Internet Statement 2005-40

 

Die Schließung von Obrigheim

Hartmut Dicke  20.5.05        

Vor wenigen Tagen wurde das Kernkraftwerk Obrigheim nach 36 Jahren Stromerzeugung mit einem Gesamtergebnis von 90 Milliarden Kilowattstunden im Wert von Milliarden Euro vom Netz genommen. Es ist ein Veteran, der entgegen den Unkenrufen der Anti-AKW-Bewegung über lange Zeit Strom produziert hat, aber viel wichtiger ist noch: es könnte ohne Probleme dreißig weitere Jahre bei verhältnismäßig geringen Instandsetzungsarbeiten Strom produzieren. Milliardenwerte werden vernichtet, die von der Masse der Stromkunden werden bezahlt werden müssen.
Die Ökonomie dieses Landes geht am Stock, sie ist durch die SPD-Grünen-Regierung in eine noch viel tiefere Krise geführt worden. Diese Regierung aber hat die Stirn, in dieser Gesellschaft ein Milliardenwerte verkörperndes Werk aus politischen Gründen des sog. Konsenses stillzulegen. Dies hat Folgen nicht nur für die Beschäftigten des Kernkraftwerkes selbst. Die Zerstörung dieser Energieform geht weit über die Bedeutung einzelner Kernkraftwerke hinaus, sie zieht auf allen wissenschaftlichen Bereichen deutliche Spuren nach sich und dürfte weitere Hunderttausende insbesondere von technischen Spezialisten und Facharbeitern zu Arbeitslosen machen. Das Schlimmste aber ist, daß hier ein Stück demonstrativer Demontage erfolgt.

Es ist deshalb gut, einmal auf die Kontraste dieser Anti-AKW-Bewegung einzugehen, die in dieser Form eigentlich nur in der Bundesrepublik Deutschland existiert und abgesehen von einigen Nebenauslegern dieser Bewegung im europäischen benachbarten Ausland keinen Vergleich sonst in der Welt findet. Wir wollen hier einige Aspekte untersuchen und auch in die Vergangenheit dieser Bewegung gehen anhand einiger authentischer Beispiele.

Der Kontrast: Die „Windenergie“-Anlagen

Kurz zuvor erschien am 4.Mai eine Anzeige u.a. im Internet über den „Windkraftpark Brauel“ . In ihr bietet die „Energiekontor AG“ ihre Bedingungen für Beteiligungen an dieser Anlage an. Stolz verkündet sie, daß hier der letzte „Konservierungsfonds mit erhöhter Einspeisevergütung von 9 Cent pro kWh“(Zwangsabgabe auf dem Strom) die Gewinne der Eigentümer garantieren wird.

