis zum heutigen Tage nicht richtig aufgearbeitet. Man kann sie zwar allgemein begreifen, wie wir das an früherer Stelle schon festgestellt haben, daß sie gewissermaßen die Verlagerung der Revolution nach Osten hin, nach China, Vietnam, Korea hin, markiert, aber das ist nur ihre historische Stellung, die wir damit analysieren. Man kann nicht von einer zwangsläufigen Entwicklung ausgehen, die unter jeden Umständen zur Niederlage gegenüber dem Faschismus hätte führen müssen. Hier gibt es Vieles zu untersuchen, etwa die Politik der Komintern, die keineswegs in allen Beziehungen richtig war.

Die chinesische Revolution weist ohne Zweifel eine Reihe von Beschränkungen auf. Die Besonderheiten der Analyse der chinesischen Gesellschaft haben wir etwa in den marxistisch-leninistischen Ausführungen Mao Zedongs kaum berücksichtigt gesehen, aber es ist unzweifelhaft, daß selbstverständlich die in China sich über Jahrtausende entwickelnde Kultur auch ihre eigenen Ausprägungen im Denken der Menschen mit sich bringt. Wirklicher Internationalismus heißt, auch dies wissenschaftlich gegenseitig zu erschließen. Wenn zum Beispiel die Chinesen die Europäer kritisieren und die Europäer die Chinesen, dann ist ohne Zweifel ein weiterer wichtiger Fortschritt gegeben.

In der Tat ist es notwendig, daß die chinesische Rechte kritisiert wird. Die chinesische Revolution nahm im Zuge der Entwicklung von 1948 an den Charakter einer breitesten Volksrevolution an,  indem sie verschiedenste Kräfte auf der Seite der Revolution integrierte und somit den Sieg über Tschiang-kaischek und die USA unvermeidlich machte. Da China sich nicht bürgerlich entwickeln konnte, ist es gewissermaßen logisch, daß bürgerliche Vertreter in China selbst auf die sozialistische Revolution setzten, um sie später umzustürzen, egal ob sie dies bewußt oder unbewußt taten. Es wird deswegen durchaus möglich sein, daß auch in der Zeit vor 1976 in diesem oder jenem einzelnen Punkt, etwa in der Außenpolitik, Dinge vorgekommen sind, die nicht richtig waren. Es wird zum Beispiel immer wieder der Fall Angola angeführt. Hierzu müßten wir einmal die verschiedenen Positionen, die die KP Chinas damals inne hatte, und die konkrete Lage Afrikas untersuchen, und dann kann man das näher bestimmen in einer gemeinschaftlichen Diskussion, wie das damals war, und vielleicht auch nicht gleich zur Einigung kommen, aber man kann diese verschiedenen Punkte abstecken. Man muß auf jeden Fall berücksichtigen, daß es auch chinesische Rechte gab, die in dieser oder jener Frage sich einmischen konnten. Und es wäre doch fatal, wenn Leute, die im Grunde genommen lange Zeit mit diesen chinesischen Rechten gut leben konnten, ja die bis vor kurzem diese chinesischen Rechten noch als die Vertreter des einzigen sozialistischen Staates verteidigt haben, nun wegen eines einzelnen Punktes, Angola, versuchen, die gesamte vorherige Politik, die vor 1976 stattgefunden hat, zu verunglimpfen. Das kann schon vom ganzen Prinzip her nicht richtig sein. Man muß bei der Beurteilung solcher Vorgänge wie der Kampagne gegen rechts 1956/57 in China oder dem Großen Sprung nach vorn oder der Polemik oder der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 die hauptsächlichen und wesentlichen Gesichtspunkte im Auge behalten und nicht die nebensächlichen. An nebensächlichen Gesichtspunkten kann man jede Revolution heruntermachen, selbstverständlich auch die sowjetische. Nichts anderes macht bürgerliche Propaganda am laufenden Band.


