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Statement 2007-31
Frankreich
– was für eine Wahl?
Maria Weiß,
16.04.2007
In Frankreich stehen
wieder einmal Präsidentschaftswahlen vor der Tür, und ebenso
wie beispielsweise in unserem Land gibt es auch dort für die breite
Mehrheit der Bevölkerung keine wirkliche Auswahl. Wen wundert es
daher, daß es noch vor ein paar Tagen lautete: „Vier von zehn
Franzosen wissen überhaupt noch nicht, wen sie wählen“
bzw. 40 bis 42 Prozent wissen noch nicht, was sie bei dieser Wahl tun
werden.
Seit Monaten läuft
in Frankreich ein gigantischer Medienwahlkampf, bei dem eine Umfrage die
andere jagt und es abwechselnd lautet: Segolène Royal (Sozialistische
Partei, PS) steht an der Spitze oder Nicolas Sarkozy (UMP, Union pour
un mouvement populaire, die Partei des bisherigen Präsidenten Chirac)
überrundet Segolène Royal um zwei Prozentpunkte, usw. usf.
Seit kurzem macht
sich auch die rechte „Front National“ von Le Pen stärker
bemerkbar, nachdem dieser schlußendlich und mit wohlmeinender Unterstützung
durch Nicolas Sarkozy einige Hindernisse bei der Stimmensammlung für
den Wahlantritt überwinden konnte.
Es bietet sich hier folgendes Schauspiel. Nachdem bürgerliche Vertreter
wie Sarkozy bzw. sog. Sozialisten wie Segolène Royal sich gegenseitig
überboten haben, den Nationalismus wieder für Frankreich zu
entdecken und sich gegenseitig mit rechten Vorstößen verschiedenster
Art Konkurrenz machten (man denke an den Vorschlag Sarkozys, die Jugendlichen
der Banlieues mit dem „Kärcher“ zu behandeln, oder die
Idee von Royal, straffällig gewordene Jugendliche in Militärlager
zu stecken), tönt es nun triumphierend aus der Ecke des Le Pen, von
dem vor einigen Monaten noch gar nicht klar war, ob er überhaupt
die notwendige Stimmenzahl für den Wahlantritt zustandebringen würde:
UMP und PS laufen uns hinterher! Das Neueste ist , daß es offenbar
sogar Koalitionsüberlegungen seitens UMP gegenüber FN gibt.
Es tritt verstärkt
auch noch eine weitere Person in diesem Wahlkampf hervor, und zwar Francois
Bayrou von der UDF (Union pour la Démocratie Francaise), der sich
als sog. „Systemgegner“ und Mann des Ausgleichs präsentiert,
offenbar als Alternative für Unentschiedene, die weder Royal noch
Sarkozy wählen möchten und erst recht nicht FN an die Macht
bringen wollen. Ob dieser allerdings mit seinen Vorstellungen (er wird
als „überzeugter Europäer“ bezeichnet, der sich
vor allem mit der Schuldenproblematik Frankreichs befassen will) den beiden
anderen bürgerlichen Kandidaten Paroli bieten kann, steht in Frage.
Die PCF (Parti Communiste
Francaise) gibt sich leisetreterisch sozial, offenbar bislang mit wenig
Zugkraft. Allerdings kann sie den Vorstoß für ein verfassungsmäßig
verankertes Recht auf Wohnraum für jedermann für sich verbuchen.
Sämtlichen auftretenden
Parteien ist gemeinsam, daß sie keinerlei Konzept haben, wie die
sozialen und ökonomischen Probleme, die sich natürlich auch
in Frankreich in aller Härte stellen, zu lösen sind. Das spiegelt
sich in den Programmen wieder, das die einzelnen Parteien präsentiert
haben.
Segolène Royal,
seit Anfang des Jahres zunächst für längere Zeit Medienfavoritin
Nr. 1, präsentierte sich u.a. als „wahre Vertreterin des Ökologismus“
und ging mit den Grünen Vereinbarungen ein, das Kernenergieprogramm
in Frankreich zurechtzustutzen. Von einer Reduzierung der Stromerzeugung
aus Kernenergie von derzeit über 75 auf nur noch 50 Prozent war die
Rede. Des weiteren bot sie als Vorschlag für die Lösung der
Jugendarbeitslosigkeit, die in Frankreich äußerst kraß
ist, eine Art Neuauflage des berüchtigten CPE (Contrat Première
Embauche) welcher im letzten Jahr durch eine große Bewegung der
französischen Arbeiter und vor allem auch der Jugendlichen, unterstützt
von den Gewerkschaften, erfolgreich abgewendet wurde, in abgewandelter
Form wieder an.
