15.12.2006 Nach jahrelangem Streit, aber weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt, wurde vom Europäischen Parlament eine Richtlinie verabschiedet, die nur noch von den Umweltministern unterzeichnet werden muß. Dann wird sie ab dem 1.6.2007 innerhalb der EU gültig sein. Sie greift erneut in das industrielle Gefüge der Europäischen Union und namentlich der Bundesrepublik Deutschland ein und wird weiter die Zusammensetzung der arbeitenden Klasse in diesem Lande beeinflussen. Um diese Verordnung wurde von den verschiedensten Gremien, natürlich von der Chemieindustrie, von den Umweltverbänden, aber auch von den Gewerkschaften als Beteiligten gestritten. Diese Verordnung selbst umfaßt Tausende von Seiten, erfaßt 30.000 chemische Stoffe und dazu noch Verhandlungsunterlagen in unendlicher Menge. Es ist für eine einzelne Redaktion unmöglich, das alles im Detail anzusehen, dennoch stößt bei der Berichterstattung über das Zustandekommen dieser Richtlinie auf europäischer Ebene einiges so deutlich auf, daß entsprechende Fragen gestellt und Feststellungen getroffen werden müssen. Wir greifen deshalb notwendig auf die Darstellungen der Presse zurück. Es geht darum, daß bei den aufgelisteten 30.000 Stoffen, die schon seit vielen Jahren im Gebrauch sind, jetzt von den Herstellern dieser Stoffe detailliert ihre chemische Ungefährlichkeit in punkto „Umwelt“ oder für den Gebrauch durch den Menschen untersucht und bescheinigt werden muß. Der „Umsetzungsleitfaden“ dieses neuen Gesetzes ist mehrere tausend Seiten dick und wird unweigerlich zu einem für viele Unternehmen nicht mehr tragbaren Zuwachs an Bürokratie führen, sofern sie mit ihrer Produktion dann innerhalb der EU bleiben. Die Forderung, daß z.B. Giftstoffe in Textilien, die Hautreizungen oder andere gesundheitsbeeinträchtigende Erscheinungen verursachen, erfaßt und verboten werden müssen, ist nur verständlich. Das Gleiche gilt für giftige Stoffe in Lebensmitteln. Es ist aber jetzt hier die Frage, wie sich ein solches Gesetz wie dieses tatsächlich auswirkt. Von Anfang an muß man doch überlegen, in wie weit das Gesetz auch tatsächlich, bei einem weltweiten Handel mit Textilien, wie er heute existiert, durchführbar ist. Ein sehr großer Anteil, vielleicht 50% oder mehr, wird heute in China oder in Ostasien hergestellt und importiert. Sinnvoll wird eine solche Regelung innerhalb der EU nur dann, wenn tatsächlich auch alle Importeure diese Kontrollen gewährleisten müssen. Aber daß das nicht der Fall sein wird, das steht wohl fest. Noch in einem Artikel im „Handelsblatt“ vom 21.Juli „WTO könnte EU-Chemierecht kippen“ wird dieses Problem als dringlich dargestellt. Man fürchtete, daß die USA, Australien, Taiwan, Japan gegen diese Bestimmung vor der WTO klagen könnten und dort recht bekommen könnten, da sie den Nachweis nach dieser Vorschrift bei ihren Produkten nicht liefern können. Jetzt, Ende 2006, sind soweit bekannt keine ernsthaften Kontrollmechanismen geschaffen worden, die tatsächlich bei importierten Produkten eine sichere Feststellung solcher Stoffe gewährleisten. Somit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein solches Gesetz tatsächlich haben wird. Ein wesentlicher Punkt ist die Frage nach Stoffen, die nur in geringen Mengen erzeugt werden. Auch für sie muß jetzt ein solcher Nachweis erstellt werden, und in Relation zu den Kosten einer geringen Umsatzmenge eines solchen Stoffes wird dann eine solche Untersuchung extrem