Internet Statement 2004-55


Zu den Ereignissen bei der Berliner Montagsdemonstration am 20.9.04


In Berlin ist es am Montag zu erheblichen Auseinandersetzungen und zu einem nach Berichten unangemessenen Einsatz der Polizei mit Übergriffen gegen Demonstranten gekommen. Darüber gibt es eine Fülle von Erklärungen, die die Gesamtheit der politischen Verantwortlichkeiten unter den verschiedenen beteiligten Gruppen als sehr undurchsichtig erscheinen lassen.

Einheitlich wird berichtet, daß es zu einem völlig unangemessenen und mit Schlägereien verbundenen Polizeieinsatz gegen Teilnehmer der von der MLPD initiierten Montagsdemonstration gekommen ist, der sich hinterher auch noch ausgeweitet hat. Im Hintergrund aber liegt die Auseinandersetzung zwischen den beiden verschiedenen Demonstrationsveranstaltern, was deshalb einer näheren Betrachtung bedarf.

Nach dem jetzigen Stand der Informationen versuchte die Alexanderplatz-Demonstration (MLPD und andere), wieder zu der Bündnisdemonstration, die vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor ging, zu gelangen, um sich an der Abschlußkundgebung dieser Demonstration zu beteiligen. Aus den Stellungnahmen der Organisatoren der Bündnisdemonstration geht hervor, daß diese nach einigen Erfahrungen die Beteiligung der MLPD an der Kundgebung mehr oder minder ablehnen. Es kommen recht unterschiedliche Verlautbarungen, die sich zum einen Teil gegen die willkürliche ständige Aufdrängelei der MLPD wehren, zum anderen aber auch antikommunistische und autonom-anarchistische Äußerungen beinhalten, die bei der Argumentation gegen die MLPD von ganz anderen Absichten geleitet werden als der Klärung der Frage der Gleichberechtigung auf der Demonstration.

Bezeichnend für das Verhalten der MLPD ist ihre immer wiederholte Forderung nach gleichberechtigter Teilnahme an der Demonstration. Daraufhin wurde einmal gefragt: was versteht ihr darunter? Antwort: 50 : 50 wollen wir. Darauf entstand mit Recht Aufregung in Anbetracht der vielen Gruppen und Bewegungen in Berlin, denen gegenüber das von der MLPD geführte Bündnis keinesfalls das Gewicht von 50% beanspruchen kann. Diese Forderung bedeutet praktisch, daß die MLPD dominieren will.

Seit Wochen brandmarken die Verantwortlichen der Alexanderplatz-Demonstration wie Dieter Ilius, aber auch die Organe der MLPD oder die „Rote-Fahne“-news die Veranstalter der anderen Demonstration als „Spalter“, generell als solche, die in Absprache mit der Regierung das Ende der Proteste wollen; sie gehen noch weiter und benennen sie als vermutlich direkte Betreiber von Polizeiüberfällen !! Solche Beschuldigungen bedürfen eines klaren Beweises. Niemand braucht sich solche Vorwürfe an den Kopf werfen zu lassen, ohne eine Reaktion zu zeigen. Es stellt sich aber noch eine andere Frage: warum geht die MLPD eigentlich immer wieder zu dieser Demonstration hin? Weshalb sagt sie dann nicht: diese Demonstration von „Spaltern“, „Regierungshelfern“ usf., wie sie das nennen, soll unter sich bleiben, und die MLPD und ihre wenigen Bundesgenossen machen eine Demonstration für sich? Aber das tut die MLPD nicht, und der MLPD-Block ist immer stärker zusammengeschmolzen. Diese Form von gleichzeitiger Denunziation und gleichzeitigem Anspruch, daß sie das zu dominieren haben, zeigt das z.T. dreiste Vorgehen, das dieser Partei anhaftet, was wir in anderem Zusammenhang hinlänglich kennen.

(Ver.di Berlin hat am heutigen Mittwoch erklärt, zukünftig montags nicht mehr mitdemonstrieren zu wollen, mit dem Grund der Auseinandersetzungen mit der MLPD. In Wirklichkeit bestätigt diese Haltung für den Teil von ver.di eher den Vorwurf der MLPD, bei der anderen Demonstration seien liquidatorische Absichten am Werke.)

