Internet Statement 2005-91

 


Der Koalitionsvertrag in einzelnen Themen  

  Folge 1

- Kürzungen bei Hartz IV
- Schwerwiegende Einschränkungen für Jugendliche und ihre Eltern

Uwe Müller, 27.11.05

Nur einige konkrete Punkte des sog. Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD werden bislang in der Öffentlichkeit diskutiert. Dazu zählen die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Anhebung der Beiträge zur Rentenversicherung, die Auflockerung des Kündigungsschutzes, die Streichung der Eigenheimzulage, die Beschneidung der Pendlerpauschale, die massiven Streichungen bei den Arbeitslosen und einiges mehr. Völlig zu Recht gab es bereits deutliche Kritik und Proteste gegen diese ganze Abzocke und massive weitere Belastung der überwiegenden Teile der Bevölkerung, bei Weiterführung der Liquidationspolitik. Wir sind auf den prinzipiellen Gehalt dieses Vertrages und der geplanten Politik der großen Koalition schon kurz nach Veröffentlichung eingegangen (siehe IS 2005-90).

Hier möchte ich neben den bekannten Punkten vor allem auch auf bestimmte Punkte des sog. Koalitionsvertrages eingehen, die bislang in den Medien und zum großen Teil auch in der öffentlichen Diskussion kaum oder noch gar keine Erwähnung, geschweige denn Kritik, erfahren haben.

Über allem steht – der Finanzierungsvorbehalt

Vorweg folgender Satz aus dem Koalitionsvertrag:

„Alle Maßnahmen dieses Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“  S.65

Das bedeutet nichts anderes, als daß alle darin verkündeten Fördermaßnahmen (wie z.B. das Elterngeld), für die die Regierung Geld in die Hand nehmen muß, auch null und nichtig sein können, je nach Lage der Staatsfinanzen. Es ist nicht überraschend, daß in Bezug auf die Streichungs- und „Spar“maßnahmen kein diesbezüglicher Vorbehalt bezüglich der Finanzlage der betroffenen Bürger gemacht wird.


„Einsparungen“ bei Hartz IV

Erwartungsgemäß wird an den Hartz-Gesetzen festgehalten und werden diese, was den Druck auf die Arbeitslosen und die Kürzung ihrer Bezüge angeht, weiter verschärft. Die geplante Anhebung des ALG II-Satzes für die Ostdeutschen auf das Westniveau wiegt diese keinesfalls auf. So sollen bei Hartz IV weitere 3.8 Mrd. Euro „eingespart“ werden. Zu welchen Lasten das gehen soll, ist wohl klar. Dazu heißt es:

„Wir erreichen dies im Einzelnen durch folgende Veränderungen:

-Einführung eines grundsätzlichen Rückgriffsrechts für bis zu 25-jährige (0,5 Mrd. Euro).
- Einschränkung der Finanzierung des Erstwohnungsbezugs von Jugendlichen (0,1 Mrd. Euro).
- Verbesserung der Verwaltungsabläufe und Organisationsstruktur von Hartz IV (1,2 Mrd. Euro).
- Reduzierung des Zahlbetrages für die gesetzliche Rentenversicherung von 78 Euro auf 40 Euro monatlich (2 Mrd. Euro).“ S.29

Diese Reduzierung des Zahlbetrages für die Rentenversicherung bedeutet eine spätere Rentenminderung für die ALG II-Bezieher von nicht unerheblichem Ausmaß. Arbeitslose werden so ein weiteres Mal zusätzlich für die Arbeitslosigkeit bestraft, die sie nicht zu verantworten haben. Das Grundprinzip von Hartz wird, wie erwartet, strikt weitergeführt. Zudem ist mit weiteren Verschärfungen und Kürzungen in diesem Bereich zu rechnen, nicht alle geplanten Kürzungsmaßnahmen oder Überlegungen sind im Koalitionsvertrag konkret aufgelistet.

„Vorfahrt für junge Menschen“ – ist das ernst zu nehmen?

Mit dem „Rückgriffsrecht für unter 25-jährige“ wird den arbeitslosen Jugendlichen die Möglichkeit einer selbständigen Lebensführung weiter erschwert, und ihre Eltern werden zum weiteren Unterhalt für ihre unter 25-jährigen Kinder verdonnert. Selbst Jugendliche, die nach ihrer Ausbildung und nach Bezug einer eigenen Wohnung erst arbeitslos werden, können unter diese Regelung fallen. Konkreter heißt es dazu:

„Künftig sollen unverheiratete, volljährige, unter 25jährige Kinder grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden.“

Sprich: künftig müssen die Eltern ihre arbeitslosen Kinder bis zum Alter von 25 Jahren unterhalten. Der Staat entzieht sich hier jeglicher Verantwortung.

Weiter heißt es:

„Unter 25jährige, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen, können künftig nur noch Leistungen erhalten, wenn sie vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen. Damit wollen wir verhindern, daß Bedarfsgemeinschaften nur zu dem Zweck gegründet werden, um höhere Arbeitslosengeld-II-Ansprüche geltend zu machen.“ S.21

Arbeitslose Jugendliche werden bis zum Alter von 25 Jahren an das Elternhaus gebunden. Wollen sie unabhängig werden und eine eigene Wohnung beziehen – müssen sie es durch die Arbeitsagentur genehmigen lassen! Eine schöne „Vorfahrt für junge Menschen“ ist das! Das Argument, damit Mißbrauch verhindern zu wollen, ist aufgrund der riesigen Jugendarbeitslosigkeit reiner Vorwand. Ohne Mißbrauch leugnen zu wollen: hier wird die Verantwortung des Staates auf die Eltern arbeitsloser Jugendlicher bis 25 Jahre abgewälzt.

Nicht zufällig wird im Unterkapitel „Vorfahrt für junge Menschen“ neben dem Verweis auf die Fortführung des angeblich so erfolgreichen sog. Ausbildungspaktes (wo jeder doch weiß, daß Jahr für Jahr abertausende von Lehrstellen und vor allem Jobs nach der Ausbildung fehlen) und einigen allgemeinen Floskeln und Absichtserklärungen über Unterstützungsprojekte arbeitsloser Jugendlicher nichts wirklich Essentielles geboten. Konkret ist dort lediglich folgendes:

„Das neue System der Grundsicherung für Arbeitsuchende sieht eine konsequente Aktivierung insbesondere junger hilfebedürftiger erwerbsfähiger Menschen vor.“ S.22

Und dies mit Hilfe des persönlichen Arbeitsvermittlers und der durch die Hartz-Gesetze eingeführten „Eingliederungsvereinbarungen“, die den Arbeitslosen aufgezwungen werden. Also alles wie gehabt: Wohlklingende Floskeln wie „Fördern und Fordern“ – in der Realität bleibt dann nur das Fordern übrig – bei Jugendlichen bis 25-Jahren nun auch von den Eltern! Statt „Vorfahrt für junge Menschen“ – verstärkte Abhängigkeit der jungen Menschen von den Eltern.

Auf der gleichen Linie liegt die Festlegung in punkto Studiengebühren: Hierzu heißt es auf S.36 lakonisch „Die Koalitionspartner sind in der Frage von Studiengebühren unterschiedlicher Auffassung.“ Im Klartext heißt das, jedes Bundesland kann Studiengebühren einführen, die neue Bundesregierung steht dem ausdrücklich nicht im Wege.


Fortsetzung folgt…

 

 

www.neue-einheit.com