„Die prognostizierte Ausschüttung beträgt 280%“ heißt es da, und in einer Statistik wird erläutert, daß die Gewinne aus diesen Fonds durch staatliche Subventionen und durch die Zuschläge bei den Stromkunden im Laufe der nächsten 20 Jahre auf über 40% Ausschüttung pro Jahr steigen werden. „Bis Dezember 2004 wurden 364 Windkraftanlagen in 57 Windparks mit einem Gesamt-Investitionsvolumen von ca. 535 Mio. Euro in den Ländern Deutschland, Griechenland, Großbritannien und Portugal realisiert“, heißt es. „Durch das Engagement von über 4.600 Anlegern wurden rd. 145 Mio. an Eigenkapital bereitgestellt.“
Und dieses Eigenkapital soll sich auf Kosten von Millionen Stromkunden, von Familien, die diese teuren Preise gerade mit Ach und Krach schaffen, bezahlt machen. Diese Leute machen auf den Wucherpreisen des Stroms, die nicht nur sie, aber auch sie verursachen, ihre Gewinne. Durch den Konsensbeschluß wurde den großen Energiemonopolen ihre vorherrschende Stellung garantiert. Bis heute sind die Stromnetze in ihrer Hand. Die „rot-grüne“ Bundesregierung war unter der Bedingung, daß sie der allmählichen Vernichtung der Kernenergie in diesem Land zustimmen, bereit, auf Jahre hin ihre Monopolstellung zu garantieren. Sie machen eine Hochpreispolitik, auf die die Ökozwangsabgaben noch draufgeschlagen werden. Hohe Energiepreise waren immer ein Grundsatzprogramm der Grünen Partei.
Die „Windenergie“ ist unbedingt ein Bestandteil grüner Politik. Diese Windkraftanlagen sind, wie jeder sehen kann, eine umweltschädliche Herausforderung, eine Landschaftsverschandelung in großem Stile. Für diese Energieform, die noch nicht einmal selbständig agieren kann, sondern für die immer noch andere Kraftwerke ständig in Bereitschaft gehalten werden müssen für den Fall von Windstille, wird irrsinniges Geld ausgegeben, und es läßt sich nicht absehen, daß eine wirkliche wirtschaftliche Nutzung ohne Subventionen dieser Energieform je eintreten wird. Als zusätzliche Form mag es hier und da sinnvoll sein, als Grundlage wird es von keinem anderen Land akzeptiert werden. Es ist ein abwegiger Luxus, den wir uns leisten.

Hier liegt nichts anderes vor als etwa bei der Berliner Bankgesellschaft. Bei ihr konnten Kunden Fonds bekommen mit Bedingungen, bei denen gar nichts schief gehen konnte, es wurden Garantien gegeben auf Kosten des Steuerzahlers, außerhalb jedes realen Risikos, wobei eine Reihe von Fonds ausgesprochen für Prominente und Teilhaber der Administrationen aufgelegt wurde. Eine Selbstbedienung am Steuergeld. Jeder wußte, wenn er sie kauft, kauft er staatlich subventionierte, zum Zweck der Korruption aufgelegte Fonds. Dort kann es nur eine Forderung geben: laßt die Bankgesellschaft pleite gehen, und alle Stützung dieser sog. Fonds muß verschwinden, die Leute, die solche Fonds gekauft haben, sind selber schuld, wenn sie durch die Röhre gucken. Bekanntlich hat der Berliner Senat dies abgelehnt, und statt dessen den Kindern Schul- und Bildungsmittel gestrichen. Die Klientel ging vor. Bei dieser Form von absurder Energiegewinnung ist es vom Prinzip nicht anders. Diese Landschaftsverschandelung kann kein Mensch hinnehmen, die vielfältige Subventionierung ist eine Provokation, und es kann nur eine Forderung geben: Abriß des größten Teils dieser Anlagen auf Kosten der Besitzer, Rückzahlung aller Subventionen, die letztlich nur zur Stabilisierung der grünen Politik gezahlt worden sind, kann nur die Schlußfolgerung sein.

Aber davon ist natürlich nichts zu spüren, stattdessen werden Kernkraftwerke, die hier 36 Jahre lang eine Unmasse Strom erzeugt haben, Mengen eines Werkes, die selbst Tausende von Windkraftanlagen wahrscheinlich nie erreichen werden, stillgelegt, obwohl sie 30 Jahre weiter Strom produzieren könnten.

Fischer (Grüne) besteht gegenüber Iran auf ausschließlicher ziviler Nutzung der Kernenergie

In den letzten Wochen ging immer wieder eine Meldung durch die Nachrichtenmedien: Fischer mahnt Teheran, sich in der zivilen Nutzung der Kernenergie zu beschränken und diese unter die Kontrolle der Großmächte zu stellen. Der Iran seinerseits pocht auf ein umfangreiches selbständiges Kernenergieprogramm zur zivilen Nutzung.

