Internet Statement 2004-81

 

Inputreferat von der gemeinsamen Veranstaltung des Berliner Anti-Hartz-Bündnis mit dem Bezirkserwerbslosenausschuss von ver.di Berlin, am 9. Dez. 2004.


"Ein-Euro-Jobs - Arbeiten zum Nulltarif ?" / und ohne Rechte!


In Kürze, wenn Hartz VI in Kraft tritt ab 1. Januar, werden Langzeitarbeitslose also verpflichtet sein, Tätigkeiten und Arbeiten anzunehmen, die man ihnen zuweist und wofür sie mit einer hohnsprechenden sog. Aufwandsentschädigung von 1 Euro (in Berlin 1,50 Euro ) abgespeist werden. Zudem wird den Arbeitslosen angedroht, daß ihr karges Arbeitslosengeld II teilweise oder ganz gestrichen wird, falls sie dieser Arbeitszuweisung nicht nachkommen.

Wirtschaftsminister Clement hatte im August angekündigt, daß 600.000 Ein-Euro-Jobs geschaffen werden sollen. Bis Ende Oktober sollen bundesweit bereits 46 200 Langzeitarbeitslose einen solchen Zusatzjob aufgenommen haben.
Trotzdem mußte im November die Bundesagentur für Arbeit vermelden, daß die Zahl der Erwerbslosen bundesweit um 50 800 zugenommen hat und damit auf 4,257 Millionen stieg.
Zudem ist vor dem Hintergrund des angekündigten Produktionsabbaus z.B. bei Opel, Siemens, Karstadt, Banken usw. mit weiterer Zunahme der Massenarbeitslosigkeit im Lande zu rechnen.

Diese Massenarbeitslosigkeit ist Produkt der herrschenden kapitalistischen Wirtschaft und Politik, sowie grüner ökologistischer Politik, was noch dazukommt. Und statt eines Konzeptes ökonomischer Entwicklung, das dann auch entsprechend Arbeitsplätze schafft, wird auf den Ausbau eines Billiglohnsektors (mit Ich-AG, Mini- und Ein-Euro-Jobs) gesetzt. Löhne und Arbeitsbedingungen werden beständig heruntergedrückt. Sozial- und Bildungsabbau finden statt. Das ist sowohl ökonomisch wie politisch eine Abwärtsspirale.

Und um wieder eine Perspektiven zu entwickeln, so meine ich, ist eine grundsätzliche Kritik des Kapitalismus notwendig, auch von den KollegInnen mit und ohne Arbeit, die sich zur Gegenwehr zusammenschließen.

 

Man fragt sich, was sind das eigentlich für Verhältnisse, die mit diesen Ein-Euro-Jobs geschaffen werden?

Amtsoffiziell wird das, was allgemein überall als "Ein-Euro-Jobs" bezeichnet wird,als "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung für Langzeitarbeitslose" bezeichnet. Und die Caritas, die sicher von diesen "Ein-Euro-Jobs" mit profitieren wird, schreibt zur Verteidigung der Sache: "Es geht um zeitlich begrenzte Arbeitsgelegenheiten. Der Begriff "Ein-Euro-Jobs" ist missverständlich, denn es entstehen nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich keine Arbeitsverhältnisse."

Durchaus bringt aber der Begriff "Ein-Euro-Jobs" einen Teil der Sache auf den Punkt, nämlich daß hier zum allerbilligsten Entgeld gearbeitet werden soll. Wenn nach dem Gesetzestext ausdrücklich keine Arbeitsverhältnisse entstehen sollen, dann nur deshalb nicht, weil mit Arbeitsverhältnissen immer auch Rechte für die Beschäftigten verbunden sind.
Diese Rechte werden den Arbeitslosen bei den "Ein-Euro-Jobs" nun gesetzlich, vom Staat her, gestrichen.
Ich meine, das ist ein Problem, über das gerade auch KollegInnen, die noch in Arbeit sind, Betriebs- oder Personalräte und Gewerkschafter, nicht hinweg sehen können.

