Internet Statement 2005-85
Konvulsionen in SPD und CDU/CSU Es geht nach wie vor im Kern um die Auseinandersetzung mit der ökonomischen Liquidationspolitik! 3.11.05 Der Führungsumsturz in der SPD und Stoibers Abgang haben eine wahre
Flut von Berichten und Meinungen in den Medien ausgelöst. Um so auffälliger
erscheint dabei allerdings die geringe Neigung bei Medien und Politikern,
die politischen Hintergründe der Vorgänge anzusprechen. Welche
politischen Konzeptionen verbinden sich mit den verschiedenen Repräsentanten
der SPD? Um welche politischen Richtungsentscheidungen geht es im Kern
in den Koalitionsverhandlungen? Was treibt Stoiber wirklich dazu, seinen
Ministerposten so abrupt aufzugeben? Solche Fragen werden von all den
Erzählungen über die „Netzwerker“, die „SPD-Linken“
usf. nicht aufgehellt. Die Politik der von Schröder geführten Koalition hat die ökonomische Katastrophe in diesem Land in einer Weise auf die Spitze getrieben, wie das vorher noch nie der Fall war. Aktuell gehen wieder Meldungen durch die Medien, daß innerhalb eines Jahres 370.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen sind und zum Teil durch sog. 1-Euro-Jobs und staatlich subventionierte Pseudo-Beschäftigung ersetzt worden sind. Die Politik von Schröder, Eichel und Fischer ist bankrott. Und seit Anfang dieses Jahres erscholl der Ruf immer lauter: Diese Regierung muß weg! Im Mai spätestens war klar, daß die SPD wie noch nie in der sog. Wählergunst geschwächt war. Die Chance bot sich, zumindest einen der schlimmsten Auswüchse und Kernelemente der sog. rot-grünen Koalition zu treffen: den sog. Anti-Kernenergie-Konsens. Die konkurrierenden Parteien der CDU/CSU und der FDP taten zumindest so, als wenn sie diesen Punkt partiell angreifen wollten. Was sich dann im Wahlkampf abspielte, hat schon einige Fragen aufgeworfen. Stoibers Äußerungen über die Menschen in Ostdeutschland (’die Frustrierten im Osten dürfen die Wahlen nicht entscheiden’) waren eine Provokation, die die CDU/CSU selbst herabsetzte. Diese und andere Wahlstörmanöver der CDU/CSU gegen sich selbst halfen der Schröder-Regierung wieder Stimmen zu gewinnen. Und das Verhalten der Angela Merkel selbst war von Anfang an auf Schröder ausgerichtet, so daß das Ergebnis nicht viel anders ausfallen konnte, als es am Ende war. Ausgerechnet die CDU/CSU, die sich sonst als Kritikerin der SPD aufspielt, überraschte damit, daß sie einen eigenen möglichen Wahlsieg sabotierte. Nachdem die sog. Jamaika-Koalition vom Tisch war, blieb in der durch diese Wahl geschaffenen chaotischen Lage nur die große Koalition übrig, bei der es unweigerlich zum Tauziehen kommen mußte. Es darf dabei nicht vergessen werden, daß die Wahl überhaupt nur durch ein unmögliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte zustande kommen können. Der SPD muß der Widerruf des Konsensbeschlusses wenigstens in Teilen abgerungen werden. Das vertrat selbst die CDU/CSU noch nach dieser im Grunde genommen verlorenen Wahl. Und schließlich kommt es sogar zu einem Auftritt der Gewerkschaften, von denen ein Teil fordert, daß der Standpunkt zur Kernenergie vorsichtig revidiert werden müßte und die Laufzeiten der AKWs verlängert werden sollen. Der zweistufige Umsturz in der SPD-Führung – erst Nahles, dann Platzeck/Heil – der sich jetzt Anfang November im direkten Anschluß an die Gewerkschaftsstellungnahme abspielt, kann keinesfalls ohne diesen Hintergrund beurteilt werden. Aber was dazu derzeit veröffentlicht wird, befaßt sich mit vordergründigen Einzelheiten der Intrigen und ist analytisch äußerst schwach. Auffällig jedenfalls ist die Arroganz und die Destruktivität - die nicht einmal vor der eigenen Partei haltmacht -, mit der in der SPD Kräfte, die ausgesprochen die ökonomische Liquidationspolitik vertreten, die Kontrolle wieder zu verschärfen versuchen. Nahles und ihre kurzzeitige Unterstützer-Riege im Präsidium nicht anders als der derzeitige Profiteur des Manövers, Platzeck sowie die als Strippenzieher Genannten, Gabriel und Heil, lassen im Engagement gegen die Kernenergie nichts an Deutlichkeit vermissen. Und wenn einige der Beteiligten in den Medien immer wieder als sog. SPD-Linke bezeichnet werden, darf man nicht vergessen, daß dies eine „Linke“ ist, die auch die Entrechtung durch die Hartz-Gesetze trotz gelegentlicher verbaler Kritik immer mitgetragen hat. Leute wie Maas, Matschie, Vogt haben sich beispielsweise auch 2003-04 für die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen, bis die SPD-Führung aus rein wahltaktischen Gründen davon Abstand zu halten versprach.
