Internet Statement 2005-07

 

Zum erneuten Treffen einer Vorbereitungsgruppe für eine Irak-Solidaritätskonferenz

Sollen ultrarechte und Nazi-Thesen im Raum stehenbleiben?!

Auf dem letzten Vorbereitungstreffen für eine geplante Irak-Solidaritätsveranstaltung am 16. 01.05 kam es zu deutlichen Auseinandersetzungen, bei denen unser Vertreter angegriffen wurde. Er sah sich veranlaßt, deutlich die politische Rolle einer Reihe von Organisationen, die an dem vielfältigen Widerstand im Irak beteiligt sind, zu hinterfragen. Dies führte zu einigen aufschlußreichen Auseinandersetzungen.
Er forderte insbesondere Auskunft über die Programmatik der vorhandenen Bündnisse sowie der einzelnen Organisationen. Er erklärte auch, daß es notwendig ist, Vorbehalte gegenüber bestimmten islamistischen Organisationen zu äußern und reaktionäre Standpunkte zu kritisieren. Dabei wurde auf einen Brief von Dimitri Tsalos, einem Mitwirkenden des Koordinationskreises für die Vorbereitung der Konferenz, verwiesen, der in einer schlimmen Weise den Islamismus beschönigte, die Linke generell des Versagens beschuldigte und in einer ungeheuerlichen Weise das blutige Vorgehen von Seiten der Islamisten gegenüber kommunistischen und revolutionären Kräften in der Vergangenheit verniedlichte. (Von der Leitung des Vorbereitungstreffens wurde ein Protokoll erstellt, das die Stellung unseres Vertreters völlig verkürzt und letztlich verfälscht darstellt. Dagegen ist eine Richtigstellung von Seiten des Vertreters erfolgt.)

Es kam im Weiteren zu Auseinandersetzungen, weil diese Hinterfragung der Organisationen als nicht berechtigt zurückgewiesen wurde.

Es existiert die Stellung der revisionistischen irakischen kommunistischen Partei (IKP), die direkt mit ihrem Vertreter an der von den USA eingesetzten Regierung teilnimmt, und die Stellung von Heinz Stehr, dem Vorsitzenden der DKP, der generell den bewaffneten Kampf denunziert, was natürlich in jeder Weise unakzeptierbar und zurückzuweisen ist. Die DKP-Zeitung "UZ" hat weiter im gleichen Zusammenhang einen kleinen Angriff gegen frühere "Maoisten" gestartet, in dem sie behauptete, diese hätten früher auch den "Sieg im Volkskrieg" in Vietnam gefordert im Unterschied zur DKP, deren Losung "Frieden in Vietnam" war. Nun, was geschah vor dreißig Jahren? Vor dreißig Jahren siegte ein Volkskrieg und brachte die Herrschaft der USA und ihrer Lakaien in Süd-Vietnam schließlich mit Infanterie und Panzern innerhalb Saigons zu ihrem schmählichen Ende. Die Bilder darüber gingen um die ganze Welt. Stehr hat offensichtlich vergessen, daß es gerade dieser Volkskrieg war, der zum Sieg in Vietnam geführt hat.
Wenn revolutionäre Kriege stattfinden, muß man darauf achten, welche Kräfte sich im Bündnis befinden, und favorisieren, daß dieser Krieg von einer revolutionären politischen Kraft geleitet wird: Nur das ist die Grundlage, im Bündnis viele andere Kräfte, auch islamische Kräfte einzubeziehen.


Bedenkliche Auffassungen der Iraqi Patriotic Alliance

Inzwischen liegen eine Reihe von Dokumenten irakischer Organisationen vor, die aber entweder sehr allgemein in ihren Äußerungen sind oder aber sehr bedenkliche Passagen enthalten.
Eine hier relativ bekannte Widerstandsorganisation, die auch von den Vorbereitungskräften der Konferenz etwas herausgestellt wird, ist die Iraqi Patriotic Alliance (IPA). In einem Grundsatzpapier dieser IPA wird ein breites Bündnis postuliert, das vorrangig durch die Teilnahme ‚patriotischer Kräfte, islamischer Kräfte und von Kräften der Baath-Partei' definiert wird. In diesem Papier fällt auf, daß von einer "zionistisch-imperialistischen Okkupation" oder auch direkt von einer "zionistischen Okkupation" des Irak gesprochen wird. Dies muß entschieden zu Bedenken führen. Im Irak existiert eine Okkupation seitens der USA und ihrer Verbündeten. Der Zionismus hat eine besondere Vorhutfunktion im Mittleren Osten, aber er ist nicht identisch mit dem US-Imperialismus. Zu behaupten, daß der Zionismus die Okkupation im Irak betreibe, heißt nichts anderes als zu unterstellen, daß der Zionismus die USA in der Hand hat. Wessen These das ist, brauchen wir eigentlich kaum zu erläutern - das ist eine ganz rechte These!