Wer solch einen Job ausschlägt, dem ist angedroht, das eh karge Arbeitslosengeld II zu kürzen. Arbeitslose unter 25 Jahren müssen mit noch strengeren Sanktionen rechnen, falls sie einen Job ablehnen. Ihnen kann das Arbeitslosengeld komplett gestrichen werden, und es bleiben ihnen nur noch Mieterstattung und Sachleistungen.
Damit ist dann fast jeder Willkür in diesen Beschäftigungsverhältnissen Tür und Tor geöffnet.
Denn: Wer wacht über diese Arbeitsverhältnisse? Welche Möglichkeiten hat der dann beschäftigte Arbeitslose zur Beschwerde? Welche Möglichkeiten zur Durchsetzung von Verbesserungen im Job und zur Gegenwehr gibt es noch?
Das Mittel der Arbeitsverweigerung des Streiks wird dem Ein-Euro-Jobber nicht mehr zugestanden.

Thüringens DGB-Chef Frank Spieth hat das Verhältnis bei diesen Jobs recht genau auf den Punkt gebracht, als er sagte: Mit Ein-Euro-Jobs werde "der Reichsarbeitsdienst im neuen Gewand eingeführt". Er wünschte sich stattdessen, daß jedem fünften Langzeitarbeitslosen reguläre Arbeit angeboten werde. Und da kann man ihm nur beipflichten.
Derartige klare Worte des Protestes hätten sich viele der gewerkschaftlich organisierten KollegInnen nicht nur als einzelne Stellungnahme gewünscht, sondern von ihren Gewerkschaften insgesamt und dazu einen organisierten Widerstand, damit solche Verhältnisse gar nicht erst eingeführt werden.


Als zumutbar soll jede legale, nicht sittenwidrige Arbeit gelten. Somit schießen bei den sog. Wohlfahrtsverbänden, Kommunen, aber auch in öffentlichen und einigen privaten Unternehmungen die Ideen ins Kraut darüber, wo man Arbeitslose billigst arbeiten lassen könnte.

Da gibt es in Berlin die Idee, Ein-Euro-Jobber in Bus und Straßenbahn als Begleitpersonal für "soziale Kontrolle" einzusetzen. Oder da will in Frankfurt das "Zentrum für Weiterbildung", eine sog. gemeinnützige GmbH, Hauswirtschafts- und Hausmeisterkräfte, die in Kindergärten aushelfen sollen, einführen; sowie eine "Schulfeuerwehr" aus arbeitslosen Biologen, Geologen, Germanisten und Historikern zusammenstellen, die kranke Lehrer ersetzen sollen. Und dann gibt es solche gemeinnützig genannten Unternehmen wie in Stuttgart die "Neue Arbeit", welche speziell öffentlich geförderte Arbeit für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger beim Recycling von Elektronikschrott oder im Büro anbietet, die jetzt schon als 1,50 Euro Jobs firmieren.

Wen wundert es noch, daß all diese Einrichtungen bei der Erfindung von Beschäftigungen für Arbeitslose recht ideenreich sind ? Erhalten sie doch für die Bereitstellung solcher Jobs einen guten Teil der Zuschüsse in Höhe von 500,- €, den die Bundesagentur für Arbeit für jeden geschaffenen Ein- Euro- Job zahlt.

Auch die SPD/Grüne Regierung kann sich freuen, denn arbeiten die Ein-Euro-Jobber mehr als 15 Stunden je Woche, fallen sie aus der Arbeitslosen-Statistik heraus. Neu ist so ein Trick mit der Statistik allerdings nicht: Schon die CDU nutzte die Möglichkeit der Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen (ABM) vor der Bundestagswahl 1994, um die Arbeitslosenzahlen kurzfristig deutlich zu senken.

Kritische Töne und Bedenken kommen allerdings aus dem Mittelstand und dem Handwerk, dort wird zu Recht eine gewisse Gefahr der Verdrängung befürchtet.
Warum sollten Kommunen z.B. noch Gärtnereien beauftragen, den Stadtpark zu pflegen; Hilfsdienste in Krankenhäusern oder an Stellen von Zivildienstleistenden einsetzten, wenn Ein-Euro-Jobber billiger zu haben sind?

Als am Montag in Berlin eine "Erklärung zum Umgang mit den "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" unterzeichnet wurde, wies der hiesige DGB-Vorsitzende Dieter Scholz, der von "unsäglichen Jobs" spricht und davon, daß man den dadurch entstandenen Schaden begrenzen wolle, gleichzeitig darauf hin: "Ich fürchte, daß der öffentliche Dienst wegen der knappen Kassen viele kreative Ideen zur Schaffung von Ein-Euro-Jobs haben wird".