teuer. Diese Regelung wird sehr wahrscheinlich den Effekt haben, daß gerade die mittleren und kleinen Unternehmen, etwa im Chemiebereich, erneut nach außerhalb der Bundesrepublik und außerhalb der EU gedrängt werden und sie faktische Dependancen im Ausland gründen werden, um alle diese Bestimmungen zu umgehen. An der jetzigen Kompromißfassung dieser Richtlinie haben die großen Chemiekonzerne wie BASF mitgewirkt. Sie produzieren ohnehin zum Teil im Ausland, aber sie werden auch darauf setzen, daß viele mittlere und Kleinunternehmen, die diese Bestimmungen jetzt nicht erfüllen können, in ihre Hand übergehen. Von daher gesehen ist das für sie durchaus vorteilhaft. Es ist damit zu rechnen, daß es jetzt zu einer weiteren systematischen Reduzierung von Arbeitsplätzen auf dem Chemiesektor kommt. Bei der Auseinandersetzung über das Gesetz in der Presse war vor einem halben Jahr noch viel von diesem internationalen Konflikt die Rede. Darauffolgend tritt diese Frage in den Hintergrund. Offensichtlich haben in der Zwischenzeit im Hintergrund Gespräche stattgefunden. Dafür rückt ein anderer Punkt in das Zentrum der Diskussion. Es heißt zum Beispiel in einem Artikel des Handelsblatts vom 4. Dezember 2006, Seite 6: „Mit der Vereinbarung würden viele Besorgnis erregende Chemikalien, darunter viele, die Krebs und andere schwere Krankheiten verursachen könnten, auf dem Markt bleiben, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von sieben Umweltschutzgruppen. Auch die Grünen im EP kündigten Widerstand an. Sie wollen zahlreiche Änderungsanträge einbringen.“ Bei all diesen Chemikalien ist die Frage, in welcher Konzentration sie auftreten, in welcher Konzentration sie schwere Schäden hervorrufen können und in welcher nicht. In wie weit dies geregelt worden ist, geht aus der Berichterstattung nicht hervor. Es stellt sich jedenfalls folgende Frage: Wenn jetzt sehr viele kleine und mittlere Unternehmen aufgeben werden oder selbst ins Ausland gehen und dann z.B. für Textilien, die jetzt meist im Ausland hergestellt werden, auch dort die entsprechenden Vorprodukte herstellen, was wird dann am Schluß an mehr Sicherheit in punkto Chemikalien in den Produkten übrig bleiben? Das kann zum glatten Gegenteil führen. Was ist, wenn hier zum Beispiel die Entlassungen sich verstärken, wenn hier der innere Markt weiter niedergeht, wie es in den letzten Jahren schon der Fall war? Was ist, wenn die Arbeiterklasse auf diesem Wege auf einem weiteren Sektor ökonomisch entwaffnet wird? Dann kommen vielleicht noch die Automobilindustrie und andere verbliebene Bereiche hinzu? Menschen mit sehr wenig Geld werden erst recht zu preisgünstigen Produkten aus Asien greifen, die möglicherweise dann einen höheren Anteil an gesundheitsgefährdenden Stoffen haben. Ein solches Gesetz kann in der Form, wie es als riesiger bürokratischer Koloß durchgebracht wird, auch in punkto Schutz vor gefährlichen Stoffen nach hinten losgehen! Um dieses Gesetz durchzubringen, stellten zwischendurch, im Oktober 2006, „Umweltschützer“ und Grüne drohend Anträge, dieses Gesetz erheblich zu verschärfen. Daraufhin beeilten sich die verschiedenen an der Sache beteiligten Parteien, den Kompromiß, der vorher umstritten war, so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen, damit diese Verschärfung nicht eintritt. Allerdings ist dies das typische Vorgehen der Grünen, „Umweltschützer“ (genauer der dahintersteckenden finanzoligarchischen Cliquen), wenn