Internet Statement 2007-51

mehr zum Telekom-Streik

 

Eindrücke und Fragen anläßlich der Demonstration der streikenden Telekom-Beschäftigten in Offenburg am 6. Juni

Uwe Müller 6.6.07       

An der heutigen lebhaften Demonstration und Kundgebung der streikenden Telekom-Beschäftigten in Offenburg haben über 1000 KollegInnen teilgenommen. Der Demozug ging unter lautem Trillerpfeifen von der Telekom-Niederlassung mitten durch Offenburg hindurch bis hin zum Platz der Verfassungsfreunde. Die Parole des Tages, leider auch die einzige, war "Obermann heißt er - uns bescheißt er!". Die Stimmung unter den Streikenden ist auch in der 4. Streikwoche noch gut und kämpferisch. Der Wille, die Ausgliederungspläne und die geplanten massiven Verschlechterungen durch das Telekom-Management zurückzuschlagen, ist vorhanden. Die Wut auf das Management, insbesondere auf Obermann, ist nach wie vor groß.

In Diskussionen mit einzelnen war aber auch herauszuhören, daß die Zuversicht bei etlichen schon abgenommen hat. Der Streik dauere schon über 3 Wochen, und man ist keinen Schritt weiter gekommen bislang. Wieso nicht endlich den Streik ausweiten, frage ich. Warum nich mehr in die Öffentlichkeit damit? Warum organisiert Ver.di nicht auch endlich aktive Unterstützung aller Telekom-Beschäftigten, z.B. durch einen eintägigen Streik aller Telekom-Beschäftigten? Und besser noch darüber hinaus. Das wäre doch wirklich nötig, der Druck auf das Telekom-Management muß erhöht werden. Wenn ich das anspreche, so kommt von den Streikenden kein Widerspruch, ja durchaus Zustimmung. Das wird aber nicht genügen. Sie selber müssen Druck in diesem Sinne auf ihre Streikleitung ausüben, das kann ihnen keiner abnehmen. Denn von der Ver.di-Streikleitung ist in dieser Hinsicht kaum etwas zu erwarten. das haben auch die heutigen Redebeiträge der Ver.di-Vertreter deutlich gemacht.

Zwar wurde die weitere Entschlossenheit beim Streik bekundet, von einer Ausweitung oder Verschärfung des Streikes war aber nicht die Rede. Es wurde beklagt, daß der Telekom-Vorstand bis dato noch nicht einmal ein Verhandlungsangebot vorgelegt habe. Die Aussage der Streikleiter, man gehe so weit, daß jeder am Ende aus dem Streik mit erhobenem Haupt rausgehen können muß, stimmt auch nicht sonderlich zuversichtlich, das ist doch zu unbestimmt.

Die Streikleiter haben ja recht, wenn sie wie heute auf der Kundgebung sagen, daß es bei diesem Streik nicht um Privilegien geht, sondern um die Verteidigung des Lohnniveaus und um die Verhinderung von Löhnen, von denen keine Familie ernährt werden kann. Die Pläne der Obermann und Co., bei der Telekom für die jungen und neuen Mitarbeiterinnen Tariflöhne von 7,50 Euro durchzudrücken und generell die bestehenden Löhne um bis zu 650 Euro/Monat zu senken, wurden wiederholt unter lautem Applaus zurückgewiesen.

Als der Ver.di-Redner jedoch über die Arbeit in den Call Centern sprach und davon, daß diese bei der Telekom weit komplexer und umfangreicher sei und deshalb höhere Löhne rechtfertige als z.B. bei Call Centern, die bloße Bestellannahmen usw. entgegennehmen, fehlte in seinen Ausführungen etwas Entscheidendes: Er ließ jegliche Solidarität mit den Beschäftigten aus diesen anderen Call Center-Beschäftigten vermissen! Daß diese zum Teil Hungerlöhne von 5 Euro bekommen, war für ihn überhaupt kein Thema. Auch wenn deren Arbeit nicht so komplex sein mag, so müssen doch auch deren Löhne zum Leben und zum Familienunterhalt reichen, oder etwa nicht? Darüber dürfen weder die Telekom-Beschäftigten noch die Ver.di-Streikleiter hinweg sehen, im eigenen Interesse.

Wenn die ver.di-Redner an den Staat appellieren, er möge doch endlich seine Funktion als Hauptaktionär bei der deutschen Telekom im Interesse der Beschäftigten nutzen und auf das Management einwirken, dann ist das wenig erfolgversprechend. Noch weniger erfolgversprechend sind die Verweise auf das Grundgesetz und seiner Formel "Eigentum verpflichtet" oder - bezugnehmend auf den historischen Kundgebungsplatz - auf eine Forderung aus der 1848er-Revolution, 'die Arbeit müsse geachtet werden'. Was können die Streikenden von solchen Appellen an den Staat und an die Bundestagsabegordenten (alle sollen angeschrieben werden) denn erwarten? Was kümmert die das denn? Wieviele Millionen Menschen sind denn hier von Staat und Kapital schon völlig aufs Abschiebegleis geschoben worden, wie viele - und immer mehr - wurden denn schon in Zeit- und Leiharbeit gedrängt, wo die Löhne schon allzu oft nicht einmal mehr fürs Allernötigste reichen? Und kümmert das den Staat oder die Bundestagsabegordneten etwa? Der Streik ist schon das richtige Mittel, er muß aber jetzt ausgeweitet und verbreitert werden, sonst läuft er Gefahr, ins Leere zu laufen.

Zurück zur heutigen Demo und Kundgebung.
Gekommen waren auch Vertreter der schweizerischen und französischen Kommunikations-Gewerkschaften, die beide in ihren Beiträgen auf der Kundgebung ihre volle Solidarität für den Streik bekundet und dafür viel Applaus bekommen haben. Beide haben deutlich gemacht, daß dieser Streik und sein Ausgang Signalcharakter über Deutschland hinaus haben werde. Kommt die deutsche Telekom als größter europäischer TK-Konzern mit ihren Plänen durch, dann werde France Telecom wohl kaum zögern, nachzuziehen.

Von einer Teilnahme seitens anderer Gewerkschaften war nicht viel zu sehen, lediglich ein paar wenige IG Metaller mit ihren Fahnen waren zu sehen. Man muß dabei aber wissen, daß die örtliche IG Metall erst vor 2 Tagen über diese Demo und Kundgebung informiert wurde. So konnte so natürlich keine Mobilisierung mehr in den Betrieben zustandekommen, was sehr schade ist, denn in den Betrieben ist die Unterstützung für den Telekomstreik recht groß. Warum schöpft die Ver.di-Streikführung diese Solidarität denn nicht aus? Immerhin durfte der örtliche IG Metall-Vertreter das Wort ergreifen, wobei er klare und deutliche Worte gegen das Telekom-Management und den Raubzug des Kapitals überhaupt gefunden und den Streikenden alle Solidarität zugesagt hat. Er hat es aber leider versäumt, die Teilnehmer über die viel zu späte Information durch Ver.di zu informieren. Schade, denn so wird es das nächste Mal wohl nicht besser funktionieren.

 

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