Dies muß man doch mit Verwunderung aufnehmen. Ein deutscher Außenminister mit jahrelanger grüner Aktivität fordert den Iran auf, zivile Nutzung der Kernenergie zu betreiben, und will dem Iran auch helfen, die zivile Nutzung voll zu organisieren, wenn dieser Zweifel über mögliche militärische Nutzungen beseitigt. Man sollte doch meinen, die Grünen müßten aufschreien und den Iran warnen, daß er hier eine den Weltuntergang provozierende Energieform wählt – wie kann er das tun und damit die Verseuchung, alle die Gefahren, die heraufbeschworen wurden, für den Iran heraufbeschwören? Aber kein einziges derartiges Wort erfolgt, im Gegenteil, der deutsche Außenminister und die grüne Partei stehen Pate dabei, wenn die zivile Nutzung in einem anderen Land organisiert wird. Und in der Tat würden die Ratschläge eines grünen Ministers, der hier den Weltuntergang mittels der Kernenergie prophezeit, nur Kopfschütteln in den meisten Länder auslösen.

Wieso empfiehlt der grüne Außenminister dem Iran nicht, wenn er selbst davon überzeugt ist, die Windenergie auf den ausgedehnten Höhenflächen des Iran, wo es massenweise Wind gibt, weshalb empfiehlt er nicht die Sonnenenergie, für die der Iran wie geschaffen wäre? Aber das würde er niemals auch nur ansatzweise bringen, denn er weiß, daß dies der Iran bis auf einige Ausnahmen niemals sich finanziell leisten würde. Hier werfen sich wieder die Fragen auf nach dem politischen Hintergrund, der diese absurde Stellung bei uns möglich gemacht hat.

Weiter erfährt man, daß die Ukraine die Absicht trägt, 11 weitere Kernkraftwerke zu bauen. Es ist das Land, in dem seinerzeit durch Manipulationen am Reaktorblock IV die Katastrophe von Tschernobyl ausgelöst wurde, die zur massiven Unterdrucksetzung aller Kernenergieprogramme in der Bundesrepublik geführt hatte und seitdem als das „Argument“ der Kernenergiegegner galt.

In der Tat kann es zum Beispiel gegen Anschläge, gegen gezielte Destruktionen nirgendwo eine absolute Sicherheit geben, weder bei der Kernenergie, noch bei der Chemie, in der Biotechnik oder anderen Gefahrentechnologien. Aber deshalb kann und wird die Menschheit nicht auf die Anwendung dieser Technologien verzichten.


Alle großen Länder mit umfangreichen Industrialisierungsvorhaben wissen, daß sie Energie in großem Umfang brauchen, wissen, daß sie auf die Kernenergie niemals verzichten können. Vielleicht wird diese Form einmal durch den Fusionsreaktor abgelöst werden; sich ausschließlich auf Öl und Gas zu stützen, fällt keinem dieser Länder ein, weil sie wissen, daß damit ihre Abhängigkeit steigt. Deshalb muß man sich den Kontrast und die Absurdität, die hier in diesem Lande stattfindet, vor Augen führen, die in der Abschaltung eines Kernkraftwerkes liegt, für die es keinerlei technische Notwendigkeit gibt. Dies ist ausschließlich durch die politischen Bedingungen dieses Landes selbst diktiert.

Wenn aus den Beschäftigten des Kernkraftwerkes Obrigheim zu hören war, daß dies nur politisch bedingt ist, und daß man die Abschaltung durch einen politischen Wechsel auch wieder rückgängig machen könnte, so haben sie unbedingt recht. Und nicht nur sie werden faktisch arbeitslos. Durch das ganze Umfeld, das von der Stillegung der Kernenergie, der Nichtweiterführung derselben in diesem Land betroffen ist, sind in Wirklichkeit schon Hunderttausende von Arbeitslosen, insbesondere auch unter Fachkräften, geschaffen worden.
Die sog. rot-grüne Koalition ist eine Form der brutalsten Liquidation nach innen, deshalb muß diese fanatische Reaktion, die sich besonders auf dem Gebiet der Energie auswirkt, nun endlich bundesweit zum Sturz gebracht werden. Darüberhinaus steckt der Wurm in allen Parteien, denn sie wagen es noch nicht einmal, die wirklichen politischen Hintergründe, die bei den Kräften der Hegemonie, liegen, öffentlich zu benennen. Das gilt auch für die CDU/CSU.

