Internet Statement 2007-36 [Als Flugblatt am 1.Mai in Dortmund verteilt.]
Ein paar Sätze über die hintergründigen Beziehungen der Neonazis zum Staat und zum Kapitalismus Walter Grobe 30. 4.07 Die Neonazis haben angekündigt, zum 1. Mai 2007 in Dortmund eine größere Zahl von Anhängern zusammenzuholen und die bisherigen Belästigungen und Provokationen der Bevölkerung zu verschärfen. Viele Bürger sind empört und werden, so darf man hoffen, dies deutlich bekunden. Allerdings muß auch einmal Klartext über die Hintergrundbeziehungen der Neonazis zum Staat und zum Kapital gesprochen werden. Wie kann es denn überhaupt sein, daß trotz ständiger großer Proteste demokratischer und antifaschistischer Kräfte, trotz einer weit überwiegenden Ablehnung des Neonazitums in der Bevölkerung solche reaktionären Vorstöße verstärkt werden? Warum wird ihnen vom Staat, von Polizei und Justiz immer wieder Raum gegeben? Wie kann es sein, daß sie sogar mit einem „antikapitalistischen“ Rummel auftreten können? Jeder, der sich auch nur ein bißchen in der Geschichte auskennt,
weiß, daß der angebliche Antikapitalismus der früheren
und der heutigen Nazis aus nichts als Betrug besteht. Die Anhänger
dieser Richtung haben in der Geschichte den wüstesten kapitalistischen
Ausbeutern und Kriegstreibern als Werkzeug gedient. Sie haben sich als
diejenigen erwiesen, die das deutsche Volk am tiefsten erniedrigt haben.
Den Intrigen von inländischen wie auch internationalen Kapitalistenkreisen,
und nicht etwa einer Mehrheit der Bevölkerung verdankte das Naziregime
vor und nach 1933 seinen Aufstieg und seinen Zugriff auf die Staatsmacht.
Die Mehrheit hatten die Nazis in gesamtdeutschen Wahlen nie errungen,
bevor sie im Januar 1933 durch eine Intrige die Regierung in die Hände
bekamen, den Reichstag anzündeten und dann mit ihrem Terror die letzten
Wahlen deformierten. Heute werden wieder Menschen, vor allem Jugendliche, denen der Kapitalismus
jede Perspektive zerstört, von einem sog. Antikapitalismus und einem
vermeintlichen Eintreten für die eigene Nation geködert, aber
die Strippenzieher der Neonazis sitzen fett in eben dem System, vom dem
die Perspektivlosigkeit ausgeht. Sie sollen die Hintergründe politisch
nicht durchschauen, indem man sie in düstere Milieus von Irrationalität
und Verbrechen einzuspinnen weiß. Schulen und Medien dieses heutigen
Staates betreiben selbst zumeist alles andere als eine wirkliche Aufdeckung
dieser Verknüpfungen in Vergangenheit und Gegenwart. Die polizeilichen Planungen und sogar auch bestimmte Erscheinungen bei den Gegenkundgebungen begünstigen heute einmal mehr faktisch das Naziunwesen, obwohl man offiziell Abscheu bekundet. Das muß man leider einmal feststellen. Gewerkschaften, SPD, Stadtspitze und Kirchen rufen zu einer Kundgebung
weitab vom Geschehen auf dem Theatervorplatz auf. Dort wird nichts herausspringen
als ein paar vielleicht gutgemeinte, aber politisch oberflächliche
Sätze, die man schon oft gegen den Neonazismus gehört hat. Denjenigen
Nazigegnern aber, die nicht bloß abseits vom Schuß ihre saubere
Gesinnung bekunden wollen, bieten bestimmte Organisatoren eine sog. Antifa-Demo
an, die vom Hauptbahnhof starten und den Nazis direkt entgegentreten will.
Die politische Leitlinie ihres Aufrufs ist mit Parolen wie
„Deutschland verraten!“ jedoch völlig inakzeptabel.
Die Kräfte, die so etwas schreiben, sind offenbar der Meinung, daß
das deutsche Volk überwiegend aus Nazis oder einem heute etwas modernisierten,
insgeheim dieselben Ziele verfolgenden rassistischen Mob besteht - daß
die Deutschen tatsächlich so wären, wie Nazis sie gern hätten.