V.
Probleme des Aufbaus

Zu den Tendenzen des Wiederaufbaus der internationalen kommunistischen Bewegung werden von Michael Opperskalski, etwa die portugiesische PCP, die belgische PTB oder die schwedische KPML(r), die griechische KKE hier als vorbildliche Parteien dargestellt, obwohl er gleich danach auch wieder starke Einschränkungen bezüglich dieser Parteien machen muß.
Dies ist auch grundsätzlich der falsche Weg. Wir meinen, daß die marxistisch-leninistischen Kräfte auf breiter Front eine wissenschaftliche und gemeinsame Diskussion beginnen müssen. In diese Richtung gehen unsere Initiativen. Unter der Voraussetzung, daß heute viele den modernen Revisionismus kritisieren wollen, sind dafür gute Voraussetzungen gegeben. Auch wenn über diesen oder jenen strategischen Zug der Sowjetunion oder des sozialistischen China keine Einheit besteht.

Von der italienischen Rifondazione [8] stellt Michael Opperskalski zum Beispiel dar, daß diese einen sehr wichtigen Ansatz darstellt für die seiner Ansicht nach neue Generation der kommunistischen Bewegung, und daß gleichzeitig trotzkistische Positionen und Funktionsträger darin vertreten sind.

Auch hier wieder kommt es nun, daß bestimmte Parteien, die in einem - wenn auch nur beschränkten - Zusammenhang mit der chinesischen Revolution zu sehen sind, hier gleich als konterrevolutionär bezeichnet werden. Unsere Organisation hat zum Beispiel mit der MLPD seit vielen Jahren harte Auseinandersetzungen und heftige Polemiken jedenfalls von unserer Seite geführt, wenn auch von der anderen Seite eher mit der Methode des Verschweigens gearbeitet wurde. Diese Partei hat wirklich in vielem die Züge einer Sekte, von der Teile in gehässigster Weise über uns hergefallen sind. Wir sind aber dagegen, daß diese Partei hier mit dem Begriff „konterrevolutionärer Maoismus“  abqualifiziert wird.
In mehrerer Hinsicht ist dies unberechtigt.
Es ist erstmal nicht zulässig, daß die Leute auf der einen Seite die wirklich konterrevolutionären Dinge der Diffamierung der revolutionären Linie durch die DKP und die ganze Frage der Gründung der DKP wie beschrieben außen vor lassen und gleichzeitig eine andere Partei, deren Fehler in so mancher Hinsicht der DKP sogar ähnlich waren, die von uns so manches Mal wegen des Revisionismus kritisiert wurde, gleich pauschal als konterrevolutionär qualifiziert wird. Es gibt bei der MLPD in der Tat Punkte, die eine ganz spezielle rechte Ausrichtung hatten, wie die immer wieder zu beobachtende Anbindung  an die Gewerkschaftsführung. Immer wieder ist diese Partei im Laufe ihrer Geschichte mit Angriffen gegen solche, die die Gewerkschaftsführung kritisierten, mit regelrechten Diffamierungen, wie zum Beispiel, wir wollten alle Funktionsträger der Gewerkschaften als konterrevolutionär abtun, hervorgetreten. Andererseits steht sie besonders ablehnend zur DDR in ihrer gesamten Geschichte, was wohl die rundherum ablehnende Haltung der DKP verursacht.
Dies ist kein gangbarer Weg. Bei der MLPD muß beachtet werden, daß sie immer noch auch die Partei ist, die wahrscheinlich die meisten  Leute in den Betrieben hat. Unsere Organisation hat eine sehr deutliche Kritik immer wieder an dem KAB(ML) und der späteren MLPD geübt. Bei aller Kritik, die man an Dickhut, dem Begründer der MLPD, üben muß,  muß hervorgehoben werden, daß er als ein früherer Kaderleiter der KPD in NRW ein außerordentliches Gewicht auf die Errichtung von Betriebsgruppen gelegt hat und darin einen Großteil seiner Arbeit investiert hat. Wir können jedenfalls auf gar keinen Fall mit einer Pauschalverurteilung Teile der Bewegung von vornherein aus der Diskussion ausschließen. Das gilt, obwohl maßgebliche Führer gerade dieser Organisation bemüht waren, uns aus der Diskussion auszuschließen. Man sollte das ganz spezifisch kritisieren. Mit der Titulierung „Maoismus“ ausgerechnet gegenüber der MLPD mit ihren Eigenheiten soll zugleich Mao Zedong angegriffen werden.
Das Gleiche gilt auch für die in unseren Augen scharf zu kritisierenden Parteien der sog. „Revolutionary International Movement“ (RIM). Mit ihrer engen Anlehnung an den Sendero Luminoso [9] hat dieses Parteienbündnis einen Weg eingeschlagen, der sie fast selbst an den Rand der Zerschlagung gebracht hätte. Ohne Zweifel gibt es hier trotzkistische Einflüsse, die zumal mit der chinesischen Revolution in keinerlei Einklang stehen. Einer der führenden Ideologen dieser ganzen Gruppierung, der amerikanische Revolutionär Bob Avakian, schrieb 1981 eine Schrift [10], die wohl als eine Anklage gegen den Marxismus-Leninismus in der nationalen Frage zu verstehen war. Er listete faktisch alles auf, was die Marxisten-Leninisten im Laufe der Jahre in punkto nationale Frage getrieben haben, angefangen von der Zusammenarbeit der Sowjetunion mit Deutschland der Weimarer Republik bis hin zu Marx’ und Engels’ Erwähnungen und Unterstützungen gerechter Kämpfe von Nationen, bis hin zu kritischen Anmerkungen an der ganzen leninistischen Stellung zur nationalen Frage. Trotzdem sind wir dagegen, daß diese Genossen etwa aus der internationalen Diskussion ausgeschlossen werden.