Der Zionismus ist eine besondere jüdische politische Strömung mit deutlich rassistischen Elementen, der für eine kolonialistische Vorhutbasis ausgiebig genutzt wurde und dem Imperialismus dient. Das ist aber etwas anderes, als daß der Zionismus quasi den ganzen Imperialismus leitet und lenkt. Letzteres ist eine original rechte These.
Und so verwundert es auch nicht, daß unser Vertreter auf dem Vorbereitungstreffen angegriffen wurde, als er auf eine Frage nach der Hamas erwiderte, die Hamas sei eine reaktionäre Organisation. Bei der Hamas handelt es sich um eine Organisation, die direkt vertritt, die USA und der Imperialismus allgemein handelten ‚als Werkzeug des Judentums unter einer zionistischen Verschwörung', dabei verweist die Hamas ausdrücklich, ganz in der Art des Zarismus und des Nazifaschismus, auf die berühmt-berüchtigten sog. "Protokolle der Weisen von Zion". (siehe "Die ultrareaktionäre Hamas-Organisation - Zitate aus ihrem Programm" IS 2004-23) Sollen wir diese sog. Analyse als Grundlage von Organisationen bei einer Konferenz zur Unterstützung des Irak unwidersprochen im Raume stehen lassen?! Kann es denn sein, daß ein Vertreter von uns, weil er den reaktionären Charakter von Hamas betont, übel angegangen wird? Was für ein sog. "Campo Anti-Imperialista" ist das, das solche rechten Thesen wütend verteidigt?

Man sieht hieran, daß wir offensichtlich unangenehme Fragen bei diesem Vorbereitungstreffen gestellt haben.

Es ist auch zu kritisieren, mit welcher Leichtfertigkeit bestimmte Organisationen an schwierige politische Grundsatzfragen herangehen. Die Lage im Irak ist kompliziert. Wenn man wie die IPA schreibt:

"daß nach der Befreiung des Irak der irakische Widerstand die einzige legitimierte Vertretung des irakischen Volkes sein wird. Eine Übergangsperiode wird dann dem irakischen Volk die Möglichkeit geben, seine Repräsentanten zu wählen, um eine vereinigte nationale Regierung mit voller Beteiligung aller Parteien einschl. der islamischen Kräfte zu bilden. Wir haben dann die Wahl des irakischen Volkes zu akzeptieren."

- so fragt es sich: und unter welchen Voraussetzungen finden diese "freien Wahlen" statt? Wer kontrolliert die Meinungsbildung der Menschen, der Jugendlichen, der Erwachsenen z.B. in der schiitisch beherrschen Hochburg? Wer kontrolliert sie in der sunnitischen Hochburg? Wer bringt dort die Informationen und wer garantiert dort die Parteienfreiheit? Wer kontrolliert in den Gebieten, in denen die Saddamgruppe noch immer erhebliche Macht hat? Wie können im Irak freie Wahlen stattfinden, ohne daß es eine klare Plattform einer demokratischen Front gibt, die dann diese demokratischen Wahlen auch durchsetzt? Diese Frage bleibt völlig im Dunkeln. In Wirklichkeit wird hier der konfessionalistische Irak durch die Hintertür als "freie Entscheidung" vorbereitet.

Wir müssen uns mit dem Gedanken befassen, daß die USA eben nicht nur so vorgehen, ein Gremium wie die Regierung Allawi zu schaffen, sondern daß sie sich eben auch die Option offenhalten, aus dem Land herauszugehen und in dem Land einen Bürgerkrieg anzustiften, der von entsprechenden reaktionären Kräften beherrscht wird, sprich die Libanonisierung. Auch ein Teilrückzug kommt für diese Zwecke in Frage. Und diese Optionen der USA müssen allerdings ebenfalls mit der größten Entschiedenheit bekämpft werden.

Red. NE
24.01.05


 

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