sie etwas bestimmtes durchsetzen wollen. Konzernen wie BASF wird diese Bestimmung erst einmal nicht sonderlich schaden. Sie haben genügend Reserven und können die hauptsächlichen Produkte, die sie in großen Mengen herstellen, dann unter diesen Bedingungen weiterhin produzieren. Ob das auf die Dauer hier für den eigenen inneren Markt günstig ist, ist noch eine ganz andere Frage. Aber dahinter gibt es auch noch ganz andere Bestrebungen. So ist BASF als der größte Chemiekonzern inzwischen engstens mit Rußland liiert, und es wurde bekannt, daß er sich enger mit Rußland und Gazprom verbünden und dort auch verstärkt in die Produktion in diesem rohstoffmächtigen Land investieren wolle. In einem Artikel vom 14.12.2006 im Handelsblatt, „EU-Chemikalienrecht nimmt vorletzte Hürde“ wird zugegeben, daß der Umgang mit importierten Chemikalien ein Problem darstellt: „Abgeordnete und die Kommission räumten ein,
dass der Umgang mit Chemikalien in importierten Produkten aus Drittstaaten
die „Achillesverse“ von Reach sei. Man habe keine zufrieden stellende
Lösung gefunden, die mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar
gewesen sei. So müssen Hersteller außerhalb der EU ihre Produkte theoretisch
zwar registrieren lassen, wenn darin enthaltene Substanzen an die Umwelt
gelangen können, etwa Weichmacher in Kinderspielzeug und die Tinte von
Druckerpatronen. Praktisch gilt dies jedoch als kaum kontrollierbar,
weshalb viele Produkte vermutlich weiter ungeprüft eingeführt werden.
EU-Unternehmen warnen daher vor Wettbewerbsnachteilen.“ Offensichtlich ist also diese Frage offen geblieben. Man muß hier angesichts der Erfahrungen mit diesen Banken und Konzernen ganz andere Fragen stellen. Es geht wahrscheinlich gar nicht um Umwelt, noch geht es um Gesundheit. Denn die jetzt herrschenden politischen Parteien sind munter dabei, die Lebensbedingungen der Masse der Bevölkerung so zu verschlechtern, daß viele mit der Gesundheit schnell herunterkommen werden. Und zwar nicht wegen irgendwelcher Spuren von Giftstoffen in Lebensmitteln, in der Kleidung oder Möbeln, sondern weil ihre Lebensumstände sich derartig verschlechtern werden, daß sie sich eine gesunde und ausgeglichene Lebensgestaltung gar nicht mehr leisten können. Denen geht es nicht um die Gesundheit mit ihren sogenannten Umweltphrasen, sondern ihnen geht es um die Zerschlagung einer zum Widerstand fähigen Arbeiterklasse, es geht darum, ihre Machtpositionen rücksichtslos zu erweitern, wobei sie schön reden und in Wirklichkeit das glatte Gegenteil an menschenfeindlicher Praxis betreiben. Es ist also gefordert, alleine schon mal von der EU, eine deutliche Erklärung zu geben, wie sie denn in Zukunft bei den weltweiten Importprodukten diese Unzahl von Waren, die hier hereinkommen, auf Verträglichkeit kontrollieren wollen. Es ist z.B. vor kurzem berichtet worden, daß ein Großteil der chinesischen Textilwaren von mafiotischen Organisationen in Europa vertrieben wird (FAZ, 3.Nov.2006), daß chinesische Lieferanten offensichtlich eine Verbindung mit der organisierten Kriminalität gesucht haben, um ihre Waren innerhalb von Europa zu verbreiten. Glaubt denn irgend jemand, daß auf dieser Basis etwa eine genaue Kontrolle der Textilien auf Giftstoffe erfolgen wird? Wie groß soll der Zoll ausgebaut werden, damit er all die Importwaren, die heute 50 – 60 % des ganzen Sektors ausmachen, kontrollieren kann? RedNE - hd
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