Internet Statement 2004-66

 

Opel Bochum: Schwere Manipulationen auf der Belegschaftsversammlung vom 20. 10., um die Wiederaufnahme der Arbeit unter allen Umständen zu erreichen.

Während der jetzigen Geheimverhandlungen sind Wachsamkeit und Vorbereitung auf weitere Auseinandersetzungen dringend geboten

Bei Opel Bochum fand am Mittwoch, den 20.10., eine entscheidende Belegschaftsversammlung statt. Am Tag zuvor hatte der europaweite Aktionstag trotz erheblicher Behinderungen  für die Protestaktionen an vielen anderen Standorten eine Menge Solidarität und Ermutigung für die Bochumer Belegschaft zum Ausdruck gebracht. Die Kampfmaßnahmen dauerten nun schon sechs Tage an und hatten den Konzern durch europaweite Produktionsausfälle bereits in große Schwierigkeiten gebracht. Er verlangte vehement die Wiederaufnahme der Produktion und versuchte, auch die Führung der IG Metall dafür einzuspannen. Offenbar nicht ohne Erfolg.

Die Versammlung war von der Belegschaft gefordert worden, um die weiteren Schritte demokratisch zu beraten und zu beschließen. Dazu bekam sie zu ihrer Überraschung keinerlei Gelegenheit. Laut verschiedenen Berichten versammelten sich fast 6.500 Menschen, mehr als zwei Drittel der Gesamtbelegschaft, in der Bochumer Kongreßhalle, um festzustellen, daß außer dem Betriebsrats-Vorsitzenden Dietmar Hahn, dem stellv. Vorsitzenden Rainer Einenkel und dem IG Metall Verwaltungsstellenleiter Ludger Hinse, die das Podium bildeten, überhaupt niemand Rederecht hatte. Es waren keine Saalmikrofone aufgestellt. Vor dem Podium und sonst in der Halle war reichlich Werkschutz postiert. Nach kurzen Statements vom Podium hieß es bereits: Abstimmen! Der Skandal dieses Abstimmungszettels mit dem Wortlaut Soll der Betriebsrat die Verhandlungen weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden? Ja oder nein?" ist inzwischen durch eine Reihe von Berichten öffentlich bekannt geworden. Dies ist faktisch Erpressung, daß der Betriebsrat die Interessenvertretung für die Kollegen einstellt, wenn eine Mehrheit für die Weiterführung der Kampfmaßnahmen ist. Diese unsinnige Alternative führte unmittelbar zu Verwirrung und Unsicherheit in der Halle. Trotzdem hat ein gutes Viertel der Anwesenden das Nein angekreuzt und sich so jedenfalls gegen die Wiederaufnahme der Arbeit ausgesprochen.

Als ein Betriebsrat versuchte, aufs Podium zu gelangen, um zu widersprechen, wurde er daran gehindert. Die massive Anwesenheit von Werkschutz war eine Drohung für jeden einzelnen Kollegen oder auch kleinere Gruppen, die diesen Methoden widersprechen wollten. Unter  den genannten Bedingungen wäre ihnen erst einmal nichts übrig geblieben wäre, als den Ablauf zu stören, um den Versammelten zu zeigen, daß es Widerstand gibt, und so die Diskussion zu erzwingen. Sie mußten befürchten, von der Geschäftsleitung herausgepickt zu werden.

Es wird berichtet, daß dieser Abstimmungszettel nicht dem Beschluß des Betriebsrat-Kollegiums  entsprach und von einer kleinen Gruppe kurzerhand eigenmächtig in der beschriebenen Weise vorgelegt wurde. Der stellv. BR-Vorsitzende Einenkel wird zitiert: wozu Diskussion, die vergangenen 6 Tage hindurch war jeden Tag 24 Stunden lang Gelegenheit zur Diskussion. 

Diese Methoden auf der Belegschaftsversammlung zeigen auf ihre Weise, daß seitens der Geschäftsleitung und derjenigen, die im Betriebsrat und der lokalen IG Metall die Fäden in der Hand halten, eine Mehrheit für weitere Kampfmaßnahmen befürchtet wurde, sonst hätten sie nicht zu einer derart krassen Entmündigung und Einschüchterung der Belegschaft, zu einer solchen Abstimmungsfarce gegriffen.

Man kann nicht mit letzter Sicherheit sagen, daß bei normalem Ablauf der Belegschaftsversammlung, mit Reden pro und contra und Abstimmungen über die Alternativen, die Fortsetzung des Kampfes beschlossen worden wäre. Jedoch haben viele Kollegen geäußert, daß ihrer Meinung nach die Mehrheit eigentlich für die Fortsetzung war.

In jedem Fall war es erforderlich, daß 6500 Menschen nach 6 Tagen Kampf, dem europaweiten Aktionstag und nach klarer Kenntnisnahme der verschiedenen politischen Alternativen durch die Wortbeiträge der unterschiedlichsten Vertreter die Lage beurteilen und die entsprechende Entscheidung demokratisch fällen. Die hier gefällte Entscheidung  hat mit Demokratie nichts zu tun, für ihre Folgen tragen allein diejenigen die Verantwortung, die so verfahren sind. Es ist unmöglich zu behaupten, die große Mehrheit habe sich für den Abbruch der Kampfmaßnahmen entschieden, wenn jede Diskussion und Abstimmungsalternative unterbunden wurde.

