Internet Statement 2007-37

 

Anmerkung zum Tarifabschluß in der Metall- und Elektroindustrie

Ein Beruhigungsbonbon - die Vier vor dem Komma 

Klas Ber 9.5.07  

Allenthalben wird der Tarifabschluß, der zuerst in Baden-Württemberg zwischen IG Metall und Gesamtmetall vereinbart wurde und als Pilotabschluß gilt, in der Presse und vor allem natürlich bei der IG Metall selbst, als Erfolg der IG Metall herausgestellt. Vor allem wegen der Vier vor dem Komma. 6,5 Prozent mehr Lohn hatte die IG Metall als Forderung aufgestellt, vereinbart hat sie jetzt eine Erhöhung um 4,1 Prozent ab 1. Juni 2007. Und rückwirkend für die beiden Monate April, Mai nur eine Einmalzahlung von 400 Euro, die nicht zum festen Bestandteil des Lohnes zählt. Sukzessive sind die übrigen Tarifgebiete jetzt dabei diesen Abschluß zu übernehmen.

Aber für wie viele Betriebe und Belegschaften gilt dieser Tarifabschluß, gelten die Tarifverträge eigentlich noch? In den neuen Bundesländern z.B. ist der Großteil der Betriebe gar nicht mehr im Arbeitgeberverband bzw. schon wieder ausgetreten. Wie sieht es mit den Löhnen für diese KollegInnen aus?

Und was ist mit den vielen Kollegen, die als Leiharbeiter zu Hundertausenden in den gleichen Betrieben arbeiten, die die gleiche Arbeit machen für die Hälfte oder sogar nur ein Drittel des Lohnes? Haben sie etwas von dieser Lohnerhöhung? Nein, überhaupt nicht. Und diese Leiharbeit, Zeitarbeit, prekäre Beschäftigung wird von Staat und Kapital immer weiter vorangetrieben, während die sog. Stammbelegschaften immer weiter reduziert werden. Warum wird nicht in solchen Tarifrunden mit dafür gekämpft, daß diese KollegInnen den gleichen Lohn, die gleichen Lohnerhöhungen bekommen?

In vielen Betrieben ist bereits ERA eingeführt worden, in etlichen sogar gegen den Protest und den Einspruch von ganzen Belegschaftsmehrheiten. Weil die KollegInnen gemerkt haben, wie mit ERA doch für viele, vor allem die Neuen, das reale Einkommen letztlich gedrückt wird. Und diese 4,1 Prozent heben die realen Kürzungen, die durch ERA für die Mehrheit der Kollegen zu tragen sind, nicht wieder auf.


Und das
Schleifen der Industrieproduktion im Lande geht weiter
mit all den Verschlechterungen in den Arbeits- und Lebensverhältnissen, mit all der Lohndrückerei und Billiglohn im Gefolge. Selbst Arbeitsverhältnisse, von dessen Lohn Menschen nicht leben können, nehmen beständig zu. Da zeigt sich die Bourgeoisie beinhart. Und  die Politik der IG Metall, der Gewerkschaften, trägt das ihre dazu bei.

Kollegen bei der Airbus, Telekom, bei Siemens VDO und andere stehen in der Auseinandersetzung. Gestern zogen 2000 KollegInnen, Beschäftigte der Nokia-Siemens Networks in Berlin, mit dem Transparent „Von Siemens geheuert – von Nokia gefeuert?“ vorneweg, zum Hauptgebäude in Siemensstadt um gegen die angedrohten Entlassungen von 3000 KollegInnen anzutreten.

Der Klassenkampf geht weiter und wird härter. Das ist die Realität, der man sich stellen muß. Und nicht die Illusionen, die die Gewerkschaftsführung bei dieser Tarifauseinandersetzung verbreitet, daß es jetzt vor allem darum ginge, am angeblichen Wirtschaftsaufschwung beteiligt zu werden. Da ist man sich relativ schnell einig geworden zwischen IG Metall und Arbeitgeberverband. Beide Seiten hatten klar hervorgehoben, daß sie einen Streik um jeden Preis verhindern wollten. Denn die streikenden Kollegen könnten doch auf die Idee kommen - es liegt ja fast auf der Hand - den Streik für höhere Löhne mit der Forderung nach gleichen Löhnen für die Leiharbeiter und mit den aktuellen Belegschaftskämpfen gegen Produktionsverlagerung und Outsourcing zu verbinden. Das aber soll nicht sein - weder vom Kapital noch von der IG Metall aus.