Segolène Royal hat nicht nur einen rechten Touch, der wohl von
ihrer familiären Herkunft aus ehemaligen Kolonialkreisen und ihrer
erzkonservativen Erziehung herrührt. Sie hat offenbar auch krasse
Lücken in Kenntnissen sowohl in internationalen Fragen als auch in
solchen des eigenen Landes. Öffentliche „Faux-Pas“ wie
noch vor einigen Tagen, als sie vorschlug , man müsse jetzt unbedingt
das Taliban-Regime in Afghanistan verurteilen, ließen ihre Umfragewerte
gleich um einige Prozentpunkte fallen. Auch in Fragen der EU mußte
sie sich von einem führenden Parteikollegen darauf hinweisen lassen,
daß die PS doch eine Partei sei, die „für Europa“
eintrete. Es gab daher sogar Überlegungen, ob man dieser Kandidatin
überhaupt die Führung überlassen könne oder stattdessen
nicht lieber gleich eine Koalition mit Sarkozy eingehen solle.
Nicolas Sarkozy, früherer Innenminister aus dem Kabinett Chirac,
schillernde und wechselhafte politische Figur, der immer wieder durch
offenes Flirten mit Rechtsaußen auffällt, seit neuestem auch
Favorit von Repräsentanten internationaler Finanzkreise wie dem britischen
„Economist“, was hat der zu bieten? Zum einen sicherlich eine
Art Fortsetzung des Regimes Chirac, das in den letzten Jahren ziemlich
abgewirtschaftet hat und sich als unfähig erwies, die sich verschärfenden
sozialen Probleme in Frankreich in den Griff zu bekommen.. Sarkozy hat
darüber hinaus aber etliche nicht ungefährliche „Macken“,
mit denen er schon des öfteren unangenehm aufgestoßen ist,
die eine spalterische Wirkung im Land haben und, sollten sie international
zum Tragen kommen, evtl. sogar das Land politisch isolieren könnten.
Bei den Vorstadtunruhen Ende 2005 fiel Sarkozy mehrfach als Haßprediger
gegen Teile der Bevölkerung auf und gab damit anderen, bspw. islamistischen
Provokateuren, Futter. [Siehe Internet
Statement 2005-94 Zur Analyse der französischen Ereignisse] Von
der PS u.a. wird ihm z.B. auch vorgeworfen, daß seine Politik Frankreich
in zwei Teile spaltet. Dies bezieht sich auf seine Absicht, im Falle seines
Wahlsieges ein sog. Ministerium für Immigration und nationale Identität
zu schaffen, was übrigens ein früherer Punkt des Programms von
Le Pen war. Im jetzigen Wahlkampf jedenfalls spielt er den „ehrbaren
Bürger“, der gegen das Verbrechertum vorgehen wolle. Von Lösungsvorschlägen
für die soziale Problematik ist nicht viel zu hören. Jedoch
empfiehlt er potentiellen Le Pen-Wählern, nicht diesen, sondern lieber
ihn zu wählen, da ihre Stimmen sonst für die Katz sein könnten!
Was vertritt nun Sarkozy in punkto Europa? Offenbar eine Art Fortsetzung
der Chiracschen Politik, wenn denn seine jetzigen Äußerungen
Bestand haben. Daß er allerdings viel mehr als Chirac zur Verbindung
mit den USA neigt, hat er erst kürzlich wieder durch völlig
unangebrachte Lobsprüche für das, was er als „amerikanische
Demokratie“ bezeichnet, zum Ausdruck gebracht. Von einer europäischen
Föderation will er wohl nicht viel wissen. Interessant ist in diesem
Zusammenhang die Bemerkung von Angela Merkel zu diesem Thema, welche anläßlich
der 50-Jahre-EU -Feierlichkeiten in Berlin betonte, daß es in den
nächsten 50 Jahren keinen europäischen Staat geben werde. Das
geht in die gleiche Richtung. Die Frage ist nur, wer daraus den Vorteil
ziehen wird. Sicherlich nicht die Tendenzen zu mehr Demokratie und Abschüttelung
von Bevormundung durch ein oder zwei gegenwärtige (oder auch kommende)
Hegemonialmächte.