Dieser empörende Vorgang ist nicht der erste seiner Art. Bekannt sind gerade auch aus der Vergangenheit des Ruhrgebiets mehrere entscheidende Abwürgungen von großen Arbeiterkämpfen unter ausschlaggebender Mitwirkung bestimmter leitender Kreise der Gewerkschaft, der SPD und natürlich der Medien. Der große Stahlarbeiterstreik 1978/79 wurde entgegen allem Kampfwillen und großen Opfern der großen Mehrheit der Arbeiter von der IG Metall-Führung abgewürgt. 1988 wurde gegen den durchaus chancenreichen Streik der Stahlarbeiter in Rheinhausen gegen die Vernichtung ihres Werkes mit Betrug und Erpressung vorgegangen seitens der maßgeblichen Betriebsräte, der IG Metall-Führung und der Landesregierung unter Rau. Es ist erst 16 Monate her, daß der Streik in der ostdeutschen Metallindustrie von der damaligen IG Metall-Führung unter Zwickel im Verein mit solchen Konzernbetriebsräten wie Franz von Opel und Klemm von DC handstreichartig, im Widerspruch zur wirklichen Lage und gestützt auf ein regelrechtes Geheul der Medien als angeblich verloren und beendet erklärt wurde.

Noch immer haben in der Geschichte der  Bundesrepublik die Gewerkschaftsspitzen, im Verein mit den Regierungen und gestützt auf bestimmte Kräfte in den Betrieben, große Kämpfe der Arbeiter und Angestellten abgebogen und sogar regelrecht abgebrochen, wenn die Konfrontation einen bestimmten Punkt zu überschreiten drohte, wenn die Kapitalseite von einer wirklichen Niederlage bedroht war. Das ist ein ganz gewichtiger Faktor in der gesamten Entwicklung, daß sich die Werktätigen heute immer größerem Druck des Kapitals, größerer Ausbeutung, ständig wachsenden Provokationen und der industriellen Aushöhlung des Landes ausgesetzt sehen. Die IG-Metall besteht aus vielen sehr unterschiedlichen Mitgliedern und Funktionsträgern, darunter eine Menge engagierter und selbstlos sich einsetzender Menschen, aber es kann nicht immer weiter übersehen werden, daß sie ebenso wie das gesamte Gewerkschaftswesen der Bundesrepublik dazu geschaffen wurde, die Arbeiterbewegung im Sinne des bürgerlichen Systems zu kontrollieren. Was bei der Opel-Betriebsversammlung vorgefallen ist, entspringt dieser Grundfunktion  Daraus müssen für weitere Kämpfe die Konsequenzen gezogen werden, sonst sind Rückschläge wie jetzt programmiert.


Ein weiterer Punkt ist durch den Kampf der Opel-Kollegen vor allem anläßlich des europäischen Aktionstages deutlich geworden: es gibt in Europa massivste Einschränkungen des Streikrechts, die jeder europaweiten Solidarisierung von vornherein entgegenstehen. In GB sind Solidaritätsstreiks von vornherein verboten, in Deutschland im Grunde ebenfalls, in Polen und anderen osteuropäischen Ländern wird schon die einfachste gewerkschaftliche Organisationsarbeit mit dem Rausschmiß bedroht. Für den weiteren Kampf bei Opel wie auch die zahlreichen Kämpfe ähnlicher Art, die sich schon in anderen Firmen abzeichnen, wird die Forderung nach wirklichem europaweitem Streikrecht ebenso wie nach Lohnerhöhung in den sog. Billiglohnländern eine große Rolle spielen müssen, damit europaweit Solidarität aufgebaut werden kann.


Inzwischen sind die Verhandlungen zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Opel AG angelaufen. Natürlich wird der Konzern die entscheidenden Punkte seiner Strategie jetzt in den Verhandlungen durchzusetzen versuchen, nachdem der Kampf dagegen zunächst einmal abgebrochen wurde. Daher kommt es darauf an, die Kampfbereitschaft aufrechtzuerhalten und weiter gegen die massiven Stellenstreichungen und gegen die Pläne, der Bochumer Belegschaft die Positionen wie Achse und Preßwerk aus der Hand zu nehmen, mit denen sie bisher Druck ausüben konnte, Widerstand zu leisten.
Mit der Aufschiebung der Kündigung von übertariflichen Zulagen signalisiert der Konzern jetzt zwar ein gewisses Entgegenkommen, droht aber gleichzeitig der gesamten Belegschaft wegen ihrer Kampfbereitschaft, indem er zwei aktiven Kollegen demonstrativ kündigt. Das darf auf keinen Fall übergangen werden.

Walter Grobe
27.10.04

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