Internet Statement 2007-35

 

Zum 1. Mai

Sich international ausrichten!

Klas Ber, 28.4.07   

Die Belegschaften hier, alle Beschäftigten oder auch Arbeitslose, wie auch große Teile der Bevölkerung sehen sich einem ständigen Druck ausgesetzt, ihnen wird eine Verschlechterung nach der anderen diktiert – auch wenn es allenthalben zu Protesten, Widerstand, Streikaktionen usw. kommt. In einigen Bereichen, z.B. der sog. Zeitarbeitsbranche, wo teilweise Löhne gezahlt werden, die nicht einmal mehr zum Leben ausreichen, sind die Grenzen des Erträglichen für die Menschen schon überschritten. Die Auspressung wird immer weiter auf die Spitze getrieben, und es ist einfach eine Notwendigkeit, mit einem wirklich entschiedenen Auftreten und organisiertem Kampf politisch und gewerkschaftlich dagegen vorzugehen. Dabei wird man nur vorankommen, wenn auch die KollegInnen in den anderen Ländern unterstützt werden und wir uns in den Kämpfen mit ihnen zusammenschließen.

Wenn man da nun den Aufruf des DGB und der Gewerkschaftsführung für ihre 1.Mai-Veranstaltungen in die Hand bekommt, so denken die nicht mal daran, für solch einen notwendigen Kampf zu stehen. Nicht einmal Erwähnung findet auch nur irgend etwas vom Internationalismus der Arbeiter in diesem Aufruf.
Aus der jahrelangen Praxis und der Erfahrung mit der Gewerkschaftsführung muß man sogar festhalten: seit Jahrzehnten schon begleiten sie hier Industrieabbau und Verlagerungen, Outsourcing und Umstrukturierungen der Arbeitsverhältnisse nach unten. Ohne ihre „sozialverträgliche“ Begleitung würden diese Verwerfungen hier gar nicht laufen. Kämpfe dagegen werden an den entscheidenden Punkten abgewürgt, wie z.B. bei AEG-Nürnberg oder Bosch-Siemens Berlin.
Diese ökonomischen Verwerfungen gehören aber zu den Voraussetzungen, auf denen die weiteren Erpressungen gegen Belegschaften und die Niederdrückung von Arbeitslosen, Jugendlichen, Schülern, Studenten, Kleinunternehmen, Franchisern, Scheinselbständigen usw. hier laufen. Diese Rolle, die die Gewerkschaften spielen, kann man nicht außen vor lassen, dies muß weiter behandelt werden.

Der DGB jammert „Die zunehmende Privatisierung sozialer Sicherung und die ausufernde prekäre Beschäftigung stellen die Lebensperspektiven von Millionen Menschen in Deutschland und Europa immer mehr in Frage“, statt daß wirklich konkret mit einer Organisierung länderübergreifender gemeinsamer Kämpfe hier in Europa dagegen gehalten wird. Wo sind z. B. an diesem 1.Mai die gemeinsamen Kundgebungen mit internationalistischem Charakter, die es ja durchaus auch schon mal gegeben hat, um den Zusammenschluß voranzubringen?
Nein, der DGB-Aufruf dieses Jahres „Du hast mehr verdient! - Mehr Respekt. Soziale Sicherheit. Gute Arbeit.“ ist geradezu auffällig darauf ausgerichtet, internationale Zusammenhänge auszuklammern und außen vor zu lassen. Aber gerade die internationalen Zusammenhänge werden doch immer vielfältiger und intensiver über alle Ländergrenzen hinweg und bieten Potential. Man braucht nicht Ökonom zu sein, um zu wissen, wie sehr die hiesige Wirtschaft eine exportorientierte ist und wie hoch bereits der Anteil von Arbeit der KollegInnen anderer Länder an der hiesigen Produktion ist, der in die Produktion hier einfließt und auch zur Grundlage für die hiesige Produktion gehört. Die Werte werden gemeinsam geschaffen. Und man muß auch gemeinsam kämpfen. Darin liegt Potential und Kraft für uns, und das muß von den ArbeiterInnen genutzt werden.

Mag das Kapital auch von Land zu Land wandern um neue Ausbeutungsmöglichkeiten zu finden und den Ansprüchen der ArbeiterInnen aus den Ländern hier zu entgehen versuchen, dabei entsteht mit der sog. Globalisierung auch weltweit eine größere Arbeiterklasse, die ihrerseits beginnt für ihre Rechte zu kämpfen. Der Klassenkampf wird sich auch dort entwickeln, wird weiter gehen.