Unterstützt worden ist diese Richtung durch eine „Linke“, die jeden Materialismus aufgegeben und sich in Positionen von rechter Alternativkultur verrannt hat. Die ganze grüne Ideologie ist von Grund auf rechts und war nie links vom ersten Zeitpunkt an.

Das Ausmaß der Reaktion

An den Beginn der Anti-AKW-Kampagne im Herbst des Jahres 1974 und ihre Entwicklung zu einer zahlenmäßig verhältnismäßig großen Bewegung, angefeuert durch die Medien, vor ca. 30 Jahren, wird noch an anderem Orte ausführlich erinnert werden. Hier soll in aller Kürze nochmals auf einige Punkte hingewiesen werden, die die Reaktion und die Vernichtung von Werten und elementarer demokratischer Kultur durch diese Bewegung klarmachen.

Immer wieder heißt es, daß dies eine Bewegung von unten und somit eine „Volksbewegung“ gewesen sei. Man muß in die Dokumente der 70er Jahre steigen und sehen, daß schon zu Beginn der 70er Jahre, als noch keine einzige linke Organisation überhaupt über Kernkraft redete, große Zeitungen wie „der Spiegel“ begannen, diese sog. Bürgerinitiativen-Bewegung zu fördern, daß es deutsche Minister waren, die als allererste mit dem Argument der Umweltschwierigkeiten in diesem Land der Verlagerung der Produktion nach außen, die damals am Anfang stand, die inzwischen gigantische Ausmaße mit dramatischen Folgen für eine ungeheure Zahl von Menschen in diesem Land hatte, das Wort redeten.

Diese Bewegung, die am Anfang mehr von einzelnen Kräften am gesellschaftlichen Rande unterstützt wurde, scheute sich nicht, mit der äußersten Reaktion zusammenzuarbeiten, mit denjenigen, die überhaupt der Entwicklung der letzten 400 Jahre, der Modernität der bürgerlichen Gesellschaft den Krieg erklären möchten.

Als ein Beispiel kann hier die Umweltzeitung „Bürgerinitiative“ von 1977 genommen werden, die auf den Höhepunkt der Anti-AKW-Kampagne im Jahre 1977 (Brokdorf u.a.) herausgegeben wurde und Verbreitung fand. Hierin trat ein gewisser Pfarrer Friedrich Bode auf, der der modernen Zivilisation den Krieg erklärte, und dessen Ergüsse noch lange Zeit, etwa im Wendland, ausgebreitet wurden. In seinem Artikel in dieser Zeitung heißt es:

„Da Gott kein ausreichender Garant für die Bedrohte Seele war, mußte der einsam gewordene menschliche Geist sich eine eigene Welt schaffen: die Gegenschöpfung wurde ausgerufen. Galilei war also nicht nur Hoher Priester des homo faber, sondern er läutete zugleich auch die Geburtsstunde des technischen Wahnes ein. Die allmächtige wissenschaftliche Spekulation drang in die Geschichte des Menschen ein. Man kann sie auch als Wissenschaftlichsreligion bezeichnen, die eine eigene Priesterschaft besitzt: es sind die ethisch und moralisch verwilderten Physiker, Chemiker, Wirtschaftler einschließlich ihrer Ministranten, der Politiker.“
(Aus „Bürgerinitiative- Zeitung für kritische Demokraten“ Nr.5 1977, S.19)

