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Presse-Meldungen
über die Finanzkrise - 17.8.2007
Walter Grobe 17.8.07
Die Meldungen des 17.8. bringen erneut eine weitere Menge Abwärts-Daten,
nachdem der Vortag relativ ruhig erschienen war:
„Ausverkauf an den Börsen im Fernen Osten“ (FAZ 17.8.
s. 23) – Japan, Hongkong, Singapur, Mumbai, Seoul werden genannt,
sowie weitere.
Die Auswirkungen auf die gesamte Ökonomie werden jetzt zugegeben,
nachdem es zuvor wochenlang geheißen hatte, es sei eine auf die
Finanzmärkte beschränkte Krise, die „Realwirtschaft“
sei weitgehend unberührt. Ursprünglich hatte man sogar eine
Beschränkung auf den Hypotheken-markt der USA behauptet.
Ein sog. Wirtschaftsweiser der BRD, Peter Bofinger, spricht im Interview
mit Welt-online 17.8.2007 vom weltweiten Ende des Booms. Nicht nur die
US-Konjunktur, sondern dIe gesamte Weltwirtschaft sei in den letzten Jahren
durch die expansive Geldpolitik der US-Notenbank quasi gedopt worden.
Die schlechten Kredite seien in Form undurchschaubarer neuer Finanzierungs-instrumente
über die ganze Welt verteilt worden (andere gebrauchen den Ausdruck:
der Giftmüll wurde verteilt), daher gebe es jetzt eine globale, nicht
eine nationale Finanzmarktkrise.
“Bofinger: In der amerikanischen Geldpolitik sind entscheidende
Fehler gemacht worden. Sie war in den Jahren 2004 und 2005, als sich
die Wirtschaft längst von der Krise infolge der Terroranschläge
auf die USA im September 2001 erholt hatte, viel zu expansiv. Die Leitzinsen
waren zwei bis drei Punkte zu niedrig. Hätte die amerikanische
Notenbank von vorneherein eine solidere Politik gemacht wie etwa die
Europäische Zentralbank, hätte man einiges vermeiden können.
So haben die niedrigen Zinsen auf die Wirtschaft wie eine Art Doping
gewirkt. Das hat nicht nur die amerikanische Konjunktur beschleunigt,
sondern die ganze Weltwirtschaft. Dieser Effekt fällt jetzt weg
und beendet damit eine Phase extrem guten Wachstums.
WELT ONLINE: Was unterscheidet diese Krise von früheren?
Bofinger: Das Besondere an der aktuellen Krise ist ihre Ausbreitung
über die Finanzmärkte, das heißt über unterschiedlichste
Formen von Anleihen mit teilweise hochkomplexen Strukturen, die kaum
noch jemand verstehen kann. Dadurch konnten die schlechten Kredite aus
den Vereinigten Staaten über die ganze Welt verteilt werden, und
keiner weiß genau, wo die großen Risiken wirklich liegen.
Wir haben also eine globale Finanzmarktkrise, während man es früher
mit überwiegend nationalen Bankenkrisen zu tun hatte.“
Daß die ökonomische Politik der BRD, deren Exportstärke
bisher immer gerühmt worden war als bilde sie ein Gegengewicht zum
– zugegebenen - Verfall des inneren Marktes, jetzt möglicherweise
eine Quittung bekommt, deutet Bofinger notgedrungen an:
„WELT ONLINE: Wie stark kriegen wir das in Deutschland zu spüren?
Bofinger: Das belastet natürlich auch die Wirtschaft in Deutschland,
aber wie stark kann man schwer vorhersagen. Es kann aber gut sein, dass
wir im nächsten Jahr ein deutlich schwächeres Wachstum haben
werden, zumal unsere Binnennachfrage nach wie vor nicht in Schwung gekommen
ist.“
Eine interessante Detailschilderung des Hypothekenmarktes der USA:
Bereits 13.8.07 schrieb AP (in MSNBC), daß die großen Probleme
im Hypothekenmarkt der USA erst noch kommen. Titel:
Riskante Hypotheken-Darlehen werden zu einem giftigen Durcheinander
(http://www.msnbc.msn.com/id/20216643/)
Die bisherigen Kalamitäten im Subprime-Sektor seien relativ klein
im Vergleich mit dem Sektor der ARMs – Adjustable Rate Mortgage
(deutsch etwa: Hypothek mit variablem Zins). Davon gebe es v. a. 2 Typen:
„...Hunderttausende von Schuldnern von ’Options’-ARMs,
riskanten Darlehen, die mit Eingangszahlungen aus der Schnäppchen-Abteilung
lockten und es den Schuldnern erlauben, einen Teil der Zinszahlungen
auf spätere Jahre zu verschieben.
Millionen anderer Schuldner kämpfen mit einem anderen Typ ARM
unter dem Namen ’Nur Zinsen zahlen’. Diese Darlehen erlaubten
es den Schuldnern, jeden Monat gerade so viel wie den Zins auf das Darlehen
zu bezahlen, ohne es zu tilgen.“
„Während die meisten Sorgen über den Hypotheken-Markt
sich bisher auf die großen Verluste aus den Subprime-Hypotheken
beziehen, die an Personen mit schlechter Kreditwürdigkeit ausgegeben
wurden, lauern die ’Options’- und ’Nurzins’-ARM-Hypotheken
als weitere Kalamität, die sich in der Mache befindet.
Wenn die schlimmsten Befürchtungen über diese Darlehen wahr
werden, könnte sich der ökonomische Schaden weit über
die Grenzen der USA hinaus ausbreiten, weil ein Großteil der Schulden
in Papiere verpackt wurde, die an Rentenfons, Banken und andere Investoren
rund um die Welt verkauft wurden, die nach hohen Erträgen gierten.
