Internet Statement 2007-14
Walter Grobe 27.01.2007 Vor einer Woche fand eine halbstündige Debatte im Bundestag statt zu der von den USA geforderten Entsendung von Tornado-Flugzeugen in die Kampfgebiete Afghanistans. Die Linksfraktion hatte beantragt, die Entsendung abzulehnen, und dabei auch zum Ausdruck gebracht, daß das deutsche Militär besser ganz aus Afghanistan abziehen sollte. Unsere Organisation hat von Anfang an, seit Ende 2001/Anfang 2002 die Entsendung von Bundeswehr-Einheiten nach Afghanistan bekämpft und immer wieder gegen derartige Auslandseinsätze unmißverständlich Stellung genommen. Immer wieder war auch deutlich geworden, daß die USA und ihre engsten Freunde das deutsche Abenteuer in Afghanistan benutzen, um auf die Bundesrepublik Druck auszuüben, sich militärisch noch stärker im Sinne der Politik der USA zu engagieren. Ursprünglich wohl konzipiert, um für eigenständigere imperialistische Absichten in dieser Region einen Fuß in die Tür zu bekommen, hat das Abenteuer in der Praxis vor allem die Empfindlichkeit der deutschen Politik für den Druck überlegener Mächte, gerade auch der USA, erhöht. Man kann nicht sagen, daß dieser Druck völlig ohne Folgen geblieben ist. Die hauptsächlichen Einheiten der Bundeswehr waren ursprünglich Anfang 2002 unter dem Label „ISAF“ nach Afghanistan entsandt worden. Diese „International Security Assistance Force“ unter UN-Mandat sollte als polizeiliche Schutztruppe für die Regierung Karsai fungieren, da diese aus eigenen Kräften sich nicht einmal in Kabul hätte etablieren können. Es wurde feierlich erklärt, daß ISAF strikt getrennt von den Operationen der USA in Afghanistan sei. Neben der Bundesrepublik war eine größere Anzahl Staaten an der ursprünglichen ISAF beteiligt. Bereits 2003 aber kam es zu einem politischen Umbau: nun bildete die NATO die ISAF, und ein direkterer Einfluß der USA wurde auf diese Weise etabliert. Im weiteren übernahm Deutschland im Norden Afghanistans eine Art Besatzungszone unter der NATO-ISAF und unterzog sich der dubiosen Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den dort dominierenden Warlords und Drogenbaronen Provinzregierung zu spielen. Aber noch immer versuchte die Bundesrepublik, Distanz zur Politik der USA in Afghanistan zu wahren. Während diese seit 2001 im Süden und Osten des Landes ununterbrochen in Kriegshandlungen verwickelt sind, zunächst in die angebliche Verfolgung von „bin Laden“ und Al-Kaida-Elementen, später angeblich in Kämpfe mit neu entstehenden Taliban-Kräften, und mittlerweile auch trotz der Hilfe von Briten, Kanadiern etc. der Lage nicht Herr zu werden vermögen, wie sie angeben, hat sich die Bundesrepublik bisher gesträubt, eigene Einheiten in diese Kämpfe zu entsenden. Zwar war ein Spezialkommando der Bundeswehr (KSK) gleich zu Anfang an den Operationen der USA beteiligt, doch wurde von der Schröder-Fischer-Regierung weder der Öffentlichkeit noch dem Parlament Auskunft darüber gegeben, was dieses dort unternommen hat bzw. noch unternimmt. Ob dieses Kommando an den massiveren Konfrontationen der USA-geführten Kräfte der letzten Zeit beteiligt ist oder nicht, darüber läßt die Regierung die Öffentlichkeit nach wie vor im Dunkeln. Und nun wird seit Sommer 2006 beträchtlicher Druck ausgeübt. um die Bundeswehr. in die völlig unklaren und unlegitimierten Verwicklungen der USA im Süden und Osten des Landes stärker hineinzuziehen. Was sollte man aber auch an dem Vorgehen der USA in Afghanistan unterstützenswert finden! Das Einzige, was die USA in dreißig