In Wirklichkeit hat das deutsche Volk, insbesondere die deutsche Arbeiterbewegung,
in der Vergangenheit mächtige fortschrittliche und revolutionäre
Bewegungen und eine großartige aufgeklärte Kultur hervorgebracht.
Nur mit politischem Betrug, brutaler Unterdrückung der Arbeiterbewegung
und aller anderen Gegner, und mit viel Unterstützung internationaler
kapitalistischer Kräfte konnte es überhaupt zu einer 12-jährigen
Nazi-Diktatur in Deutschland kommen. Auch heute bekunden die Wahlergebnisse
der Neonazis, daß die ganz große Mehrheit sie ablehnt. Solche
sog. Antifa- und Antideutschen-Parolen leiten allerdings selbst Wasser
auf die Mühlen der Neonazis, denn mit Recht sind viele Menschen hier
allergisch gegen die permanente Heruntermachung der eigenen Nation und
spüren die Drohung gegen ihre Existenz, die in solch einem Schmutz
enthalten ist, der selbst äußersten Rassismus enthält.
Dieser Staat hat, das muß man leider feststellen, durchaus ein Interesse daran, daß Nazidemagogen vielleicht einen Teil der Jugend beeinflussen, der hier keine Perspektive mehr hat. Ebenso hat er auch ein Interesse, daß die Neonazi-Szene immer wieder neue Provokationen vom Zaun bricht, damit die demokratisch und links eingestellten Menschen gar nicht erst dazu kommen, sich mit den dominanten Fragen auseinanderzusetzen, wie z.B.: Wie kann die kapitalistische Politik, immer mehr Industrie ins Ausland zu verlagern, immer mehr Bürger in die Arbeitslosigkeit zu schicken, sie in Rentner oder Billiglöhner zu verwandeln und große Teile der Jugend in die Perspektivlosigkeit fallen zu lassen, wirksam bekämpft werden? Wie kommen wir zu internationaler Solidarität mit den Arbeitern und Arbeitslosen anderer Länder, bspw. in Osteuropa, die jetzt noch gegen uns ausgespielt werden, aber mit denen wir nur gemeinsam diesem Kapitalismus Schranken setzen können? Das sind Fragen, die auch die Gewerkschaftsführungen bis heute unbedingt umgehen wollen und bei denen SPD und Kirchen, der ganze offizielle, angeblich demokratische Parteienapparat kneift, weil sie die Substanz des Kapitalismus berühren und auch ihre eigene staatstragende Rolle mit ganz großen Fragezeichen versehen. Die Neonazi-Provokationen, aber auch bestimmte Spielarten des „Antifaschismus“ dienen auch dem Zweck, das heutige Kapitalsregime und den hinterhältigen Staat aus der Schußlinie zu bekommen. Das wird ihnen immer weniger gelingen. Jedenfalls ist es unerhört von diesem Staat, der Bevölkerung
immer wieder mit diesen Provokateuren und Verbrechern auf den Nerv zu
gehen, sie staatlich zu schützen und denen, die dagegen sind, immer
wieder die Fruchtlosigkeit ihres Kampfes einzubläuen. Unter diesem
Staat riskiert man viel, unter Umständen sogar Gesundheit und Leben,
sei es durch Nazischläger, sei es durch ungerechtfertigte polizeiliche
und gerichtliche Verfolgung, wenn man der elementaren demokratischen Pflicht
nachkommt und dem Naziunwesen entgegentritt. Es ist zwar nichts dagegen
einzuwenden, wenn Stadtspitze, Gewerkschaften und Kirchen sich gegen die
Provokation erklären und dagegen aufrufen, aber es ist schlecht,
daß damit systematisch der Kapitalismus zugedeckt werden soll. Auch
die Rolle des Staates, von dem sie ein Teil sind, bei der Begünstigung
des gesellschaftlich zerstörerischen Kapitalismus und auch der Naziumtriebe
im besonderen, darf nicht mehr ausgeklammert werden, sonst sind solche
Gewerkschafts- und SPD-Kundgebungen Heuchelei.
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