In diesem Zusammenhang wurde auch verlautet, daß jetzt bundesweit ein Ombudsbeirat eingerichtet worden ist, der die Einführung von Hartz IV begleiten soll. Der bürokratische Aufwand wächst. Auf dem Gebiet, so könnte man ironisch vermerken, wird also für Arbeit gesorgt. Nur davon, daß den Leute die zu diesen Ein-Euro-Jobs verpflichtet werden, auch Rechte haben müssen, davon wurde nichts verlautet.


Man kommt auch nicht umhin, auf die Rolle der Gewerkschaften bzw. Gewerkschaftsführung einzugehen.


Von Anfang an, als es noch Vorschläge der Hartz- Kommission waren, wurden diese bereits von den Gewerkschaftsführungen unterstützt und in aller Öffentlichkeit begrüßt - ohne dies je vorher mit ihren Gewerkschaftsmitgliedern an der Basis diskutiert zu haben.
Während es später dann auch aus dem Gewerkschaftsapparat und von vielen Funktionären kräftige Unterstützung bei den Proteste und Demonstrationen gab und diese auch mitgetragen wurden, erlebten wir von den Spitzen her erst die sog. "Sommer-Pause". Dann, als der Protest trotzdem selbständig weiterging, gab es den Versuch, sich an die Spitze von großen Demonstrationen und Kundgebungen zu stellen, um darauf den Protest im Sande verlaufen zu lassen.

Am 5. Oktober hat der DGB dann auch zu den Ein-Euro-Jobs Stellung genommen. In seinem Papier "Gewerkschaftliche Eckpunkte zur öffentlich geförderten Beschäftigung" heißt es: "Arbeitsgelegenheiten zu 1-2 Euro pro Stunde (Mehraufwandsvariante) müssen ein nachrangiges Förderinstrument bleiben,…"
Was nicht mehr und nicht weniger als die Zustimmung zu diesen Jobs ist, auch wenn sie für den DGB nicht an erster Stelle stehen.

Und weil es manchmal in den Medien so herausgestellt wird, als würde sich der DGB für die Freiwilligkeit bei den Jobs einsetzen, möchte ich noch eines festhalten.
Im DGB Papier heißt es zwar erst einmal "Diese Tätigkeiten sollten freiwillig sein", aber das ist nichts als eine leere Phrase, denn der DGB macht keinerlei ernsthafte Schritte, wie dieses durchzusetzen wäre. Außerdem relativiert er er mit dem nächsten Satz das Ganze wieder: " Die zwangsweise Heranziehung zu diesen Maßnahmen muss auf wenige Ausnahmen begrenzt bleiben."
Vollständig lautet die Passage:
" Diese Tätigkeiten sollten freiwillig sein. Die zwangsweise Heranziehung zu diesen Maßnahmen muss auf wenige Ausnahmen begrenzt bleiben. Insbesondere für langjährig Erwerbstätige, sowie für ältere Erwerbslose sollte die Mehraufwandsvariante generell auf freiwilliger Basis angeboten werden. Andernfalls werden diese Angebote schnell diskreditiert und als "Strafarbeit" verstanden, die mit Demotivation einhergeht."

Man sieht: der DGB versteht durchaus, was für lausige rechtlose Verhältnisse da eingeführt werden. Anstatt aber der Sache entgegenzutreten, gilt seine Sorge mehr dem Umstand, daß die Sache in Mißkredit gerät, und bemüht er sich, Ausnahmen vorzuschlagen.
Eine Ablehnung der Ein-Euro-Jobs durch den DGB gibt es also nicht, nicht einmal für den Fall, daß seine selbst aufgestellten sog. Standards, wie in dem Papier, nicht erfüllt werden.

Sicherlich ist zwischen den Stellungnahmen der Einzelgewerkschaften und dem DGB auch immer zu differenzieren. Und es gibt unzählige kritische Stimmen und auch Widerstand. Nur läuft es bei der maßgebenden Richtung immer wieder darauf hinaus, die Hartz-Gesetze und das, was damit zusammenhängt, zu begleiten. Es käme jedoch darauf an, mit der Politik der sog. "Sozialpartnerschaft" zu brechen.

Das AHB - ich brauche es wohl eigentlich nicht extra zusagen - lehnt die Ein-Euro-Jobs, wie die ganzen Hartz-Gesetze, ab.

Klaus D.,
Berliner Anti-Hartz-Bündnis, c/o Yorckstr. 59, 10997 Berlin


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