Da läßt man lieber den sog. Stammbelegschaften mal für kurze Zeit ein kleines "Beruhigungsbonbon" von 4,1 Prozent zukommen, um sie später, im nächsten Jahr oder auch anderweitig wieder um so mehr zu schröpfen.
Was derzeit unter
dem Mantel des sog. Klimaschutzes herkommt, zielt auf die weitere Niederhaltung der modernen Industrieproduktion und Technik, und damit verschafft sich die Bourgeoisie einen neuen Hebel zur verschärften Auspressung der breiten Massen. 

Sich diesen Verhältnissen entgegenzustellen, sich dazu entsprechend international zu organisieren und zurückzuschlagen, ist ein Dreh und Angelpunkt und auch eine Aufgabe für die Belegschaften.


Die IG Metall hat diese Vereinbarung jetzt mit einer Laufzeit von 19 Monaten abgeschlossen. Der Tarifvertrag läuft vom 1.April 07 bis Ende Oktober 2008. Üblich waren einmal 12 Monate. Das bedeutet, daß die nächste Tarifauseinandersetzung bereits um Monate hinausgeschoben wurde, damit das Kapital erstmal in Ruhe seinen Profit machen kann.

Was dann im weiteren den KollegInnen an Lohnerhöhung zugebilligt wurde, das ist geradezu ein Hohn. So sollen sich die Löhne, ab 1.Juni 2008, nämlich nur noch um „weitere“ 1,7 % erhöhen. Dazu kommt noch ein sog. Konjunkturbonus von 0,7 Prozent. Dieser gilt allerdings nur für die Zeit vom 1.Juni 08 bis 31.Oktober 08 und zählt nicht als fester Lohnbestandteil. Die Spitze in der Vereinbarung ist, daß diese lächerlichen Erhöhungen auch noch verschoben und ausgesetzt werden können. Der entsprechende Passus im „Verhandlungsergebnis“ vom 4.Mai, der darauf Bezug nimmt, lautet:

„Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann der Beginn dieser Tarifperiode (2.2.1. und 2.2.2.) entsprechend wirtschaftlicher Lage des Betriebes bis zum 1.Oktober 2008 verschoben werden.“

Dies ist nicht das erste Mal, daß die IG Metall so etwas in einen Tarifvertrag geschrieben hat. Und wer weiß, welchem Druck die Betriebsräte und Belegschaften in den einzelnen Betrieben ausgesetzt sind, kann sich jetzt schon ausrechnen, daß nur ein Teil der Belegschaften diesen Teil der Erhöhung bekommen wird - ein anderer Teil aber erstmal bzw. überhaupt nicht. Also selbst viele Kollegen, deren Betriebe noch tarifgebunden sind, werden nur eine abgespeckte Lohnerhöhung bekommen.

Es ist auch durchaus aufschlußreich, einmal den Vertreter des Kapitals, Kannegießer von Gesamtmetall, zu hören, wie er zum Tarifabschluß Stellung bezieht und dabei die Vorteile für das Kapital herausarbeitet:

„Umgekehrt ist die IG Metall für die zweite Phase weitestgehend unseren Vorstellungen mit einer deutlich niedrigen Prozentzahl, Konjunkturbonus und betrieblichen Differenzierungsmöglichkeiten entgegengekommen. Diese gehen nur nach unten, nicht wie 2006 auch nach oben. Das war für die IG Metall ein schwerer Brocken. Die Firmen können 2008 die gesamte Lohnerhöhung von 1,7 Prozent um vier Monate aussetzen und den zusätzlichen Konjunkturbonus von 0,7 Prozent nach fünf Monaten ganz entfallen lassen.“

„Er gilt für 19 Monate, was uns wichtig war. Für die gesamte Dauer des Vertrages bringt er Belastungen von 3,3 Prozent. 2007 werden diese 3,9 Prozent betragen und 2008 2,1 Prozent. Nutzen Betriebe die Möglichkeit der Absenkung, sinkt die Belastung auf 1,1 Prozent.“    (Kölner Stadt-Anzeiger, v. 7.5.07)

 

 

 

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