Internet Statement 2005-54
Soll
das etwa ein Kontra zu rot-grün sein? Walter Grobe, 13.07.05
Das sog. Regierungsprogramm, das von Angela Merkel und Edmund Stoiber am 12. Juli der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ist ein zutiefst widersprüchliches Dokument. Schon von daher ist es weit davon entfernt, "ehrlich" zu sprechen und den möglichen Wählern Klarheit über die Absichten der CDU/CSU zu verschaffen. Es schreibt zutreffende Aspekte der desolaten wirtschaftlichen Situation Deutschlands und des beschleunigten Abstiegs während der letzten Jahre, einleuchtende Forderungen nach konsequenter Förderung von Wissenschaft, Bildung, Spitzentechnologien und Wiederaufbau inländischer Produktion in ein und dasselbe Dokument hinein wie die genau gegensätzlichen Positionen, weitestgehende Zugeständnisse an die Anti-Kernenergie-Ideologie und den sog. Ausstiegsbeschluß der rot-grünen Koalition. Hinzu kommt als Essenz der von der CDU/CSU beabsichtigten Außenpolitik die Ankündigung der vorrangigen Anbindung an die USA. Allein damit schon würde dem Land die technologische und wirtschaftliche Zweitrangigkeit gegenüber einer Supermacht festgeschrieben, außerdem wären weitere Verwicklungen in internationale militärische Abenteuer die wahrscheinlichste Folge, die auch nach innen hin sich wie Gift für wirtschaftliche Gesundung und Demokratie auswirken würden. Man kann mit Sicherheit sagen, daß man diese Dinge nicht miteinander verbinden kann. Daher ist dieses Programm nicht der Beginn einer Entfaltung der Kräfte des Landes, sondern es wird den weiteren Abstieg zur Folge haben - wenn die CDU/CSU unter den Vorzeichen einer derart mit der Reaktion verzahnten Programmatik überhaupt an die Regierung kommen sollte, was durchaus nicht gewiß ist. Hier steht z.B. folgende Passage:
oder sogar die folgende:
- und gleichzeitig wird der Angelpunkt der antitechnischen Ideologie
und der antitechnischen Politik, das Zentralmassiv der Blockadepolitik
von rot-grün, die Anti-Kernenergie-Kampagne und der sog. Ausstiegsbeschluß,
mit keinem Wort angefochten! Während dieses Programm veröffentlicht
wird, reden CDU-Repräsentanten öffentlich unwidersprochen vom
Wunsch der CDU nach mittelfristigem Ausstieg aus der Kernenergie, und
das Ökogefasel von den sog. "regenerativen Energien" wird
ausdrücklich in denselben Abschnitt des CDU/CSU-Programms übernommen.
Diese Programmpassage über die Energiepolitik enthält keinerlei konkrete Zusage über einen Ausstieg aus dem Ausstieg, sondern deutet lediglich einen Eventualfall längerer Restlaufzeiten für die bestehenden Kernkraftwerke an; das Programm legt sich sogar noch nicht einmal darauf eindeutig fest. Die positive Beschreibung der Kernenergie erfolgt hier rein verbal, ohne daß verbindliche politische Schlußfolgerungen zu ihren Gunsten gezogen werden. Offenbar sieht sich die Partei mit deutlichen Forderungen konfrontiert, eine andere Kernenergiepolitik zu machen als rot-grün und dahingehende Aussagen ins Programm zu schreiben, bleíbt aber im Griff derjenigen Kräfte, die keine Änderung wollen. Das zeigt sich auch an der merkwürdigen und einseitigen Sicht, die positiven Aussagen über die Kernenergie fast nur aus dem sog. Umweltschutz und sog. Klimazielen abzuleiten, wie das hier geschieht. Die Kerntechnik ist eine fundamentale, in vielen anderen Ländern der Welt in rasanter Entwicklung befindliche Schlüsseltechnologie mit Verzweigungen in viele andere Felder, sie führt zur Vertiefung des Wissens über die atomaren Gesetzmäßigkeiten und ihrer Beherrschung, und sie ist der Grundbaustein für sichere und kostengünstige Stromversorgung, ohne die auf die industrielle Produktion weiterer Druck zur Verlagerung aus diesem Lande aufgebaut wird. Daß sie außerdem noch die Eigenschaft hat, die Schadstoffe aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe zu vermeiden, ist eine ihrer positiven Seiten, aber nicht ihr Wesen.