Jean-Marie Le Pen kommt mit einem erzrechten und längst widerlegten,
nach hinten schauenden Konzept daher, wie auch schon im letzen Wahlkampf
2002, mit der Masche „Hauptsache wir sind alle echte Franzosen“,
und wenn wir nur endlich dafür sorgen, daß keine weiteren Migranten
ins Land kommen, wird schon alles gut werden. Dabei gibt es ja tatsächlich
Probleme in Frankreich in dieser Frage, das ist unbestreitbar, aber diese
sind nicht auf solch eine simple Art zu lösen, indem man einfach
einen Riegel vorschiebt und kleinbürgerliche und nationalistisch
geprägte Eigensucht fördert.
In puncto Europa war dieser bislang vollkommen ignorant, wollte am liebsten
den Euro sofort wieder abschaffen und das ganze europäische Zusammenwachsen
wieder rückgängig machen. Es war nicht schwer zu sehen, wem
das nützen würde. Vor ein paar Tagen äußerte Le Pen
in einem Interview mit dem „Figaro“, daß man zwar „die
Verhandlungen mit der Türkei sofort abbrechen“ müsse,
er sich aber „ein Europa der Nationen“ welches „von
Brest bis Wladiwostok“ reiche, und „die slawische und orthodoxe
Welt wieder in die europäische Gemeinschaft integrieren“ würde,
vorstellen könne...???...An was für Koalitionen wird denn hier
gebastelt?
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist noch, daß gewisse sogenannte
linke Organisationen wie „mai68.org“ (die übrigens namentlich
bei den Unruhen 2005 sich für die Jugendlichen der Banlieues eingesetzt
haben, zum Teil mit richtigen Argumenten gegen den Industrieabbau und
die ökonomischen Verwerfungen etc.) sich jetzt dadurch hervortun,
daß sie gewisse rechte Parolen eines Le Pen und Co. noch quasi auf
die Spitze treiben. Sie kommen mit dem Vorstoß „A bas l`Europe!“,
was soviel heißt wie „Nieder mit Europa !“ und fordern
den sofortigen Austritt Frankreichs aus der Europäischen Gemeinschaft
sowie die Wiedereinführung des franc. Begründen tun sie diesen
Unsinn damit, daß ihre „nationale Identität“ eben
die Revolution sei, während ein europäischer Zusammenschluß
eben einer von Ausbeutern und Reaktionären sei und “die Bourgeoisie
das revolutionäre Frankreich im reaktionären Europa ertränken“
wolle ! Fragt man sich: wo bleiben denn hier die übrigen Völker?
Gibt es etwa nur in Frankreich Revolutionäre? Man muß schon
sagen, daß diese Leute es fertigbringen, den Erzrechten in punkto
nationalistischer Überheblichkeit den Rang abzulaufen.
Angesichts derartiger
Konstellationen ist klar, daß man auch bei uns gespannt nach Frankreich
schaut, was für ein Ergebnis bei dieser Wahl herauskommen wird.
Eins ist auf jeden
Fall deutlich erkennbar: Versuche, Europa wieder zu zerspalten und Voraussetzungen
zu schaffen, sogar einzelne Staaten wieder gegeneinander aufzuhetzen,
sind kontraproduktiv und äußerst schädlich für die
werktätigen Massen in sämtlichen europäischen Staaten und
müssen von allen fortschrittlichen und linken revolutionären
Kräften entschieden bekämpft werden. Von daher hat eine solche
bürgerliche Wahl auch eine Bedeutung und ein Gewicht. Wenn manche
Linken zuweilen vertreten, es sei gleichgültig, welche bürgerliche
Kraft in einem Land die politische Führung erlangt, da sie ja angeblich
sowieso in jedem Fall reaktionär und gegen den Fortschritt gerichtet
ist, so muß man ihnen in der heutigen Situation deutlich widersprechen.
Ebenso wenig wie es egal ist, ob der Faschismus in einem Land an die Macht
gelangen kann, ebenso wenig ist es egal, ob eine einzelne rechte Clique
oder eine Koalition bourgeoiser rechter Cliquen im Interesse internationaler
Subversion und Kriegstreiberei z.B. in Frankreich an die Macht gelangt,
auch noch scheinbar legitimiert durch eine formal demokratische Wahl.
Die Töne, die z.B. Sarkozy oder auch Segolène Royal, ganz
zu schweigen von Le Pen und Co. verstärkt von sich geben in Hinblick
auf einen rückwärts gerichteten isolierten sog. Französischen
„Nationalismus“, ein Sich-Zurückziehen auf Frankreich
können gefährlich sein und deuten in eine solche Richtung. Dem
sollte und muß mit entschiedener Ablehnung begegnet werden.
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