Internet Statement 2004-59

 

Wieder eine große Demonstration !

2.Oktober 2004            

Wieder hat eine große Demonstration gegen die Hartz-Gesetzgebung und die Agenda 2010 stattgefunden. Auf real 50 – 70.000 Menschen muß diese Demonstration geschätzt werden. Ein riesiger Demonstrationszug, in einem gewissen Sinne vergleichbar mit dem vom 1.11.2003, zog sich durch den Berliner Stadtteil Mitte. Entgegen vieler Erwartungen, die auf ein Abflauen der Demonstrationen gesetzt haben, hat sich erneut ein riesiges Protestpotential offenbart. Und das ist kein Wunder. Jeden Tag lernen Menschen im Konkreten die neue „soziale“ Gesetzgebung kennen und spüren, was dies bedeutet. Nicht nur die Aufrufe und die schriftliche Propaganda wirken, sondern die Realität selbst.

Im Vorfeld der Demonstrationen war zu erfahren, daß bei einer ganzen Reihe von Initiativen und Montagsdemonstrationsgruppen nur ein kleiner Teil ihrer bisherigen Teilnehmer sich für eine Fahrt zu dieser Demonstration entschieden hatten. Daran kann man sehen, was für ein noch viel größeres Potential an aktiven Gegnern dieser Gesetzgebungen existiert. Und der Widerstand wird weiter wachsen. Ein großer Teil der Menschen reagiert erst dann, wenn sie selbst von diesen Gesetzgebungen konkret erfahren oder sie in ihrem unmittelbaren Umfeld Bekanntschaft mit diesen neuen Maßnahmen machen. Tausendfältig waren die Sprüche auf den Plakaten zu lesen, die auf Initiative einzelner nach ihren eigenen Ideen zustande gekommen sind. Über die Politiker und ihre Raffgier, über die Rolle der Konzerne und der Manager usw. Vielmals mit einfachen moralischen Vorwürfen, aber unbedingt ernstgemeint. Auf einem Plakat hieß es z.B. „Freiheit bedeutet nicht die Befriedigung der eigenen Selbstsucht“.

Obwohl die Demonstration von Organisationen geführt wurde, die selbst nicht unbedingt konsequent am Kampf gegen Hartz IV festhalten, sondern sich noch nicht einmal sicher sind, ob sie sich mit der Regierung oder den anderen die Konzepte tragenden Parteien konfrontieren wollen, so hat doch der Einsatz der vielen Initiativen im Land gezeigt, welches Potential bei solch gemeinsamer Aktion aufbricht. Sie haben sich davon nicht abhalten lassen. Der große zahlenmäßige Erfolg gibt erneut den Organisatoren dieser Demonstration recht. In gewisser Weise entspricht das immer noch der gegenwärtigen Situation.

Diese Bewegung wird weitergehen, unabhängig davon, in welchen Formen von Demonstrationen und Aktionen sich diese durchsetzt. Natürlich kann es nicht bei Protesten bleiben, das wird auch immer mehr Menschen klar. Es muß ein ganz anderer Kampf her. Und das ist der Kampf derjenigen, die noch Arbeit haben in Gemeinschaft mit denjenigen, deren Arbeit bedroht ist oder die keine Arbeit mehr haben. Zu Recht wurde vom Podium festgestellt, daß allein mit Demonstrationen diese sog. Politik der Reformen nicht zu besiegen ist.

Was ist denn Harz IV und die Agenda 2010? Das ist die Politik des Kapitals nach Jahren sogenannter sozialer Politik, nachdem sie sich großgefressen und internationale Erwerbungen in großem Umfang getätigt haben, zu erklären: Wir haben uns jetzt ausgedehnt und viele neue Arbeitskräfte gewonnen. Ihr sollt jetzt auch arbeiten auf dem Lohnniveau von Osteuropa oder demnächst auch vielleicht von Asien.
Nach unten hin wollen sie egalisieren. Bei dem Kapital aber kann das auch gar nicht anders sein. Heute herrschen darüber noch Illusionen. Bei der Demonstration überwogen noch die Appelle, daß man zurückkehren solle zur alten sozialstaatlichen Ordnung, obgleich diese natürlich niemals wirklich sozialstaatlich war. Sie stützte sich doch schon immer auf internationale Ausbeutung.

Bei der heutigen Stufe der Proteste kann das noch nicht anders sein. Es werden weitere Demonstrationen stattfinden, und vor allen Dingen werden Demonstrationen stattfinden, die auch in Verbindung mit betrieblichen Aktionen kommen. Von daher lohnt sich der Aufwand, den die Organisatoren dieser Demonstration und die vielen einzelnen Helfer für ihr Zustandekommen geleistet haben, unbedingt. Und wir brauchen den internationalen Zusammenhang, ohne ihn kann der Kampf nicht dauerhaft bestehen.

Für uns und für alle marxistische Gruppen steht noch etwas anderes im Vordergrund: Wenn die Gegensätze wachsen werden, und wir infolgedessen größere Konflikte haben werden, dann wird es auch darauf ankommen, wirklich tragfähige Organisationen zu haben. Und davon sind wir noch weit entfernt. Alle Kraft muß darauf gesetzt werden, zu einheitlichen Organisationen, zu einer Partei, zu kommen. Die Demonstrationen selbst können weder die inhaltliche Auseinandersetzung um die dahinterliegenden sozialen Probleme, noch die Schaffung einer tragfähigen Organisierung ersetzen.

Der Erfolg dieser Demonstration spiegelt sich auch darin wieder, daß die Medien zunächst einmal versucht haben, die Größe der Demonstration vollkommen klein zu halten und zu verniedlichen, weil sie ihnen nicht paßt. Das aber ist kein schlechtes Zeichen. Der Widerstand bricht nicht ab, er wird sich vertiefen und aus den Faktoren, die im Lande selbst wirken, weiterentwickeln. Alles andere wäre auch verheerend.

Redaktion NE
-hd

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