Internet Statement 2004-54

 

 

Den Neonazis wirksam entgegenarbeiten!

Das Wahlergebnis der NPD in Sachsen mit 9,3% wirft eine ganze Reihe ernster Fragen auf.

Die NPD hat ganz gezielt die negative soziale Entwicklung aufgegriffen und insbesondere die Empörung über die Angriffe von SPD, CDU, Grünen, FDP auf die Sozialversicherungssysteme (Hartz IV etc.) sowie die großen Unklarheiten bezüglich der eigentlichen Position der PDS genutzt. In Grenzregionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit und unter den jungen Wählern hat sie, wie es heißt, noch deutlich höhere Stimmenanteile gewinnen können als im Gesamtergebnis; allerdings haben sehr viel mehr Menschen mit Wahlenthaltung geantwortet als mit der Stimme für diese Partei. Mit ihren Losungen wie Ausländerhatz, EU-Austritt und sog. nationale Politik des Kapitals lenkt sie noch mehr von den Problemen ab als die bisherigen parlamentarischen Parteien und provoziert Auseinandersetzungen, die den Betroffenen in keiner Weise nützen werden.

Wer nach Mitteln und Wegen sucht, den Nazis wirksamer entgegenzutreten, kommt nicht darum herum, die gesamte Entwicklung etwas tiefer zu analysieren, die zur heutigen wirtschaftlichen und sozialen Misere geführt hat.

Ihre wichtigsten Ursachen wurden nicht erst nach der deutschen Einigung geschaffen, sondern reichen mehrere Jahrzehnte weit zurück. Schon 15 Jahre vor 1989 herrschte in der BRD eine Politik der Entindustrialisierung vor, die Massenarbeitslosigkeit von Millionen etablierte sich fest seit 1974 und stieg immer weiter, und nach der Angliederung der DDR wurde die Entindustrialisierung weitergeführt und sogar noch besonders rabiat auf den Osten angewandt. Heute heißt es immer, wir seien nun einmal den Gesetzen der Internationalisierung der Produktion unterworfen, da könne man nichts machen. Gemacht wurde aber sehr viel, was die Entwicklung noch enorm verschärft hat: man hat eine ganz bewußte Politik betrieben und betreibt sie noch weiter, um in Deutschland dem sozialen Druck der Massen zu entkommen, den die Widersprüche der kapitalistischen Industriegesellschaft erzeugen. Man betrieb bewußt die immer fortschreitende Verkleinerung der industriellen Basis des Landes, meist mit sog. Umweltschutzargumenten verbrämt, und im übrigen waren die Neonazis bei den entscheidenden Ökokampagnen immer feste dabei. Die andere Seite der Entwicklung war die zunehmende Erschließung internationaler Ausbeutungsmöglichkeiten auch für das deutsche Kapital. Mit den brutalen Verhältnissen in den größten Teilen der übrigen Welt, wo es immer mehr vorzieht, seine Investitionen zu tätigen, wurde die soziale Vernebelung hierzulande bezahlt.

Trotz der so unermeßlich wachsenden Belastung der Sozialversicherungen und des Staatshaushalts, so hieß es, blieben diese zahlungsfähig, die Menschen brauchten sich keine Sorgen zu machen. Jetzt wird der unvermeidliche Bankrott erklärt und die Menschen haben nicht nur Sorgen, sondern teilweise schon begründete Existenzangst. Jetzt spricht das Kapital eine andere Sprache, nicht mehr soziale Versprechungen, sondern ihre Aufkündigung sind angesagt, die Werktätigen in den verschiedenen Ländern werden mit billigen und immer billigeren Löhnen gegeneinander ausgespielt. Wenn man sich mit dem politischen Fußfassen der NPD wirklich auseinandersetzen will, müssen diese Fragen auf den Tisch, andernfalls wird man diese Richtung faktisch weiter fördern. Hier haben nicht nur die etablierten Parteien die Verantwortung, sondern auch die Gewerkschaften und die allermeisten Linken umgehen diese Fragen bis heute.

Es ist eine Tatsache, daß das Kapital, das den deutschen Werktätigen lange eine Vorzugsbehandlung versprochen und teilweise gewährt hat, seit längerem zunehmend besonders gerade auf ihnen, jedenfalls Teilen von ihnen, herumtrampelt. Die demografische Politik des deutschen Kapitals und seiner Parteien ist eine nationale Beleidigung. Es gibt eine nationale Frage innerhalb der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus. Wer jedoch vom Kapital etwas anderes erwartet als Spaltungspolitik, die sich längst auch massiv gegen die eigene Nation richtet, ist naiv oder will Illusionen in den Kapitalismus schüren. Die NPD hat hier überhaupt keine Antwort, sondern will nur verschärfte Spaltung.

Das deutsche Kapital spielt massiv die Werktätigen und Arbeitslosen in den Nachbarländern wie Polen und Tschechien gegen die in Deutschland aus, also kann die Antwort nur im Zusammenschluß mit ihnen bestehen. Nur wenn wir gemeinsam kämpfen, ergeben sich Chancen, dem sozialen Abstieg auf beiden Seiten etwas entgegenzusetzen. Die Schwierigkeiten dabei sind groß, aber wer ihnen aus dem Wege gehen will, macht es noch schlimmer. Mitbürgern, die die NPD-Demagogie nicht durchschauen, muß man konkret aufzeigen: die besondere Entrechtung ausländischer Arbeitnehmer, wie von der NPD gefordert, verschärft nur die Politik, die der Kapitalismus ohnehin betreibt. Daraus würde nicht mehr und bessere „Arbeit für Deutsche“ folgen, sondern das Kapital würde die Produktion noch mehr verlagern und in Deutschland noch mehr Illegale beschäftigen, weil sein oberstes Gesetz das der billigsten Arbeitskraft ist.
Das wäre auch überhaupt nicht anders, wenn Deutschland aus der EU austreten würde. Die wirtschaftliche und politische Lage Deutschlands würde sich zudem insgesamt massiv verschlechtern, wenn es sich derart von den anderen europäischen Völkern isolieren würde.

Der Internationalisierung der menschenverachtenden kapitalistischen Ausbeutung kann nur mit dem internationalen Zusammenschluß der Werktätigen und Arbeitslosen begegnet werden, fangen wir bei unseren polnischen und tschechischen Nachbarn damit an, und machen wir dabei in der Perspektive nicht Halt an der ukrainischen oder chinesischen Grenze. Die Gewerkschaften sind dabei besonders gefragt und müssen endlich Farbe bekennen. Fördern wir alle Möglichkeiten zum Zusammenschluß der europäischen Völker. Beginnen wir damit, gemeinsamen Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, gegen den Sozialkahlschlag und gegen die Produktionsverlagerungen mit den europäischen Nachbarn zusammen zu organisieren.

Walter Grobe   20.9.04

 

 

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