Man muß beachten daß es bei all diesen Kräften materielle Klassenkräfte als Grundlage gibt. Zum Beispiel bei der MPLD ist auffällig, daß sie die Theorie der Arbeiteraristokratie, wie sie von Lenin formuliert wurde, niemals wirklich akzeptiert hat. Sie war lange Zeit  –noch früher unter der Bezeichnung KABD- ausgesprochen auf die gehobenen Arbeiter ausgerichtet und hat den imperialistischen Einfluß der Korrumpierung auf diese Arbeiterklasse nicht anerkannt. Bei der amerikanischen Partei, die maßgeblich zur Gründung der RIM beigetragen hat, spielt zweifellos eine Rolle, daß es in den USA ein starkes pauperisiertes Proletariat in den Städten gibt, das von der  Kultur dieser imperialistischen Zentralen erheblich beeinflußt ist. Das schlägt sich in gewisser Weise in den Parteien nieder. Statt solche Urteile von wegen „konterrevolutionäre Kräfte“ zu fällen, sollte man lieber einmal auf die klassenmäßige Basis der einzelnen Parteien eingehen, die in Wahrheit die Färbungen ausmacht. Wenn wir so herangehen, kommen wir meiner Ansicht nach weiter.


Es hat auch keinen Zweck, dem Sendero Luminoso, dessen Politik man auf ganz anderen Gebieten kritisieren muß, vorzuwerfen, daß er mal einen Anschlag auf die kubanische Botschaft begangen haben soll. Man muß umgekehrt sehen, daß Kuba über Jahre hinweg den modernen Revisionismus in seinen schlimmsten Auswüchsen unterstützt hat. Es hat keinen Zweck, mit solchen Aufrechnungen anzutreten. Da wird es ganz andere Möglichkeiten geben, den Parteien des modernen Revisionismus verschiedenster Schattierungen vorzuhalten, was sie alles gemacht haben.

