Internet Statement 2006-34
Nachbetrachtungen zum 1. Mai Zunehmende
Entpolitisierung? Zum 1. Mai 2006 sind wieder unzählige große und kleine Statements geschrieben worden. Der Zustand der revolutionären Bewegung hat sich noch nicht wesentlich verändert. Es ist aber notwendig, auf einige Veränderungen einzugehen, die an den 1. Mai-Kundgebungen in Berlin zu beobachten waren. Auffällig die immer weiter zu beobachtenden Bemühungen der Gegenseite, den 1. Mai zu entpolitisieren. Auf der DGB-Kundgebung wurden wie immer schöne Reden gehalten von
Leuten, die sich weitgehend diskreditiert haben und von denen bekannt
ist, daß sie im Zweifelsfall an den schlimmsten sozialen Eingriffen
teilhaben. Es gibt aber auch kleinere Beobachtungen, die alarmieren sollten.
Bei den bisherigen Anlässen war der 1. Mai-Platz vor dem Roten Rathaus
ein Gemisch aus allen möglichen gewerkschaftlichen Organisationen,
revolutionären Gruppen, sowie auch Imbißständen und sonstigen
Informationsständen, die durcheinander standen. Die linken Organisationen
standen unter vielen anderen Ständen mittendrin. Jetzt hat man bei
der Maikundgebung am Brandenburger Tor eine Maßnahme ergriffen,
die nicht widerspruchslos im weiteren hingenommen werden sollte. Die revolutionären
Gruppen wurden abgetrennt, ungefähr einhundert Meter von der übrigen
Kundgebung weiter nach Westen versetzt, etwa in Höhe des sowjetischen
Mahnmals, und standen unter sich. Separierung ist ein erster Schritt zur
Beseitigung, darüber sollte man sich im klaren sein. Im weiteren
sollte man sich soweit wie möglich dagegen wehren.
Vor zehn Jahren war die soziale Situation bei weitem nicht so angespannt,
aber man war wacher als jetzt. Jetzt haben wir den langweiligsten 1. Mai
in Kreuzberg, den es je gegeben hat. Das hat natürlich etwas mit
der bisherigen Entwicklung zu tun. Die sog. Gewaltaktionen von Kreuzberg
haben wir viele Male kritisiert, weil kein Mensch wußte, wozu sie
eigentlich gut sind. Es ist keinerlei revolutionäre Handlung, irgend
jemandem sein Auto anzustecken oder irgendwelche anderen Brandstiftungen
zu begehen. Hinter dieser Art von „Gewalt“ stand schon immer
das größte Fragezeichen. Es ist auch unabdingbar, noch einmal, so wie wir das in früheren Jahren schon gemacht haben, auf die Aufrufe der angeblich. revolutionären 1. Mai-Demonstration einzugehen. Das Volksfest sollte auch diese Demonstration untergraben und ihr die Möglichkeit nehmen. Allerdings kann man die Aufrufe, die dort erlassen werden, z.B. von den Autonomen, nicht mit Schweigen übergehen. Wir finden hier die übliche oberflächliche Rede über soziale Probleme, wobei vollkommen offen bleibt, mit welchen Kräften man hier wirklich an deren Beseitigung gehen kann, immer wieder, wichtiger als dies, die Anbiederung an die reaktionären Kräfte, die auch unter den ausländischen Bevölkerungsteilen, den sog. Migranten, existieren. Völlig unkritisch wird diese Gesellschaft betrachtet. In dem Aufruf der Autonomen „Heraus zum 1. Mai!“ (Abends) wird zunächst unter „Neue Weltordnung“ der imperialistische Ideologe Samuel P. Huntington zitiert und angeführt, daß die USA und die europäischen Regierungen die Durchsetzung ihrer imperialistischen Politik betreiben. Wir haben aber inzwischen eine Situation, in der auch formal keineswegs mehr nur die USA das alleinige Sagen haben, sondern es tritt die sog. multipolare Struktur hervor. Und diese besteht nicht nur und nicht vorwiegend aus der Konkurrenz zwischen Europa und den USA, sondern wir haben auch Kräfte wie China, wie Rußland zu berücksichtigen, die deutlich als neue Imperialisten auftreten, sowie Kräfte wie Indien, mit denen neue Potentiale heranwachsen. Kein Wort darüber bei den Autonomen. Und es heißt dann weiter:
An anderer Stelle sogar: Wer betreibt hier eine kulturrassistische Hetze? Die Autonomen wollten noch nie wahrhaben, daß dieser Staat, diese Gesellschaftsordnung schon seit über 30 Jahren zugleich mit der Hereinziehung der Migranten aus der Türkei und anderen Ländern des Mittleren Ostens systematisch reaktionäre Kräfte unter ihnen unterstützt und sie aufgebaut haben, darunter insbesondere auch islamischen Fundamentalismus. Und diese reaktionären Strukturen existieren unter den Migranten, sie haben teilweise faschistischen Charakter, und sie stehen in ihrer praktischen Bedeutung keineswegs etwa irgendwelchen Neonazis in der deutschen Bevölkerung nach. Im Gegenteil, was den Masseneinfluß angeht, ist der ihre größer. Nirgendwo wird bei den Autonomen von einem solchen Klassenkampf innerhalb der Migrantengesellschaft gesprochen. Er wird ignoriert, und somit werden die Reaktionäre gedeckt. Und wer betreibt eine kulturrassistische Hetze im Zusammenhang mit deutschen Schulen? Türkische Rechte und Fundamentalisten – nicht zu vergessen bestimmte sog. Linke, die in deren Fußtapfen treten -, die die Separierung der türkischen oder libanesischen Bevölkerung von der deutschen systematisch betreiben, betreiben eine kulturrassistische Hetze. Es gibt mannigfache Bestrebungen von seiten dieser Reaktionäre, den Bevölkerungsteil der Türken, Libanesen usw. systematisch von der Kultur und der politischen Zusammenarbeit mit der Mehrheitsbevölkerung zu trennen, auch von den übrigen aus dem Ausland stammenden Bevölkerungsgruppen. Ist etwa die Aufdeckung der „Ehrenmorde“, die auch hier in der Presse relativ breiten Raum eingenommen hat, nachdem man sie jahrelang verschwiegen hat, auch eine Form von kulturrassistischer Hetze, oder ist sie die schließlich erzwungene Aufdeckung von Reaktion, die unter Bevölkerungsgruppen herrscht, die aus dem Ausland stammen? Nirgendwo gibt es unter den sog. Autonomen auch nur eine Spur von Kritik an diesen Kräften. Und wenn man bedenkt, daß die systematische Separierung der türkischen Bevölkerung von der übrigen Bevölkerung Teil der Absichten der reaktionärsten Kräfte innerhalb dieser Gesellschaft ist, dann kann man etwas ahnen darüber, wo die Hintergrundverbindungen der sog. Autonomen - jedenfalls derjenigen, die sich in solchen Aufrufen äußern - liegen. Wir kommen nur voran, wenn die progressive deutsche, türkische und arabische Bevölkerung sich zusammenschließt im Kampf gegen die Reaktion, und das heißt auch gegen die Reaktion in der eigenen Bevölkerungssgruppe. Hinter dem radikalen Wortgeklingel dieser Autonomen-Aufrufe steckt selbst ein ganz erhebliches Stück Reaktion. Was in der Rütlischule sich zugetragen hat, trägt sich in schwächerer Form an vielen anderen Bildungseinrichtungen zu. Die Separierung von türkischen oder anderen islamischen Schülern aufgrund des kulturellen Drucks innerhalb dieser Gemeinschaften selbst ist eine Tatsache, mit der viele Schulen sich herumschlagen müssen und für man die Schulen nicht verantwortlich machen kann. In diesem Zusammenhang von kulturrassistischer Hetze zu reden, heißt in Wirklichkeit im elementaren Sinne Hetze gegen die Demokratie zu betreiben. Wenn wir also für die Zukunft eine Politisierung brauchen, dann
brauchen wir auch eine Abrechnung mit diesen Strömungen, die sich
als superrevolutionär geben, in Berlin lange Zeit eine Art Meinungsdominanz
unter den Linken hatten, und in Wirklichkeit Untergrundkanäle zu
den rechtesten Kräften der Gesellschaft unterhalten. Schließlich noch eine Bemerkung zur 13-Uhr-Demonstration, die dieses Mal auch in stark geminderter Zahl stattgefunden hat und auch von Anfang an unter starkem „Polizeischutz“ marschieren mußte. Der Aufruf zu dieser Demonstration leugnet gleichfalls jede Art von proletarischem Klassenkampf und stellt, wie in diesen und anderen Kreisen üblich, eine gefühlsmäßige Opposition gegen den Kapitalismus heraus. Es geht dabei um „Visionen“, um gefühlsmäßigen Protest und um die Sehnsucht nach einer „anderen Welt“. Wir haben aber keine „andere Welt“, sondern wir haben nur eine Welt, in der wir heute leben und aus der heraus sich das Neue entwickelt, das wir repräsentieren müssen. Auch auf dieser Demonstration kommt es zu den separatistischen Aufrufen und Sprechchören, die die Reaktion unter den Bevölkerungsgruppen aus dem Ausland decken, die Mehrheitsbevölkerung in diesem Land provozieren und andere negative Reaktionen hervorrufen müssen. Mögen doch die Initiatoren dieser Demonstration endlich einmal diese Dinge bedenken! Redaktion Neue Einheit - hd
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Der
1. Mai 2006 Gedanken
zum 1. Mai
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