Jahren seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre dort zuwege gebracht haben, war die Aufzucht von islamistischen terroristischen Kräften - und das tun sie in Wahrheit noch heute. Es begann mit der Ausbildung, Finanzierung und Organisierung von sog. Mujaheddin, die den USA in Afghanistan als das Werkzeug dienen sollten, das Besatzungsregime der damals konkurrierenden Supermacht Sowjetunion in Afghanistan in die Knie zu zwingen und schließlich deren Auflösung überhaupt zu beschleunigen. Die hauptsächliche Basis für diese geheimdienstlichen Operationen der USA war das Nachbarland Pakistan und dessen mit der CIA eng verbundene Geheimdienst ISI. Indem die USA den islamistischen Würgern in Afghanistan zur Macht verhalfen, wurden sämtliche demokratischen und linken Kräfte dort fast ausgerottet und die zivilisatorische Infrastruktur und die Einheit des Landes weitgehend zerstört. Als nach dem Abzug der Sowjetunion das Regime der diversen islamistischen, von den USA unterstützten Warlords in Afghanistan in ihren Dauerkriegen untereinander wiederum zur Gefahr für die oberste Kontrolle der USA wurde, ersetzte man es durch das der Taliban, natürlich wieder von Pakistan aus mit seinem ISI-CIA-Komplex. Mit dem Taliban-Regime verhandelten die USA bekanntlich ganz geschäftsmäßig, bspw. über die Errichtung einer Pipeline durch das Land, bis sie vermittels der Ereignisse des 11. September 2001, die nicht ohne Beteiligung bestimmter Kräfte in Regierung und Geheimdiensten denkbar waren, einen erneuten Schwenk vollführten. Von nun ab sollte der islamistische Terrorismus den USA auf noch höherer Ebene dienen, und seitdem sieht sich die Welt mit unerhörter Panikmache, mit der Rechtfertigung militärischen Eingreifens an jedem Ort der Welt, mit verschärften Pressionen zur Bändigung unzuverlässiger Verbündeter und einer ungeahnten Wühlerei zur Hemmung der Entfaltung der Demokratie und des Klassenkampfes - wo auch immer auf der Welt - konfrontiert. Kein anderes Ergebnis hat auch der ang. Kampf gegen Taliban und Al-Kaida in Afghanistan: diese Kräfte sind heute stärker als noch vor drei Jahren. Wenn die Zivilbevölkerung in Afghanistan unter permanentem militärischem Terror steht, wenn noch dazu nebenan in Pakistan unter den Augen des engsten US-Verbündeten Musharraff und seines CIA-ISI weiterhin Fundamentalisten ausgebildet und entsandt werden, dann kann es auch gar nicht anders laufen. Heute stehen die USA weltpolitisch schwächer da als zuvor. Nicht nur, daß neue Mächte wie China und vielleicht weitere Länder aufsteigen, daß selbst Rußland trotz innerer Verwüstungen mehr machtpolitische Selbstbehauptung versucht; das Debakel ist auch ein Ergebnis der verbrecherischen Politik der USA selbst. Daher wird am Ende des Bush-Regimes und der „demokratischen“ Variante der US-Politik gebastelt, die allerdings im Prinzip nichts Besseres verheißen kann, weil auch sie für die internationale Oberherrschaft des US-Finanzkapitals kämpft. Und natürlich versucht man auch, die zentrifugalen Kräfte unter den Verbündeten wie Deutschland zu zügeln und von ihnen wenigstens den öffentlichen Schein zu ergattern, daß sie zumindest im Falle Afghanistan noch hinter den USA stünden. Das ist der Hintergrund der Anklagen gerade gegen Deutschland, daß es sich hinter seinem Bundestags-Mandat verschanze und im Norden, in Mazar-al-Scharif relativ unbehelligt Patrouille schiebe, während im Süden und Osten Soldaten aus USA, Großbritannien und Kanada verbluten, dringend angewiesen auf die Bundeswehr