Die Auswirkungen könnten auch die Häuserpreise weiter drücken
und die Verbraucher in USA sich ärmer fühlen lassen, weniger
geneigt, die Waren aus Übersee zu kaufen.“
Zum Ausmaß dieser Kredite:
„Die Verleiher gaben geschätzt 581 Mrd. $ an Options-ARMs
in den Jahren 2005 und 2006 aus, während sie nahezu 1,4 Billionen
an Nur-Zins-ARMs ausgaben, nach Angaben von LoanPerformance. Eine neue
Studie schätzte, daß etwa 325 Mrd. solcher Darlehen ausfallen
werden, sodaß mehr als 1 Million Hausbesitzer ihr Eigentum an
die Verleiher übertragen müssen. Zum Vergleich: etwa 212 Mrd.
an Subprime-Darlehen waren im Minus im Mai.“
Bei den ARMs kommt jetzt die Periode steigender Abzahlungen, während
die Werte der Häuser fallen.
Wie die Finanzkrise dieser Produkte eine allgemeine Kreditkrise auch
in Deutschland etc. werden kann, beschreibt FAZ 17.8.08 S. 23
„Steigende Furcht, dass sich die Banken derzeit gegenseitig den
Geldhahn zudrehen könnten, hat Marktteilnehmer am Donnerstag mit
erhöhter Nervosität reagieren lassen. Nicht etwa Kreditausfälle,
sondern die Angst vor drohenden Kreditrisiken bei Wettbewerbern führt
derzeit zu extremer Vorsicht bei Bankenvorständen. Sie sind nicht
bereit, Wettbewerbern im Interbankenmarkt mehr als einen Tag hinaus
Liquidität bereitzustellen.“
....
„Die außergewöhnlich starke Zurückhaltung bei
der Bereitstellung von Liquidität zwingt Notenbanken wie die Europäische
Zentralbank (EZB) und Federal Reserve seit Tagen, mit Liquidität
einzuspringen. Analysten von Credit Suisse warnten am Donnerstag sogar:
"Die Notenbanken müssten jetzt sofort drastischer reagieren,
damit die Zuversicht der Investoren nicht vollends kollabiert und die
Banken völlig aufhören, sich gegenseitig Liquidität bereitzustellen."
’Wir können nicht erkennen, welche Kreditrisiken
unsere Wettbewerber auf ihren Büchern haben’
Banker sind indessen skeptisch: ’Wir müssen extrem zurückhaltend
sein, weil wir nicht erkennen können, welche Kreditrisiken unsere
Wettbewerber auf ihren Büchern haben’, sagt ein leitender
Bankmanager einer Großbank, der nicht genannt werden will. 'Wenn
wir früher in einem Konsortium einen Großkredit an einen
Industriekonzern vergeben hatten, wussten wir genau, welche Bank welche
Risiken auf den Büchern hat. Heute ist der Markt völlig intransparent’,
sagt ein Bankenchef, dessen Vorstand den anderen Banken am liebsten
überhaupt keine Liquidität mehr bereitstellen würde.
Gleichzeitig räumt dieser Bankenmanager ein, dass der Liquiditätsengpass
am Markt im Ernstfall zur Zahlungsunfähigkeit einer Bank führen
könnte.
Der Grund für die Unsicherheit sind komplexe Kreditderivate, in
die zahlreiche Fondsgesellschaften, aber auch Banken erheblich investiert
haben, um ihre Kreditrisiken zu diversifizieren und eine höhere
Rendite einzustreichen. Dabei handelt es sich neben einer Vielzahl von
anderen Derivaten um Asset Backed Securities (ABS) und um Collateralized
Debt Obligations (CDO). ABS sind über Vermögenswerte besicherte
Spezialanleihen. Häufig sind diese Vermögenswerte Hypothekenkredite.
CDOs wiederum sind zu einem Paket gebündelte Kreditrisiken. Dabei
wird das Paket je nach Risiko in Tranchen gespalten, verbrieft und an
verschiedene Investoren weiterverkauft.”
Die Ausfälle im Hypotheken-Markt sind in der gesamten US-Ökonomie
inzwischen spürbar, heißt es in FAZ-net 16.8.2007, weil sie
den Kreditmarkt insgesamt in Mitleidenschaft ziehen:
„Die Probleme mit den so genannten Subprime-Hypothekendarlehen
haben sich auf dem amerikanischen Kreditmarkt mittlerweile so weit verbreitet,
dass sie auf dem Markt für Commercial Papers zu ersten Störungen
führen, einem Markt der einen erheblichen Anteil jener kurzfristigen
Finanzmittel bereitstellt, die Amerikas Wirtschaft am Laufen hält.“
Das System allgemeiner Schummelei und Betrugs in der Finanzwelt wurde
offensichtlich auch von den sog. Rating-Agenturen gefördert, bei
denen Geldanleger anscheinend immer noch meinen, unabhängigen Rat
zu erhalten, obwohl diese schon eine Reihe von massiven Skandalen wie
z.B. Enron hatten::
„Die drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s
(S&P), Fitch und Moody’s sehen sich Vorwürfen von Anlegern
und Politiker ausgesetzt, weil sie mit schwachen Hypothekenkrediten
besicherte Anleihen lange mit guten Ratings versehen haben, was den
Weiterverkauf dieser strukturierten Finanzinstrumente gefördert
hat. Sie reagierten erst vor wenigen Wochen mit Herabstufungen, obwohl
die wachsenden Ausfallraten auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt schon
seit Monaten bekannt sind.“ (FAZ-net 16.08.2007)
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