Zum Beispiel haben die Petersburger Fordarbeiter, die im Februar trotz gerichtlichem Verbot in den Streik traten, 14 und 20 Prozent mehr Lohn und Gehalt und weitere Sozialleistungen durchgesetzt. Kürzlich haben die KollegInnen bei Skoda in Tschechien eine Lohnerhöhung von 12,7 Prozent durchgesetzt. Dabei spielte die sich entwickelnde gegenseitige Unterstützung über die Ländergrenzen hinweg eine Rolle. Und dies sind nur zwei Beispiele.
Sich zusammenzuschließen mit der weltweit wachsenden und sich entwickelnden Arbeiterklasse und die hiesigen Erfahrungen aus den Klassenkämpfen einbringen, das eröffnet uns eine Perspektive.
Dagegen müssen solchen Erbärmlichkeiten, wie sie der DGB vom Stapel läßt: „Wir verlangen mehr soziale Verantwortung vor allem von jenen, die andere oder Geld für sich arbeiten lassen“ eine Abfuhr bekommen.

Zufall sind solche Dinge bei der Gewerkschaftsführung allerdings nicht, sondern rühren aus den Verknüpfungen mit höchsten, auch internationalen Finanzkreisen.

Zum Beispiel kam erst kürzlich folgende Meldung: Union Network International (UNI), ein internationaler Gewerkschaftsverband, zu dem auch ver.di gehört, hat sich in die Auseinandersetzung bei der Deutschen Telekom eingeschaltet. Bekanntlich sollen bei der Telekom nicht weniger als 50.000 Mitarbeiter aus dem Konzern ausgelagert werden und künftig zu radikal verschlechterten Bedingungen arbeiten. Als ein Haupttreiber dieser asozialen Umstrukturierung wird der internationale Finanzinvestor Blackstone genannt, ein Großaktionär der Telekom, und demgegenüber hat nun Philip Jennings, der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes UNI, in einem Brief an die Blackstone-Führung gedroht, die Milliarden von Pensionsgeldern, die UNI-Gewerkschaften in Fonds von Blackstone gesteckt haben, zu überdenken. "Wenn wir über Optionen für Investitionen in Fonds entscheiden, dann könnten wir sehr wohl empfehlen, dass Blackstone nicht mehr berücksichtigt wird", heißt es im Scheiben von Philip Jennings an Blackstone. Ein kleiner Einblick, wie Finanzkonzerne, die hier und weltweit an der Zerschlagung von Produktionsbetrieben und der skrupellosen Auspressung von Belegschaften beteiligt sind, mit Gewerkschaftsgeldern gefüttert werden, und wie sich Gewerkschaftsführungen selbst finanziell vom Erfolg solcher Finanzhaie bei der internationalen Auspressung abhängig gemacht haben. Die Umverlagerung von Gewerkschafts-Milliarden in andere derartige Fonds würde an dieser Abhängigkeit nichts ändern.

Mag sich die DGB-Führung selbst vor dem Kapital und inbesondere dieser Art von Finanzkapitalismus erniedrigen, Gesellschaftsverhältnisse, in denen derartige Kreise bestimmen, gehören bekämpft und abgeschafft. Diese Zielsetzung gehört zum gewerkschaftlichen Kampf dazu. Dann hat er Perspektive.

Viele KollegInnen aus den Gewerkschaften werden, weil sie ehrlich um die Dinge bemüht sind und es eben auch keine andere Organisation für die ArbeiterInnen hier gibt und es ganz ohne Gewerkschaften noch ganz anders aussehen würde, an den Kundgebungen teilnehmen.
Etliche Belegschaften, die aktuell in Auseinandersetzungen gegen Arbeitsplatzabbau, Verlagerung, Outsourcing, Lohnreduzierung usw. stehen, z.B. Airbus, Siemens VDO oder die KollegInnen der Telekom, werden mit Recht diese Kundgebungen auch nützen. Unterstützen wir sie weiter in ihrem Kampf.
Aber wir sollten uns klar vor Augen halten, daß mit einer Politik, die so grundsätzlich die Unterordnung unter die Kapitalinteressen betreibt, wie es die Gewerkschaftsführung tut, gebrochen werden muß.


 

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