und von ihr im Stich gelassen. Das ist auch der Hintergrund des Drängens auf Tornado-Hilfe, und ebenso des - verständlichen - Zögerns fast aller Kräfte in Deutschland in dieser Frage. Mit der bisherigen öffentlichen Tolerierung des US-Vorgehens, mit der vielfältigen Anbiederung an die Phraseologie und Politik des „weltweiten Kampfes gegen den Terrorismus“ hat sich Deutschland allerdings selbst in die mißliche Lage gebracht, die USA immer zumindest halb unterstützen zu müssen und sich gleichzeitig als militärischer Feigling brandmarken zu lassen, der sich aus den Brennpunkten möglichst heraushält. Wir können nur die Hoffnung aussprechen, daß es nicht noch zu einer Hintertreppenaktion der Merkel-SPD-Crew kommt, die die Vorbehalte in Deutschland überspielt und dieser miserablen Politik noch eine schwächliche Verlängerung einhaucht. Daher ist es wichtig genau zu beobachten, wer sich noch in diesem Sinne öffentlich zu engagieren wagt, und die kurze Bundestags-Debatte von 19.1 war in diesem Sinne aufschlußreich. Oskar Lafontaine von der Linksfraktion griff das Tornado-Projekt scharf an:
Er forderte schließlich das Ende des gesamten Afghanistan-Unternehmens Deutschlands:
Wenngleich wir vorwiegend andere Gründe dafür haben als die Verfassungs- und NATO-treuen Formalargumente, die Lafontaine hier anführt, ist die Forderung insgesamt richtig. Der FDP-Abg. Hoyer mahnte zwar die Einheit der NATO an:
konnte allerdings dann auch, ohne daß ihm von den Vertretern der Regierungspolitik widersprochen wurde, feststellen:
Unter dem Namen "Enduring Freedom" stehen die dubiosen Operationen des US-Militärs in Afghanistan, die nicht über die NATO laufen, zu deren Unterstützung jedoch seit geraumer Zeit die britischen, kanadischen etc. NATO-ISAF-Kräfte dort mitoperieren und die Bundeswehr die Tornados schicken soll. Selbst Polenz (CDU), ein Merkel-Adlatus, sang zwar zunächst in den höchsten Tönen das Lied von der Bekämpfung des internationalen. Terrorismus in brüderlicher Gemeinschaft mit den USA, konnte aber dann zur Tornado-Frage nur auf weiteren Beratungs- und fact-finding- Bedarf seiner Regierung verweisen. Er betonte, wie seitens deutscher Politiker üblich, den zivilen Aufbau des Landes, dem sich seine Regierung verpflichtet fühle und der durch die übertriebene rein militärische Ausrichtung der US-Politik leide. Sein Parteifreund Wimmer wurde am 26.1. in Spiegel-online mit etwas deutlicheren Worten zitiert:
[Der „Spiegel“ verwechselt hier möglicherweise den sog. ICTY, den hauptsächlich von den USA betriebenen sog. Gerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien, mit dem die USA und ihre Verbündeten vor allem ihre eigene Rolle zudecken wollen, mit dem ebenfalls in Den Haag befindlichen Internationalen Strafgerichtshof, der hauptsächlich von EU-Ländern und inzwischen etwa 100 Staaten unterstützt und von den USA wegen der möglichen Anklage gegen ihre eigenen Kriegsverbrecher abgelehnt wird. Bei einem Organ wie dem „Spiegel“ ist eine indirekte verwischende Propaganda für das Gericht, das den USA näher steht, natürlich verständlich.] Während in CDU/CSU über die Frage offenbar gestritten wird, treibt die SPD weiter zur Fortsetzung des Afghanistan-Abenteuers und jetzt insbesondere zur engeren Waffenbrüderschaft mit den USA. Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Fraktionsvorsitzende Peter Struck (SPD), dessen Ansicht, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, inzwischen ein Synonym für imperialistische Anmaßung und Lächerlichkeit geworden ist, hatte vor Wochen bereits der NATO kurzerhand die Entsendung der Tornados zugesagt. Jetzt muß sogar die Mehrheit seiner Partei zugestehen, daß dafür formal wenigstens ein neuer Bundestags-Beschluß erforderlich wäre. Sein Parteifreund Detlef Dzembritzki von der SPD-Fraktion mußte am 1.9.1. ans Rednerpult, um u.a. folgende Einlassungen zu machen:
[Niemand tut allerdings so blöd wie die SPD beim Nichtwissen darüber, „was in diesem Land in den zurückliegenden drei Jahrzehnten geschehen ist“, und verspricht so bereitwillig weitere Hilfe für die Fortsetzung dieser Politik!] Nach verbalen Konzessionen an die Opposition und die bisherige Unabgeschlossenheit der Entscheidung „vermutete“ Dembritzki schließlich gehorsamst eine Kleinigkeit – ja, was wohl:
Der Vertreter der Grünen, Jürgen Trittin, den manche als das politische Rückgrat dieser Partei nach dem Abgang von Fischer betrachten, konnte es ebenfalls nicht lassen, im Sinne der USA und derjenigen deutschen Regierungskräfte zu sprechen, die die USA in dieser Sache unterstützen wollen, obwohl seine Partei in der Opposition ist. Er tat dies zwar nicht direkt und zog es vor, sich wie andere auch über die Notwendigkeit der parlamentarischen Erörterung und Beschlußfassung zu verbreiten, was ja inzwischen geschenkt ist, aber er beklagte sich zunächst über Ungeschicklichkeiten bei der CDU/CSU, die Leuten wie Lafontaine überhaupt erst die Möglichkeiten gäben, solche Ausführungen im Bundestags zu machen (!), und entdeckte dann bei den USA den Beginn der Wende zum Positiven, wie es Deutschland schon immer gewollt habe:
Am 26.1. war denn auch auf einem Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel von C. Rice, der Noch-US-Außenministerin, das entsprechende Getöse zu vernehmen. Sie forderte die NATO-Mitglieder nochmals zu verstärktem Engagement in Afghanistan auf. Der Wunsch nach deutschen Tornados war vom NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer bei diesem Treffen erneut unterstrichen worden. Rice faselte etwas über eine große Frühjahrs-Offensive „alle gemeinsam gegen die Taliban“ und behauptete, ihre Regierung wolle zusätzliche 10,6 Mrd. $ für Afghanistan in den kommenden 2 Jahren lockermachen. Wofür? Für das Trittinsche Umdenken, für Straßenbau ?? Nun ja, genauer gelesen, sollte der Löwenanteil in den ang. Aufbau der afghanischen Armee und Polizei gehen. Der brennt den USA anscheinend auf den Nägeln, glaubt man ihrer öffentlichen Schelte für Deutschland wegen völligen Versagens bei dieser zivilen Aufgabe. Aber auch hier geht es natürlich in Wirklichkeit nicht um die Schaffung ziviler Infrastruktur, um die sich die USA ja auch im Irak bekanntlich so verdient machen, sondern um den Druck auf Deutschland, sich in die Absichten der USA besser einzufügen. Fazit: Die Kritik an der Politik der USA in Afghanistan muß vertieft werden. Darüber hinaus müssen auch das Zustandekommen und die Perspektivlosigkeit des deutschen Afghanistan-Abenteuers endlich zum Thema werden. Es lohnt sich, die politische Differenzierung genau zu verfolgen, die sich in solchen Einlassungen wie der SPD und der Grünen widerspiegelt. Das gilt auch im Hinblick auf andere, wichtigere Fragen. Diese Kräfte dürfen in der Tornado-Frage nicht zum Zuge kommen, ebensowenig wie in anderen Fragen, und man muß der Merkel-SPD-Kumpanei auf die Finger schauen, damit sie dergleichen nicht doch gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit im Lande und sogar der Stimmung in den bürgerlichen Parteien irgendwie bewerkstelligt. |