Weshalb werden nun solche Organisationen als „Maoisten“ qualifiziert? Die MLPD hat mit der Linie der KP Chinas unter Mao Zedong ganz entschiedene Differenzen. Die Behandlung der Frage der Arbeiteraristokratie und der Sozialdemokratie durch die MLPD(KABD) sind für die KP Chinas unter Mao Zedong überhaupt nicht typisch. Als die KP Chinas 1971 bis 1976 eine Abwehr des Einflusses des sowjetischen Revisionismus betrieb, und soweit ging ihn auch militärisch zu isolieren, war der KABD eine der wenigen Organisationen außerhalb der DKP, die durch Unmutsäußerungen dieser Politik widersprachen.
Diese Organisation hat allerdings seit ihren Anfangstagen zu den 17-Juni-Ereignissen in der DDR eine andere Stellung eingenommen. Sie teilten eher die Ansicht etwa des Schriftstellers Stefan Heym, der dies als „Arbeiteraufstand“ wertete und den konterrevolutionären Grundcharakter nicht wahrhaben will. Man sollte eine Organisation in ihren verschiedenen Bestandteilen analysieren, und nicht oberflächliche Pauschalurteile fällen. Allein dadurch, daß die MLPD das „Rote Buch“ von Mao Zedong herausgibt, und die Urheberrechte erworben hat, und gelegentlich (nur noch selten) die Politik Mao Zedongs verteidigt, läßt sich nichts beweisen.

Ein besonderes Kapitel bilden trotzkistische Organisationen. Etwas Ähnliches gilt auch für die Stellung zu solchen Parteien wie SAV oder Linksruck. Hier wird von Vielen in ihren Stellungnahmen auf den bürgerlichen Charakter hingewiesen. Man muß auch hier auf die Klassenbasis schauen. Ganz besonders Linksruck ist unzweideutig an der Sozialdemokratie orientiert, sieht seine Aufgabe darin, letztlich bei der SPD einen linken Ruck zu erzeugen. Aber wir müssen doch die starken kleinbürgerlichen Bewegungen sehen, den starken Anteil der staatlich und im Dienstleistungssektor Beschäftigten. Und gerade hier haben zum Beispiel der Linksruck und erst recht die SAV erheblichen Zulauf. Und eine Reihe von Vertretern arbeiten mit ziemlichen Engagement in dieser Partei. Beide Organisationen haben erheblichen Zulauf unter jüngeren Menschen. Es gibt hier viele Menschen, die wenn auch mit verschwommenen Vorstellungen, für den Sozialismus eintreten. Auch hier werden wir nach Möglichkeit einen Dialog entwickeln, was nicht heißt, daß wir nicht unmißverständlich Kritik üben werden.

Gleiches gilt erneut für die Arbeiterkommunistische Partei des Iran, die Michael Opperskalski ebenfalls als konterrevolutionär abtut. Es mag durchaus sein, daß der CIA sich massiv mit der Unterwanderung dieser im Grunde halb liberalen, halb marxistischen Partei befaßt. Man darf jedoch nicht vergessen, daß gerade diese Partei als einzige wohl den Theokratismus in aller Schärfe kritisiert hat, während andere Parteien wie die sog. Tudeh-Partei seinerzeit den theokratischen Umsturz begrüßt hat und sich deshalb Verbrechen schuldig gemacht hat, für die sie selbst und viele kommunistische Organisationen blutig bezahlt haben. Logischerweise versucht der USA-Imperialismus, wenn er versucht, (in seinem Sinne) den Iran „demokratisch“ umzugestalten, sich dieser Partei wie auch anderer Parteien zu bedienen. Gerade deshalb ist mit scharfen Auseinandersetzungen in dieser Partei zu rechnen. Der USA-Imperialismus muß gerade wegen des Aufbegehrens gegen die Theokratie versuchen, in der gesamten Opposition mit allen Mitteln Fuß zu fassen.

Man muß anfangen, die Dinge in ihrer Vielseitigkeit zu betrachten, erstens die marxistisch-leninistischen Kräfte versuchen zu vereinigen und zweitens auch noch weitere Kräfte in die Auseinandersetzung (auch) um Fragen der kommunistischen Bewegung einzubeziehen, und dann auch in der Praxis sowohl Einheit in Aktionen und gleichzeitig auch Kritik zu praktizieren, und damit die vielen Menschen, die sich hier für den Sozialismus engagieren wollen, von den flachen Dingen wegzubringen. Die Ausführungen von Michael Opperskalski aber laufen darauf hinaus,  mit einseitig pauschalen Urteilen den Weg für die Einheit zu vermauern, während gleichzeitig der eigene Revisionismus nicht kritisiert wird.

