Internet
Statement 2006-87
Das
Verbot der KSM in Tschechien
Hintergründe
und warum die entschiedene Bekämpfung des Verbots gefordert ist
Hartmut
Dicke
7.Nov.2006
Gegen
die tschechische kommunistische Jugendorganisation KSM (Komunistický
Svaz Mláde˛e) wurde seitens des Innenministeriums in Tschechien
im Oktober ein Verbot ausgesprochen mit der Begründung, diese Organisation
vertrete elementare sozialistische Forderungen, wie die nach der Vergesellschaftung
der Produktionsmittel. Weiter wurde ihr allein schon vorgeworfen, auf
ihrer Internet-Seite grundlegende marxistische Texte veröffentlicht
zu haben. Dies muß nicht nur deutlich verurteilt werden, vor allem
muß der politische Hintergrund und die Bekämpfung der dahintersteckenden
europäischen Reaktion beraten und organisiert werden.
Tschechien ist in Europa ein Land, in das über Jahre die internationale
Produktion vorzugsweise verlagert wurde, gerade auch aus Deutschland,
aber auch aus den USA und anderen Ländern. Das Kapital kaufte sich
in Tschechien ein, liquidierte, was ihm nicht gefiel, und baute mit
kapitalistischen Vorzeichen Industrie mit in europäischem Vergleich
niedrigen Löhnen auf, um gleichzeitig den Druck auf die Beschäftigten
in anderen Ländern zu verschärfen. Aufgaben des proletarischen
Internationalismus und des Zusammenschmiedens der Kräfte der Arbeiter
wie auch der Angestellten, Schüler und Studenten stellen sich seit
langem. Noch immer liegt Tschechien im Mittelpunkt des Interesses an
Investitionen in Osteuropa, aber es zeichnet sich schon ab, daß
auch die tschechischen Arbeiter und Angestellten erneut einem verschärften
Druck ausgesetzt werden sollen, obwohl ihre Löhne und Einkommen
recht niedrig sind. Andere Länder winken dem Kapital schon mit
noch brutaleren Bedingungen. Man setzt auf Rumänien, Moldawien,
die Ukraine und natürlich auf Länder in weit entfernten Regionen
wie etwa in Asien.
In Tschechien haben sich im Unterschied zu anderen Ländern Organisationen
der früheren kommunistischen Bewegung gehalten und erneuert. Zugleich
gibt es aber auch dort die gleiche seichte Welle des Opportunismus wie
bei uns, die sich in einer Aufgabe aller revolutionären Prinzipien
zeigt. Offenbar hat die KSM zumindest in bestimmten Punkten dieser Richtung
entgegengesteuert, und das alleine schon reichte aus, daß man
sie verbieten will. Deshalb muß dem mit aller Deutlichkeit entgegengetreten
werden.
Zugleich stellen sich auch wichtige Fragen bezüglich der Partei,
der diese Jugendorganisation zugeordnet ist, sowie zu dem internationalen
Parteienbündnis, dem diese Partei angehört. Die Erfahrung
lehrt, daß mit derartigen Verbotsdrohungen nicht nur unmittelbar
Unterdrückung betrieben wird, sondern zugleich auch Fallen aufgestellt
werden, um die Bewegung hereinzulegen und bestimmte gefügig gemachte
sogenannte "Sozialisten" zu stärken. Es gab zum Beispiel
in Tschechien eine sog. "T-Shirt-Kampagne" schwärzesten
Charakters, in der nicht nur antikommunistische Hetze, sondern auch
eine Art klerikalfaschistische und auf die Negierung der Wissenschaften
zielende ultrarechte Hetze ans Tageslicht gebracht wurde.
Die tschechischen bürgerlichen Parteien und tschechischen Reaktionäre
sind offensichtlich von den verschiedensten kapitalistischen Kräften
im übrigen Europa und in den USA und vielleicht noch darüber
hinaus ausgesucht worden, in einer konzentrierten Weise Hetze und Reaktion
zu verbreiten und in Europa einen Schwerpunkt faschistischer verbrecherischer
Tätigkeit zu setzen. Die tschechische Bourgeoisie gehörte
auch zu den Mitinitiatoren von üblen Traktaten in den Gremien der
EU, in denen der Kommunismus, der Marxismus und überhaupt die sozialistische
Arbeiterbewegung verunglimpft werden, die in Europa einen fundamentalen
Beitrag zur sozialen Entwicklung und zur Beschleunigung der sozialen
Emanzipation geleistet haben. Hier handelt es sich um eine Spitze der
Konterrevolution, der man Aufmerksamkeit widmen muß.
Der stellvertretende Vorsitzende der KSM, Radim Gonda, berichtete, das
Innenministerium behaupte, allein schon weil die KSM Texte der Klassiker
des Marxismus auf ihrer Web-Seite veröffentliche, verstoße
die KSM gegen die Gesetze der Tschechischen Republik.
"Der
Angriff gegen uns ist nur der Höhepunkt einer lang andauernden
antikommunistischen Kampagne. Es gab beispielsweise eine Petition
mit dem Titel ‚laßt uns die Kommunisten abschaffen’. Das war
der Versuch einiger Parlamentsabgeordneter, ein Gesetz zu erlassen,
das kommunistische Ideen, Bewegungen und sogar das Wort ,Kommunist'
als solches kriminalisieren sollte. Der Gesetzesantrag stellte Kommunismus
und seine Ideen auf eine Ebene mit dem Faschismus und seinen Verbrechen.“[1]
Hier ist in der Tat Aufklärung und eine intensive Kampagne
zur Bekämpfung dieser erzrechten schwarzen Elemente angebracht
und notwendig.