Die europäische Einigung zunächst einmal beiseite gesetzt, sagt dieser Satz ganz unverblümt, daß die Beziehung zu einer Supermacht der Kern der Staatsräson Deutschlands ist. So etwas schreiben eigentlich nur Kolonisierte. Es entspricht allerdings der Konstruktion des Staates BRD, wie sie unter der umfassenden Kontrolle der Besatzungsmächte, i.w. immer der USA, nach dem II. Weltkrieg hier durchgeführt wurde und im Kern immer erhalten geblieben ist. Mit einer solchen Unterwürfigkeitspolitik, und das nach alledem, was an Brutalität des internationalen Regimes der USA und an Gegentendenzen, nicht zuletzt auch in diesem Lande, in den letzten Jahren aufgebrochen ist, stellt die CDU/CSU von vornherein selbst alle ihre eventuellen Bemühungen um die Verbesserung der Lage des Landes unter Vorbehalt. Dementsprechend finden sich auch noch weitere Passagen, in denen die CDU/CSU sich zur weltweiten militärischen Interventionspolitik bekennt, einem Schema, nach dem die USA gern Weltpolitik gestalten und gern auch europäische Staaten, insbesondere gerade Deutschland, als Hilfssheriffs rekrutieren möchten, nicht zu Nutzen der europäischen Völker und keineswegs im Sinne der europäischen Einigung, wie das am Irakkrieg kraß deutlich wurde. Die USA betreiben aufgrund ihrer ganzen Lage die Vorbereitung fundamentaler, gerade auch militärischer Auseinandersetzungen mit Rußland und China, vielleicht auch anderen Ländern. Wenn Merkel und die Union sich in dieser Weise von vornherein als Verbündete der USA erklären, exponieren sie das Land in völlig unverantwortlicher und höchst gefährlicher Weise. Sie übergehen dabei übrigens sowohl den Einspruch innerhalb ihrer Partei, der sich sowohl 1999 gegen die Aggression gegen Jugoslawien wie 2001 wegen des afghanischen Abenteuers durchaus artikuliert hat, viel deutlicher als in den Parteien der rot-grünen Koalition. In 2002-3 war die große Mehrheit der CDU/CSU wie des ganzen Landes auf Distanz zu dem irakischen Abenteuer gestimmt, mit wenigen Ausnahmen wie Merkel selbst, Pflüger etc. Auch aus der Bundeswehr, bspw. seitens des Bundeswehrverbands, wird die Politik der internationalen Militärinterventionen weiter relativ offen kritisiert. Was die Steuerpolitik, bspw. die Entlastung der weniger verdienenden Arbeitnehmer mit Kindern betrifft, enthält dieses Regierungsprogramm einige positive Ansätze. Es wäre etwas Neues, wenn der folgende Passus tatsächlich einmal von einer Bundesregierung verwirklicht würde:
Eine erster Überblick über alles, was in diesem Programm zur
Finanzpolitik, zur Reform der Krankenversicherung und der übrigen
Sozialversicherungssysteme gesagt wird, zeigt jedoch, daß die CDU/CSU
über alles andere, bloß kein Programm aus einen Guß,
geschweige denn ein Konzept verfügt, das an den Grundproblemen wie
der demografischen Katastrophe des Landes auch nur einen kleineren Hebel
ansetzen würde. Die bleibt fast ausgeklammert, und schon deswegen
sind auch alle Einzelversprechungen von vornherein kaum glaubwürdig.
Aber es ist nicht nur die mangelnde Klarheit im Einzelnen, sondern vor allem die Anbindung an reaktionärste Strömungen im Lande, in der CDU/CSU selbst und international, die in diesem Programm, trotz einiger gegenteiliger Passagen, als die Grundbindung dieser Parteien in ihrer heutigen Verfassung hervortritt. Mit einer Politik, die letztlich die USA als den vermeintlichen internationalen Meister anruft, mit einer Politik, bei der entgegen so manchen Erwartungen aus der arbeitenden Bevölkerung, aus Wissenschaft, Technik und auch Kapitalskreisen das längst fällige Kontra zum Ökologismus ausbleibt, wird wahrscheinlich nicht einmal eine Wahl zu gewinnen sein, geschweige denn eine Regierung zu führen, die tatsächlich der rot-grünen Koalition gegensteuern würde. Die Ankündigung des Bundeswehreinsatzes im Inneren durch die CDU/CSU ist im Gegensatz zu so manch anderer Programmpassage durchaus ernst zu nehmen, denn worauf läuft es bei einer Regierung hinaus, die keine wesentlich andere Wirtschaftspolitik macht als rot-grün und damit größere Ansätze der berechtigten Gegenwehr aus der Bevölkerung provozieren muß?
Und wenn, was angesichts des letztlich trüben Gehalts dieses Programms
schon als Möglichkeit einkalkuliert scheint, eine Große Koalition
gebildet wird, könnten damit noch weniger die Probleme im Sinne der
großen Mehrheit in Angriff genommen werden. Was aller Wahrscheinlichkeit
nach einer solchen Großen Koalition jedoch leichter fiele, wäre
die Verschärfung der Repression nach Innen, deswegen sind die Rufe
nach der Großen Koalition, sehr deutlich in der SPD, spürbar
aber durchaus auch bei Merkel, recht bezeichnend.
|