Hier wird noch einmal die Forderung erhoben, Galilei zu verbrennen. Physiker, Chemiker, Naturwissenschaftler, Wirtschaftler sind schuld, daß die Religion, die Kirche ins Abseits geraten sind. Die Erkenntnis des Menschen hat die Religion weitgehend verdrängt, und dagegen richtet sich der Protest. Derlei Leute verbreiteten damals auch in verschiedensten Formen, daß die Leute, die die Kernenergie verteidigten, „wissenschaftsgläubig“ oder „fortschrittsgläubig“ seien, als wenn der Fortschritt der Menschheit nicht eine Tatsache ist, der sie seit Tausenden von Jahren begleitet, als wenn es etwa kein Grundlage des Marxismus und anderer realistischer Ideologien ist, wenn sie sagen, der Weg der Menschheit ist der aus dem Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit und der immer höheren Durchdringung der Materie und der gesellschaftlichen Zusammenhänge mittels der menschlichen Erkenntnis.
Hier haben wir eine Kriegserklärung gegen die moderne wissenschaftliche Ideologie aus theologischem Wahn heraus, die die Kirche in ihrer Gesamtheit in dieser Form gar nicht vorzubringen sich traute. Solche Leute konnten auf der Anti-AKW-Veranstaltungen Reden halten, ohne daß ihnen dabei ins Wort gefallen wurde oder sie hinausgeworfen wurden. Jahrelang konnten sie darin mitwirken und innerhalb der evangelischen Kirche darauf hinwirken, daß sie einen schließlich einen ähnlichen Standpunkt wie diese Leute einnimmt.

An vielen anderen Publikationen wird deutlich, daß die Anti-Wachstums-Ideologie die Grundlage der ganzen Anti-AKW-Kampagne war. Die Forderungen der breiten Massen nach höherem Lebensstandard, wie sie damals existierten, sollten bekämpft werden. Wir wissen heute, was dabei herausgekommen ist! Heute haben wir viele Folgen der Deindustrialisierung, der Energieverteuerung und ähnlicher Zielsetzungen dieser Bewegung im vollen Ausmaß zu spüren. Jeder, der heute in einem prekären Job schuftet, sollte darüber nachdenken. Die Leute, die jeden Monat eine weitere Entrechtung in ihrem betrieblichen Leben durchmachen, sollten darüber nachdenken. Eine Gesellschaft, die rückwärts gewandt ist, verschärft vor allen Dingen den Druck auf diejenigen, die diese Gesellschaft durch ihre Arbeit tragen. Sie fördert die Parasiten, die gemästeten Kleinbürger und die im Imperialismus lebenden Mitgenießer der internationalen Ausbeutung, die selbstgerecht diese Öko-Ideologie vertreten. Es sind diese Schichten, die auch ihren erdrückenden Einfluß auf so manche angeblich linke Organisation ausüben.

Zieht man ein Resümee aus den Ideologien der Grünen zusammen, so kommt man im Grunde zu folgendem, daß sie der Ansicht sind, die Demokratie tauge grundsätzlich nichts, man müsse eine straff kontrollierte Gesellschaft schaffen, die durch wenige „Eingeweihte“ kontrolliert wird, die die „ökologische Vernunft“ repräsentieren. Sie sollen diese Gesellschaft kontrollieren. Solche Modelle stecken bei Gruhl und anderen Ökologisten im Hintergrund drin, diese Bewegung ging mit dem Ökofaschismus schwanger von der ersten Sekunde an.
Die angebliche Knappheit der Natur wird zum Vorwand genommen, um in Wirklichkeit die gesellschaftliche Entwicklung zu erdrücken, um reaktionäre kleinbürgerliche Ideale, die völlig nach hinten gerichtet sind, am Leben zu halten und die in Wirklichkeit den äußersten reaktionären Cliquen des reaktionären Kapitals dienen.