Mit allen Mitteln versucht das Kapital offensichtlich die positiven
Ansätze in Tschechien zu unterminieren. So erfahren wir, daß
eine neue grüne Partei in Tschechien gegründet wurde, die
bei den letzten Wahlen ins Parlament gekommen ist. Dies läßt
auf eine weitere Einflußnahme speziell auch der deutschen Bourgeoisie
und Finanzoligarchie schließen, für die die Grünen immer
schon ein besonderes Steckenpferd sind. Der frühere Präsident
Tschechiens,Vaclav Havel, der durch eine völlig negative Gesinnung
und durch Ignoranz gegenüber dem Kapitalismus bekannt geworden
ist, unterstützte diese grüne Partei. Andererseits gehört
die KPBM (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens)
[2], deren Jugendverband die KSM ist, über die „Vereinigte
Europäische Linke“ selbst einem Bündnis mit einer „Nordic
Green Left Alliance“ im Europaparlament an, das sich „European United
Left - Nordic Green Left“ nennt. In der „European United Left“ sind
verschiedene größere Parteien wie die deutsche PDS, wie auch
Herri Batasuna (baskische Separatisten), Sinn Fein (IRA).
Die „Nordic Green Left Alliance“, die demnach mit der KPBM in einem
engen Bündnis steht, hat in einem ihrer Paragraphen stehen:
“Wir
sind ein linkes Bündnis. Wir verteidigen die Demokratie und die
Menschenrechte. Wir klagen das totalitäre System der Sowjetunion
und anderer Staaten an, die einst für sich in Anspruch nahmen,
sozialistisch zu sein. Der Sozialismus bedeutet die Ausweitung der
Demokratie auf alle Sektoren der Gesellschaft, einer Gesellschaft,
in der Freiheit für alle und jeden die Voraussetzung für
die Freiheit von allen sind.“ [3]
Diese
Platitüden, die in Wirklichkeit die Existenz der Klassenherrschaft
völlig leugnen, denunzieren also die gesamte Geschichte der Sowjetunion
als totalitär. Das ist doch eine Richtung, die in gewisser Weise
selbst mit der antikommunistischen Richtung in Tschechien verwandt ist.
Hier stellen sich allerdings auch unmittelbar Fragen.
Die Erfahrungen mit Verbotsdrohungen zeigen, daß immer wieder
versucht wird, nicht nur bestimmte originäre proletarische Kräfte
zu unterdrücken, sondern auch opportunistische Kräfte zu fördern
und durch die Hintertür die Einsatzbereitschaft und den Willen
zur Solidarität unter den Kommunisten zu mißbrauchen, um
letztendlich falsche Kräfte an ihre Spitze zu setzen.
Zum
Schluß muß noch an die ganze historische Dimension dieses
Falles erinnert werden. Böhmen, das heutige Tschechien, war schon
immer ein Knotenpunkt der Widersprüche in Europa, seit den Zeiten
des ausgehenden Mittelalters. Der 30-jährige Krieg nahm hier seinen
Ausgang. Immer wieder prallten hier revolutionäre und konterrevolutionäre
Kräfte aufeinander. Der hohe Industrialisierungsgrad und die Zusammenführung
verschiedener Kulturen und die Lage eines Verkehrsmittelpunktes für
Europa machten aus Tschechien, dem damaligen Böhmen, immer einen
von verschiedenen Staaten und verschiedenen Klassen hart umkämpften
Raum. Gerade deshalb warfen sich Reaktionäre auch immer wieder
auf seine Unterdrückung. Seit dem 19. Jahrhundert gab es eine Aufwiegelung
zu borniertem reaktionärem Hader und Rassismus, der als eine Front
gegen die Arbeiterbewegung in großen Teilen Europas errichtet
wurde. Die heutige schwarze Hetze, die von tschechischen Reaktionären
an der Vorderfront, im Hintergrund aber vom europäischen und internationalen
Kapital veranstaltet wird, erinnert an diese trüben Geschehnisse
in der Vergangenheit, gleichzeitig aber auch daran, daß aus dieser
Region auch immer eine Menge revolutionärer Widerstand und Auflehnung
gekommen ist.
Gerade wenn man die heutige Bedeutung der Industrialisierung und der
sozialistischen Bewegung Tschechiens in Betracht zieht, muß heute
darauf gedrängt werden, daß sich die Kräfte der Arbeiterklasse
und der revolutionären Kommunisten über die Grenzen hinweg
miteinander verbinden. Man darf annehmen, daß das heutige Verbot
auch gegen die wachsenden Möglichkeiten in dieser Richtung gerichtet
ist, denn diese Organisationen wie die KSM besitzen große Potenzen
und können viele Verbindungen schaffen. Von daher ist die verbrecherische
Absicht der Reaktion vorgegeben.
[1] Interview mit Unsere Zeit, DKP-online,
27.Oktober 2006
[2] KSCM (Komunistická strana
Cech a Moravy)
[3] “- We are a left alliance.
We defend democracy and human rights. We denounce the totalitarian undemocratic
system of the Soviet union and other states, once claiming to be socialist.
Socialism means the extension of democracy to all sectors of society,
a society where the freedom of each and every one is the precondition
for the freedom of all.”
Political platform for Nordic Green Left Alliance
www.neue-einheit.com |