Diese iranische Partei ist in der Tat keine marxistisch-leninistische Partei. Aber wenn man mit diesen Leuten redet, wenn man ihre Vorwürfe, die sie sowohl gegenüber dem Leninismus als auch gegenüber dem Trotzkismus, sowohl gegen die Lehren Stalins  als auch gegenüber den Mao-Zedong-Ideen erheben, und ihre liberalen Anschauungen einer Kritik unterzieht, lassen sich auch hier sicherlich Zugänge zu Kommunisten erreichen.

Wir arbeiten vor allen Dingen daran, den proletarischen internationalistischen Charakter, der namentlich durch den modernen Revisionismus, vor allem durch den modernen Revisionismus der KPdSU durch gewisse Varianten von Sozialchauvinismus entstellt worden ist, wiederherzustellen. Die Tatsache, daß sich eine Partei quasi zur „Vaterpartei“ erklärt, ist mit dem Marxismus grundsätzlich nicht vereinbar. Proletarischer Internationalismus erfordert, daß alle Parteien, egal welche Macht und welche Größe sie haben, sich grundsätzlich dem Diktat des Gesamtinteresses des internationalen Proletariats unterordnen. Von dieser Basis aus muß mit allen anderen Kräften diskutiert werden, müssen die einzelnen Probleme der nationalen Frage eines bestimmten Landes, der nationalen Ausprägungen oder der nationalen Probleme eines bestimmten Proletariats berücksichtigt werden. Die Vorhutfunktion damit zu verwechseln, daß bestimmte Kräfte eine Hegemonialfunktion innerhalb der kommunistischen Bewegung haben, stellt eine völlige Entstellung der grundsätzlichen Theorie dar.

Wenn es heißt: „Anerkennung der historischen Rolle der sozialistischen Länder, insbesondere der Sowjetunion sowie deren unverzichtbaren Wert für die internationale kommunistische Bewegung“, so können wir das unterschreiben. Gerade wir haben ja das immer verteidigt. Aber dazu gehört neben der Kritik an Fehlentwicklungen, die sich bei so einem großen Kampf auch einstellen,  erst recht die Kritik am modernen Revisionismus und die vernichtende Kritik an dem modernen Revisionismus und seiner über dreißigjährigen Praxis in der Sowjetunion.

Hartmut Dicke

Frühjahr 2004

 

Im Internet veröffentlicht am 26.07.2004             


[1]   Michael Opperskalski: "Wie weiter? - Einige Thesen zur Situation der kommunistischen Bewegung", Zeitschrift Offensiv 6/2003, Seite 13 ff  --- Frank Flegel/Michael Opperskalski: "Die Europäische Antikapitalistische Linke (EAL) und die DKP", Zeitschrift Offensiv 13/2003

[2] Das gilt übrigens auch für die Auseinandersetzung mit Bakunin, bzgl. der  Marx oft unterstellt wurde, er habe eine Vernichtungskritik geführt. Die Dinge, die unter Bakunins Leitung entstanden waren, waren so horrende, daß das scharf kritisiert werden mußte. Wenn Kräfte mit dem Zarismus paktierten, wie es bei Bakunin und seinem Umfeld der Fall war, dann mußte dies auch schonungslos benannt werden. Man kann Marx nicht den Vorwurf machen, daß er hier eine vernichtende Kritik geübt hat. Die objektiven Umstände zwangen ihn dazu, und er hat eigentlich nicht einem einzigen Absatz die Dinge persönlich überzogen. Marx mußte bei der Darstellung auch auf die zaristischen Hintergründe eingehen, die sich Umfeld Bakunins auftaten. Nur im Falle sehr direkter Beweise haben Marx und Engels einzelne Personen der Verbindung mit der Reaktion geziehen, etwa in dem Fall des Karl Vogt.

[3] ,Polemik’: „Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung- Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas auf den Brief des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 30.März 1963“ - Dazu erschienen neun grundlegende Kommentare bis Juli 1964. Der letzte unter dem Titel „Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt.“. Das Ganze wird meist kurz als „Polemik“ bezeichnet, es ist die wichtigste und bedeutendste Abrechnung mit dem modernen Revisionismus aus dieser Zeit.