Anti-AKW und antideutsche Hetze

Am Schluß sollte man sich noch einmal vergegenwärtigen, wie deutlich die Anti-AKW-Ideologen auch heute noch argumentieren, auch diejenigen, die die heutige politische Partei der Grünen kritisieren, weil sie nicht grün genug ist. Ich verweise hier auf ein Flugblatt, das am 2. 10. 04 auf einer Demonstration in Berlin verbreitet wurde mit dem Titel „Zur Hölle mit der Arbeit, zum Teufel mit der Urananreicherung!“ Auch hier wird die Kernenergie zum Inbegriff des Bösen deklariert. „Atomtechnologie hantiert mit gefährlichem sogar tödlichem Material“ – als wenn das irgend etwas besagen würde, wie viele technische Zweige tun so etwas!!
In ihrer Propaganda ziehen sie dann eine direkte Verbindung zwischen der Gesellschaft, die auf Lohnarbeit basiert, und der Anwendung der Kernenergie, und am Schluß kommen sie zu folgenden bemerkenswerten Schlußfolgerungen: „Auf die Barrikaden! Verweigert den gesellschaftlichen Konsens! Deutschland endlagern!“

Und da haben sie in gewisser Weise den Nagel auf den Kopf getroffen. Mittels der Öko-Kampagne, deren Kernpunkt die Anti-AKW-Kampagne ist, zerstört man in diesem Lande die industrielle Grundlage, greift man die Wissenschaften in der Substanz an. Das ist ultrareaktionär, und das führt auch zur Vernichtung des Landes selbst. Deshalb trifft der Ausdruck „Deutschland endlagern!“ unfreiwillig auf den entscheidenden Punkt. Man muß sich nur darüber im Klaren sein, daß „Deutschland endlagern!“ auch z.B heißt, Betriebe hinauszuwerfen und die Bildungsmöglichkeiten extrem einzuengen oder gar zu vernichten. Andere aus diesen Kreisen bringen gleich die direkte Losung „Deutschland verrecke!“

Diese Kräfte werden nach wie vor im studentischen Bereich geduldet, obwohl sie an der völligen Vernichtung der Grundlagen einer modernen Gesellschaft arbeiten. Sie sind nach wie vor die Anhänger einer Alternativ-Ideologie, die am liebsten zum Handwerk, zur dezentralen Energieversorgung und ähnlichem zurückkehren würden. Es gibt aber grundsätzlich keinen Weg zurück von den großen Konzernen und von der internationalen Weltökonomie zur alternativen Existenz, sondern nur einen, nämlich vorwärtszugehen zur weiteren Umwälzung innerhalb des Kapitalismus in Richtung größerer Beteiligung der Massen an der Kontrolle und schließlich zur Beseitigung des kapitalistischen Systems selbst, d.h. der Beseitigung des Eigentums an den Produktionsmitteln und der Inbesitznahme durch die Arbeitenden selbst. Diesem Ziel arbeiten in Wirklichkeit solche ultrareaktionären Ideologen entgegen. Der Sozialismus war immer ein Verteidiger der Wissenschaften und insbesondere der Naturwissenschaften – diese Leute hassen sie wie die Pest, und sie sind ultrareaktionäre Gegner derselben.

Man sieht an diesem Flugblatt der Kernenergiegegner, es geht gar nicht nur um die Energieform. Es geht um das prinzipielle Herangehen an die Natur und an die Gesellschaft, um die Frage der Beherrschung der Natur und der Sprengung reaktionärer Formen. Und warum gerade Haß auf Deutschland? In unserem Land wurde in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und in den ersten des 20. viele der Grundlagen dieses neuen naturwissenschaftlichen Weltbildes gelegt, zugleich spitzte sich der soziale Kampf bis zum äußersten zu, was dem revolutionären Kampf auf der ganzen Welt gewaltige Impulse verlieh. All ihre Kraft warf das internationale Kapital darauf, diesen Strom der Sprengung ihrer Herrschaft zu vernichten. Sie konnten die Revolution in diesem Land unterdrücken, die internationalen Folgen und die revolutionäre Weiterentwicklung jedoch nicht.

 

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