Bei der jetzigen Auseinandersetzung ging es auch um die Frage, welcher Lautsprecherwagen auf die Abschlußkundgebnung darf, was konkret eigentlich nichts anderes als die Frage ist, wer dominant auf der Abschlußkundgebung mitwirken darf. Möglicherweise benutzt die Polizei oder einzelne Polizeieinheiten die Auseinandersetzung dazu, ihrerseits zu völlig unangemessener Gewalt, zu Repressionsmethoden gegen Demonstranten zu greifen. Man sieht daran auch, welche Gefahr in dieser Form der Auseinandersetzung und den Provokationen liegt.

Unsere Organisation hat bereits vor einigen Wochen klargemacht, daß sie jedenfalls ein Verhältnis mit bestimmten Vorbehalten zu den Montagsdemonstrationen hat, trotzdem ist uns natürlich daran gelegen, daß auch dieser Kampf gegen die soziale Entrechtung nicht durch solcherlei Vorfälle nach rückwärts gezogen wird. Die ständigen Spaltereien und Vorgehensweisen, die hier beschrieben worden sind, führen natürlich zur Entstehung von Angriffspunkten, von verwundbaren Stellen bei den Demonstrationen..

Auf der Vollversammlung des Berliner Bündnisses „Weg mit Hartz IV“ am letzten Dienstag verurteilten die meisten Redner den Polizeieinsatz. Der Vertreter der MLPD und der Alexanderplatz-Demonstration, Dieter Ilius, brachte eine Resolution zur Verurteilung des Polizeieinsatzes ein, aber er packte in diese Resolution quasi einen langen Aufsatz aus der „Rote Fahne“ mit hinein. Kein Wunder, daß das dort keine Unterstützung fand. Wenn versucht wird, mit einer Resolution zur Verurteilung des Polizeieinsatzes eine Anerkennung zumindest einer Reihe von programmatischen Punkten der MLPD innerhalb dieses Kampfes zu verkoppeln, muß dies ja zu Spaltungen führen.

Für den 2. 10. haben verschiedene Bündnisse, Attac, Montagsdemonstrationen und andere, zu einer bundesweiten Großdemonstration aufgerufen. Auch hier ist nicht erkennbar, daß irgendwelche klaren politischen Wege aufgezeigt werden, wie der Kampf weiterzuführen ist. Die MLPD kündigt ihrerseits einen Sternmarsch am 3. Oktober an, wo aber bisher nicht erkennbar ist, daß irgendwelche nennenswerten Kräfte außer dem engeren MLPD-Umfeld daran teilnehmen werden. Wenn die MLPD für sich demonstriert und faktisch ihr ganzes Potential am 3. 10. in Berlin konzentriert, wird dies trotzdem eine relativ kleine Demonstration. Diese Organisation läßt sich aber trotzdem nicht von ihren Plänen abbringen.

Bis jetzt ist es leider so, daß die ganze Bewegung nicht inhaltlich vorankommt und stattdessen der Hickhack und die Spaltereien der hier beschriebenen Kräfte die Energie und den Willen, die soziale Bewegung zu stärken, verzehren. Die gesamten Umstände der Spaltung müssen jetzt ans Licht gebracht werden.

       Red. NE
      - Zusammenfassung von Berichten
       22.09.04

 

Aktuelle Links zum Thema:

1. Erklärung von ver.di Berlin über den Ausstieg aus der Montagsdemonstration

http://www.verdi.de/0x0ac80f2b_0x00380e24;internal&action=verdi_show_gegliederte_seite.action#0

2. Pressemitteilung des Berliner Bündnis Montagsdemo gegen Agenda 2010 v. 21.09.04 - 20.00:

http://www.rf-news.de/rfnews/aktuell/Politik/article_html/News_Item.2004-09-21.4510

3.
Erklärung des Berliner Aktionsbündnisses "Weg mit Hartz IV" zu den Ereignissen am Rande der Montagsdemonstration vom 20.09.04

http://www.montagsdemoberlin.de./presse230904.htm

4. Indymedia - Bericht:

http://de.indymedia.org/2004/09/94245.shtml

 

 

www.neue-einheit.com