[4] „Über die historischen Erfahrungen der Diktatur des Proletariats“, „Mehr über die historischen Erfahrungen der Diktatur des Proletariats“,(engl.) Peking 1956

[5] Die KPD/ML(Roter Morgen), die von unserer Organisation von 1970 an heftig kritisiert wurde unter anderem wegen ihres provokanten Auftretens, schützte sich über Jahre hinweg vor der Kritik mit einem starken Bestreben, von der KP Chinas die sog. offizielle Anerkennung zu bekommen. Diese Anerkennung erhielt sie jedoch nicht. Im Jahre 1975 wurde sie von dem damaligen Mitglied des Politbüros Yao Wen Yüan unter maßgeblicher Beteiligung der Abteilung für internationale Verbindungen des ZK der KP Chinas nach China eingeladen. Unsere Organisation agierte stark gegen dieses Bestreben, da sie die nur fassadenhafte Annahme einiger richtiger Grundpositionen sah, hinter der sich die Möglichkeit von massiven Verrat verbarg. Sie kritisierte die Förderung des „Roten Morgen“.
Ab 1977, kaum daß in China der Umsturz im Gange war, ging der „Rote Morgen“ im Zusammenhang mit der PA Albaniens konfrontal gegen die gesamte chinesische Revolution vor, verleumdete die gesamte Entwicklung seit 1935 als „Maoismus“, aus den angeblichen hundertprozentigen Anhängern wurden  ebensolche hundertprozentige Gegner. Damit griffen sie auch grundlegend die Gründung der KPD/ML selbst an, da diese auf das engste mit dem Kampf der KP Chinas gegen den modernen Revisionismus und  mit der chinesischen proletarischen Kulturrevolution verbunden ist. Auch in der Tätigkeit des Roten Morgen von 1970 bis 1977 lag ein erhebliches Moment der Unterdrückung des revolutionären Marxismus und Leninismus.

[6]„Kleine Polemik“ - Sammlung von Aufsätzen aus der Presse, die sich mit dem modernen Revisionismus auseinandersetzen: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch gegen den gemeinsamen Feind!“, 1963 in China herausgegeben - Zur Stellung der KP Italiens, der KP der USA,  der KP der Tschechoslowakei u.a.

[7] Hua Guofeng: mit den Beschlüssen vom 7.April 1976 Erster Stellvertretender Vorsitzender  der KP Chinas. War nach den Beschlüssen an eine Politik der Fortführung der Kritik der Politik Deng Xiaopings wie auch der Distanzierung gegenüber der ebenfalls kritisierten ultralinken Abweichung gebunden. Er organisierte aber die Niederschlagung der sog. Viererbande, das heißt von vier führenden Mitgliedern Dschiang Tschun Tjiao, Wang Hong Wen, Djiang Djing und Yao Wen yüan, die teils eng mit der Kulturrevolution eng verbunden waren, teils auch wegen ultralinker Abweichung und fraktionistischer Abkapselung kritisiert worden waren. Unter dem Deckmantel des Vorgehens gegen sie wurden dann unter Verantwortung Huas entgegen der Beschlußlage der KP Chinas Deng Hsiao Ping  und seine Anhänger rasch und ohne Aufarbeitung der Fehler in ihre Ämter wiedereingesetzt und unter der Vortäuschung, man würde die Politik Mao Zedongs fortsetzen, der revisionistische Umsturz eingeleitet. Dieser wurde alsbald mit aller Radikalität gegen die Revolution in China durchgezogen und endete in der Restauration des Kapitalismus in China.

[8] Partito della Rifondazione Comunista, Partei der Wiedergründung der Kommunisten Italiens

[9] Sendero Luminoso, Kurzname der Partido Comunista del Peru, die zeitweilig den Beinamen „Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) des José Carlos Mariategui“ trug

[10] Bob Avakian, “Conquer the World - The International Proletariat Must and Will”, Revolution, Special Issue  50, Dec.1981

 

 

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