In dieser Situation springt Stoiber aus der Koalition der CDU/CSU heraus, sagt den bereits fest abgemachten Posten des Wirtschaftsministers ab, und sagt, er könne die Interessen der CSU am besten in Bayern vertreten, als wenn es um die Interessen der CSU ginge. Damit stützt Stoiber erneut in einer höchst merkwürdigen Weise die Position der SPD, darunter auch die Kräfte, die an der sog. rot-rot-grünen Koalition arbeiten und die Liquidationspolitik im Lande auf die Spitze treiben wollen. Diese sog. Linke prügelt vor allen Dingen die ökonomische Grundlage zum Nachteil der Mehrheit der Bevölkerung immer weiter herunter und betreibt damit im Grunde eine extreme Erpressung gegenüber den Massen. Und diese sog. Linke, die auch bereits in der Vergangenheit die unsozialsten Gesetze, die je existiert haben, mit durchgesetzt hat, wird durch das Verhalten von Stoiber unterstützt – und zwar im Wiederholungsfall. Niemand kann davon ausgehen, daß dies nur eine persönliche Marotte oder Feigheit von Stoiber ist. Man muß sich fragen, was tatsächlich hinter den Kulissen diskutiert wird, was vor der großen Mehrheit verborgen wird? Es kann doch niemand erzählen, daß es Stoiber und seinen Beratern unklar ist, was ein solch abruptes Verhalten bewirkt. Hier wird von solchen erzkonservativen Kräften selbst daran gearbeitet, den möglichen Zusammenbruch der rot-grünen Koalitionspolitik zu verhindern und mit diesen Kräften faule Kompromisse zu begünstigen, die noch viel fauler sind als das, was die CDU/CSU sowieso schon in dieser Richtung betreibt. Bestimmte Pläne der SPD laufen wohl darauf hinaus, die Chancen für eine rot-rot-grüne Koalition zu verbessern, um mit diesem Druckmittel verstärkt gegen die CDU/CSU-Konkurrenz aufzutreten. Alle diese Koalitionen sind so, daß für die breite Mehrheit der Bevölkerung wenig dabei herauskommen kann. Aber die Liquidationspolitik ist der bei weitem gefährlichste Faktor, und eine rot-rot-grüne Koalition würde diese von vornherein am stärksten verkörpern. Eines der Kalküle der SPD ist mit Sicherheit das Folgende: wenn die CDU/CSU unter diesen Bedingungen die Regierung mit ihnen zusammen unternimmt und dann die Große Koalition ökonomisch genauso scheitert wie die vorherige Schröder-Politik, weil sie nichts essentiell Neues enthält, sondern nur mehr Belastungen für die breite Bevölkerung, dann bekommt die CDU/CSU den negativen Beigeschmack, den jetzt die rot-grüne Koalition in der breiten Bevölkerung hat, angeheftet. Dann will die SPD sich mit der sog. rot-rot-grünen Koalition herausstehlen und wieder auf soziale Partei machen, obwohl gerade sie sich als die unsozialste Partei erwiesen hat. Dieses Manöver kann eigentlich jeder erkennen, der einigermaßen die politischen Verhältnisse kennt. Unter solchen Bedingungen ist das Verhalten von Stoiber, der sozusagen der Schwäche der SPD die Schwäche der CDU/CSU hinzugibt, schon faktisch ein Bündnisverhalten für diese Kräfte. Mit diesen Verhaltensweisen von Stoiber und anderen Politikern, die kurzerhand zurücktreten, wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftreten, kommen nicht nur Eitelkeiten der betreffenden Personen zu Tage, sondern es kommt heraus, daß die Beweggründe für die Handlungen dieser Politiker und ihrer Fraktionen und der Gruppierungen, die sie vertreten, vor der breiten Öffentlichkeit im Verborgenen gehalten werden. Red. NE
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